Gefangenschaftsflüchtling


Der in Nordamerika beheimatete Kappensäger wird in Europa stets als Gefangenschaftsflüchtling betrachtet, wenn er in Freiheit aufgefunden wird.
1905 wurde in Böhmen die Bisamratte (Ondrata zibethicus) zur Pelzgewinnung das erste Mal angesiedelt.
Sechs aus einem Gehege ausgebrochene Nandus haben mittlerweile in Mecklenburg-Vorpommern eine circa 100 Tiere umfassende Kolonie begründet

Ein Gefangenschaftsflüchtling ist ein Individuum einer gebietsfremden (allochthonen) Tierart, das aus menschlicher Obhut geflüchtet ist oder ausgesetzt wurde und freilebend beobachtet werden kann.

Viele Gefangenschaftsflüchtlinge sind Vögel, da insbesondere aus Ziergeflügelhaltung immer wieder Individuen entweichen. Brautenten und Mandarinenten sind auf diese Weise in Mitteleuropa zu dauerhaften Bewohnern geworden.

Weltweite Bekanntheit erlangten die Mustangs, die wild lebenden Pferde Nordamerikas, die seit dem 16. Jahrhundert bekannt sind. Mustangs sind keine Wildpferde, sondern die Nachkommen verschiedener Hausrassen, welche zuerst die spanischen Konquistadoren in die Neue Welt einführten, meist Araber und die in Spanien zu dieser Zeit heimischen Hauspferderassen, später auch die der anderen Europäischen Einwanderer. Viele dieser Tiere entkamen als Gefangenschaftsflüchtlinge, verwilderten und etablierten eine stabile Population als Neozoen (Biologische Invasion). Ein bekanntes Beispiel einer Säugetierart, bei der in Deutschland aus Gefangenschaftsflüchtlingen eine wilde Population entstand (biologische Invasion), ist der aus Nordamerika stammende, in Europa aber ursprünglich nur in Zoos gehaltene Waschbär.

Manchmal gelingt es Gefangenschaftsflüchtlingen über längere Zeit in der freien Natur zu überleben und sich auch fortzupflanzen. Gelingt dies den Tieren über mindestens drei Generationen, spricht man von Neozoen. Ähnlich wie bei Pflanzen, deren Verbreitung sich durch Zutun des Menschen verändert hat (Hemerochorie), können Gefangenschaftsflüchtlinge als Neozoen die Artenvielfalt eines Lebensraumes erweitern (nicht-invasiv) oder gefährden (invasiv).

Verbreitungsgebiet

Bei der Feststellung des natürlichen Verbreitungs- oder Zuggebiets einer Tierart können frei lebende Exoten oft erhebliche Verwirrung stiften. Den in Nordamerika beheimateten Kappensäger beispielsweise kann es gelegentlich während seines Zuges in die Sommer- bzw. Winterquartiere bis nach Europa verschlagen. Da diese zu den Entenvögeln zählende Art seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts häufig als Wassergeflügel gehalten wird, werden in Freiheit aufgefundene oder beobachtete Tiere grundsätzlich als Gefangenschaftsflüchtlinge betrachtet. Nur wenn die Beringung eines Individuums etwas Anderes beweist, wird er als verirrter Zugvogel (Irrgast) eingeordnet.

Belege

Literatur

  • Bernhard Kegel: Die Ameise als Tramp. Von biologischen Invasoren. Heyne, München 2002, ISBN 3-453-18439-4.
  • Tim Low: Feral Future. The untold story of Australia’s exotic invaders. Penguin Books Australia, Ringwood 2001, ISBN 0-14-029825-8.
  • Ingo Kowarik: Biologische Invasionen. Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa. Ulmer, Stuttgart 2003, ISBN 3-8001-3924-3.

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