Delirium tremens


Klassifikation nach ICD-10
F10.4 Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Das Delirium tremens (von lat. delirium ‚Irresein‘, tremere ‚zittern‘; Synonym: Alkoholdelirium) stellt eine ernste und potenziell lebensbedrohende Komplikation bei einer länger bestehenden Alkoholkrankheit dar. Es tritt zumeist im Rahmen des Alkoholentzuges auf, kann aber auch seltener durch einen Alkoholrausch selbst ausgelöst werden. Auch bei anderen Suchterkrankungen kann ein Delirium tremens im Entzug oder als unmittelbare Nebenwirkung auftreten. Der Begriff wird aber in der Regel nur für das Vollbild des Alkoholentzuges benutzt.

Ein Delirium ist dabei ein Organisches Psychosyndrom, das charakterisiert wird durch gleichzeitig auftretende Störungen des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit, der Wahrnehmung, des Denkens, des Gedächtnisses, der Psychomotorik, der Emotionalität und des Schlaf-Wach-Rhythmus. Die Dauer ist unterschiedlich, und der Schweregrad reicht von leicht bis lebensbedrohlich.

Epidemiologie

Lebenszeitprävalenz: 5 % (2 bis 15 %) aller alkoholabhängigen Personen, Rezidivrisiko 12 bis 23 %. Das Risiko, während eines Alkoholentzuges ein Delirium tremens zu entwickeln, liegt unter 1 %.

Verlauf

Spontanverlauf: Die Letalität (Sterblichkeitsrate) des unbehandelten Deliriums liegt bei 25 %, wobei ältere und wiederholt delirante Patienten vor allem aufgrund ihrer Multimorbidität eine schlechtere Prognose haben. Für die restlichen Fälle gilt, dass nach drei bis fünf Tagen (max. 20 Tage) eine Erholung eintritt. Angst, Schlafstörungen und leichte vegetative Beschwerden können jedoch bis zu sechs Monate lang bestehen bleiben und dazu führen, dass der Alkoholkranke im Sinne einer Eigentherapie rückfällig wird, also wieder Alkohol trinkt, um sich von diesen Symptomen zu befreien.

Ca. 50 % aller Alkoholdeliria werden durch epileptische Anfälle eingeleitet (also meist im Prädelirium), diese werden jedoch oft als alkoholisch bedingter Dämmerzustand verkannt.

Nicht selten sind Deliria, die im Rahmen anderer Alkoholfolgekrankheiten wie Pankreatitis, obere gastrointestinale Blutung bei Leberzirrhose oder Lungenentzündung (Pneumonie) auftreten. Wird der Patient wegen dieser Krankheiten ins Krankenhaus eingewiesen und bekommt dort keinen Alkohol mehr, kann zur Einweisungskrankheit das Delir als erschwerender Faktor hinzukommen. Das gilt auch für Bewusstseinsstörungen nach Unfällen, insbesondere nach Schädel-Hirn-Verletzungen.

Symptome (Krankheitszeichen)

Die klinische Symptomatik setzt sich zusammen aus:

  • psychiatrischen Symptomen: Angst, örtliche, zeitliche und situative Orientierungsstörungen, illusionäre Verkennungen, Halluzinationen (meist optische), teils ausgeprägte Beeinflussbarkeit (Suggestibilität) meist mit Beziehung zu Alkohol
Beispiele: Der Betroffene sieht Tiere oder andere Dinge, welche nicht real sind. [1]
  • neurologischen Symptomen: Verwirrtheit mit wechselndem Bewusstseinsgrad bis hin zum Koma; Unruhe, feinschlägiges bis sehr grobschlägiges Zittern (genannt Tremor); tonische und klonische Krämpfe
  • vegetativen Symptomen: profuses Schwitzen, Erhöhung von Puls, Blutdruck und der Atemfrequenz. Besonders bei unbehandelten Verläufen kann es zu letal endenden vegetativen Entgleisungen kommen. Sofern eine rechtzeitige Einleitung der Therapie erfolgt, sinkt die Rate der tödlichen Verläufe deutlich ab.

Einteilung in Schweregrade

Unvollständiges Delirium (sogenanntes Prädelirium), vollständiges Delirium (das eigentliche Delirium tremens), lebensbedrohliches Delirium.

Diagnose

Diese wird „klinisch“ gestellt, das heißt: durch Beobachtung, körperliche Untersuchung und vor allem durch Eigen- und Fremdanamnese (Achtung: Dissimulation, auch falsche Angaben durch Angehörige infolge von Schamgefühlen). Man kann die Diagnose auch ex juvantibus stellen. Dabei verabreicht man Alkohol oral oder über die Vene. Insbesondere bei der Gabe über die Vene verschwinden die Symptome innerhalb von Minuten. Im voll ausgebildeten Delirium wird jedoch kein Alkohol gegeben, sondern eine medikamentöse Behandlung mittels Benzodiazepinen oder Clomethiazol begonnen, unterstützend werden symptomorientiert z.B. Clonidin o. Haloperidol eingesetzt.

Differentialdiagnose

  • Alle Unruhezustände anderer Art
  • Vegetative Dystonie
  • Delirium oder Verwirrtheit
  • Fieberdelirium
  • Extremer Harndrang, der nicht geäußert und behoben werden kann (Polyurie)
  • Überdosierung von Asthmamitteln
  • Ausgeprägte Schilddrüsenüberfunktion
  • Unterzucker bei Zuckerkranken (Diabetes mellitus)
  • Meningitis oder Enzephalitis

Behandlung

  • Ein drohendes bzw. bereits ausgebildetes Delirium erfordert eine sofortige notfallmäßige stationäre Aufnahme.
  • Beim Vollbild der Krankheit ist eine Behandlung auf einer Intensivstation ratsam.
  • Da die Patienten oft aggressiv, unruhig und teilweise psychotisch sind, ist eine Behandlung mit Beruhigungsmitteln erforderlich.
    • Eingesetzt werden Diazepam oder Clomethiazol als Basistherapeutika. Hierzu werden häufig symptomorientiert weitere Substanzen gegeben, wie z.B. Haloperidol bei Halluzinationen oder Clonidin bei vegetativen Störungen.
    • Zur Verhinderung von Entzugskrämpfen kann Carbamazepin zusätzlich gegeben werden.
  • Vorsicht ist bei der Anwendung von Beruhigungsmitteln immer bezüglich der Atmung geboten, da die meisten dieser Stoffe atemdepressiv wirken.
  • Ein Alkoholprädelirium lässt sich auch schnell durch die intravenöse Gabe von Alkohol unterbrechen. Dies ist dann sinnvoll, wenn eine zweite Erkrankung behandelt werden muss, deren Verlauf durch ein zusätzliches Delirium verschlechtert wird. Allerdings sind die notwendigen Dosen zuvor nicht sicher abschätzbar. Auch ist das Zusammenspiel von (sedierenden) Medikamenten und Alkohol potentiell gefährlich, insbesondere wegen der Atemdepression, so dass in der Regel von der Gabe von Alkohol abgeraten werden muss. Ein bereits vollständig ausgeprägtes Delirium tremens lässt sich meist nicht mehr durch die Gabe von Alkohol durchbrechen.
  • Zusatzbehandlung:
    • Überwachung von Flüssigkeits-, Mineral- und Energiehaushalt.
    • Schutz vor Verletzungen: „Erst gurten, dann starten“
    • Schutz vor Auskühlung
    • Erkennung und Behandlung von Begleiterkrankungen wie Pneumonie, Pankreatitis, Leberzirrhose

Siehe auch

  • Abhängigkeit
  • Alkoholkonsum
  • Alkoholkrankheit
  • autonomes Nervensystem
  • Korsakow-Syndrom
  • Tremor

Weblinks

Wiktionary: Delirium tremens – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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