Dünnschliff


Dünnschliff vor dem Mikroskop

Ein Dünnschliff ist ein Festkörperpräparat zur mikroskopischen Untersuchung. Überwiegend handelt es sich um Gesteine, Keramiken und Gußteile.

Gesteine, Böden und Keramik sind fast ausnahmslos undurchsichtig und ihre mineralogischen Eigenschaften darum oft kaum erkennbar. Erst ab einer Dicke von 0,03 bis 0,02 mm (30 bis 20 µm) ist eine Probe für die Durchlichtmikroskopie geeignet und eine eingehendere Untersuchung wird möglich. Untersucht wird im normalen und polarisierten Licht sowie mit speziellen Wellenlängen (z. B. UV-Licht).

Geschichte

Dünnschliffe von Melaphyren, historische Darstellung von 1876
Dünnschliff

Die ersten Versuche mit Dünnschliffen gehen auf den englischen Naturforscher Henry Clifton Sorby zurück. Dieser publizierte diese Methode erstmals 1858 durch einen Aufsatz im Journal der Geological Society in London. Danach zog diese Untersuchungsmethode schnell in die Praxis der Petrographen ein.[1]

Auf dem Feld paläontologischer Forschungen haben sich mit der Dünnschliffmikroskopie die Geowissenschaftler Franz Unger und Carl Ferdinand Peters frühe Verdienste erworben. Unger beschrieb 1842 seine Methode zur Anwendung von Dünnschliffen bei der Untersuchung fossiler Hölzer. Um 1840 hatte er im Auftrag von Stephan Ladislaus Endlicher Dünnschliffe von solchen Objekten angefertigt. Peters führte um 1855 (publiziert) Dünnschliffarbeiten aus, um weitere Aufschlüsse für taxonomische Bewertungen zu erhalten. Zur frühen Verbreitung dieser Untersuchungsmethode in den Geowissenschaften trug Ferdinand Zirkel entscheidend bei, der sie am 3. Februar 1863 in einer Sitzung der k. k. geologischen Reichsanstalt vorstellte und zuvor bei Sorby erlernt hatte. [2]

Die Darstellung von Dünnschliffabbildungen war im 19. Jahrhundert für die Fachliteratur ein nur unbefriedigend lösbares Problem, weil die damaligen Drucktechniken eine authentische Wiedergabe der oft anspruchsvollen Strukturbilder nicht ermöglichten. Deshalb war es zeitweilig üblich, entsprechende Dünnschliffbilder auf dem zeichnerischen Wege mit nachträglicher Handkolorierung zu erstellen und sie mit den Mitteln der Lithographie drucktechnisch umzusetzen.

Herstellung

Zur Herstellung eines Gesteins- oder Keramik-Dünnschliffs wird von einem Gesteinbrocken, dem Handstück, bzw. einer Keramik eine Probe mittels eines diamantbesetzten Sägeblattes abgesägt, angeschliffen, poliert und mit einem speziellen Kunstharz auf einen gläsernen Objektträger aufgeklebt. Danach wird die Probe auf die gewünschte Dicke heruntergeschliffen. Technische Körnerpräparate werden in Kunstharz eingegossen und wie die oben genannten Festkörper weiter bearbeitet.

Zur Herstellung eines Boden-Dünnschliffs wird im Gelände eine ungestörte Bodenprobe mittels Kubiëna-Kästen (benannt nach W. L. Kubiëna, der mit seinen seit den 1930er-Jahren durchgeführten mikromorphologischen Studien an Böden zweifelsohne Pionierarbeit auf diesem Gebiet geleistet hat) und Abwandlungen dieser Kästen verwendet. Ist eine Entnahme mit Kubiëna-Kästen aufgrund hoher Steingehalte oder größerer Artefakte nicht möglich, können unter anderem größere Rahmen eingesetzt oder die Probe mit Gips ummantelt werden. Im Labor werden die Bodenproben schließlich getrocknet (Lufttrocknung, Gefriertrocknung oder Trocknung über Aceton) und anschließend im Vakuumschrank (damit keine Luftblasen in den Proben verbleiben) in Kunstharz eingegossen. Nach dem Aushärten des Harzes wird die Probe etwa in der Mitte aufgesägt und auf einer Seite geschliffen, poliert und diese Seite anschließend auf einen Objektträger aufgeklebt. Danach wird soviel abgeschnitten, dass ein schmales Plättchen (ca. 100 µm stark) verbleibt. Danach wird die andere, noch unbehandelte Seite geschliffen und poliert, bis der Dünnschliff nur noch etwa 20 bis 30 µm stark und somit fast durchsichtig ist. Für manche spezielle Untersuchungen (Microprobe etc.) sind unabgedeckte Proben notwendig. Die Probe kann aber auch mit einem Deckglas abgedeckt werden. Für Untersuchungen z. B. an der Mikrosonde sind polierte unabgedeckte Schliffe notwendig, dazu sind spezielle Methoden nötig, die kein Relief erzeugen.

An so hergestellten Dünnschliffen kann die Art des beprobten Gesteins, Bodens beziehungsweise der Keramik und ihre mineralische Zusammensetzung genauer untersucht werden.

Gesteinsuntersuchungen mittels Dünnschliffen

Bei der Untersuchung von Gesteinsproben wird nach qualitativen und quantitativen Zielen unterschieden. Ferner sind allgemeine Merkmale der Zweck der Betrachtung.

allgemeine Ziele

  • räumliche Orientierung von Kristallen und Kornaggregaten
  • Verteilungscharakter von Mineralen im Gestein
  • Korn- bzw. Kristallformen
  • Kornbindungen

qualitative Ziele

  • Bestimmung der gesteinsbildenden Minerale
  • Zusammensetzung von Mischkristallen mittels optischer Daten
  • Degradationsprozesse und ihr erreichter Status in kristallinen Gefügen (Verwitterung)

quantitative Ziele

  • Mengenverhältnisse verschiedener Mineralien im Gestein
  • Korngrößenverteilung

Ergebnisse und Interpretation in der Bodenkunde

Bevor man einen Dünnschliff interpretieren kann, ist es zunächst notwendig, diesen Dünnschliff und weitere Dünnschliffe anderer Proben, die direkt oder indirekt damit im Kontext stehen (sofern vorhanden), detailliert zu beschreiben.

In der Bodenkunde und Archäologie werden dazu unter anderem erfasst:

  • die Mikrostruktur (Aggregate, Hohlräume, Gänge),
  • die sogenannte Grundmasse (d. h. das organische und mineralische Fein- und Feinstmaterial),
  • das nicht in die Grundmasse eingebundene organische Material sowie
  • die einzelnen Bodenmerkmale und -besonderheiten.

Zur Charakterisierung dieser Bestandteile werden jeweils unter anderem Größe, Form, Beschaffenheit, Variabilität, Häufigkeit, Farbe, Lichtdurchlässigkeit, Verhältnis und Lage der Bestandteile zueinander sowie daraus eventuell resultierende Muster beschrieben.

Die im Boden-Dünnschliff sichtbaren, mehr oder weniger stark ausgeprägten Merkmale und Merkmalskombinationen sind eine „Momentaufnahme“: Sie spiegeln die Entwicklung eines Bodens und die Prozesse in ihm bis zur Probennahme wider. Aus archäologischer Sicht sind Holzkohlereste, Knochenfragmente, Partikel gebrannten Lehms, Schlacke- und Erzreste, Exkremente, Eierschalen, Fischgräten etc., von besonderem Interesse, denn - je nach Lage im Profil - kann man im Idealfall anhand der „mikroskopischen Fundstücke“ im Dünnschliff (in Verbindung mit anderen Dünnschliffen des gleichen Befundes sowie eventuell vorhandenen „makroskopischen Fundstücken“) die Geschichte eines Befundes rekonstruieren: Von der einstigen Nutzung oder Funktion eines Objektes selbst (beispielsweise von Grubenhäusern), über die Umgebungsbedingungen (z. B. die Tierhaltung) bis hin zur Verfüllung eines Objektes sowie der Herkunft und Zusammensetzung dieses Verfüllmaterials, das die menschlichen Aktivitäten im Umfeld des Befundes dokumentieren kann.

Verwandte Methoden

Sollen undurchsichtige Materialien nur im Auflicht untersucht werden, genügen einseitig geschliffene und polierte Flächen am Objekt, so genannte Anschliffe.

Auch innerhalb der Metallographie arbeitet man gelegentlich mit Gefügeschliffbildern.

Die in der Medizin hierzu sinngemäß verwandten Methoden werden unter Histologie und Mikrotom beschrieben.

Literatur

  • Arnd Peschel: Natursteine. Dt. Verlag f. die Grundstoffindustrie, Leipzig 1977.
  • Hans Pichler, Cornelia Schmitt-Riegraf: Gesteinsbildende Minerale im Dünnschliff. Ferd. Enke Verlag, Stuttgart, 1993, ISBN 3-432-95522-7.
  • D. L. Rowell: Bodenkunde. Untersuchungsmethoden und ihre Anwendungen. Springer, Berlin/New York, 1997, ISBN 978-3-540-61825-6.

Weblinks

Commons: Gestein im Dünnschliff – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Emanuel Bořický: Die Arbeiten der geologischen Abtheilung der Landesdurchforschung von Böhmen, II. Theil, Petrographische Studien an den Basaltgesteinen Böhmens. Prag (Řivnač) 1873, S. 3–4
  2. Bernhard Hubmann: Paläontologische Dünnschliff-Untersuchungen in Österreich-Ungarn vor 1860 durch C.F. Peters und F. Unger. In: Abhandlungen der Geologischen Bundesanstalt Bd. 56/1 (1999), S. 171-176. ISSN 0378-0864