Haubentaucher



Haubentaucher

Haubentaucher (Podiceps cristatus)

Systematik
Klasse: Vögel (Aves)
Ordnung: Lappentaucherartige (Podicipediformes)
Familie: Lappentaucher (Podicipedidae)
Gattung: Podiceps
Art: Haubentaucher
Wissenschaftlicher Name
Podiceps cristatus
(Linnaeus, 1758)
Podiceps cristatus 2 (Lukasz Lukasik).jpg

Der Haubentaucher (Podiceps cristatus) ist eine Vogelart aus der Familie der Lappentaucher (Podicipedidae). Der etwa stockentengroße[1] Vogel ist der größte, häufigste und bekannteste Vertreter dieser Familie von Wasservögeln. Er brütet auf Süßwasserseen und größeren Teichen mit röhrichtbewachsenen Ufern. Besonders auffällig ist sein Balzverhalten, das auf freier Wasserfläche stattfindet und gut zu beobachten ist. Zu den Balzelementen gehört ein heftiges Kopfschütteln mit gespreizter Federhaube sowie die sogenannte Pinguin-Pose, bei denen sich die Vögel durch rasches Paddeln der Füße fast senkrecht voreinander aus dem Wasser heben.

Der Haubentaucher war in Deutschland und Österreich Vogel des Jahres 2001.

Beschreibung

Haubentaucher sind 46 bis 51 cm lang und haben eine Flügelspannweite von 59 bis 73 cm. Sie werden zwischen 800 und 1400 g schwer. Im Sommer sind die Vögel in ihrem Prachtkleid sehr leicht zu erkennen: Sie schwimmen häufig mitten auf Seen und verschwinden immer wieder zu bis zu einer Minute dauernden und 5 bis 20 Meter tiefen Tauchgängen.[2] Haubentaucher haben einen langen, von vorne weißen Hals, ein weißes Gesicht, einen schwarzen Scheitel und eine braunrote und schwarze Federhaube. Nacken und Rücken sind braun. Beide Geschlechter sehen gleich aus. Die Haube wird bei Gefahr angelegt. Im Schlichtkleid fehlt die bunte Haube, und der Haubentaucher ähnelt manchen Seetauchern (Gaviidae), wie etwa dem Sterntaucher.

Haubentaucher rufen häufig und laut, ein schnarrendes Geräusch, das wie keck-keck-keck klingt. Sie erheben sich nach einem kurzen Startlauf aus dem Wasser. Der Flug ist schnell mit raschem Flügelschlag.

Lebensraum und Verbreitung

Der Haubentaucher ist ein weit verbreiteter Vogel in den mittleren Breiten und Subtropen von Südwest-Europa und Nordafrika bis nach China. Die Art kommt auch südlich der Sahara sowie im Süden und Osten Australiens und der Südinsel Neuseelands vor. In Mitteleuropa ist der Haubentaucher in gewässerreichen Gebieten bis in die Mittelgebirgslagen recht häufig. Die höchsten Brutplätze der Schweiz kommen noch auf 1.050 Höhenmetern vor. In Deutschland reicht die Höhenverbreitung bis 810 Meter .

Die östlichen Populationen sind Zugvögel, die an den Küsten in Westeuropa und Südeuropa überwintern. In Deutschland sind Haubentaucher überwiegend Standvögel, die bei länger zugefrorenen Seen ebenfalls an die Küsten wandern.

Verbreitung des Haubentauchers: braun: Standvogel, gelb: Brutvogel, orange: Überwinterung

Der Haubentaucher kommt auf größeren, stehenden Gewässern mit Schilfgürtel im Flachland ganz Europas (bis auf Nordskandinavien und Island) vor.[2] Er benötigt fischreiche Gewässer, die mindestens fünf Hektar groß sind. Nur selten ist er auch auf bereits einem Hektar großen Gewässern zu beobachten. An oligotrophen und mesotrophen Gewässern fehlt der Haubentaucher in der Regel gleichfalls. Neben offener Wasserfläche muss das Gewässer einen Röhrichtgürtel und ins Wasser ragende Gebüsche aufweisen, um den Nestbau zu ermöglichen.[3]

Lebensweise

Nahrung

Haubentaucher fressen hauptsächlich kleine Fische, die sie tauchend jagen. Überwiegend handelt es sich um Oberflächenarten, die eine mittlere Länge von 10 bis 15 Zentimeter erreichen. Die maximale Fischgröße, die Haubentaucher fressen, beträgt 25 Zentimeter. Aber auch Kaulquappen, Frösche, Krebstiere, Spinnen und Wasserinsekten sowie Samen gehören zu ihrer Nahrung. Der tägliche Bedarf beträgt etwa 200 Gramm.[4] Junge werden zunächst mit Insekten gefüttert. Daneben lässt sich wie bei vielen Lappentauchern auch ein Fressen von Federn beobachten. Bereits die Jungvögel werden gelegentlich mit Federn gefüttert.[5]

Haubentaucher tauchen während ihrer Nahrungssuche in der Regel weniger als 45 Sekunden. Dabei schwimmen sie unter Wasser normalerweise zwischen zwei und vier Meter. Die maximal nachgewiesene Tauchstrecke beträgt 40 Meter.[6] Insekten werden auch aus der Luft geschnappt.

Balzverhalten

Die Balz der Haubentaucher ist auffällig und wird auch "Pinguintanz" genannt: Das Paar richtet sich auf dem Wasser Brust an Brust auf, die Vögel schütteln die Köpfe und schlagen mit den Füßen auf das Wasser. Bei der Balz werden im Geschenkritual Geschenke in Form von Futter und Nestmaterial überreicht.[7] Männchen und Weibchen spielen dabei identische oder vertauschte Rollen. Dem "Pinguintanz" geht meist die "Kopfschüttelzeremonie" voraus, die wiederum durch die "Jungfernpose" oder die "Entdeckungszeremonie" eingeleitet wird. Bei der Jungfernpose macht ein einzelner Vogel durch weit reichende, raue Rufe darauf aufmerksam, dass er einen Partner sucht. Während der Entdeckungszeremonie nähert sich ein Vogel dem anderen durch Antauchen knapp unter der Wasseroberfläche, woraufhin er sich langsam in einer Geisterpose über ihn emporreckt. Der zweite Vogel steht ihm in einer Katzenhaltung gegenüber. Die anschließende Kopfschüttelzeremonie ist in drei Stadien eingeteilt. In der ersten Phase begegnen sich die Vögel, senken drohend die Köpfe und kommen einander näher, während sie sich aufrichten, Schopf und Kragen spreizen und ein tickendes Geräusch ausstoßen. Dabei werden die nach unten gerichteten Schnäbel seitlich hin- und hergeschüttelt. Den Anfang der zweiten Phase macht ein erneutes Aufrichten, bei dem die Kopfschmuckfedern weniger gespreizt sind und die Vögel abwechselnd den Kopf schütteln und wiegen. In der abschließenden dritten Phase beginnen einer oder beide Vögel mit dem Scheinputzen des Gefieders und lehnen sich nach hinten, um eine der Flügelfedern nach oben zu ziehen. Diese Zeremonien beginnen im Januar, wenn die Vögel anfangen, Paare zu bilden und Reviere zu belegen; sie dauern dann Wochen bis Monate, währenddessen die Paare zusammenbleiben bis das Nisten beginnt.

Fortpflanzung

Haubentaucher mit Jungen am Nest
Mausernder Jungvogel
Haubentaucher beim Füttern eines Jungvogels

Haubentaucher erreichen ihre Geschlechtsreife frühestens gegen Ende des 1. Lebensjahres, brüten aber im 2. Lebensjahr meist noch nicht erfolgreich. Sie führen eine monogame Saisonehe.

Haubentaucher kommen in der Regel im März/April an ihrem Brutplatz an.

Sie bauen ihr Nest vorzugsweise am Außenrand des Verlandungsgebietes eines Gewässer. Das Nest wird entweder am Boden oder an submersen Pflanzen verankert. Haubentaucher bauen allerdings auch völlig offene Schwimmnester, die sich mitten in kleinen oder flachen Gewässern befinden. Am Nestbau sind beide Elternvögel beteiligt. Der Nestbau dauert gewöhnlich sechs bis acht Tage. Der Legebeginn ist in Mitteleuropa meist April bis Ende Juni. Darin werden von beiden Partnern abwechselnd, im Drei-Stunden-Rhythmus, 27 bis 29 Tage lang 3 bis 4 Eier ausgebrütet.[2] Die Küken sind Nestflüchter und können sofort selbst schwimmen und nach sechs Wochen tauchen. In den ersten 9 bis 10 Wochen werden sie jedoch hauptsächlich von den Altvögeln auf dem Rücken im Gefieder versteckt getragen und sogar beim Tauchen mit unter Wasser genommen, bevor sie nach etwa elf Wochen selbstständig sind. Währenddessen sorgt der andere Elternteil für die Nahrung. Die Jungtiere besitzen eine weiß/schwarze Streifenzeichnung auf Kopf und Rücken.

Gefährdung und Bestand

Nachdem der Bestand der Haubentaucher durch jagdliche Eingriffe und eine Beeinträchtigung des Lebensraumes deutlich zurückging, ist der europäische Bestand der Haubentaucher seit den späten 1960er und frühen 1970er Jahren stark angestiegen. Gleichzeitig hat die Art ihr Areal deutlich ausgeweitet. Bestandszunahme und Arealausweitung wurde überwiegend durch eine Eutrophierung der Gewässer durch Erhöhung des Nährstoffeintrages und dadurch - zumindest anfänglich - besserem Nahrungsangebot vor allem an Weißfischen. Gleichzeitig wurde die Bestandserhöhung durch die Anlage von Fischteichen und Speicherseen begünstigt.[8] Seit den 1990er Jahren stagniert die Bestandsentwicklung oder ist teilweise regional sogar rückläufig. Insgesamt ist die Bestandsentwicklung in Mitteleuropa sehr uneinheitlich.[9]

Der europäische Bestand beträgt zwischen 300.000 und 450.000 Brutpaare. Den größten Bestand gibt es im europäischen Teil Russlands, wo zwischen 90.000 und 150.000 Brutpaare vorkommen. Länder mit mehr als 15.000 Brutpaaren sind Finnland, Litauen, Polen, Rumänien, Schweden und die Ukraine. In Mitteleuropa brüten zwischen 63.000 und 90.000 Brutpaare. Die Sommerbestände enthalten außerdem einen großen Teilen von Nichtbrütern.[10]

Der Haubentaucher gilt als eine der Arten, die vom Klimawandel besonders betroffen sein wird. Ein Forschungsteam, das im Auftrag der britischen Umweltbehörde und der Royal Society for the Protection of Birds die zukünftige Verbreitungsentwicklung von europäischen Brutvögeln auf Basis von Klimamodellen untersuchte, geht davon aus, dass sich bis zum Ende des 21. Jahrhunderts das Verbreitungsgebiet dieser Art deutlich verändern wird. Das Verbreitungsgebiet wird sich nach dieser Prognose um etwa ein Drittel verkleinern und gleichzeitig nach Nordosten verschieben. Zu den möglicherweise künftigen Verbreitungsgebieten zählen die Kola-Halbinsel und der nördlichste Teil des westlichen Russlands. Dagegen geht ein großer Teil des Verbreitungsgebietes auf der Iberischen Halbinsel, an der nördlichen Mittelmeerküste und in Frankreich verloren. Das mitteleuropäische Verbreitungsgebiet wird deutlich lückenhafter.[11]

Haubentaucher und Menschen

Der Schutz des Haubentauchers war im 19. Jahrhundert das Gründungsziel einer britischen Tierschutzvereinigung, aus der später die Royal Society for the Protection of Birds (RSPB) hervorging. Haubentaucherbälge, besonders das dichte, seidige Gefieder von Brust und Bauch, wurden damals sehr häufig in der Modeindustrie verarbeitet. Modisten stellten aus den pelzähnlichen Stücken Kragen, Hüte und Muffs her. Aufgrund der Schutzbemühungen der RSPB konnte die Art in Großbritannien erhalten werden.

Da Fische seine Hauptnahrungsquelle darstellen, wurde der Haubentaucher seit je her verfolgt. Die größte Bedrohung geht durch Sportangler sowie Badegäste und Wassersportler aus, die immer häufiger kleine Gewässer und deren Uferzonen aufsuchen, weshalb der Vogel, trotz des gesetzlichen Naturschutzes, immer seltener wird.[12]

„Haubentaucher“ ist im Bayrischen eine oftmals scherzhafte Beleidigung. Durch das häufige Vorkommen der Vögel wird mit dieser Bezeichnung ein gewisser Grad an Ordinärität suggeriert.

Quellen

  • Hans-Günther Bauer, Einhard Bezzel und Wolfgang Fiedler (Hrsg): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 1: Nonpasseriformes – Nichtsperlingsvögel, Aula-Verlag Wiebelsheim, Wiesbaden 2005, ISBN 3-89104-647-2
  • Lars Svensson, Peter J. Grant, Killian Mullarney, Dan Zetterström: Der neue Kosmos Vogelführer. Kosmos, Stuttgart, 1999. ISBN 3-440-07720-9
  • Lars Jonsson: Die Vögel Europas und des Mittelmeerraumes - Kosmos-Naturführer, Franckh-Kosmos Stuttgart 1992/1999, ISBN 3-440-06357-7
  • Paul Sterry (Herausgeber): Die Enzyklopädie der europäischen Vogelwelt. Tosa, Wien, 2003. ISBN 3-85492-813-0
  • Einhard Bezzel: Vögel. BLV Verlagsgesellschaft, München 1996, ISBN 3-405-14736-0
  • Jon Fjeldså: The Grebes. Oxford University Press, 2004, ISBN 0-19-850064-5
  • André Konter: Grebes of our world, Lynx Edicions, Barcelona 2001, ISBN 84-87334-33-4
  • Günther Niethammer (Hrsg): Handbuch der Vögel Mitteleuropas - Band 1: Gaviformes - Phoenicopteriformes, bearbeitet von Kurt M. Bauer und Urs N. Glutz von Blotzheim, Akademische Verlagsgesellschaft, Wiesbaden 1966

Einzelnachweise

  1. Bezzel, S. 72
  2. 2,0 2,1 2,2 Wissenschaft-Online-Lexika: Eintrag zu Lappentaucher - Haubentaucher im Lexikon der Biologie, abgerufen 20. Mai 2008.
  3. Martin Flade: Die Brutvogelgemeinschaften Mittel- und Norddeutschlands – Grundlagen für den Gebrauch vogelkundlicher Daten in der Landschaftsplanung. IHW-Verlag, Berlin 1994, ISBN 3-930167-00-X, S. 552
  4. Bauer et al., S. 187
  5. Bauer et al., S. 187
  6. Bauer et al., S. 187
  7. Wissenschaft-Online-Lexika: Eintrag zu Geschenkritual im Lexikon der Biologie, abgerufen 20. Mai 2008.
  8. Bauer et al., S. 186
  9. Bauer et al., S. 186
  10. Bauer et al., S. 185
  11. Brian Huntley, Rhys E. Green, Yvonne C. Collingham, Stephen G. Willis: A Climatic Atlas of European Breeding Birds, Durham University, The RSPB and Lynx Editions, Barcelona 2007, ISBN 978-84-96553-14-9, S. 37
  12. Naturschutz heute – Ausgabe 1/01 vom 26. Januar 2001 (http://www.nabu.de/nh/101/taucher101.htm)

Weblinks

Wiktionary: Haubentaucher – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Podiceps cristatus – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien