Hydrazin
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Strukturformel | |||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Allgemeines | |||||||||||
Name | Hydrazin | ||||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | N2H4 | ||||||||||
Kurzbeschreibung |
farblose, klare Flüssigkeit[1] | ||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | |||||||||||
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Eigenschaften | |||||||||||
Molare Masse | 32,05 g·mol−1 | ||||||||||
Aggregatzustand |
flüssig | ||||||||||
Dichte |
1,01 g·cm−3 (20 °C) [1] | ||||||||||
Schmelzpunkt |
1,5 °C [1] | ||||||||||
Siedepunkt |
113,5 °C [1] | ||||||||||
Dampfdruck |
21 hPa (20 °C) [1] | ||||||||||
pKS-Wert | |||||||||||
Löslichkeit |
mischbar mit Wasser [1] | ||||||||||
Brechungsindex |
1,47 (20 °C)[4] | ||||||||||
Sicherheitshinweise | |||||||||||
| |||||||||||
MAK |
Nicht eingestuft, da cancerogen im Tierversuch[1] | ||||||||||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C |
Hydrazin ist eine Stickstoffverbindung mit der Summenformel N2H4. Es ist eine farblose, ölige, ähnlich wie Ammoniak riechende, an Luft rauchende Flüssigkeit. Es verbrennt mit einer kaum sichtbaren Flamme. In den Handel kommt es meist als wässrige Lösung oder als Hydrazinhydrat (H2N−NH2 · H2O).
Darstellung
Technisch
Technisch gibt es mehrere Wege zur Synthese von Hydrazin:[6]
- Raschig-Synthese: Oxidation von Ammoniak (NH3) mit Natriumhypochlorit.
- $ \mathrm {NH_{3}+OCl^{-}\longrightarrow NH_{2}Cl+OH^{-}} $
- Ammoniaklösung und Hypochloritionen reagieren rasch zu Chloramin und Hydroxidionen.
- $ \mathrm {NH_{2}Cl+NH_{3}+OH^{-}\longrightarrow N_{2}H_{4}+Cl^{-}+H_{2}O} $
- Mit hohem Druck wird Ammoniakgas im Überschuss in die Lösung gepresst, dabei erwärmt sich diese auf ca. 400 K, und es erfolgt die Weiterreaktion zu Hydrazin.
- Bayer-Prozess: Oxidation von Ammoniak mit Natriumhypochlorit in Gegenwart von Aceton.
- $ \mathrm {2\,NH_{3}+OCl^{-}+2\,Me_{2}C\!=\!O\longrightarrow } $$ \mathrm {\ Me_{2}C\!=\!N\!-\!N\!=\!CMe_{2}+3\,H_{2}O+Cl^{-}} $
- Ammoniak bildet mit Aceton ein Ketazin, das Kondensationsprodukt eines Ketons mit Hydrazin.
- $ \mathrm {Me_{2}C\!=\!N\!-\!N\!=\!CMe_{2}+2\,H_{2}O\longrightarrow } $$ \mathrm {\ N_{2}H_{4}+2\,Me_{2}C\!=\!O} $
- Das Ketazin lässt sich bei 8–12 bar und 180 °C zu Hydrazin hydrolysieren.
- Pechiney-Ugine-Kuhlmann-Prozess: Das technisch verstärkt angewandte Verfahren besteht in der Oxidation von Ammoniak mit Wasserstoffperoxid (H2O2) in Anwesenheit von Methylethylketon als Ketazinbildner sowie Acetamid und Natriumdihydrogenphosphat als Aktivatoren.
- $ \mathrm {2\,NH_{3}+H_{2}O_{2}+2\,R_{2}C\!=\!O\longrightarrow } $$ \mathrm {\ R_{2}C\!=\!N\!-\!N\!=\!CR_{2}+4\,H_{2}O} $
- Ammoniak reagiert mit dem Keton zu einem Ketazin und Wasser.
- $ \mathrm {R_{2}C\!=\!N\!-\!N\!=\!CR_{2}+2\,H_{2}O\longrightarrow N_{2}H_{4}+2\,R_{2}C\!=\!O} $
- Das erhaltene Ketazin kann wie beim Bayer-Prozess durch Hydrolyse leicht in Hydrazin überführt werden.
- Die Vorteile gegenüber dem Raschig- und Bayer-Prozess sind ein geringerer Energieverbrauch und das Fehlen anfallender Chloride.
Im Labor
- Durch Einleiten von Chlor in eine 20-%-ige Harnstofflösung und anschließender Zugabe von 20-%-iger Natronlauge. Die Ausbeute liegt bei etwa 50 %.
- Der mechanistische Ablauf ist derselbe wie der der Hofmann-Umlagerung: Zuerst Bildung des Amidat-Ions durch Deprotonierung, dann elektrophile Halogenierung des Amidat-Ions, gefolgt von der zweiten Deprotonierung. Das Chloramidation zerfällt spontan zum Acylnitren und einem Chloridion. Das Acylnitren lagert sich zum Isocyanat um, welches unter Addition von Wasser die unbeständige Carbamidsäure liefert, die dann zu Kohlendioxid und Hydrazin zerfällt. Das entstandene Kohlendioxid wird unter Bildung von Natriumcarbonat von der Natronlauge aufgenommen.
- $ \mathrm {CO(NH_{2})_{2}+Cl_{2}+4\ NaOH\longrightarrow N_{2}H_{4}+Na_{2}CO_{3}+2\ NaCl+2\ H_{2}O} $
- Harnstoff, Chlor und Natriumhydroxidlösung reagieren zu Hydrazin, Natriumcarbonat und Natriumchlorid.
- Das Monohydrat kann ebenfalls aus trockenem Hydraziniumsulfat und Kaliumhydroxid durch Zugabe von Wasser und anschließender Destillation in einer Ausbeute von 25% der Theorie erhalten werden:
- $ \mathrm {H_{6}N_{2}SO_{4}+2\ KOH\longrightarrow N_{2}H_{4}\cdot H_{2}O+K_{2}SO_{4}} $
- Zu 99,5% wasserfreies Hydrazin entsteht bei der fraktionierten Destillation des Monohydrats mit Natriumhydroxid im Stickstoffstrom.
- Eine weitere Möglichkeit zur Herstellung trockenen Hydrazins ist die Spaltung von Hydrazinium-Salzen mit Ammoniak:[7]
- $ \mathrm {N_{2}H_{4}\cdot HCl+NH_{3}\longrightarrow N_{2}H_{4}+NH_{4}Cl} $
- $ \mathrm {N_{2}H_{4}\cdot H_{2}SO_{4}+2\ NH_{3}\longrightarrow N_{2}H_{4}+(NH_{4})_{2}SO_{4}} $
Eigenschaften
Hydrazin weist eine dynamische Viskosität von 0,9·10−3 Pa·s auf. Reines Hydrazin kann beim Erhitzen explosionsartig zu Ammoniak und Stickstoff disproportionieren.
- $ \mathrm {\ 3\ N_{2}H_{4(l)}\longrightarrow 4\ NH_{3(g)}+N_{2(g)}} $
Konzentrierte Lösungen sind in Verbindung mit Oxidationsmitteln hochexplosiv, teilweise hypergol. Hydrazin kann auch katalytisch zersetzt werden.
Die Verbindung bildet mit Wasser ein Azeotrop mit einem Hydrazin-Gehalt von 58,5 %, welches bei 120,5 °C siedet.[8]
Säure-/Baseverhalten
Hydrazin ist eine zweiwertige Base (pKb1 = 6,07; pKb2 = 15), jedoch schwächer als Ammoniak pKb = 4,75). Es reagiert als zweiwertige Base mit Säuren zu zwei Reihen von Hydraziniumsalzen (Name analog zum Ammonium) mit der allgemeinen Zusammensetzung [H2N−NH3]+X− und [H3N−NH3]2+2X−. Mit Salzsäure bildet sich Hydraziniummonochlorid ([H2N−NH3]Cl) und Hydraziniumdichlorid ([H3N−NH3]Cl2). Mit Schwefelsäure bildet sich Hydraziniumsulfat ([H3N−NH3]SO4) und Dihydraziniumsulfat ([H2N-NH3]2SO4. Gegenüber sehr starken Basen (pKb << 0) fungiert Hydrazin auch als Säure. So kann durch Reaktion von Natriumhydrid oder Natriumamid mit Hydrazin äußerst oxidationsempfindliches Natriumhydrazid erhalten werden, in welchem Hydrazid-Anionen vorliegen (N2H3−). Umgekehrt reagieren Hydrazid-Ionen mit Wasser praktisch vollständig zu Hydroxid-Ionen und Hydrazin.
Verwendung
Brennstoff
Aufgrund seiner hochreaktiven Eigenschaften verwendet man Hydrazin vor allem als Raketentreibstoff, der mit den Oxidatoren Distickstofftetroxid oder Salpetersäure eine hypergole Treibstoffkombination bildet. Hydrazin wird nicht nur pur, sondern auch gemischt zusammen mit 1,1-Dimethylhydrazin mit den oben genannten Oxidatoren verwendet. Bekannte Gemische mit verschiedener Konzentration der beiden Bestandteile zueinander sind Aerozin 50 und UH 25. Auch allein wird Hydrazin in Korrekturtriebwerken verwendet, wo es katalytisch zersetzt wird.
Hydrazin wird als lagerfähiger Treibstoff in vielen Raketen, Satelliten und Raumsonden verwendet. Dies kann zu einer erheblichen Umweltgefahr führen, wenn ein Raketenstart misslingt. Hat ein Satellit bereits eine Umlaufbahn erreicht, ist es aufgrund der hohen Geschwindigkeit von mindestens acht Kilometern pro Sekunde und der ungünstigen aerodynamischen Verhältnisse bei den kugelförmigen Tanks praktisch ausgeschlossen, dass diese auf dem Erdboden aufschlagen, da sie aufgrund der hohen kinetischen Energie in der Atmosphäre verglühen. Das Hydrazin zersetzt sich dabei.
Bei der Challenger-Katastrophe wurde keine Hydrazin-Kontamination festgestellt. Nach einer erfolgreichen Shuttle-Landung war stets eine der ersten Sicherheitsmaßnahmen, den stehenden Orbiter auf austretendes Hydrazin zu untersuchen. Erst wenn dieser Test negativ ausfiel, durften sich weitere Hilfsfahrzeuge, etwa zur Kühlung, dem Shuttle nähern.
Hydrazin wird in Luftfahrzeugen wie der F-16 als Brennstoff für ein Notenergieaggregat mitgeführt.[9][10]
Hydrazin dient zur elektrochemischen Stromerzeugung in Sekundärzellen und in alkalischen Brennstoffzellen, die vor allem in der Raumfahrt, in U-Booten (hier wird es außerdem als integrale Komponente eines Rettungssystems verwendet) und anderer Militärtechnik eingesetzt werden.
Reduktionsmittel/Korrosionsinhibitor
Verdünnte Hydrazin-Lösungen werden auch als Reagenzien im Labor sowie zur Deoxigenierung (Befreiung von Sauerstoff) von Kesselspeisewasser in Dampfkraftwerken eingesetzt. Die Verwendung erfolgt sowohl für die Entfernung des Restsauerstoffes nach Speisewasserentgasung, zum Schutz gegen mögliche geringe Sauerstoffeinbrüche im Bereich des Kondensators wie auch für die katalytische Sauerstoffentfernung aus dem Zusatzwasser. Der Vorteil von Hydrazin ist, dass nur Stickstoff und Wasser bei dieser Reaktion entstehen.[11] Neben der Deoxigenierung wird auch eine Anhebung des pH-Wertes im Wasser-Dampf-Kreislauf erreicht.
In der chemischen Synthese wird Hydrazin vor allem als starkes Nukleophil (sogenannter alpha-Effekt) und als Reduktionsmittel von Carbonylgruppen (Wolff-Kishner-Reaktion) oder als Wasserstoff-Quelle in der katalytischen Hydrierung[12] verwendet.
Sicherheitshinweise
Hydrazin ist giftig, im Tierversuch krebserzeugend und wirkt hochtoxisch auf Wasserorganismen. Hydrazin wird auch über die Haut resorbiert. Hydrazin hat eine Technische Richtkonzentration von 0,13 mg·m−3.
Die Verwendung von Hydrazin in Wasser-Dampf-Systemen (Dampfkesselanlagen und Fernwärmesystemen) unterliegt bereits seit 1991 strengen Vorschriften, die in der TRGS 608 [13] definiert sind. So ist z.B. die direkte Trinkwassererwärmung bei Fernwärmeystemen, die mit Hydrazin konditioniert sind, nicht zulässig, sondern es muss ein Zweikreissystem installiert werden.
Hydrazin ist seit Juni 2011 wegen des Verdachts auf krebserregender Wirkung in die SVHC-Kandidatenliste (Liste besonders besorgniserregender Stoffe) aufgenommen. Dies hat zunächst nur Auswirkungen auf besondere Informationspflichten in der Lieferkette.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 Eintrag zu CAS-Nr. 302-01-2 in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich) .
- ↑ Charles E. Mortimer: Chemie – Das Basiswissen der Chemie. Thieme 2003, ISBN 3-13-484308-0.
- ↑ CRC Handbook of Chemistry and Physics, Ed. D.R. Lide, CRC Press, Boca Raton, FL, 2005.
- ↑ Datenblatt Hydrazine bei Sigma-Aldrich (PDF).
- ↑ 5,0 5,1 Referenzfehler: Es ist ein ungültiger
<ref>
-Tag vorhanden: Für die Referenz namensESIS
wurde kein Text angegeben. - ↑ A. F. Holleman, E. Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie, 101. Auflage, Walter de Gruyter & Co., Berlin 1995, ISBN 3-11-012641-9.
- ↑ G. Brauer (Hrsg.): Handbook of Preparative Inorganic Chemistry, 2nd ed., Vol. 1, Academic Press 1963, S. 469–472.
- ↑ Thieme Römpp Online, abgerufen am 6. Februar 2012.
- ↑ General Flugsicherheit in der Bundeswehr (Hrsg.): Hilfe bei Flugunfällen (Auflage 2004, PDF 2,8 MB). Auflage 2005: S. 10.
- ↑ General Flugsicherheit in der Bundeswehr (Hrsg.): Hilfe bei Flugunfällen (Auflage 2007, PDF 6,4 MB). Auflage 2007: S. 10.
- ↑ K. Hancke, S. Wilhelm: Wasseraufbereitung: Chemie und chemische Verfahrenstechnik. Spinger, 2003, ISBN 3-540-06848-1, S. 249.
- ↑ F. Zymalkokowski: Katalytische Hydrierung, Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1965.
- ↑ BAuA: Technische Regel für Gefahrstoffe 608. 13. November 2001, abgerufen am 5. Januar 2013.