Akustikusneurinom
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- Krankheitsbild in der Neurochirurgie
Klassifikation nach ICD-10 | |
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D33 | Gutartige Neubildung des Gehirns und anderer Teile des Zentralnervensystems |
D33.3 | Hirnnerven |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Ein Akustikusneurinom (AKN) ist ein aus Binde- und Nervengewebe bestehender gutartiger Tumor, der von den Schwann'schen Zellen des vestibulären Anteils des VIII. Hirnnerven, dem Hör- und Gleichgewichtsnerven (Nervus vestibulocochlearis), ausgeht und im Kleinhirnbrückenwinkel oder im inneren Gehörgang gelegen ist. Das Akustikusneurinom wird auch als Vestibularis-Schwannom bezeichnet und ist der häufigste Kleinhirnbrückenwinkeltumor. Mehr als 95 % aller AKN sind einseitig, bei Vorliegen von Neurofibromatose Typ 2 tritt das Akustikusneurinom hingegen typischerweise beidseitig auf.
Symptome
Klinische Symptome sind hier Hörminderung, Ohrgeräusche, Gleichgewichtsstörungen bis hin zu Schwindelanfällen. Außerdem kann es zu einer Fazialisparese kommen, bei der es durch Beeinträchtigung des VII. Hirnnerven (Nervus facialis) zu einer Lähmung der Gesichtsmuskulatur kommt.
Dabei fällt meist zuerst eine einseitige Hörstörung v.a. für hohe Töne auf, z.B. beim Telefonieren. Der Schwindel ist meist unsystematisch, kein Drehschwindel wie bei einer Störung des Gleichgewichtsorgans. Auch entstehen die Symptome langsam. Mit Messgeräten ist dagegen zuerst die Gleichgewichtskomponente nachweisbar, da das AKN ja eigentlich nicht vom akustischen Anteil (N. cochlearis), sondern vom Gleichgewichtsanteil (N. vestibularis) des N. vestibulocochlearis ausgeht.
Ein weiteres Symptom ist eine Verminderung der Berührungs- und Drucksensibilität (Hypästhesie) des äußeren Gehörganges. Es wird als Hitselberger-Zeichen bezeichnet.[1]
Diagnose des Akustikusneurinoms
Eine sichere Diagnose liefert nur die Magnetresonanztomographie (MRT). Da jedoch die Symptome des AKN auch vielen anderen Erkrankungen gemein sind und diese Untersuchungsmethode nach wie vor teuer ist, wird folgender Weg beschritten:
Bei Schwindel werden zunächst akute Infektionen ausgeschlossen, die ähnliche Krankheitsbilder ergeben. Eine allfällige Hörminderung wird durch ein Tonaudiogramm festgestellt. Danach wird eine Messung der frühen akustisch evozierten Potenziale (FAEP) durchgeführt, vor allem, wenn eine seitendifferente oder einseitige Schallempfindungsschwerhörigkeit vorliegt. Bei der Messung der FAEP zeigt sich ein Akustikusneurinom in der Laufzeiterhöhung der Signale vom Innenohr zum Stammhirn. Das liegt daran, dass durch das AKN die Myelinscheide der Nervenbahn beschädigt ist und die elektrischen Impulse nur noch unter Verlusten transportiert werden können. Bei deutlich seitendifferentem Kurvenbild bzw. seitendifferenten Laufzeitunterschieden der Potentiale sollte eine Magnetresonanztomografie des Schädels mit und ohne Kontrastmittel durchgeführt werden, um mit ausreichender Sicherheit ein Akustikusneurinom ausschließen zu können.
Differentialdiagnose
Meningeome können in der Region des Kleinhirnbrückenwinkels wachsen und in der MRT in einigen Fällen nicht von einem Akustikusneurinom unterschieden werden. Auch komplett im inneren Gehörgang wachsende Meningeome wurden beschrieben.[2][3]
Weitere Differentialdiagnosen sind[4]
- Schwannome des Nervus facialis oder anderer Hirnnerven der Region
- Metastasen
- Lymphome
- Sarcoidose
- Tuberkulose
- Herpes zoster oticus
Therapie
Zur Therapie des Akustikusneurinoms stehen drei verschiedene Optionen zur Verfügung:
- mikrochirurgisch,
- radiochirurgisch, z. B. mittels Gamma-Knife oder Cyberknife
- strahlentherapeutisch mit einem Linearbeschleuniger.
Sowohl die Radiochirurgie als auch die Strahlentherapie sind nicht invasive Behandlungen. Die Radiochirurgie wird meist ambulant in einer einzigen Behandlung vorgenommen, während die Strahlentherapie in der Regel fraktioniert (d. h. in mehreren kleineren Strahlungsdosen) an mehreren Behandlungstagen durchgeführt wird. Hat der Tumor bereits eine Größe von über 3 Zentimetern, ist die Radiochirurgie meist nicht mehr indiziert. Bei Patienten mit Neurofibromatose ist die Behandlung mittels Gamma-Knife oder Linearbeschleuniger nicht oder nicht primär indiziert, da diese Patienten meist beidseitige Akustikusneurinome haben. Auch kann eine Bestrahlung bei diesen Patienten bei einer eventuell später notwendigen Operation dazu führen, dass das Tumorgewebe schlechter von gesundem Gewebe abgrenzbar ist und somit die Operation und deren Erfolg negativ beeinflusst werden könnten. Sowohl die chirurgische Behandlung als auch die Radiochirurgie haben nicht selten eine Schädigung der Nerven des inneren Gehörganges zur Folge, wenn diese nicht schon durch den Tumor geschädigt waren. Insgesamt sind die Nebenwirkungen bei Radiochirurgie und Strahlentherapie aber seltener und geringer als bei Mikrochirurgie. In Deutschland werden bisher Patienten allerdings noch unzureichend über diese beiden Therapien aufgeklärt, wie eine aktuelle Studie gezeigt hat.[5]
Da das Akustikusneurinom nicht bösartig ist und üblicherweise langsam über Jahre wächst, wurde vor allem bei älteren Patienten oft von einer Operation abgesehen und stattdessen zu einer regelmäßigen Beobachtung des Größenwachstums übergegangen. Heute ist hier immer alternativ auch die Möglichkeit der Radiochirurgie zu prüfen.
Bei Kindern und Jugendlichen hingegen, bei denen außer im Rahmen der Neurofibromatose Hirnnervenneurinome äußerst selten sind, wird in der Regel eine sofortige Behandlung eingeleitet, da sich bei dieser Patientengruppe die Größe des Tumors rasant verändern kann und damit binnen kürzester Zeit lebensbedrohliche Zustände auftreten können.
Einzelnachweise
- ↑ Peter P. Urban: Erkrankungen des Hirnstamms: Klinik - Diagnostik - Therapie: Erkrankungen des Hirnstamms. Schattauer-Verlag 2008. S. 255. ISBN 3-794-52478-0
- ↑ K. Asaoka, D. M. Barrs, J. H. Sampson, J. T. McElveen, D. L. Tucci, T. Fukushima: Intracanalicular meningioma mimicking vestibular schwannoma. In: AJNR. American journal of neuroradiology. Band 23, Nummer 9, Oktober 2002, S. 1493–1496, ISSN 0195-6108. PMID 12372737.
- ↑ R. Caylan, M. Falcioni, G. De Donato, S. Ferrara, A. Russo, A. Taibah, M. Sanna: Intracanalicular meningiomas. In: Otolaryngology--head and neck surgery : official journal of American Academy of Otolaryngology-Head and Neck Surgery. Band 122, Nummer 1, Januar 2000, S. 147–150, ISSN 0194-5998. PMID 10629505. (Review).
- ↑ D.H. Yock: Magnetic Resonance Imaging Of CNS Disease Mosby, St. Louis 2002 ISBN 0-323-01172-1
- ↑ Sabine Müller, Judith Arnolds, Ansel van Oosterhout: Decision-making of vestibular schwannoma patients, in: Acta neurochirurgica 2010, 152(6), S. 973-984, http://www.springerlink.com/content/r63q62407w1271q1/ (freier Download)