Monoaminooxidase


Monoaminooxidasen

Bezeichner
Gen-Name(n) MAOA, MAOB
Enzymklassifikation
EC, Kategorie 1.4.3.4  Oxidoreduktase
Reaktionsart Redoxreaktion
Substrat Monoamin + H2O + O2
Produkte Aldehyd + Ammoniak + Wasserstoffperoxid
Vorkommen
Übergeordnetes Taxon Eukaryoten

Die Monoaminooxidasen (MAO) sind mitochondriale Enzyme, die Monoamine durch Desaminierung mit Hilfe von H2O und O2 zu den entsprechenden Aldehyden, Ammoniak und Wasserstoffperoxid abbauen. Diese Reaktionen sind Teil der Biotransformation in Eukaryoten, sie dienen dem Abbau giftiger Substanzen.

Man unterscheidet zwischen Monoaminooxidase-A (MAO-A), deren entferntes Homolog auch bei Pilzen nachgewiesen wurde, und der paralogen Monoaminooxidase-B (MAO-B), die es nur bei Säugetieren gibt. MAOs sind Membranproteine der äußeren Mitochondrienmembran. Beide MAO-Gene sind auf dem kurzen Arm des X-Chromosoms lokalisiert.[1]

MAO-A

Beim Menschen ist MAO-A vorwiegend in der Wand des Dünndarms sowie generell in catecholaminergen Neuronen zu finden. Es baut Catecholamine ab (vor allem Desaminierung von Noradrenalin, aber auch Serotonin und Nahrungsamine). Mutationen im MAOA-Gen oder an seinem Promoter können zu MAO-A-Mangel und dieser zum Brunner-Syndrom führen, das mit leichter geistiger Behinderung einhergeht. Die direkte Assoziation von MAO-A-Mangel mit Sucht- und Aggressionsverhalten konnte bisher in keiner Studie belegt werden.[1][2]

MAOA-Varianten und menschliches Verhalten

Die Lokalisierung der MAO-Gene beim Menschen auf dem X-Chromosom macht es schwierig, einerseits gleichermaßen gültige Aussagen für Männer und Frauen zu treffen, andererseits Ergebnisse aus Tierversuchen auf den Mensch zu übertragen. Der Grund ist, dass Männer nur eine Kopie des X tragen und Veränderungen am MAOA-Gen sich so anders auswirken, als wenn noch eine normale Kopie vorhanden wäre. Dennoch wurden Genvarianten gefunden, die auch in Studien mit großer Anzahl Teilnehmer mit Verhaltensänderungen assoziiert waren, wenn auch nur unter bestimmten Bedingungen. Beispielsweise wurde nachgewiesen, dass ein Allel des MAOA-Gens, welches über eine geringere Transkriptionseffizienz verfügt, mit höheren Schulden im Zusammenhang steht.[3][4]

Das Brunner-Syndrom

Bereits 1995 wurden in einer Studie an Mäusen, bei denen das MAOA-Gen ausgeschaltet worden war, erhöhte Serotonin- und Noradrenalinwerte im Gehirn festgestellt und das Verhalten der Jungen als ängstlich, sowie das der erwachsenen Tiere als aggressiv eingestuft. Diese Wirkungen konnten durch einen Stoff, der die Serotoninsynthese hemmte, wieder aufgehoben werden.[5]

Studien am Menschen begannen 1993 mit einer Studie von Brunner, der zeigen konnte, dass Mitglieder einer Familie, in deren Urin stark veränderte Monoaminwerte festgestellt wurden, und die alle aggressives und mental retardiertes Verhalten aufwiesen, eine Punktmutation im MAOA-Gen hatten, die zum völligen MAO-A-Mangel führte. Andere, mehr als ein Dutzend weitere psychiatrische Studien im Zeitraum bis 2001, die mögliche Zusammenhänge zwischen MAO-A und verschiedenen psychischen Leiden untersuchten, ergaben keine eindeutigen Ergebnisse. Die Familien in Brunners Studien von 1993 und 1999 waren die einzigen, bei denen MAO-A völlig fehlte und die ein konsistentes Verhalten zeigten, das später Brunner-Syndrom genannt wurde.[6][7][8][9][10]

Die Dunedin-MAO-Studie

Die Dunedin Multidisciplinary Health and Development Study ist eine auf lange Laufzeit angelegte Kohortenstudie, die 1047 Personen begleitet, die im Lauf eines bestimmten Jahres in Dunedin, Neuseeland geboren wurden. Caspi und Mitautoren untersuchten 2002 an den Teilnehmern die Hypothese, ob Männer, die als Kinder misshandelt wurden, unterschiedlich mit ihrer Vergangenheit klarkommen, und ob etwaige Unterschiede darin von der Höhe der MAO-A-Aktivität abhängen. Man wusste aus früheren Studien, dass misshandelte Tierjunge im Urin ähnlich veränderte Monoaminwerte aufweisen wie unter MAO-A-Mangel.[11][12]

Anhand eines so genannten VNTR im Promoter des MAOA-Gens schätzten Caspi et al die MAO-A-Aktivität ab und stuften sie in zwei Körbe: hoch und niedrig. Weiterhin wurde so genanntes antisoziales Verhalten durch Auftreten von eines von vier Symptomen festgestellt, wobei jedes Symptom unabhängig nach einer entsprechenden Norm bewertet wurde. In allen vier Gruppen, bei denen ein antisoziales Symptom auftrat, waren niedrige MAO-A-Werte ein eindeutiger Risikofaktor dafür. Im Ganzen gesehen stellten die misshandelten Personen mit niedrigem MAO-A-Wert 12 Prozent der Gesamtheit dar, aber 44 Prozent derjenigen mit gewalttätigen Überzeugungen. 85 Prozent der misshandelten Männer mit niedrigem MAO-A-Wert entwickelten das von der Studie definierte antisoziale Verhalten.[12]

In den Jahren 2004 bis 2006 erschienen sechs weitere Studien, die teilweise die Ergebnisse der Dunedin-Studie Caspis bestätigten, teilweise aber keine Hinweise darauf finden konnten. Bemerkenswert wegen der Anzahl ihrer Teilnehmer ist die Arbeit von Frazzetto und Mitautoren, die 2007 anhand einer gemischten Gruppe von 235 Psychiatriepatienten und gesunden Personen eine Bestätigung dafür ermittelten, dass ein niedriger MAO-A-Wert aufgrund des VNTR im Promoter zusammen mit einer Misshandlung in der Kindheit mit einem erhöhten Risiko für späteres aggressives Verhalten assoziiert sind.[13]

Warrior Gene und die Māori

Auf der 73. Konferenz der American Association of Physical Anthropologists im Jahr 2004 präsentierte Gibbons Daten über das MAOA-Gen bei anderen Primaten und spekulierte über die Möglichkeit, dass bestimmte Varianten des Gens den Trägern einen Vorteil in der Evolution verschafft hätten. Er nannte diese Varianten oder das Gen das warrior gene (deutsch: 'Krieger-Gen'). Allerdings waren bisher die einzigen stichhaltigen Ergebnisse von Studien mit großer Teilnehmerzahl nur bei starkem MAO-Mangel oder bei kindlichen Misshandlungserfahrungen erzielt worden.[14]

Massenmedial verbreitet wurde der Begriff des Warrior Gene erstmalig, nachdem Lea und Mitautoren auf dem dreizehnten internationalen Congress of Human Genetics im Jahr 2006 Daten veröffentlichten, die zeigen sollten, dass die südpazifische Ausbreitung der Māori mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für niedrige MAO-A-Werte einherging. Auch hier wurde ein direkter Zusammenhang mit dem Verhalten impliziert, der so nicht gesichert ist. Zudem war die Arbeit von Caspi, auf die sich Lea bezog, mit europäischstämmigen Teilnehmern durchgeführt worden, während Leas Daten von 17 Māori stammten, von denen dann 60 Prozent erniedrigte MAO-A-Werte aufwiesen.[15][16]

Neuseeländische und überregionale Medien verbreiteten daraufhin Leas Behauptungen zusammen mit Interviewzitaten. Nach Veröffentlichung von Kritik aus den wissenschaftlichen Reihen antwortete Lea mit einem Fachartikel, in welchem er der Australian Press Association Missverständnisse und fehlerhafte Zitate vorwarf. Die Einrichtung einer Ethikkommission mit Māori-Beteiligung wurde angekündigt. Deren zusammenfassender Review erschien 2009 unter dem Titel „Kriegergene und die Krankheit, Māori zu sein“ und hebt neben den offensichtlichen wissenschaftlichen Problemen der bisherigen Arbeiten hervor, dass keine der in der Literatur mit MAO-A-Mangel assoziierten psychischen Krankheiten für ein solches Unternehmen wie die Besiedlung des Südpazifik oder die militärische Fitness von Kriegern zuträglich sei.[17][16][18][19][20]

MAO-B

MAO-B baut vorwiegend Catecholamine im ZNS ab (vor allem Desaminierung von Dopamin und Histamin). Es sitzt vor allem in Astrozyten. {Eselsbrücke: B = Brain (engl. für Gehirn)}

Marvin Zuckerman untersuchte im Zusammenhang Sensation Seeking biochemische Korrelate. Demnach korrelieren MAO-B-Konzentrationen negativ mit selbstbeurteiltem Sensation Seeking (aber auch Aggressivität und Impulsivität).[21]

MAO-Hemmer

Es gibt natürliche und künstlich synthetisierte Stoffe, die dieses Enzym hemmen und entsprechend Monoaminooxidase-Hemmer (MAOH) genannt werden. Einige Arzneistoffe mit MAOH-Wirkung werden als Antidepressiva verwendet. Der natürliche MAOH Harmalin wird traditionell von verschiedenen südamerikanischen Indianervölkern in der Drogenzubereitung Ayahuasca genutzt.

Weiterführende Literatur

  • D. C. Rowe: Biology and Crime. New York, Oxford University Press, 2007. ISBN 0-19533009-9.
  • Philibert RA, Gunter TD, Beach SR, Brody GH, Madan A: MAOA methylation is associated with nicotine and alcohol dependence in women. In: Am. J. Med. Genet. B Neuropsychiatr. Genet. 147B. Jahrgang, Nr. 5, Juli 2008, S. 565–570, doi:10.1002/ajmg.b.30778, PMID 18454435..
  • Nielsen DA, Yuferov V, Hamon S, et al.: Increased OPRM1 DNA methylation in lymphocytes of methadone-maintained former heroin addicts. In: Neuropsychopharmacology. 34. Jahrgang, Nr. 4, März 2009, S. 867–873, doi:10.1038/npp.2008.108, PMID 18650805..
  • Ho MC, Cherng CG, Tsai YP, et al.: Chronic treatment with monoamine oxidase-B inhibitors decreases cocaine reward in mice. In: Psychopharmacology (Berl.). 205. Jahrgang, Nr. 1, Juli 2009, S. 141–149, doi:10.1007/s00213-009-1524-5, PMID 19343328..
  • Rivera M, Gutiérrez B, Molina E, et al.: High-activity variants of the uMAOA polymorphism increase the risk for depression in a large primary care sample. In: Am. J. Med. Genet. B Neuropsychiatr. Genet. 150B. Jahrgang, Nr. 3, April 2009, S. 395–402, doi:10.1002/ajmg.b.30829, PMID 18626920..
  • Dlugos AM, Palmer AA, de Wit H: Negative emotionality: monoamine oxidase B gene variants modulate personality traits in healthy humans. In: J Neural Transm. 116. Jahrgang, Nr. 10, Oktober 2009, S. 1323–1334, doi:10.1007/s00702-009-0281-2, PMID 19657584..

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 UniProt P21397, UniProt P27338.
  2. Brunner-Syndrom. In: {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value). (englisch).
  3. Ross Valerie: Born into Debt: Gene Linked to Credit-Card Balances (englisch). In: Scientific American Mind, Juli 2010. Abgerufen am 16. August 2010. 
  4. Jan-Emmanuel De Neve, James H. Fowler: The MAOA Gene Predicts Credit Card Debt. In: Social Science Research Network. 27. Januar 2010 (englisch, ssrn.com).
  5. Cases O, Seif I, Grimsby J, et al.: Aggressive behavior and altered amounts of brain serotonin and norepinephrine in mice lacking MAOA. In: Science. 268. Jahrgang, Nr. 5218, Juni 1995, S. 1763–1766, PMID 7792602.
  6. Brunner HG, Nelen M, Breakefield XO, Ropers HH, van Oost BA: Abnormal behavior associated with a point mutation in the structural gene for monoamine oxidase A. In: Science. 262. Jahrgang, Nr. 5133, Oktober 1993, S. 578–580, PMID 8211186.
  7. Tafel 1 in Shih JC, Thompson RF: Monoamine oxidase in neuropsychiatry and behavior. In: Am. J. Hum. Genet. 65. Jahrgang, Nr. 3, September 1999, S. 593–598, doi:10.1086/302562, PMID 10441564, PMC 1377964 (freier Volltext).
  8. Jorm AF, Henderson AS, Jacomb PA, et al.: Association of a functional polymorphism of the monoamine oxidase A gene promoter with personality and psychiatric symptoms. In: Psychiatr. Genet. 10. Jahrgang, Nr. 2, Juni 2000, S. 87–90, PMID 10994647.
  9. Manuck SB, Flory JD, Ferrell RE, Mann JJ, Muldoon MF: A regulatory polymorphism of the monoamine oxidase-A gene may be associated with variability in aggression, impulsivity, and central nervous system serotonergic responsivity. In: Psychiatry Res. 95. Jahrgang, Nr. 1, Juli 2000, S. 9–23, PMID 10904119.
  10. Parsian A, Cloninger CR: Serotonergic pathway genes and subtypes of alcoholism: association studies. In: Psychiatr. Genet. 11. Jahrgang, Nr. 2, Juni 2001, S. 89–94, PMID 11525423.
  11. Bremne JD, Vermetten E: Stress and development: behavioral and biological consequences. In: Dev. Psychopathol. 13. Jahrgang, Nr. 3, 2001, S. 473–489, PMID 11523844.
  12. 12,0 12,1 Caspi A, McClay J, Moffitt TE, et al.: Role of genotype in the cycle of violence in maltreated children. In: Science. 297. Jahrgang, Nr. 5582, August 2002, S. 851–854, doi:10.1126/science.1072290, PMID 12161658.
  13. Frazzetto G, Di Lorenzo G, Carola V, et al.: Early trauma and increased risk for physical aggression during adulthood: the moderating role of MAOA genotype. In: PLoS ONE. 2. Jahrgang, Nr. 5, 2007, S. e486, doi:10.1371/journal.pone.0000486, PMID 17534436, PMC 1872046 (freier Volltext).
  14. Gibbons A: American Association of Physical Anthropologists meeting. Tracking the evolutionary history of a "warrior" gene. In: Science. 304. Jahrgang, Nr. 5672, Mai 2004, S. 818, doi:10.1126/science.304.5672.818a, PMID 15131284.
  15. Hall D, Green M, Chambers G, Lea R. Tracking the evolutionary history of the warrior gene in the South Pacific. 11th International Human Genetics Meeting, Brisbane, Australia; August 6–10; 2006. Abstract at URL: http://www.ichg2006.com/abstract/843.htm
  16. 16,0 16,1 Merriman T, Cameron V: Risk-taking: behind the warrior gene story. In: N. Z. Med. J. 120. Jahrgang, Nr. 1250, 2007, S. U2440, PMID 17339896 (org.nz).
  17. New Zealand Herald: Maori 'warrior' gene linked to aggression
  18. Crampton P, Parkin C: Warrior genes and risk-taking science. In: N. Z. Med. J. 120. Jahrgang, Nr. 1250, 2007, S. U2439, PMID 17339895 (org.nz).
  19. Lea R, Chambers G: Monoamine oxidase, addiction, and the "warrior" gene hypothesis. In: N. Z. Med. J. 120. Jahrgang, Nr. 1250, 2007, S. U2441, PMID 17339897 (org.nz).
  20. Hook, GR: “Warrior genes” and the disease of being Māori MAI Review 2009, 2
  21. Jens Asendorpf: Psychologie der Persönlichkeit. 4., überarb. und aktual. Aufl. Heidelberg [u.a.]: Springer, 2007. ISBN 978-3-540-71684-6, Seite 186

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