Cyclophosphamid


Strukturformel
Cyclophosphamide Enantiomers V.1.svg
1:1-Gemisch aus (R)-Form (links) und (S)-Form (rechts)
Allgemeines
Freiname Cyclophosphamid
Andere Namen
  • (RS)- N,N-bis(2-Chlorethyl)-1,3,2-oxazaphosphinan- 2-amin-2-oxid
  • CYC, CPM, CPA, CTX, CYT
Summenformel
  • C7H15Cl2N2O2P
  • C7H15Cl2N2O2P·H2O
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer
  • 50-18-0 (Cyclophosphamid)
  • 6055-19-2 (Cyclophosphamid·Monohydrat)
PubChem 2907
DrugBank APRD00408
Wikidata [[:d:Lua-Fehler in Modul:Wikidata, Zeile 865: attempt to index field 'wikibase' (a nil value)|Lua-Fehler in Modul:Wikidata, Zeile 865: attempt to index field 'wikibase' (a nil value)]]
Arzneistoffangaben
ATC-Code

L01AA01

Wirkstoffklasse

Zytostatikum

Wirkmechanismus

Alkylans

Eigenschaften
Molare Masse 279,1 g·mol−1
(Cyclophosphamid·Monohydrat)
Schmelzpunkt

41–45 °C und 47–49 °C (Cyclophosphamid·Monohydrat)[1]

Löslichkeit

gut löslich in Wasser: 40 g·l−1 (20 °C)[2]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [3]

Gefahr

H- und P-Sätze H: 301​‐​350
P: 201​‐​301+310​‐​308+313 [3]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Das Oxazaphosphinan Cyclophosphamid (Handelsname: Endoxan®, Hersteller: Baxter) ist ein Arzneistoff und zählt zu der Gruppe der Stickstoff-Senfgas-Verbindungen mit alkylierender Wirkung. Es handelt sich dabei um ein Zytostatikum. Außer für die Krebstherapie wird es auch zur Behandlung von besonders schweren Verläufen bei Autoimmunerkrankungen wie systemischem Lupus Erythematodes (SLE), Sklerodermie, Vaskulitiden wie der Wegener-Granulomatose sowie experimentell bei Multipler Sklerose eingesetzt. Da Cyclophosphamid erst nach einer Aktivierung in der Leber zytotoxisch wirkt, ist es ein Prodrug.

Herstellung

Cyclophosphamid wird aus Bis(2-chlorethyl)amin und Phosphor(V)-oxychlorid hergestellt. Das entstehende Phophorsäureamiddichlorid liefert bei der Umsetzung mit 3-Amino-1-propanol in Gegenwart von Triethylamin racemisches Cyclophosphamid.[5]

Synthese von Cyclophosphamid

Pharmakologie

Cyclophosphamid an sich ist eine nicht zytostatisch wirksame Substanz. Bei Aufnahme in den Körper und Passage mittels Blutkreislaufes durch die Leber wird es in dieser aktiviert. Die Bioverfügbarkeit beträgt >75 % nach peroraler Gabe, die Eliminationshalbwertzeit 3-12 Stunden. Durch Enzyme des Cytochrom P450-Systems (insbesondere CYP2B6[6]) wird Cyclophosphamid durch Hydroxylierung zu 4-Hydroxycyclophosphamid (4-OH-Cyclophosphamid). 4-OH Cyclophosphamid liegt mit dem Tautomer Aldophosphamid in einem Gleichgewicht vor. Aldophosphamid spaltet spontan Acrolein ab und wird zu Phosphoramid-Mustard (Chlorethylphosphorsäureamid [7]). Das Phosphoramid-Mustard ist ein aktives bifunktionales Alkylans und ein Zwitterion bei physiologischem pH (7,4): Die Form Phosphoramid-Mustard gelangt nur schwerlich über die Zellmembran in Zellen, die Form 4-OH-Cyclophosphamid-Aldophosphamid gelangt recht leicht durch die Zellmembran in die Zellen. 4-OH-Cyclophosphamid-Aldophosphamid dient somit als Transportmittel von Phosphoramid-Mustard in die Zellen; letzteres ist deutlich zytotoxischer als 4-OH-Cyclophosphamid-Aldophosphamid. Analog der Substanz Mechlorethamin bewirkt Phosphoramid-Mustard in Zellen Vernetzungsverbindungen (cross links) zwischen den einzelnen DNA-Strängen.

Aldehyddehydrogenasen bauen 4-OH-Cyclophosphamid ab, in dem sie es zu Carboxyphosphamid oxidieren. Zellen, die reich an Aldehyddehyrogenasen sind wie beispielsweise frühe hämatopoetische Stammzellen und Megakaryozyten wie auch Stammzellen in den Schleimhäuten sind gegenüber den toxischen Wirkungen von 4-OH-Cyclophosphamid und Phosphoramid-Mustard unempfindlicher als Zellen ohne reichliche Ausstattung mit Aldehyddehydrogenasen. Dieser Unterschied in der Metabolisierungsfähigkeit erklärt die relativ kurze Dauer der Knochenmarktoxizität mit Anämie, Thrombopenie und Leukopenie. Sie erklärt auch die im Vergleich zu anderen alkylierenden Substanzen geringere Schleimhauttoxizität (Mukositis).

Wirksamkeit

Krebserkrankungen

Cyclophosphamid wird bei einer Reihe von bösartigen Erkrankungen (Krebserkrankungen) als Zytostatikum eingesetzt. Zumeist erfolgt der Einsatz in Kombination mit anderen Zytostatika.

Erwachsene

Kinder und Jugendliche

  • Medulloblastom[8]
  • Weichteilsarkome wie Rhabdomyosarkom, Leiomyosarkom
  • Akute lymphoblastische Leukämie – in Kombination mit Cytarabin oder Methotrexat und Asparaginase
  • Hodgkin-Lymphom
  • Non-Hodgkin-Lymphom
  • Neuroblastom
  • Retinoblastom
  • Ewing-Sarkom
  • Konditionierungsbehandlung vor Stammzelltransplantation
  • Mobilisierung von Stammzellen zur Stammzellapherese
  • Schwere / sehr schwere aplastische Anämie

Multiple Sklerose

In mehreren Studien konnte eine Reduzierung der Progression bei guter Verträglichkeit beobachtet werden([9][10] u.a.). Dabei waren Auffrischinfusionen besser wirksam als eine einmalige Induktionstherapie.

Für die Behandlung von Multipler Sklerose mit Cyclophosphamid liegt derzeit keine Zulassung vor.

Wirkmechanismus

Cyclophosphamid führt zu Einzel- und Doppelstrangbrüchen in sich schnell teilenden Zellen. Daraus resultierend finden sich im Blut von behandelten Patienten mehr CD8-Suppressorzellen und weniger CD4-Helferzellen.

Nebenwirkungen

Es kommt häufig zu einer verminderten Leukozytenzahl (Dosislimitierende Knochenmarkdepression), Übelkeit, Haarausfall. Besonders bei hohen kumulierten Dosen ist das Krebsrisiko, speziell für Leukämie und Blasentumore erhöht. Außerdem kann es im Rahmen einer Chemotherapie mit Cyclophosphamid zu einer hämorrhagischen Zystitis kommen. Dagegen wird eine protektive Substanz parallel zur Cyclophosphamid Gabe verabreicht: MESNA (Mercapto-ethansulfonat-Natrium).
Allerdings ist die Sinnhaftigkeit der Gabe von MESNA durchaus umstritten, vor allem bei Cyclophosphamidtherapien im nicht-onkologischen Bereich (zum Beispiel bei der Therapie der Wegener-Granulomatose), da hier die verwendeten Dosierungen deutlich geringer sind. [11] Weiterhin kann es nach Cyclophosphamidgabe bei Frauen und Männern zu Infertilität kommen, weswegen eine Kryokonservierung von Spermien bzw. Eizellen vor Erstgabe erwogen werden sollte. Impfungen mit Totimpfstoffen sind unter Cyclophosphamid-Behandlung aufgrund dessen immunsuppressiver und zytostatischer Wirkung nicht wirksam.

Gegenanzeigen (Kontraindikationen)

  • Schwangerschaft. Eine Schwangerschaft sollte vor der Cyclophosphamid-Therapie ausgeschlossen werden, eine bestehende Schwangerschaft ist eine Gegenanzeige (Kontraindikation) gegen den Einsatz von Cyclophosphamid. Während der Therapie sollte ein ausreichende Verhütungsmaßnahmen angewendet werden, um eine Schwangerschaft zu verhindern.
  • Impfungen mit Lebendimpfstoffen. Infolge der zytostatischen und immunsuppressiven Wirkung sind Impfungen mit Lebendimpfstoffen während einer Behandlung mit Cyclophosphamid potentiell gefährlich und sollten daher unterlassen werden.

Bedeutung für die Psychoneuroimmunologie

Die Konditionierbarkeit des Immunsystems wurde erstmals von Robert Ader (z.B. R. Ader & Nicholas Cohen, 1975) mit Cyclophosphamid als unkonditioniertem Stimulus nachgewiesen. Er konnte in Rattenexperimenten eine klassisch-konditionierte immunsuppressive Wirkung der Substanz nachweisen. Zuerst wurde eine Saccharin-Lösung (neutraler Stimulus) gepaart mit Cyclophosphamid dargeboten. Nach Gabe von gesüßtem Wasser wurde den Tieren das Übelkeit auslösende Immunsuppressivum injiziert. In der Folge wurde neben einer konditionierten Geschmacksaversion gegen die Saccharin-Lösung eine verringerte Antikörperproduktion und eine erhöhte Mortalität bei den konditionierten Versuchstieren festgestellt. D. h. der Süßstoff, der ursprünglich keinen Einfluss auf die Immunfunktion hatte, löste nach dem Konditionierungslernen vergleichbare immunsuppressive Wirkungen wie Cyclophosphamid aus. Mit diesen Befunden begründete Ader die sogenannte Psychoneuroimmunologie, die sich mit den Einflüssen psychischer und neuronaler Mechanismen auf das Immunsystem (im Besonderen auf die Immunabwehr) beschäftigt.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. The Merck Index. An Encyclopaedia of Chemicals, Drugs and Biologicals. 14. Auflage, 2006, S. 460, ISBN 978-0-911910-00-1.
  2. Eintrag zu Cyclophosphamid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich).
  3. 3,0 3,1 Datenblatt Cyclophosphamide monohydrate bei Sigma-Aldrich (PDF).Vorlage:Sigma-Aldrich/Abruf nicht angegeben
  4. Datenblatt Cyclophosphamid (PDF) beim EDQM
  5. Axel Kleemann, Jürgen Engel, Bernd Kutscher und Dietmar Reichert: Pharmaceutical Substances, 4. Auflage (2000), 2 Bände erschienen im Thieme-Verlag Stuttgart, S. 563, ISBN 978-1-58890-031-9; seit 2003 online mit halbjährlichen Ergänzungen und Aktualisierungen.
  6. Differential activation of cyclophosphamide and ifosphamide by cytochromes P-450 2B and 3A in human liver microsomes. Cancer Res. 1993 Dec 1;53(23):5629-37.
  7. Wolfgang Forth, D. Henschler, W. Rummel [Begr], Klaus Aktories, Ulrich Förstermann, Franz Bernhard Hofmann, Klaus Starke (Hrsg.): Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 10. Auflage. Urban & Fischer in Elsevier, München 2009, ISBN 978-3-437-42522-6.
  8. S1-Leitlinie Medulloblastom im Kindes- und Jugendalter der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH). In: AWMF online (Stand 10/2008).
  9. PMID 18541787
  10. PMID 21865410
  11. Incidence and prevention of bladder toxicity from cyclophosphamide in the treatment of rheumatic diseases: a data-driven review. Arthritis Rheum. 2010 Jan;62(1):9-21.