Ibogain


Strukturformel
Struktur von Ibogain
Allgemeines
Name Ibogain
Andere Namen
  • (−)-Ibogain
  • 12-Methoxy-Ibogamin
Summenformel C20H26N2O
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
  • 83-74-9
  • 5934-55-4 (Hydrochlorid)
PubChem 363272
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Eigenschaften
Molare Masse 310,44 g·mol−1
Schmelzpunkt

148 °C [1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [2]
Gefahrensymbol

Achtung

H- und P-Sätze H: 302
P: keine P-Sätze [2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Ibogain ist ein Indolalkaloid mit im weiteren Sinne halluzinogener Wirkung. Es kommt in verschiedenen Hundsgiftgewächsen vor; darunter vor allem Tabernanthe iboga.

Geschichte

Ibogain wurde erstmals 1901 sowohl von Dybowski und Landrin[3] als auch von Haller und Heckel aus der Wurzelrinde der Tabernanthe iboga extrahiert. Im selben Jahr beobachteten französische Pharmakologen eine ungewöhnliche Art der Erregung bei Tieren. Phisalix vermutete eine halluzinogene Wirkung aufgrund des veränderten Verhaltens von Hunden. Nach weiteren klinischen Tests wurde das Alkaloid zur Unterstützung der Rekonvaleszenz und bei Neurasthenie empfohlen, wurde dann aber kaum eingesetzt. In den 1940er Jahren veröffentlichte Raymond-Hamet mit Kollegen Untersuchungen zur pharmakologischen Wirkung auf isoliertes Zellgewebe und das kardiovaskuläre System.

In Frankreich wurde von 1939 bis 1967 ein Stimulans namens Lambarene verkauft. Eine Tablette enthielt 8 mg Ibogain, welches aus Tabernanthe manii, einer Verwandten der Tabernanthe iboga, extrahiert wurde. Ein weiterer Ibogainextrakt, Iperton, wurde als Tonikum verkauft.

Die anspruchsvolle Totalsynthese gelang 1966 G. Büchi.[4] Seitdem wurden weitere totalsynthetische Zugänge entwickelt[5], allerdings wird für die Anwendung im Drogenentzug oder als Psychedelikum generell nur aus der Pflanze extrahiertes Ibogain verwendet.

Iboga und Ibogain sind bereits seit 1967 in den USA verboten (Schedule I).

1989 wurde Ibogain in die Dopingliste des Internationalen Olympischen Komitees aufgenommen.

Wirkung

Ibogain wirkt in geringen Dosen stimulierend. Höhere Dosierungen (ab 5–10 mg/kg Körpergewicht) lösen Visionen aus, d. h., bei geschlossenen Augen werden in einer Art traumähnlichem Erleben schnelle Abfolgen von Bildern und Filmen gesehen, oft mit intensivem emotionalem und auch religiös-mystischem Empfinden. Halluzinationen bei geöffneten Augen treten hingegen kaum auf. Daher ist die Wirkung nicht mit der von bekannteren Psychedelika wie LSD vergleichbar. Es wurde vorgeschlagen, statt „halluzinogen“ das Wort „oneirisch“, d. h. traum-erzeugend, zu verwenden.

Die Wirkung hält zwischen acht und zwölf Stunden an, wobei die akut visionäre Phase nur vier bis acht Stunden dauert. Rund ein Fünftel der Konsumenten berichtet von subjektiven Nachwirkungen noch 24 Stunden nach der Einnahme, 15 Prozent sogar noch nach 36 Stunden.

Noch höhere Dosierungen führen zu Krämpfen, Lähmungserscheinungen und können im Tod durch Atemstillstand enden. Des Weiteren besteht die Gefahr von Herzrhythmusstörungen, was im schlimmsten Fall zum plötzlichen Herztod führen kann.

Ibogain vermindert den Blutdruck, den Appetit und die Verdauungstätigkeit und ist daher möglicherweise auch ein Cholinesterasehemmer.

Verwendung zum Drogenentzug

In den 1960er-Jahren entdeckte Howard Lotsof die suchtunterbrechende oder suchtvermindernde Wirkung[6] von Ibogain und erhielt in den 1980er und 90er Jahren mehrere US-Patente für die Therapie mit Ibogain. Ein erforschter Effekt ist sowohl die Verbesserung der Entzugssymptomatik bei Opiatentzug als auch der potentielle Nutzen in der Behandlung von Nikotin-, Methamphetamin-[7]-, Alkohol- und anderer Substanzabhängigkeit.[8]

Seit Mitte der 1980er Jahre bieten Selbsthilfeorganisationen und Privatleute, aber auch Ärzte, den Entzug mit Ibogain an, sowohl in klinischer wie auch in informeller Umgebung. Während Ibogain in den meisten Ländern zwar nicht als Medikament zugelassen, aber auch nicht illegal ist, hat sich in den USA aufgrund des dortigen Verbots eine Untergrundbewegung gebildet.[9] Dennoch wurde es als Hilfsmittel in der Psychotherapie verwendet.[10]

Der genaue Wirkungsmechanismus, nach dem das Alkaloid Abhängigkeiten durchbrechen soll, ist nicht bekannt. Probanden, denen Ibogain verabreicht wurde, beschrieben wiederholt, dass sie während des Rausches Situationen wiedererlebt hatten, die ihrer Meinung nach für ihre Abhängigkeit ausschlaggebend waren. Andere berichteten von Visionen, die ihnen halfen, die ihrer Sucht zugrundeliegenden Ängste zu erkennen und zu überwinden.

Pharmakologie

Ibogain soll einen relativ schnellen und schmerzfreien Entzug von Opiaten ermöglichen [11]. Neuere Untersuchungen deuten auf eine Erhöhung des Nervenwachstumfaktors GDNF (Glial Cell Line-Derived Neurotrophic Factor) im Gehirn hin. Im Tierversuch konnte nachgewiesen werden, dass an Alkohol gewöhnte Ratten bei erhöhtem GDNF-Pegel im Gehirn weniger Ethanol konsumierten und auch nach einer zweiwöchigen Abstinenzphase eine geringere Rückfallquote aufwiesen als eine unbehandelte Kontrollgruppe.[12]

Ibogain wird in der Leber zu Noribogain (12-hydroxyibogamin)[13] metabolisiert, welches einem moderaten Depot-Effekt unterliegt. Man geht heute nicht davon aus, dass Noribogain die zentrale Rolle beim Abstinenz-Phänomen spielt.

Aufgrund von Nebenwirkungen und der nicht gegebenen toxikologischen Unbedenklichkeit wird die Verwendung von Ibogain als Arzneimittel für die Zukunft wahrscheinlich ausgeschlossen bleiben. Bemühungen, verbesserte Wirkstoffe zu entwickeln und ferner den Wirkmechanismus des Abstinenz-Phänomens zu erklären, führten zu einer Reihe von synthetischen Ibogain-Derivaten. Das Derivat 18-Methoxycoronaridin, kurz 18-MC, zeigte in Tierversuchen deutlich geringere Nebenwirkungen als Ibogain. Pharmakologisch ist diesen Verbindungen gemein, dass sie kanalblockierend an einen speziellen Nikotin-Rezeptor vom Subtyp alpha3beta4 binden.[14][15][16][17]

Derzeit leitet Deborah Mash ein Forschungsprojekt an der University of Miami, School of Medicine.

Rechtslage

In Deutschland unterliegt Ibogain nicht dem BtMG. Es fällt jedoch unter die Definition von § 2 Abs. 1 des AMG, sobald es für die medizinisch-biologisch wirksame Anwendung an Mensch oder Tier bestimmt ist. Somit ist Herstellung und Verkauf einer Substanz nach dem AMG reguliert, unabhängig davon in welcher Form die Substanz vorliegt, wenn sie in Bestimmung § 2 Abs. 1 erfüllt.[18][19] Der Verkauf und die Herstellung von Arzneimitteln ohne Genehmigung ist strafbar nach AMG § 2 Abs. 1 Nr. 5 a. F., § 2 Abs. 1 Nr. 2a n. F., § 5, § 95 Abs. 1 Nr. 1, StPO § 354a. Dies wurde in einem Urteil des Bundesgerichtshofs zu der frei verfügbaren Chemikalie γ-Butyrolacton (GBL) bestätigt, welche nach dem AMG als Arzneimittel eingestuft wird, sobald sie für den Konsum bzw. Gebrauch an Mensch oder Tier bestimmt ist.[20][21]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Eintrag zu Ibogain in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM).
  2. 2,0 2,1 2,2 Datenblatt Ibogaine hydrochloride bei Sigma-Aldrich (PDF).Vorlage:Sigma-Aldrich/Abruf nicht angegeben
  3. J. Dybowski, E. Landrin C. R. Acad. Sci. 1901, Vol. 133, S. 748. (pdf, engl.).
  4. G. Büchi: The Total Synthesis of Iboga Alkaloids. In: J. Am. Chem. Soc. 1966, Vol. 88 (13), S. 3099–3109. (pdf, engl.).
  5. C. Frauenfelder Dissertation 1999, S. 24 (pdf).
  6. K.R. Alper, H.S. Lotsof, G.M. Frenken , D.J. Luciano , J. Bastiaans 1999 234–42.
  7. Giannini, A. James: Drugs of Abuse. 2nd Auflage. Practice Management Information Corporation, 1997, ISBN 1-57066-053-0..
  8. K.R. Alper, H.S. Lotsof, G.M. Frenken , D.J. Luciano , J. Bastiaans 1999 234–42.
  9. H.S. Lotsof (1995). Ibogaine in the Treatment of Chemical Dependence Disorders: Clinical Perspectives (Originally published in MAPS Bulletin (1995) V(3):19-26).
  10. Naranjo, Claudio: The healing journey: new approaches to consciousness. Pantheon Books, New York 1973, ISBN 0-394-48826-1, V, Ibogaine: Fantasy and Reality, S. 197–231 (desk.nl).
  11. ibeginagain.org: "Ibogain Therapie Fragen und Antworten"
  12. "wissenschaft.de" 2005.
  13. S.D. Glick: Ibogaine-like effects of noribogaine in rats. In: Brain Res. 713(1–2). Jahrgang, 1996, PMID 8725004, S. 294–7.
  14. O.D. Taraschenko: Is antagonism of alpha3beta4 nicotinic receptors a strategy to reduce morphine dependence? In: Eur. J. Pharmacol. 513(3). Jahrgang, 2005, PMID 15862802, S. 207–18.
  15. C.J. Pace: Novel iboga alkaloid congeners block nicotinic receptors and reduce drug self-administration. In: Eur. J. Pharmacol. 492(2–3). Jahrgang, 2004, PMID 15178360, S. 159–67.
  16. I.M. Maisonneuve (2003). Anti-addictive actions of an iboga alkaloid congener: a novel mechanism for a novel treatment. Pharmacol. Biochem. Behav. 75(3), 607–18 (engl.).
  17. Link-Sammlung bei "ibogaine.org" (engl.).
  18. Erwin Deutsch, Rudolf Ratzel, Hans-Dieter Lippert: Kommentar zum Arzneimittelgesetz (AMG). 3. Auflage, Gabler Wissenschaftsverlage, 2010, ISBN 978-3-6420-1454-3, S. 64–66.
  19. ArzneimittelG § 2 Abs. 1 Nr. 5 a. F., § 2 Abs. 1 Nr. 2a n. F., § 5, § 95 Abs. 1 Nr. 1. Abgerufen am 16. Mai 2012.
  20. Martin Kämpf: Strafrecht: Handel mit Gamma-Butyrolacton (GBL, liquid ecstasy) zu Konsumzwecken. 25. Juli 2011.
  21. Das unerlaubte Inverkehrbringen von Gamma-Butyrolacton (GBL) zu Konsumzwecken ist nach dem Arzneimittelgesetz strafbar. BGH-Urteil vom 8. Dezember 2009, 1 StR 277/09, LG Nürnberg-Fürth bei Lexetius.com/2009,3836.

Weblinks

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