Flunitrazepam


Strukturformel
Strukturformel von Flunitrazepam
Allgemeines
Freiname Flunitrazepam
Andere Namen

5-(2-Fluorphenyl)-1-methyl- 7-nitro-1,3-dihydro- 2H-1,4-benzodiazepin-2-on

Summenformel C16H12FN3O3
Kurzbeschreibung

weißes oder gelbliches kristallines Pulver [1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 1622-62-4
PubChem 3380
DrugBank DB01544
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Arzneistoffangaben
ATC-Code

N05CD03

Wirkstoffklasse

Hypnotikum Benzodiazepin Sedativum

Eigenschaften
Molare Masse 313,29 g·mol−1
Schmelzpunkt

170–172 °C [1]

pKS-Wert

1,8 [1]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [2]

Achtung

H- und P-Sätze H: 302​‐​319
P: 305+351+338 [2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Flunitrazepam ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Benzodiazepine. Es wird vorwiegend als Schlafmittel verschrieben sowie vor chirurgischen oder diagnostischen Eingriffen und gelegentlich auch noch anschließend kurzfristig zur Sedierung des Patienten angewendet.

Geschichte und Synthese

Flunitrazepam wurde erstmals 1972 von Hoffmann-La Roche hergestellt und patentiert. Das Präparat kam 1975 auf den europäischen Markt und wurde seit 1980 auch außerhalb von Europa zugelassen. Ab den frühen 1990er Jahren ist es auch in den Vereinigten Staaten verfügbar.

Flunitrazepam wird seit 1985 in einer mehrstufigen Synthese aus 4-Chloranilin und 2-Fluorbenzoylchlorid hergestellt.[3][4]

Wirkung

Flunitrazepam bindet an spezifische Benzodiazepinrezeptoren im Zentralnervensystem und verstärkt die dort natürlicherweise vorhandenen Hemm-Mechanismen, an denen der Neurotransmitter GABA (gamma-Aminobuttersäure) beteiligt ist. Flunitrazepam beeinflusst die GABA-eigenen Transmissionen schon in wesentlich kleineren Dosen als andere Benzodiazepin-Derivate. Der sedative Effekt ist ungefähr 7- bis 10-mal stärker als der von Diazepam. Da der Wirkstoff nach oraler Einnahme sehr schnell und nahezu vollständig vom Körper aufgenommen wird, tritt die Wirkung etwa 15 bis 20 Minuten nach der Anwendung ein und hält zwischen 4 und 7 Stunden an. Einige Effekte können bis 12 Stunden nach der Anwendung auftreten.

Nebenwirkungen

Wie bei Benzodiazepinen. Eine Abhängigkeit kann nicht nur bei Missbrauch, sondern auch bei therapeutischer Anwendung schon nach zwei Wochen eintreten.

In einer kritischen Analyse relevanter Studien hinsichtlich einer möglichen Einschränkung der Fahrtüchtigkeit im Straßenverkehr nach Einnahme von Flunitrazepam kommen [5] zu dem Schluss, dass darüber trotz der Menge der bislang gesammelten Daten unter Forschern kein Konsens gefunden werden konnte. Die vermutete beeinträchtigende Wirkung von Flunitrazepam auf die Fahrtüchtigkeit konnte weder bestätigt noch widerlegt werden. Dennoch gilt, dass selbst bei bestimmungsgemäßem Gebrauch dieses Arzneimittel das menschliche Reaktionsvermögen so weit verändern kann, dass die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen beeinträchtigt wird. Deshalb sollten grundsätzlich während der Behandlungsdauer mit Flunitrazepam sowie 24 Stunden nach der letzten Verabreichung des Medikaments keine Kraftfahrzeuge gesteuert oder andere Tätigkeiten ausgeführt werden, mit denen ein Patient sich selbst oder andere gefährden könnte.

Dies gilt in verstärktem Maße bei gleichzeitiger Einnahme von Alkohol, da dieser zusammen mit Flunitrazepam selbst 10 Stunden nach der letzten Dosis noch zu einer stärkeren Beeinträchtigung der Bewegungsabläufe und des geübten Verhaltens führen kann.

Besonders bei Kindern und älteren Patienten besteht die Möglichkeit von „paradoxen“ (gegenteiligen) Reaktionen. Dann treten statt Beruhigung erhöhte Aggressivität, akute Erregungszustände, Angst, vermehrte Muskelkrämpfe, Ein- und Durchschlafstörungen, Albträume, Halluzinationen, depressive Verstimmungszustände oder gelegentlich sogar Selbstmordgefährdung auf. Die Behandlung mit Flunitrazepam kann dann nicht fortgeführt werden.

Anwendung in der Schwangerschaft

Es gibt klare Hinweise auf Risiken für den menschlichen Fetus. Flunitrazepam sollte während der Schwangerschaft nicht angewendet werden. Benzodiazepine wie Flunitrazepam sind relativ lipophil und können die Plazentaschranke passieren. Die Anwendung in hohen Dosen von Benzodiazepinen in der späteren Phase der Schwangerschaft kann beim Neugeborenen Muskelhypotonie auslösen.[6][7]

Missbrauch

In Kombination mit Alkohol oder Opioiden kann es zu einer Amnesie (Gedächtnislücke) kommen, daher hat Flunitrazepam den Ruf einer Date-Rape-Droge: Opfer von Vergewaltigungen oder anderen Straftaten können sich oft an keine Details zum Hergang erinnern. Besonders in den 1990er Jahren wurden die damals farb- und geschmacklosen Tabletten für diesen Zweck missbraucht, meist indem sie Getränken beigemischt wurden. 1999 änderte der Hersteller die Zusammensetzung, so dass die seitdem hergestellten Tabletten eine bläuliche Farbe aufweisen, Flüssigkeiten verfärben, klumpen und einen leicht bitteren Geschmack haben. In einigen Ländern sind die alten Tabletten jedoch noch immer erhältlich und werden außerdem von einigen Generikaherstellern und anderen Firmen immer noch in der alten Form in den Handel gebracht.

Ende der 1990er Jahre wurde das Betäubungsmittelgesetz dahingehend geändert, dass zunächst die Menge pro Packung nicht mehr als 20 mg betragen durfte. Das hatte zur Folge, dass die bis dahin in 20er-Schachteln erhältlichen Tabletten zu 2 mg nur noch in 10er Schachteln angeboten wurden. Eine weitere Novellierung des BtMG im Jahre 1998 führte dazu, dass die Höchstmenge pro abgeteilter Form (also Tablette oder Ampulle) nicht mehr als 1 mg Flunitrazepam enthalten durfte.

Mit der 25. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften vom 3. März 2011 hat die Bundesregierung der BRD beschlossen, Flunitrazepam ausnahmslos den Vorschriften des BtMG zu unterstellen. Dieser Änderungsverordnung hat der Bundesrat in seiner 882. Plenarsitzung am 15. April 2011 zugestimmt (BR-Drs 130/11). Es gab eine Übergangsfrist von sechs Monaten ab Verkündung dieser Änderungsverordnung im Bundesgesetzblatt. Diese Frist endete am 1. November 2011. Seitdem sind Flunitrazepam-haltige Arzneimittel in Deutschland nur noch mit BtM-Rezept erhältlich.[8]

In den USA ist Flunitrazepam nicht als Medikament zugelassen und gilt als illegale Droge. Die Einfuhr zum "persönlichen Gebrauch" blieb bei entsprechendem Nachweis und der Anmeldung beim Zoll jedoch lange möglich. Auf diesem Weg gelangten jährlich etwa 1,5 Millionen Einheiten Flunitrazepam (je 2mg) legal in die USA, bis 1996 auch diese Form der Einfuhr verboten wurde.[9] Trotz der im Vergleich zu Deutschland relativ großzügigen Verschreibungspraxis anderer Benzodiazepine besteht in vielen US-Regionen ein Schwarzmarkt für Flunitrazepam. Insbesondere im Süden der USA, entlang der Grenze zu Mexiko ist die Substanz relativ leicht und vergleichsweise günstig erhältlich.

Flunitrazepam wird auch von Konsumenten illegaler Drogen eingenommen. Die Tabletten sind am Schwarzmarkt als „Ruppies“, „Ruffies“, „Roofies“ (vor allem in Amerika unter diesem Namen üblich) oder „R2“, im deutschsprachigen Raum aber vor allem als „Flunies/Flummis“ (nach dem Inhaltsstoff Flunitrazepam), „Ropse“, „Ro(s)chies“ (nach der Hersteller-Firma Roche) oder „Ropys“ bekannt. Speziell in Österreich werden häufig die Namen „Roiperl“, „Ro“, „Rippal“, „Benzos“ (für Benzodiazepine im Allgemeinen) oder „Summal“ bzw. „Somnerln“ (nach dem Handelsnamen Somnubene) gebraucht.

Stark verbreitet ist das Mittel insbesondere in „Junkie“-Szenen, in denen Flunitrazepam – alternativ oder ergänzend zu Opiaten – zumeist gespritzt wird. Aber auch unter Partydrogen-Konsumenten ist das Mittel teilweise geläufig, u. a. zum „Runterkommen“ nach dem Konsum halluzinogener Drogen. Die neue Gesetzeslage hat dazu geführt, dass Flunitrazepam in Deutschland an Bedeutung verloren hat. Es wird vermehrt auf andere Benzodiazepine ausgewichen, die ohne BtM-Rezept verfügbar sind. Die illegale Einfuhr aus dem Ausland hat ebenfalls zugenommen.

Film und Kunst

Die US-amerikanische Filmkomödie Hangover aus dem Jahr 2010 handelt von einem Filmriss durch eine versehentliche Einnahme von „Roofies“ in einem alkoholischen Getränk. Der Film Chabrols süßes Gift aus dem Jahr 2000 des französischen Regisseurs Claude Chabrol nach dem Roman „The Chocolate Cobweb“ beschreibt jahrelangen Missbrauch von Flunitrazepam als Schlafmittel. In dem US-amerikanischer Action-Thriller The Mechanic soll ein „Mechanic“ mit einer Überdosis Rohypnol getötet werden. In der siebten Folge der zweiten Staffel South Park hält die Busfahrerin Ms. Crabtree die Roofies des Lkw-Fahrers, der sie mitnimmt, für Aspirin. Aufgeklärt über den Irrtum gibt sie an, dass es ihr egal sei und die von dem Fahrer gewünschte Wirkung tritt auch nicht ein. Beim Aussteigen wird sichtbar, dass der Truck mit einem großen „Roofies“ beschriftet ist.

Handelsnamen

Monopräparate

Fluninoc (D), Guttanotte (A), Rohypnol (D, A, CH), Somnubene (A) sowie einige Generika (D)

Siehe auch

  • Missbrauch von Benzodiazepinen

Weblinks

Commons: Flunitrazepam – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Thieme Chemistry (Hrsg.): RÖMPP Online - Version 3.4. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2009.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Datenblatt Flunitrazepam bei Sigma-Aldrich (PDF).Vorlage:Sigma-Aldrich/Abruf nicht angegeben
  3. W. Hafely, E. Kyburz, M. Gerecke, H. Möhler, Adv. Drug Res. 14:165–322 (1985).
  4. F. von Bruchhausen, S. Ebel, A.W. Frahm, E. Hackenthal: Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis: Band 8, Stoffe E–O. 5. Auflage, Birkhäuser, 1993, ISBN 3-540-52688-9, S. 243.
  5. RM. Kaufmann et al. (2004): Flunitrazepam und Fahrtüchtigkeit. Fortschr Neurol Psychiat. 72; 503–515; PDF (freier Volltextzugriff)
  6. Fachinformation des Arzneimittel-Kompendium der Schweiz: Rohypnol®, Stand: März 2004.
  7. Kanto JH: Use of benzodiazepines during pregnancy, labour and lactation, with particular reference to pharmacokinetic considerations. In: Drugs. 23. Jahrgang, Nr. 5, Mai 1982, S. 354–380, PMID 6124415.Vorlage:Cite book/Meldung
  8. Fünfundzwanzigste Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften. Verordnung der Bundesregierung, Bundesrat Drucksache 130/11 vom 3. März 2011.
  9. USA verhängen Einfuhrverbot für Flunitrazepam