Berliner Aquarium Unter den Linden


Eckhaus Unter den Linden 68

Das Berliner Aquarium Unter den Linden bestand auf dem Grundstück Unter den Linden Nr. 68 zwischen 1869 und 1910. Zeitweilig war es eine ernstzunehmende Konkurrenz für den Zoologischen Garten Berlin, auch weil der tatsächliche Tierbestand wesentlich umfangreicher war als der eines reinen Aquariums.

Vorgeschichte

Der Zoologe Alfred Brehm

Zu den Berliner Freizeitvergnügungen gehörten im 19. Jahrhundert Ausflüge zu Fischteichen vor den Stadttoren. Im Schlossteich Charlottenburg schwammen Karpfen, die angeblich auf Klingelzeichen zur Fütterung kamen. Die Goldfische im Großen Tiergarten, besonders zahlreich im einstigen „Venus-Bassin“ unweit des Brandenburger Tores, brachte man im Winter in geschlossene Wasserbecken, nachdem sie 1849 bei eisiger Kälte im flachen Wasser ausnahmslos erfroren waren. Überschüssige Goldfische wurden an Privatleute verkauft. Die Käufer hielten ihre Fische in Kleinaquarien oder als Zimmerschmuck in den seinerzeit verbreiteten kugelförmigen Goldfischgläsern. In der Markgrafenstraße gab es ein Fachgeschäft für derartige Interessen.

In den 1860er Jahren entstand im Berliner Bürgertum die Vorstellung, die schnell wachsende preußische Hauptstadt sollte außer dem Zoologischen Garten, der 1844 eröffnet worden war, auch ein angemessen großes Aquarium haben. Der Zoologe Alfred Brehm beteiligte sich intensiv an den Vorbereitungen. Er war von 1863 bis 1866 Direktor des Zoologischen Gartens in Hamburg gewesen, hatte diese Tätigkeit nach Meinungsverschiedenheiten beendet und suchte in Berlin einen neuen Wirkungskreis. In schwierigen Verhandlungen mit Behörden und Geldgebern schuf er die Voraussetzungen für das neue Aquarium am Standort Unter den Linden/Ecke Schadowstraße und wurde dessen erster Direktor.

Das Gebäude

Für die Finanzierung sorgte eine 1867 gegründete Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 200.000 Talern. Als Architekt wurde Wilhelm Lüer gewonnen, der zuvor den Zoo in Hannover gestaltet hatte. Die äußeren Bedingungen waren ungünstig; auf der winkligen Restfläche hinter einem Eckhaus entstand ein zweistöckiges Gebäude, erreichbar durch einen schmalen Eingang von der Schadowstraße her. Im Inneren führte ein 300 Meter langer Weg die Besucher an indirekt beleuchteten Nischen und Grotten vorbei, zu deren Ausgestaltung Basalt, Granit und anderes Gestein aus verschiedenen deutschen Gebirgen herangeschafft worden war. Im unteren Stockwerk waren die Wassertiere zu sehen, oben sonstige Tierarten. Eine „geologische Grotte“ erstreckte sich über beide Stockwerke und zeigte einen Querschnitt der Erdkruste mit deren verschiedenen Schichten. Ein kleines Restaurant ergänzte die Anlage.

Erfolg und Niedergang

Eine der Grotten im Aquarium

Die Eröffnung des Zoologischen Gartens, der weit außerhalb der damaligen Stadtgrenze lag, war ohne nennenswerte Resonanz geblieben. Dagegen rief der Bau des zentral gelegenen Aquariums großes Interesse hervor. Kronprinz Friedrich Wilhelm (der spätere Kaiser Friedrich III.) besichtigte schon die Baustelle, zur Eröffnung am 11. Mai 1869 erschien König Wilhelm I. mit großem Gefolge. Allerdings war es bis zu diesem Zeitpunkt trotz vieler Versuche nicht gelungen, für die Seefische des Aquariums klares, durchsichtiges Meerwasser künstlich herzustellen; erst im Herbst 1869 stand es in ungetrübter Qualität zur Verfügung. Das Aquarium wurde ein voller Erfolg. Neben der günstigen Lage trug intensive Werbung dazu bei, Brehm sorgte für immer neue, interessante Zeitungsnotizen über sein Unternehmen. Ausgestellt wurden nicht nur Schlangen, Echsen und Fische, sondern Biber und Seehunde, Papageien und andere Tierarten. Bei der Eröffnung hatte Brehm erklärt, man wolle trotz mancher Kritik an der Bezeichnung „Aquarium“ festhalten, obwohl man durchaus von einem „Vivarium“ oder einem „Tiergarten unter Dach und Fach“ sprechen könne.[1]

Alfred Brehm leitete das Unternehmen bis 1873. Sein Nachfolger wurde der ehemalige Apotheker Otto Hermes, der im Eröffnungsjahr das Meerwasser-Problem gelöst hatte und seit 1871 an der Leitung des Hauses beteiligt war. Auch er bemühte sich, das öffentliche Interesse wachzuhalten. Ein Höhepunkt war 1876/1877 die Präsentation eines jungen Gorillas namens „M’Pungu“, des ersten lebenden Exemplars seiner Art in Deutschland. Die Besucherzahlen stiegen vorübergehend sprunghaft an, das Tier wurde für kurze Zeit mit großem Zuspruch auch in London gezeigt. Im Jahr nach seiner Ankunft starb „M’Pungu“ an einer Magen-Darm-Infektion. Neben weiteren Gorillas wurden in den folgenden Jahren Schimpansen, Orang-Utans und Gibbons ausgestellt, mit unterschiedlichen Überlebenszeiten zwischen wenigen Wochen und drei Jahren. In Meyers Lexikon hieß es 1905:

„Eins der bedeutendsten Aquarien […] Es bedeckt einen Flächenraum von 1334 qm und enthält gegen 500 cbm Wasser, beherbergt in seinen oberen Räumen aber auch Schlangen, Vögel und Affen, besonders anthropomorphe (1876 den ersten lebenden Gorilla). Zur Verwendung gelangt künstliches Seewasser.“

Meyers Konversations-Lexikon[2]

Inzwischen hatte der Zoologische Garten stark an Anziehungskraft gewonnen und war über verbesserte Verkehrswege leichter erreichbar. Unter Heinrich Bodinus, Direktor seit 1869, entstanden neue Tierhäuser in exotischem Stil, dazu einige Pavillons und Restaurants. Direktor Ludwig Heck ließ seit 1888 den Tierbestand nochmals erheblich vergrößern. Trotz weiter bestehender Konkurrenzsituation war das Verhältnis zwischen Aquarium und Zoo jedoch entspannt. Otto Hermes überließ dem Zoo einige Säugetiere, Ludwig Heck wiederum verkaufte Reptilien und Amphibien an das Aquarium. Aber im Vergleich zur Entwicklung des weitläufigen Zoos mit seinen attraktiven Bauten und öffentlichen Konzerten erwies sich das Konzept der engen, halbdunklen Grotten im unveränderbar begrenzten Raum des Aquariums allmählich als überholt und unwirtschaftlich. Schließlich erwarb eine Bankgesellschaft die Aktienmehrheit des Unternehmens, um auf dem wertvollen Baugrund ein neues Gebäude errichten zu lassen. 1907 musste Otto Hermes mitteilen, dass sein Aquarium höchstens noch zwei bis drei Jahre lang existieren werde.

Es folgten längere, letztlich ergebnislose Verhandlungen über einen neuen Standort, auch über eine Neugründung gemeinsam mit dem Zoologischen Garten. Otto Hermes starb im März 1910, vor Abschluss dieser Überlegungen. Am 30. September 1910 musste das Aquarium Unter den Linden für immer schließen, die Gebäude wurden abgerissen. Der Tierbestand ging zum größten Teil an Aquarien in Leipzig und Frankfurt am Main. Die Leitung des Zoologischen Gartens ließ an der heutigen Budapester Straße – damals noch ein Teil des Kurfürstendamms – ein eigenes, neu konzipiertes Aquarium errichten, das 1913 fertiggestellt war. Für dessen sogenanntes „Helgolandbecken“ fanden Basaltsäulen aus dem abgerissenen Aquarium unter den Linden Verwendung; heute sind sie im Erweiterungsbau des Zoo-Aquariums zu sehen.

Literatur

  • Heinz-Georg Klös, Hans Frädrich, Ursula Klös: Die Arche Noah an der Spree, FAB Verlag, Berlin 1994, ISBN 3-927551-29-5.
  • Alfred Brehm: Das Berliner Aquarium in Westermanns Monatshefte, Band 27, 1870, S. 47 f, Digitalisat

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Heinz-Georg Klös, Hans Frädrich, Ursula Klös: „Die Arche Noah an der Spree“, S. 350. FAB Verlag, Berlin 1994, ISBN 3-927551-29-5.
  2. Udo Christoffel (Hsg.): Berlin in Bildpostkarten, S. 257. Vieth Verlag Berlin, 1987

Koordinaten: 52° 31′ 1,1″ N, 13° 23′ 0,4″ O

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