Insulinähnliche Wachstumsfaktoren


Kalottenmodell des IGF-1 nach NMR-Strukturdaten[1]

Insulinähnliche Wachstumsfaktoren (engl. Insulin-like growth factors, IGF) sind Polypeptide, die eine hohe Sequenzhomologie zu Insulin zeigen und als Wachstumsfaktoren wirken (Wachstum und Differenzierung von Zellen). Sie werden in den Leberzellen, aber auch in anderen fetalen bzw. adulten Geweben gebildet. Sie sind Teil eines komplexen Systems, das Körperzellen nutzen, um mit ihrer Umgebung zu kommunizieren. Dieses System, das oft auch als IGF-Achse bezeichnet wird, besteht aus zwei Membranrezeptoren (IGF1R und IGF2R), zwei Liganden, einer Gruppe von sechs IGF-Bindungsproteinen (IGFBP 1-6), sowie einigen IGFBP-assoziierten Proteasen.

Funktionen

Insulin-like growth factor 1 (IGF-1), auch Somatomedin C (SM-C) genannt, ist ein Wachstumsfaktor, der strukturell dem Insulin sehr ähnlich ist. Er wird hauptsächlich von der Leber nach Stimulation mit dem Wachstumshormon Somatotropin sezerniert. Seine Wirkung kann IGF-1 über membranständige IGF-Rezeptoren entfalten. Diese sind in fast allen Geweben und den meisten Zelltypen nachweisbar. Er spielt eine große Rolle in der Wachstumsphase des Organismus. Eine Gendeletion des IGF-1 Gens hat entsprechende Folgen.[2] In Studien konnte ein Einfluss von IGF-1 auf die Regulation sowohl von physiologischen Zuständen als auch von pathologischen Zuständen vor allem in der Krebsentwicklung[3] nachgewiesen werden. Hierbei wurde ein Einfluss auf die Zellproliferation und die Apoptoseverhinderung beschrieben. IGF 1 besteht aus 70 Aminosäuren in einer einzelnen Kette mit drei Disulfidbrücken[4] und hat eine molare Masse von 7,6 kDa.[5] Die genetische Information von IGF-1 wird im Chromosom 12 codiert.[6] IGF-1 kann auch zur Behandlung von degenerativen Muskelerkrankungen dienen[7].

Insulin-like growth factor 2 (IGF-2), auch Somatomedin A (SM-A) genannt, ist ein Wachstumsfaktor, der für die frühe Zellentwicklung eine wichtige Rolle zu spielen scheint, also eventuell in der Fetalphase, während IGF-1 eher zu einem späteren Zeitpunkt für die Wachstumsmaximierung zuständig ist.

IGF-2 und Erforschung von Tumorwachstum

Die Subtypisierung von Lebertumoren aufgrund der speziellen Aktivität von IGF-2 und IFN-regulierter Gene (siehe auch Interferone) ist möglich.[8] Beachtlich ist auch die Beteiligung von IGF-2 bei Hirntumoren im Kindesalter [9] und auch bei Brustkrebs[10]. Chronisch erhöhte Serumspiegel von IGF-2 (wie auch von IGF-1) könnten auch das Risiko für die Entstehung und Progression von Prostatakrebs entscheidend beeinflussen.[11] Die genetische Information von IGF-2 wird im Chromosom 11 codiert.[12]

Einsatz als Dopingmittel

IGF1 wird häufig als Dopingmittel (derzeit eine "Modedroge"), etwa im Bodybuilding missbraucht (Kontrolle des Muskelwachstums). Es ist der anabolste Dopingstoff, der bekannt ist, sogar, anaboler als Insulin selbst.[13][14] IGF1 hat die Fähigkeit, die Hypertrophie von Muskelzellen zu beeinflussen (das Größenwachstum der Muskelzellen). Es gleicht in seiner Wirkung dem Somatropin, da es auf ähnliche Weise Nährstoffe, insbesondere Aminosäuren und Kohlenhydrate verstärkt in die Muskelzellen einschleust. IGF1 erhöht die Stickstoffzurückhaltung und hat damit ebenfalls eine fettabbauende Wirkung, ähnlich wie das Wachstumshormon Somatotropin. Um die Wirkung des IGF1 zu verstärken, wird es mit Testosteron und insbesondere mit Trenbolon eingenommen.[15] Das Zentrum für Präventive Dopingforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln gab im September 2011 bekannt, eine Methode entwickelt zu haben, um die synthetischen Abkömmlinge des IGF-1 nachzuweisen, das Verfahren wurde von der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada zugelassen.[16]

Nebenwirkungen

Beim missbräuchlichen Einsatz von IGF können folgende Nebenwirkungen auftreten:

  • Extremitätenwachstum (insbesondere bei längerer, ununterbrochener Anwendung)
  • Senkung der Wachstumshormonausschüttung
  • Wachstum von vorhandenen Tumoren
  • Antikörperbildung

Literatur

  • Douglas Yee, Insulin-like Growth Factors, IOS Press Amsterdam 2004 (englisch)
  • Derek Le Roith, Insulin-like Growth Factors: Molecular and Cellular Aspects, CRC Press, Florida 1991 (englisch)
  • Isabell Varela-Nieto, Julie Ann Chowen, The growth hormone/insulin-like growth factor axis during development, Springer Science 2005 (englisch)
  • G.R. Adams, Die Rolle von IGF - 1 beim Muskelwachstum und die Möglichkeit des Missbrauchs bei Sportlern, British Journal of Sports Medicine 343, 2000.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. PDB 3GF1
  2. K. Woods et al., Intrauterine Growth Retardation and Postnatal Growth Failure Associated with Deletion of the Insulin-Like Growth Factor I Gene, New England Journal of Medicine, 1996
  3. Slattery ML, Sweeney C, Wolff R, Herrick J, Baumgartner K, Giuliano A, Byers T.: Genetic variation in IGF1, IGFBP3, IRS1, IRS2 and risk of breast cancer in women living in Southwestern United States., Breast Cancer Res Treat. 2007 Aug;104(2):197-209. PMID 17051426
  4. Miura Y, Kato H, Noguchi T: Effect of dietary proteins on insulin-like growth factor-1 (IGF-1) messenger ribonucleic acid content in rat liver. In: Br. J. Nutr. 67. Jahrgang, Nr. 2, März 1992, S. 257–65, PMID 1596498.
  5. Shepherd PR: Secrets of insulin and IGF-1 regulation of insulin secretion revealed. In: Biochem. J. 377. Jahrgang, Pt 1, Januar 2004, S. e1–2, doi:10.1042/BJ20031747, PMID 14672535, PMC 1223857 (freier Volltext) – (biochemj.org).
  6. Brissenden JE, Ullrich A, Francke U: Human chromosomal mapping of genes for insulin-like growth factors I and II and epidermal growth factor. In: Nature. 310. Jahrgang, Nr. 5980, 1984, S. 781–4, PMID 6382023.
  7. A. A. Fallahi et al., Genetic Doping and Health Damages, Iranian J Publ Health, Vol. 40, No.1, 2011
  8. T. Nussbaum, S. Vreden, K. Breuhahn, P. Schirmacher: Identifizierung des insulin-like growth factor (IGF)-II als therapeutische Zielstruktur in der Hepatokarzinogenese. Z Gastroenterol und Posterpreis der Deutschen Gesellschaft für Pathologie (DGP), Jahrestagung der DGP, Wuppertal, 2005
  9. Hartmann W, Koch A, Brune H, et al.: Insulin-like growth factor II is involved in the proliferation control of medulloblastoma and its cerebellar precursor cells. In: Am. J. Pathol. 166. Jahrgang, Nr. 4, April 2005, S. 1153–62, PMID 15793295, PMC 1602379 (freier Volltext) – (nih.gov).
  10. Kalla Singh S, Tan QW, Brito C, De León M, Garberoglio C, De León D., Differential insulin-like growth factor II (IGF-II) expression: A potential role for breast cancer survival disparity, Growth hormone & IGF research, Official journal of the Growth Hormone Research Society and the International IGF Research Society, 2010
  11. Uniklinikum Mannheim: Bedeutung des Insulin-Systems für die Entstehung des Prostatakarzinoms
  12. Genetics Home Reference, IGF2
  13. L. Tentori et al., Doping with growth hormone/IGF-1, anabolic steroids or erythropoietin: is there a cancer risk?, Pharmacological Research, Rome 2007
  14. The World Anti-Doping Code, The 2011 Prohibited List (PDF)
  15. Das Schwarze Buch - Anabole Steroide, 2007. Seite 208/209 ISBN 978-3-00-020944-4.
  16. welt.de:Modedroge IGF-1 kann jetzt nachgewiesen werden

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