Zentrales Dogma der Molekularbiologie


Das Zentrale Dogma der Molekularbiologie ist eine 1958 von Francis Crick publizierte Hypothese über den möglichen Informationsfluss zwischen den Biopolymeren DNA, RNA und Protein. Sie beschreibt die Übertragung der Information, die durch die Reihenfolge (Sequenz) von Monomeren (Nukleotide bei DNA und RNA, Aminosäuren bei Proteinen) festgelegt ist.

In Cricks ursprünglicher Form besagt die Hypothese:

Wenn (sequenzielle) Information einmal in ein Protein übersetzt wurde, kann sie dort nicht wieder herausgelangen.[1]

1970 gab Crick eine alternative Formulierung des Dogmas an:

Es kann keine sequenzielle Information von Protein zu einem Protein oder zu Nukleinsäure übertragen werden.[2]

Das Zentrale Dogma ist - auch wenn es kritische Stimmen gibt - weithin akzeptiert und wird auch heute noch als einer der Grundpfeiler der Molekularbiologie angesehen. [3]

Crick bereute den in der Naturwissenschaft unüblichen Namen Dogma später, denn er beabsichtigte keineswegs, einen Lehrsatz mit unumstößlichem Wahrheitsgehalt zu formulieren. 1976 sagte er: „Ich wußte einfach nicht, was Dogma bedeutete. Und ich hätte es ebenso gut Zentrale Hypothese nennen können…Dogma war nur ein Schlagwort.“[4]

Arten des Informationstransfers

Gemäß dem Zentralen Dogma erlaubte Übertragungsarten sequentieller Information. Für den durch gestrichelte Pfeile repräsentierten Transfer gab es 1958 noch keine Beweise.

Die neun theoretisch möglichen Arten der Übertragung von sequentieller Informationen zwischen DNA, RNA und Protein können nach Crick (1970) in drei Bereiche eingeteilt werden: Die allgemeinen Übertragungsarten geschehen mit seltenen Ausnahmen in jeder Zelle. Die Existenz spezieller Übertragungsarten ist bekannt, allerdings geschehen diese nur unter bestimmten Bedingungen/in bestimmten Organismen. Die Existenz der verbleibenden Übertragungsarten konnte dagegen bis heute nicht gezeigt werden und würde die Korrektheit des Zentralen Dogmas widerlegen.

Allgemeine Übertragungsarten
Spezielle Übertragungsarten
  • RNA → RNA: RNA-Replikation, geschieht z.B. bei RNA-Viren (Beispiel: Poliovirus) durch RNA-abhängige RNA-Polymerasen
  • RNA → DNA: Reverse Transkription, geschieht z.B. bei Retroviren durch das Enzym Reverse Transkriptase oder in Eukaryoten durch die Telomerase
  • DNA → Protein: Direkte Translation von DNA zu Protein, wurde in vitro in zellfreien Umgebungen nachgewiesen.[5][6]
unbekannte, nach dem Zentralen Dogma verbotene Übertragungsarten
  • Protein → DNA
  • Protein → RNA
  • Protein → Protein

Rezeption

Das Zentrale Dogma der Molekularbiologie wurde seit seiner Formulierung immer wieder kritisiert und als obsolet erklärt.

In vielen Lehrbüchern ist das Dogma allerdings nicht in der von Crick intendierten Fassung dargestellt, sondern in einer restriktiveren Version, die aus James Watsons Lehrbuch Molecular Biology of the Gene stammt [7] und besagt, dass sequenzielle Information von DNA über RNA zum Protein übertragen wird und somit nur die allgemeinen Übertragungsarten umfasst. Diese vereinfachende Version beschreibt zwar den typischen Ablauf des Informationstransfers, sie ist aber als allgemeingültiges „Dogma“ verstanden nicht zutreffend, wie auch Crick anmerkte. [8] Viele „Widerlegungen“ des Zentralen Dogmas beruhen auf diesem Missverständnis.[9]

Aber auch gegen das Zentrale Dogma in Cricks ursprünglicher Version wurden mehrere Argumente angeführt [10], darunter folgende: Prionen wurden zunächst als Beispiel für eine „verbotene“ Art von Protein-Protein-Informationsübertragung vermutet. Allerdings sind Prionen nach heutigem Forschungsstand Proteine, die die Konformation anderer Proteine verändern können und damit keine sequenzielle Information übertragen.

Vertreter der Systembiologie betonen verschiedene regulatorische Feedbackmechanismen von Proteinen zu Nukleinsäuren, die es erfordern, eine Zelle als komplexes Netzwerk zu behandeln, in dem Informationsübertragung sequenzieller Natur keine hervorzuhebende Rolle spielt. Aus dieser Sicht beschreibt das Zentrale Dogma nur einen Teil des Informationsflusses. Kritisiert wird dagegen, dass es zur Rechtfertigung einer reduktionistischen Forschungsmethodik verwendet wird, die Organismen in einem bottom-up Ansatz bei den Genen anfangend verstehen möchte. [11] [12] [13]

Literatur

  • F. Crick: On Protein Synthesis. Symp. Soc. Exp. Biol. XII (1958). PMID 13580867.
  • F. Crick: Central Dogma of Molecular Biology. Nature 227, 561-563 (1970). PMID 4913914. doi:10.1038/227561a0.
  • D. Thieffry, S. Sarkar: Forty years under the central dogma. Trends Biochem. 23, S. 312-316. PMID 9757833. doi:10.1016/S0968-0004(98)01244-4.

Quellen

  1. „once (sequential) information has passed into protein it cannot get out again“, Crick (1958)
  2. „It states that information cannot be transferred back from protein to either protein or nucleic acid.“ Crick (1970)
  3. Thieffry, Sarkar. S. 315
  4. I just didn’t know what dogma meant. And I could just as well have called it the Central Hypothesis…Dogma was just a catch phrase. Nach Thieffry, Sarkar. S. 313
  5. B.J. McCarthy und J.J. Holland: Denatured DNA as a Direct Template for in vitro Protein Synthesis. PNAS 54, 880–886 (1965)
  6. M.S. Bretscher: Direct Translation of a Circular Messenger DNA. Nature 220, 1088 - 1091 (1968)
  7. J.D. Watson: Molecular Biology of the Gene, W. A. Benjamin (1965)
  8. Thieffry, Sarkar: S. 315
  9. A. Moran: Basic Concepts: The Central Dogma of Molecular Biology. [1]
  10. siehe Thieffry, Sarkar
  11. E. Werner: Genome Semantics, In Silico Multicellular Systems and the Central Dogma. FEBS Letters 579, 1779-1782 (2005)
  12. Thieffry, Sarkar S. 316
  13. D. Noble: Claude Bernard, the first systems biologist, and the future of physiology. Experimental Physiology 93.1, S. 16-26 (2007)

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