Bakterien



Bakterien

Cholera-Bakterien (Vibrio cholerae) (Sekundärelektronenmikroskopie). Typische Maße sind 2-3 Mikrometer Länge, 0,5 Mikrometer Dicke.

Systematik
Klassifikation: Lebewesen
Domäne: Bakterien
Wissenschaftlicher Name
Bacteria
Stämme

Auswahl:

Chlamydiae 
Cyanobacteria 
Chlorobi 
Planctomycetes 
Proteobacteria 
Firmicutes 
Spirochaetes 
Helicobacter pylori, verursacht Magengeschwüre, (Sekundärelektronenmikroskopie)

Die Bakterien (Bacteria) (griechisch βακτήριον baktērion „Stäbchen“, Singular: das Bakterium, veraltet auch: die Bakterie) bilden neben den Eukaryoten und Archaeen eine der drei grundlegenden Domänen, in die heute alle Lebewesen eingeteilt werden.[1]

Bakterien sind wie die Archaeen Prokaryoten, das bedeutet, ihre DNA ist nicht in einem vom Cytoplasma durch eine Doppelmembran abgegrenzten Zellkern enthalten wie bei Eukaryoten, sondern bei ihnen liegt die DNA wie bei allen Prokaryoten frei im Cytoplasma, und zwar zusammengedrängt in einem engen Raum, dem Nucleoid (Kernäquivalent).

Die Wissenschaft und Lehre von den Bakterien ist die Bakteriologie.

Erforschung

Bakterien wurden erstmalig von Antoni van Leeuwenhoek mit Hilfe eines selbstgebauten Mikroskops in Gewässern und im menschlichen Speichel beobachtet und 1676 von ihm in Berichten an die Royal Society of London beschrieben.

Bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts wurde die Bezeichnung „Bakterien“ in der Mikrobiologie für alle mikroskopisch kleinen, meistens einzelligen Organismen gebraucht, die keinen echten Zellkern besitzen und deshalb zu den Prokaryoten gehören. Jedoch trifft das auch auf die Archaeen zu, die seit etwa 1990 einer separaten Domäne zugeordnet werden. Zur Abgrenzung von den Archaeen sprach man in der Übergangszeit bis zur Definition der drei Lebewesen-Domänen auch von „Eigentlichen Bakterien“ („Eubakterien“) oder „Echten Bakterien“ und es wurden die wissenschaftlichem Namen Eubacteria und Archaebacteria verwendet. Eubacteria war eine unglückliche Benennung, da es auch eine Bakteriengattung Eubacterium gibt. Heute werden die beiden Domänen der Prokaryoten als Bacteria und Archaea bezeichnet, die dritte Domäne ist die der Eukaryoten.

Über dreihundert Jahre nach der ersten Beschreibung von Bakterien und trotz unzähliger schon beschriebener und katalogisierter Arten ist nach heutigem Kenntnisstand anzunehmen, dass die große Mehrheit (ca. 95 bis 99 %) aller auf unserem Planeten existierenden Bakterienarten bisher weder näher bekannt ist noch beschrieben wurde (Stand: 2006). Daher ist es nicht verwunderlich, dass immer wieder neue und aufregende Entdeckungen gemacht werden. So wurde im Jahr 1999 das größte bislang bekannte Bakterium entdeckt: Die so genannte Schwefelperle von Namibia, Thiomargarita namibiensis, ist mit einem Durchmesser von bis zu einem dreiviertel Millimeter ein bereits mit bloßem Auge sichtbares Schwefelbakterium. Das Bakterium mit den wenigsten Genen ist Carsonella ruddii. Es besitzt nur 159.662 Basenpaare und 182 Gene[2]. Diesem Bakterium fehlen wesentliche Gene, die eine Bakterie zum Leben benötigt. Es lebt daher endosymbiontisch in spezialisierten Zellen von Blattflöhen. Das Bakterium, mit dem kleinsten Genom, welches parsitär lebt, ist Mycoplasma genitalium mit 582.970 Basenpaaren. Das Bakterium mit dem kleinsten Genom, welches nicht symbiontisch oder parasitär lebt, ist Pelagibacter ubique und hat ca. 1,3 Millionen Basenpaare.

Eigenschaften

Gestalt und Größe

Formen und Aggregate von Bakterien (Auswahl)

Bakterien kommen in verschiedenen äußeren Formen vor (Beispiele in Klammern): kugelförmig, sogenannte Kokken (Micrococcus), zylinderförmig, sogenannte Stäbchen (Bacillus, Escherichia) mit mehr oder weniger abgerundeten Enden, wendelförmig (Spirillen, Spirochäten), mit Stielen (Caulobacter), mit Anhängen (Hyphomicrobium), mehrzellige Trichome bildend (Caryophanon, Oscillatoria), lange, verzweigte Fäden, sogenannte Hyphen, bildend, die sich verzweigen und eine Fadenmasse, sogenanntes Mycel, bilden (Streptomyzeten), Gebilde mit mehreren unregelmäßig angeordneten Zellen (Pleurocapsa). Oft kommen Bakterien in Aggregaten vor: Kugelketten (Streptococcus), flächige Anordnung kugelförmiger Zellen (Merismopedia), regelmäßige dreidimensionale Anordnung von Kugeln (Sarcina), Stäbchenketten (Streptobacillus), in Röhren eingeschlossene Stäbchenketten (Leptothrix).

Die Größe von Bakterien ist sehr unterschiedlich: Ihr Durchmesser liegt zwischen etwa 0,1 und 700 µm, bei den meisten etwa 0,6 bis 1,0 µm. Ihre Länge liegt in einem größeren Bereich: bei Einzelzellen zwischen etwa 0,6 µm (bei Kokken) und 700 µm, Hyphen können noch länger sein, die meisten Bakterien sind 1 bis 5 µm lang. Das Volumen der meisten Bakterien liegt in der Größenordnung von 1 µm3. Abgesehen von wenigen Ausnahmen können einzelne Bakterienzellen mit bloßem Auge nicht gesehen werden, da das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges um etwa 50 µm liegt. Besonders klein sind Mycoplasmen, der Durchmesser der kleinsten beträgt etwa 0,3 µm. Besonders groß sind viele Cyanobakterien, ihr Durchmesser liegt meistens zwischen 2 und 8 µm. Das größte bisher bekannte Bakterium ist Thiomargarita namibiensis: etwa kugelförmig mit einem Durchmesser von 300 – 700 µm, also mit bloßem Auge zu sehen. Das Volumen des größten Bakteriums (Durchmesser d etwa 700 µm, Volumen einer Kugel = 0,523 · d3) ist etwa 10 Milliarden mal größer als das Volumen des kleinsten (Durchmesser etwa 0,3 µm).

Struktur

Schema einer Bakterienzelle

Bakterien besitzen zumeist eine Zellwand, alle besitzen Cytoplasma mit Cytoplasmamembran und Ribosomen. Die DNA liegt als strangförmiges, in sich geschlossenes Molekül, als so genanntes Bakterienchromosom frei im Cytoplasma vor. Bei einigen Bakterien kommen auch zwei Bakterienchromosomen vor, beispielsweise bei Ralstonia eutropha Stamm H16. Häufig befindet sich im Cytoplasma weitere DNA in Form von kleineren, ebenfalls strangförmigen, in sich geschlossenen Molekülen, den Plasmiden, die unabhängig vom Bakterienchromosom vervielfältigt und bei der Fortpflanzung weitergegeben werden oder von einem Individuum auf ein anderes übertragen werden können. Das Genom des Darmbakteriums Escherichia coli besteht aus knapp 4,7 Millionen Basenpaaren, deren Sequenz vollständig bekannt ist. Das DNA-Molekül ist etwa 1,4 Millimeter lang mit einem Durchmesser von nur 2 Nanometern und enthält rund 4400 Gene. Trotz seiner Länge von mehr als dem Tausendfachen des Zelldurchmessers ist es auf einen Bereich von etwa der Hälfte des Zelldurchmessers (vermutlich hochgeordnet) zusammengelegt (Nucleoid). Inzwischen sind viele weitere Bakteriengenome vollständig bekannt. Eine Besonderheit der Bakterien ist auch die RNA-Polymerase. Sie besitzen nur eine, und die besteht aus nur 5 Untereinheiten (α (2x), β, β' und ω). Die RNA-Polymerase der Archaeen besteht dagegen aus 11–12 Untereinheiten, und Eukaryoten besitzen mehrere RNA-Polymerasen, die aus bis zu 12 Untereinheiten bestehen.

Erläuterungen zum Bakterien-Schema:

  • Es wird ein Längsschnitt eines Bakteriums schematisch dargestellt.
  • Nicht alle dargestellten Strukturelemente sind immer und bei allen Bakterien vorhanden.
  • Bei allen Bakterien sind immer vorhanden: Cytoplasmamembran, Cytoplasma, Nucleoid und Ribosomen.
  • Thylakoide (dienen der Phototrophie) sind in sehr verschiedener Form bei allen phototrophen Bakterien vorhanden, mit Ausnahme der Chlorobien.
  • Chlorosomen (dienen der Phototrophie) sind bei Chlorobien vorhanden.
  • Soweit eine Zellwand vorhanden ist (bei weitaus den meisten Bakterien), ist sie bei gramnegativen Bakterien dünn, bei grampositiven Bakterien dick.
  • Gramnegative Bakterien besitzen außerhalb der Zellwand eine weitere Biomembran, die sog. Äußere Membran, die im Schema nicht dargestellt ist.
  • Soweit Flagellen (Geißeln) vorhanden sind, ist ihre Anzahl (1 bis viele) und ihre Anordnung je nach Bakterienart verschieden. Auch ihre Länge variiert. Sie sind immer wendelförmig.
  • Soweit Pili vorhanden sind, ist ihre Anzahl (1 bis viele), Länge und Anordnung verschieden.
  • Soweit eine Schleimhülle, Glykokalix außerhalb der Zellwand vorhanden ist, kann sie je nach Bakterienart und äußeren Bedingungen verschieden dick sein und aus verschiedenen Schleimstoffen bestehen.
  • Soweit Plasmide vorhanden sind, ist ihre Anzahl unterschiedlich.
  • Soweit Gasvesikel vorhanden sind, ist ihre Größe und Anzahl je nach Bakterienart und äußeren Umständen verschieden.

Lebensweise und Vermehrung

Lebensweise

Lebensweise und Stoffwechsel der Bakterien sind sehr unterschiedlich ausgeprägt. So gibt es Bakterien, die Sauerstoff benötigen (aerobe Bakterien oder Aerobier), Bakterien, für die Sauerstoff Gift ist (obligat anaerobe Bakterien oder obligate Anaerobier), und Bakterien, die tolerant gegenüber Sauerstoff sind (fakultative Anaerobier). Einige Bakterien sind zur Photosynthese fähig, also phototroph, zum Beispiel die früher auch Blaualgen genannten Cyanobakterien, die meisten sind dagegen chemotroph. Von den Chemotrophen sind die meisten heterotroph, einige jedoch chemoautotroph, und zwar lithoautotroph.

Manche Bakterien (z. B. Bacillus) bilden Dauerstadien (Sporen) aus, in denen der komplette Stoffwechsel zum Erliegen kommt. In diesem Zustand können die Bakterien für sie ungünstige – auch extreme – Umweltbedingungen überstehen und mehrere tausend Jahre überdauern. Andere Bakteriengattungen haben eine andere Strategie entwickelt und ihren Stoffwechsel direkt an extreme Umweltbedingungen angepasst. Sie werden als Extremophile bezeichnet.

Die meisten Bakterien leben in der Natur in Form von Biofilmen zusammen.

Vermehrung

Die Vermehrung der Bakterien erfolgt asexuell durch Zellteilung. Das kann durch Querteilung (besonders bei zylinderförmigen Bakterien), durch Knospung, durch Sporenbildung oder auf andere Weise geschehen. Bei der Endosporenbildung kommt es jedoch meistens nicht zu einer Vermehrung, weil weit überwiegend nur eine Endospore je Zelle gebildet wird (nur bei wenigen Bakterien, beispielsweise bei Anaerobacter polyendosporus und Metabacterium, werden mehrere Endosporen je Zelle gebildet). Alle Nachkommen der asexuellen Vermehrung weisen ein identisches Genom auf und bilden daher einen Klon.

Gentransfer

Bei einer Konjugation können Bakterien mit Hilfe sogenannter Sexpili (Proteinröhren) DNA untereinander austauschen (horizontaler und vertikaler Gentransfer). Mittels der Sexpili können sich die Zellen annähern und dann über eine Plasmabrücke DNA (das Bakterien-„Chromosom“ ganz oder teilweise sowie Plasmide) von einer Zelle zur anderen übertragen. Da die Pili nicht direkt an der DNA-Übertragung beteiligt sind, kann diese auch ohne Pili erfolgen, wenn sich zwei Bakterienzellen eng aneinander legen. Dieser Gentransfer wird vor allem von Gram-negativen Bakterien praktiziert. Bei Gram-positiven Bakterien herrscht vor allem der Mechanismus der Transduktion vor. Hierbei werden Bakteriophagen als Vektor benutzt. Transformation, die Aufnahme von nackter DNA, ist dagegen kaum verbreitet.

Bewegung

Bakterien bewegen sich meist frei im Flüssigmedium schwimmend durch Flagellen, auch als Geißeln bezeichnet, die anders als die Geißeln der Eukaryoten (z. B. Protisten) nicht nach dem „9+2-Muster“ aufgebaut sind, sondern aus einem langen, wendelförmigen, etwa 15 bis 20 nm dicken Proteinfaden bestehen. Zudem wirken die Flagellen der Bakterien nicht antreibend durch Formveränderung wie die Geißeln der Eukaryoten, sondern sie werden wie ein Propeller gedreht. Die Drehbewegung wird an einer komplizierten Basalstruktur durch einen Protonenstrom erzeugt, ähnlich wie bei einer Turbine, die durch einen Flüssigkeits- oder Gasstrom angetrieben wird. Dazu ist ein Protonenkonzentrationsgefälle erforderlich. Spirochaeten bewegen sich dadurch, dass sie sich um sich selbst drehen und dank ihrer wendelförmigen Körper sich gewissermaßen durch das umgebende Medium schrauben. Einige Bakterien bewegen sich nicht freischwimmend, sondern durch Kriechen, zum Beispiel Myxobakterien und einige Cyanobakterien.

Verschiedene Umweltfaktoren können die Bewegungsrichtung der Bakterien beeinflussen. Diese Reaktionen werden als Phototaxis, Chemotaxis (Chemotaxis gegenüber Sauerstoff: Aerotaxis), Mechanotaxis und Magnetotaxis bezeichnet.

Endosymbiontenhypothese

Aufgrund biochemischer Untersuchungen nimmt man heute an, dass einige Organellen, die in den Zellen vieler Eukaryoten vorkommen, ursprünglich eigenständige Bakterien waren (Endosymbiontentheorie); dies betrifft die Chloroplasten und die Mitochondrien. Diese Organellen zeichnen sich durch eine Doppelmembran aus und enthalten eine eigene zirkuläre DNA, auf der je nach Art 5 bis 62 Gene enthalten sein können. Belege dafür sind die Ergebnisse der rRNA-Sequenzierung und die Organellproteine, die eine stärkere Homologie zu den Bakterienproteinen ausweisen, als zu den Eukaryoten. Die Codons von Mitochondrion und Chloroplast ähneln der Codon Usage der Bacteria ebenfalls mehr.

Bedeutung

Ökologische Bedeutung

Unverzichtbar für bedeutende geochemische Stoffkreisläufe sind viele Bodenbakterien, die als Destruenten wirken beziehungsweise Nährsalze für die Pflanzen verfügbar machen.

Eine große Gruppe von Bakterien bilden die so genannten Cyanobakterien, die früher etwas irreführend auch als Blaualgen bezeichnet wurden. Da sie Prokaryoten sind, gehören sie nicht zu den Algen. Sie betreiben Photosynthese und sind entsprechend unabhängig von organischer Nahrung, brauchen jedoch Licht zur Energieversorgung. Gemeinsam mit den Grünalgen (Chlorophyta) und anderen Algengruppen bilden sie das Phytoplankton der Meere und Süßgewässer und so die Nahrungsgrundlage vieler Ökosysteme.

Spezielle Bakterien kommen als Symbionten im Darm oder in anderen Organen vieler Lebewesen vor und wirken bei der Verdauung und weiteren physiologischen Vorgängen mit. Escherichia coli und Enterokokken sind die bekanntesten Vertreter dieser Gruppe. Aber auch anaerobe Bifidobakterien gehören dazu.

Medizinische Bedeutung

Bakterien spielen im menschlichen Körper eine große Rolle. So leben im menschlichen Darm eine Vielzahl von Bakterien, die zusammen die verdauungsfördernde Darmflora bilden. Die Haut des gesunden Menschen ist von harmlosen Bakterien besiedelt, die die Hautflora bilden. Besonders hohe Bakterienzahlen finden sich auf den Zähnen. Bakterien können aber auch als Krankheitserreger wirken. Einige Bakterien verursachen eitrige Wundentzündungen (Infektionen), Sepsis (Blutvergiftung) oder die Entzündung von Organen (z. B. Blasen- oder Lungenentzündung). Um diesen Erkrankungen vorzubeugen, wurden von der Hygiene, einem Fachgebiet der Medizin, zwei Methoden zum Kampf gegen Bakterien entwickelt:

Sterilisation ist ein Verfahren, mit dessen Hilfe medizinische Geräte und Materialien keimfrei gemacht werden.

Desinfektion ist ein Verfahren, um die Zahl von Bakterien auf der Haut oder Gegenständen stark zu vermindern (z. B. mit Händedesinfektionsmitteln).

Sind die Bakterien einmal in den Körper eingedrungen und haben eine Infektion ausgelöst, stellen heute die Antibiotika ein wirksames Mittel gegen Bakterien dar; zum Beispiel Penicilline, die durch Pilze der Gattung Penicillium gebildet werden. Penicillin stört die Synthese der Bakterien-Zellwand, daher wirkt es nur gegen wachsende Bakterien. Allerdings sind viele Antibiotika im Laufe der Zeit gegen bestimmte Bakterien unwirksam geworden. Deshalb werden Bakterien in mikrobiologischen Laboratorien untersucht und ein Resistenztest durchgeführt. Bei der Behandlung mit Antibiotika muss beachtet werden, dass nicht nur pathogene (krankmachende) Bakterien, sondern auch mutualistische (nützliche) Bakterien durch das Medikament gestört bzw. getötet werden können. Dies kann soweit führen, dass zunächst in geringer Zahl im Darm lebende Bakterien der Art Clostridium difficile, die von Natur aus gegen viele Antibiotika resistent sind, die Oberhand im Darm gewinnen und schwere Durchfälle auslösen.

Eine Resistenz gegen Antibiotika kann naturgegeben oder die Folge einer Mutation sein. Um das zu beweisen, entwickelten die Biologen Max Delbrück und Salvador Edward Luria den Fluktuationstest.

Eine ältere Methode der Ärzte beim Kampf gegen bakterielle Infektionen stellt die Operation mit Eröffnung und Säuberung des Eiterherdes dar, gemäß dem uralten lateinischen Chirurgen-Spruch „Ubi pus, ibi evacua“ – zu deutsch: „Wo Eiter ist, dort entleere ihn.“ Bei großen Eiterherden ist diese Methode in Verbindung mit der Gabe von Antibiotika viel wirksamer als nur der Einsatz von Antibiotika allein.

Bakterien auf und im Menschen

Ein Mensch besteht aus etwa 10 Billionen (1013) Zellen, auf und in ihm befinden sich etwa zehnmal so viele Bakterien.[3]

Im Mund eines Menschen leben insgesamt etwa 1010 Bakterien.

Auf der menschlichen Haut befinden sich bei durchschnittlicher Hygiene etwa hundertmal so viele Bakterien, nämlich insgesamt etwa eine Billion, allerdings sehr unterschiedlich verteilt: an den Armen sind es nur wenige tausend, in fettigeren Regionen wie der Stirn schon einige Millionen und in feuchten Regionen wie den Achseln mehrere Milliarden pro Quadratzentimeter. Dort ernähren sie sich von rund zehn Milliarden Hautschuppen, die täglich abgegeben werden, und von Mineralstoffen und Lipiden, die aus den Hautporen abgeschieden werden.

99 % aller im und am menschlichen Körper lebenden Mikroorganismen, nämlich mehr als 1014 mit mindestens 400 verschiedenen Arten, darunter vorwiegend Bakterien, leben im Verdauungstrakt, vor allem im Dickdarm und bilden die sogenannte Darmflora.

Sogar in der Lunge gesunder Menschen wurden in jüngster Zeit aufgrund einer neuen Untersuchungsmethode im Rahmen des Mikrobiom-Projekts (um 2007) 128 Arten von Bakterien entdeckt [4]. Bis dahin waren Mikrobiologen nie in der Lage gewesen, im Labor Bakterien aus der Lunge zu vermehren, daher dachte man, die Lunge sei steril.

Biotechnische Bedeutung

Die Fähigkeit einer großen Anzahl von Bakterien, für den Menschen wichtige Stoffe wie Antibiotika und Enzyme zu produzieren, wird in der Biotechnik vielfältig genutzt. Neben klassischen Verfahren in der Nahrungsmittel- und Chemikalienproduktion (Weiße Biotechnologie; vor allem Bioethanol, Essigsäure, Milchsäure, Aceton) gehört auch die Nutzung ihrer Fähigkeiten zur Beseitigung problematischer Abfälle sowie zur Produktion von Medikamenten (vor allem Antibiotika, Insulin) hierher. Dabei spielen vor allem Escherichia coli sowie diverse Arten von Clostridien, Corynebacterium, Lactobacillus, Acetobacter und eine Vielzahl weiterer Bakterien eine Rolle, in dem man sich ihren Stoffwechsel gezielt nutzbar macht.

Häufig werden zu diesem Zweck nützliche Teile des Genoms bestimmter Bakterien in das Genom einfach zu haltender, einfach zu kultivierender und weitgehend ungefährlicher Bakterien wie Escherichia coli eingepflanzt (Genmanipulation).

Klassifikation

Phylogenetisches System

Phylogenetischer Stammbaum der Bakterien, welcher sich aus dem Vergleich der Basensequenz der 16S-rRNA ergibt

Eine phylogenetische Klassifikation anhand morphologischer und stoffwechselphysiologischer Merkmale ist bei den Bakterien in der Regel nicht möglich, sie muss auf der Basis der molekularen Struktur dieser Organismen aufgebaut werden. Die Klassifizierung erfolgt hauptsächlich mit Hilfe phylogenetischer Marker. Solche Marker sind zelluläre Makromoleküle, deren Zusammensetzung sich mit abnehmendem Verwandtschaftsgrad verschiedener Organismen immer mehr unterscheidet. Zu den wichtigsten Molekülen dieser Art zählt derzeit die 16S-Untereinheit der ribosomalen RNA. Die Basensequenz dieser RNA soll die tatsächlichen evolutionären Beziehungen unter den Organismen widerspiegeln.

Das derzeit von den meisten Bakteriologen akzeptierte phylogenetische System der Bakterien ist beschrieben in Taxonomic Outline of the Bacteria and Archaea[5][6], das gleichzeitig eine Klassifikation der Archaeen vornimmt. Nachstehend wird dieses System, beschränkt auf die Bakterien im eigentlichen Sinne (Domäne Bacteria) bis auf Ordnungsebene wiedergegeben. Die Vielfalt bakterieller Lebensformen ist aber deutlich größer als dieses System repräsentiert. Basierend auf den bis heute bekannten 16S-rRNA-Sequenzen vermutet man mehr als 50 verschiedene Bakterien-Phyla. Die Existenz dieser Phyla wird anhand großer, in Umweltproben immer wieder auftauchender Gruppen bestimmter rRNA-Sequenzen vorhergesagt, jedoch konnte bisher kein Bakterium aus diesen Phyla kultiviert werden.

„Klassische“ Systeme

Bevor man phylogenetisch begründete Systeme aufstellen konnte, war man auf Merkmale angewiesen, die kaum die Feststellung von natürlichen, phylogenetischen Verwandtschaften ermöglichten. Heute gebräuchliche molekularbiologische Merkmale, die zur Ermittlung phylogenetischer Verwandtschaften erforderlich sind, konnten mit den damals zur Verfügung stehenden Methoden nicht ermittelt werden. Das folgende System ist ein Beispiel für veraltete („klassische“) Systeme [7] . Die Prokaryoten („Schizophyta“) bildeten darin eine Abteilung der Pflanzen.

Abteilung Schizophyta („Spaltpflanzen“, umfasste alle Prokaryoten = „Anucleobionta“)

Klasse Bacteria (Bakterien = „Spaltpilze“)
Ordnung Eubacteriales (einzellige unverzweigte Bakterien)
Familie Coccaceae (Kugelbakterien)
Familie Bacteriaceae (stäbchenförmige Bakterien ohne Sporen)
Familie Bacillaceae (stäbchenförmige Bakterien mit Sporen)
Familie Spirillaceae („Schraubenbakterien“, wendelförmig)
Ordnung Chlamydobacteriales (Fadenbakterien in Röhren „Scheiden“)
Ordnung Mycobacteriales (stäbchenförmige Bakterien mit Verzweigungen, mycelbildende Bakterien „Strahlenpilze“)
Ordnung Myxobacteriales („Schleimbakterien“, einzellige, schwarmbildende Bakterien)
Ordnung Spirochaetales (flexible, wendelförmige Bakterien mit aktiver Formveränderung)
Klasse Cyanophyceae („Blaugrüne Algen“, „Spaltalgen“)
Ordnung Chroococcales (einzellig, ohne Sporen)
Ordnung Chamaesiphonales (einzellig oder fadenförmig, mit Sporen)
Ordnung Hormogonales (fadenförmig, mit Hormogonien, häufig Heterocysten)

Praktische Unterteilung

Kokken – Spirillen – Bazillen

Aus praktischen Gründen werden Bakterien bisweilen in Anlehnung an die früheren „klassischen“ Systeme nach ihrer Form und ihrer Organisation unterteilt. Dabei werden kugelige Bakterien als Kokken, längliche, zylindrische Bakterien als Bazillen und spiralige, wendelförmige Bakterien als Spirillen oder Spirochäten bezeichnet. Diese Grundformen können einzeln auftreten oder sich zu typischen Formen zusammenfinden (Haufenkokken = Staphylokokken, Kettenkokken = Streptokokken, Doppelkokken = Diplokokken). Des Weiteren bilden vor allem Stäbchenbakterien häufig, Spirillen immer eine oder mehrere Geißeln, so genannte Flagellen, aus, mit deren Hilfe sie sich fortbewegen können. Anzahl und Anordnung der Geißeln sind Unterscheidungsmerkmale. Einige Bakterien bilden Schleimhüllen, „Kapseln“, aus, einige verschiedenartige Sporen. Weiterhin wichtig für die Unterteilung ist die Lebensweise, besonders der Stoffwechseltyp, sowie die Möglichkeit, die Bakterien auf bestimmte Weise zu färben. Die so genannte Gramfärbung (eingeführt vom dänischen Bakteriologen Gram) lässt Rückschlüsse auf die Zusammensetzung und Struktur der Zellwand zu; die so genannten grampositiven Bakterien bilden wahrscheinlich sogar eine natürliche Verwandtschaftsgruppe, ein monophyletisches Taxon.

Serologisch unterscheidbare Variationen von Bakterien nennt man Serotypen.

Das älteste Bakterium

Seit dem Jahr 2000 gilt ein geschätzt 250 Millionen Jahre altes Bakterium als ältestes Lebewesen auf der Erde. Der Mikroorganismus mit dem heutigen Namen „Bacillus permians“ wurde in einem Labor der West Chester University in Pennsylvania von den Forschern um Russell H. Vreeland entdeckt. In einer Nährlösung entwickelte das Bakterium Aktivitäten. Geborgen wurde es bei Bohrungen in einer Höhle bei Carlsbad (New Mexico), die der Erkundung einer möglichen Endlagerstätte für Atommüll dienten. Es überlebte die Zeiten in einem größeren Salzkristall, worin sich etwas Salzlake befand, in 2.000 Fuß (609 Meter) Tiefe.[8][9]

Das Forscherteam berichtete über seinen Fund im britischen Wissenschaftsjournal Nature am 19. Oktober 2000.[10] Die Entdeckung entzündete neue Überlegungen über das Entstehen von Leben im Universum. Eine so lange Lebensdauer dieses Organismus ließe ihn riesige Entfernungen im Weltall zurücklegen. Es hat den Anschein, als ob Sporen ein Schlüssel hierfür sein könnten. Bakterien und Hefen können ihre Funktionen in schlechten Zeiten so reduzieren, dass sie zu einer stabilen elastischen Struktur werden. Wiederbelebungen solcher Sporen sind bereits aus 118 Jahre alten Fleischdosen und 166 Jahre alten Bierflaschen geglückt.[11]

Aufwändiger war der Reanimationsweg beim zuvor ab 1995 bekannten ältesten Lebewesen. Hier wurden etwa 25 bis 40 Millionen Jahre alte Bakteriensporen zum Leben erweckt. Sie stammten aus dem Hinterleib einer Biene, die in Bernstein eingeschlossen war und in einem Fund in der Dominikanischen Republik aufgespürt wurden.[12]

Andere Forscher nahmen zur Entdeckung ihrer Kollegen eine distanzierte Haltung ein und verwiesen darauf, dass Berichte über alte Bakterienfunde in Felsgestein, Kohle oder altägyptischen Tempeln einer wissenschaftlichen Nachprüfung bislang nicht standhielten.[13] Den geäußerten Verdacht einer Verunreinigung mit anderen Bakterien hält Russell H. Vreeland für nahezu ausgeschlossen.[14]

Literatur

Bücher

  • Martin Dworkin, Stanley Falkow, Eugene Rosenberg, Karl-Heinz Schleifer, Erko Stackebrandt (Hrsg.): The Prokaryotes, A Handbook of the Biology of Bacteria. 7 Bände, 3. Auflage, Springer-Verlag, New York u. a. O., 2006, ISBN 0-387-30740-0. Umfasst auch Archaea.
  • Joseph W. Lengeler, Gerhart Drews, Hans G. Schlegel (Hrsg.): Biology of the Prokaryotes. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 3-13-108411-1. Umfasst auch Archaea.
  • Michael T. Madigan, John M. Martinko, Paul V. Dunlop, David P. Clark: Brock – Biology of microorganisms, 12. Ed. (Pearson International Edition), Pearson, Benjamin Cummings, Pearson Education, Inc., San Francisco u. a. O. 2009, ISBN 978-0-321-53615-0. Umfangreiches Lehrbuch, behandelt auch andere Mikroorganismen.
  • Michael T. Madigan, John M. Martinko: Brock – Mikrobiologie, 11. überarbeitete Auflage, Pearson Studium, München 2006, ISBN 3-8273-7187-2. Übersetzung von Brock – Biology of microorganisms 11. ed. ins Deutsche, behandelt auch andere Mikroorganismen.
  • Betsey Dexter Dyer: A field guide to bacteria. Cornell University Press, Ithaca NY, U.S.A. 2003, ISBN 0-8014-8854-0 (Karton), ISBN 0-8014-3902-7 (Leinen). Beobachtungen im Gelände, behandelt auch Archaea.
  • Karl Bernhard Lehmann & Rudolf Otto Neumann: Atlas und Grundriss der Bakteriologie und Lehrbuch der speciellen bakteriologischen Diagnostik. Lehmann, München 1896. Klassisches (veraltetes) Lehrbuch mit Schwerpunkt medizinische Bakteriologie.

Aufsätze

  • Herbert Zuber: Thermophile Bakterien. In: Chemie in unserer Zeit. Bd. 13, Nr. 6, 1979, S. 165-175, ISSN 0009-2851.
  • Birgit Sattler, Hans Puxbaum, Roland Psenner: Bakterien der Lüfte: Vom Winde verweht. In: Biologie in unserer Zeit. Bd. 32, Nr. 1, 2002, S. 42-49, ISSN 0045-205X.
  • Silke Wendler: Das Cytoskelett der Bakterien. In: Biologie in unserer Zeit. Bd. 32, Nr. 1, 2002, S. 6, ISSN 0045-205X.
  • Hans-Curt Fleming, Jost Wingender: Biofilme - die bevorzugte Lebensform der Bakterien: Flocken, Filme und Schlämme. In: Biologie in unserer Zeit. Bd. 31, Nr. 3, 2001, S. 169-180, ISSN 0045-205X.

Weblinks

Commons: Bakterien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Bakterium – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Carl R. Woese, Otto Kandler, Mark L. Wheelis: Towards a natural system of organisms: Proposal for the domains Archaea, Bacteria, and Eucarya. In: Proceedings of the National Academy of Science, USA. Bd. 87, 1990, S. 4576-4579.
  2. Bild der Wissenschaft, 1/2007, Seite 9
  3. Dorion Sagan, Lynn Margulis: Garden of Microbial Delights: A Practical Guide to the Subvisible World. Kendall/Hunt Publishing Company, Dubuque, Iowa 1993
  4. How Microbes Defend and Define Us, New York Times, abgerufen am 1. Feb. 2011
  5. http://www.taxonomicoutline.org
  6. George M. Garrity, Timothy G. Lilburn, James R. Cole, Scott H. Harrison, Jean Euzéby, Brian J. Tindall: Taxonomic Outline of the Bacteria and Archaea. Release 7.7, March 6, 2007, Michigan State University Board of Trustees, www.taxonomicoutline.org
  7. Hans Fitting, Walter Schumacher, Richard Harder, Franz Firbas: Lehrbuch der Botanik für Hochschulen - Begründet von E. Strasburger, F. Noll, H. Schenk und A. F. W. Schimper. 25. Auflage. Piscator, Stuttgart 1951, S. 295-301
  8. Spiegel-Online vom 18. Oktober 2000: Ur-Bakterium zum Leben erweckt, abgefragt am 3. Dezember 2010
  9. Science News Online vom 6. Dezember 1999: Prehistoric bacteria revived from buried salt (englisch), abgefragt am 3. Dezember 2010
  10. Vreeland,R. H., Rosenzweig, W. D. & Powers, D. W. Isolation of a 250 million-year-old bacterium from a primary salt crystal. Nature 407, 897 - 900 2000.
  11. naturenews vom 19. Oktober 2000: Hardcore Hibernation (englisch), abgefragt am 3. Dezember 2010
  12. Cano,R. J. & Borucki, M. Revival and identification of bacterial spores in 25 to 40 million year old Dominican amber. Science 268, 1060 - 1064 1995.
  13. BBC-News vom 18. Oktober 2000: Alive...after 250 million years (englisch), abgefragt am 3. Dezember 2010
  14. BBC-News vom 7. Juni 2001: Row over ancient bacteria (englisch), abgefragt am 3. Dezember 2010

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