Wie eine Kannenpflanze zum Fleischfresser wurde



Bio-News vom 24.11.2023

Eine neue Studie des Würzburger Botanikers Kenji Fukushima zeigt, welche Rolle Subgenom-Dominanz für Pflanzen bei der evolutionären Ausbildung besonderer Merkmale, wie etwa einer karnivoren Lebensweise, spielt.

In einer aktuellen Studie untersucht ein Team um den Würzburger Botaniker Kenji Fukushima die genomische Struktur der fleischfressenden Kannenpflanze Nepenthes gracilis und zeigt, wie Polyploidie – das Phänomen, mehr als zwei Chromosomensätze in Zellen zu besitzen – zu evolutionären Innovationen beiträgt.


Nephentes gracilis

Publikation:


Saul, F., Scharmann, M., Wakatake, T. et al.
Subgenome dominance shapes novel gene evolution in the decaploid pitcher plant Nepenthes gracilis

Nat. Plants (2023)

DOI: 10.1038/s41477-023-01562-2



Auf den Spuren der Subgenom-Dominanz

Pflanzengenome sind bekannt für ihre komplexe Struktur, und die Untersuchung polyploider Genome mit mehreren Chromosomensätzen ermöglicht es den Forschenden, tiefgreifende Fragen der Genetik zu beantworten. "Unsere Ergebnisse liefern nicht nur wichtige Einblicke in die adaptive Landschaft des Nepenthes-Genoms, sondern erweitern auch unser Verständnis darüber, wie Polyploidie die Evolution neuer Funktionen anregen kann", erklärt Professor Victor Albert von der University at Buffalo. Albert ist einer der Co-Autoren der Studie.

Eine zentrale Frage betrifft den Mechanismus der so genannten Subgenom-Dominanz, der die Erhaltung und Ausprägung von Genen über mehrere Chromosomensätze hinweg beeinflusst.


Kannenpflanzen wie Nephentes gracilis nutzen ihre darauf spezialisierten Blätter, um Insekten zu fangen. Diese Nahrungsergänzung ermöglicht es den Pflanzen, auch in nährstoffarmen Lebensräumen zu gedeihen.

Dieser Prozess führt häufig zu einem dominanten Subgenom, das reicher an Genen ist. Bei rezessiven Subgenomen hingegen gehen Gene verloren. In ihrer Studie konzentrierten sich Fukushima und sein Team auf die bisher unbekannte genomische Struktur von Nepenthes gracilis und untersuchten die komplexen Beziehungen zwischen den Subgenomen.

Rezessive Subgenome als innovative Triebfedern

Mit Hilfe moderner Hochdurchsatz-Sequenzierungstechniken und bioinformatischer Analysen konnten die Forschenden bei der tropischen Kannenpflanze eine dekaploide Genomstruktur – also zehn Chromosomensätze in einer Zelle – nachweisen. Dabei stießen sie auf eine klare Signatur der Subgenom-Dominanz, die zu einem dominanten und vier rezessiven Subgenomen führte.

"Interessanterweise stellte sich jedoch heraus, dass es die rezessiven Subgenome sind, die mit neuen Genen angereichert sind. Diese überraschende Entdeckung lässt vermuten, dass die rezessiven Subgenome einen wichtigen Beitrag zur evolutionären Anpassung der Pflanze leisten", sagt Kenji Fukushima. Dies gelte insbesondere für Merkmale wie die Kannenblätter, die zum Insektenfang verwendet werden, und die Zweihäusigkeit (Diözie), also das Vorhandensein getrennter männlicher und weiblicher Pflanzen.

In weiteren Analysen identifizierte das Team spezifische Gene auf den rezessiven Subgenomen, die mit diesen einzigartigen Merkmalen in Verbindung gebracht werden können. Ein interessantes Beispiel ist ein männlich-spezifisches Gen auf dem neu identifizierten Y-Chromosom, das eine entscheidende Rolle bei der Diözie spielen könnte. Außerdem entdecktet die Forschenden eine Gruppe von Genen, die speziell in den Fangkannen exprimiert werden und die wahrscheinlich zur Evolution des Fleischfressens bei Nepenthes beitragen.

Mögliche Anwendungen in der Landwirtschaft

Neben der Erforschung der Genetik von Nepenthes gracilis trägt die Studie zum allgemeinen Verständnis bei, welche Rolle Polyploidie bei der Evolution spielt und wie neue Gene entstehen. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten auch in anderen Bereichen der Pflanzenforschung Anwendung finden und verbessern unser Verständnis von pflanzlichen Genome und wie Pflanzen komplexe und neuartige Merkmale ausbilden können. Die Ergebnisse erlauben Rückschlüsse auf Pflanzenvielfalt und Anpassung im Allgemeinen und können etwa wertvolle Beiträge zur Landwirtschaft leisten.

„Gerade dort sind Mechanismen des Nährstofftransports und der Fortpflanzung von größtem Interesse“, erklärt Kenji Fukushima. Die Erkenntnisse aus der Studie könnten dazu beitragen, diese Prozesse besser zu verstehen und somit zu einer nachhaltigen und effizienten landwirtschaftlichen Praxis beitragen.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Julius-Maximilians-Universität Würzburg via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.

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