Klatschmohn
Klatschmohn | ||||||||||||
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Klatschmohn (Papaver rhoeas), Illustration aus Koehler's Medicinal-Plants 1887 | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Papaver rhoeas | ||||||||||||
L. |
Der Klatschmohn (Papaver rhoeas), auch Mohnblume oder Klatschrose genannt, ist eine Pflanzenart aus der Familie der Mohngewächse (Papaveraceae).
Beschreibung
Der Klatschmohn ist eine einjährige bis zweijährige krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 30 bis 80 cm erreicht. Die Milchsaftröhren sind gegliedert und netzartig verbunden. Die Stängel sind sehr dünn, wenig verzweigt und behaart. Die fiederschnittigen Laubblätter sind rau und etwa 15 cm lang.
Am Ende der Stängel steht eine einzelne Blüte, die von Mai bis Juli erscheint. Die großen, radiärsymmetrischen, zwittrigen Blüten sind vierzählig und haben einen Durchmesser von 5 bis 10 cm, wobei die Größe erheblich variieren kann. Die zwei behaarten Kelchblätter fallen beim Öffnen der Blütenknospe ab. Die vier roten Blütenkronblätter sind sehr dünn und fragil. Sie ähneln etwas knittrigem Papier und sind daher leicht zu erkennen.
Der Klatschmohn gehört zu den zwittrigen Pflanzen. Es werden die typischen Kapselfrüchte gebildet, welche einige hundert sehr kleine (bis 1 mm) dunkle Samenkörner (Mohnkörner) enthalten. Die Früchte sind durch zahlreiche „falsche“ Scheidewände (= Wucherungen der Samenleisten) unvollständig gefächerte Porenkapseln (= Streubüchsen). Die Samen rasseln in der etwa 2 cm großen Kapsel , sie werden aus der Kapsel durch den Wind ausgestreut.
Ökologie
Der Klatschmohn ist eine sommerannuelle oder winterannuelle Halbrosettenpflanze mit Milchsaft und gegliederten sowie netzartig verbundenen Milchsaftröhren. Als Tiefwurzler erreicht seine Wurzel eine Tiefe bis 1 m.
Die Nektar- und duftlosen Blüten sind vormännliche „Pollen-Scheibenblumen“. Die Kronblätter sind in der Knospe unregelmäßig zusammengeknautscht. Die durch Anthocyane (z. B. Mecocyanin) rot gefärbte Krone wird von den rotblinden, dafür aber UV-Licht wahrnehmenden Bienen wegen ihrer starken UV-Reflexion wahrscheinlich blauviolett gesehen. Die schwarzen Flecksaftmerkmale entstehen durch Überlagerung von blauen und roten Farbzellen (Subtraktionsfarbe). Die etwa 164 Staubblätter liefern je Blüte etwa 2,5 Millionen Pollenkörner. Diese ungewöhnlich hohe Anzahl wird nur noch von der Pfingstrose übertroffen. Die Pollendarbietung unterliegt einer Tagesrhythmik. Am reichlichsten ist sie zur Zeit des Hauptbesuchs bis 10 Uhr morgens. Der Pollen ist grünschwarz. Die streifenförmigen Narben liegen einer Scheibe des Fruchtknotens auf, die als Anflugplatz für verschiedene Insekten dient. Auch Windbestäubung ist möglich. Die Blüten sind selbststeril.Die Pflanze blüht nur 2-3 Tage. Blütezeit ist von Mai bis Juli.
Es werden die typischen Kapselfrüchte gebildet, welche 2000 (-5000) sehr kleine (bis 1 mm) dunkle Samenkörner (Mohnkörner) enthalten. Die Früchte sind durch zahlreiche „falsche“ Scheidewände (= Wucherungen der Samenleisten) unvollständig gefächerte Porenkapseln (= Streubüchsen). Die unmittelbar über den Poren liegende dachige Verbreiterung dient als Windfang, so dass die Samen beschleunigt ausgeblasen werden: „Fliehkraft-Windstreuer“. Die Flugweite beträgt bis 4 m und ist bei starkem Wind wesentlich größer. Die Ausstreuung se Samen erfolgt nur bei trockenem Wetter. Die meist abstehenden Borstenhaare des Stängels und das Kapseldach dienen als Klettorgane: Tierstreuer. Menschenausbreitung als Kulturfolger. Fruchtreife erfolgt von Juli bis August. Die Samen haben ein ölreiches Nährgewebe, was für Windausbreitung typisch ist, da bei gleichem Gewicht Fette doppelt so energiereich sind wie Kohlenhydrate. Die Samen sind Lichtkeimer.
Der bekannte Populärschriftsteller R.H. France´ hat ein bemerkenswertes Patent angemeldet, nämlich einen Salzstreuer nach dem Vorbild der Mohnkapsel. Dies gilt als Pionierleistung für die Forschungsrichtung der Bionik. France´ selber benutzte allerdings in seinem Buch „Die Pflanze als Erfinder“ (1920) den Begriff „Biotechnik“, der inzwischen anders definiert wird.
Giftigkeit
Die ganze Pflanze ist giftig, besonders aber der Milchsaft. Die jungen Blätter vor der Blüte, Blütenblätter, die jungen grünen Früchte und Samen sind mässig verwendet unbedenklich[1].
Hauptwirkstoffe: Die Pflanze enthält zu 0,11-0,12% zahlreiche Alkaloide, Hauptalkaloid ist Rhoeadin.
Vergiftungserscheinungen: Früher kamen bei Kindern häufiger Vergiftungen mit Klatschmohn vor. Anscheinend besitzt Rhoeadin eine Krampf anregende Wirkung.
Nehmen Wiederkäuer, Pferde und Schweine während der Blütezeit und Samenbildung zu großen Mengen Klatschmohn ein, kann es zu Vergiftungen kommen. Es zeigen sich folgende Symptome: zentralvenöse Erregung, Gastroenteritis, Unruhe, Schrecken, dann Raserei, epileptiforme Krämpfe und Bewusstlosigkeit.
Verbreitungsgebiet
Der genaue Ursprung des Klatschmohns ist nicht bekannt, jedoch werden Eurasien bzw. Nordafrika (wo heute noch aus der Blüte Schminke auf traditionelle Weise hergestellt wird) angenommen und damit Gebiete, in denen schon lange Ackerbau betrieben wird. Mit dem Ackerbau verbreitete sich der Klatschmohn über die ganze Welt, (Dauerfrostzone bis Subtropen), bevorzugt jedoch die nördliche gemäßigte Zone. Mit dieser Ausbreitungsstrategie gehört der Klatschmohn zu den so genannten hemerochoren Pflanzen, also den Pflanzen, die durch menschliches Zutun Gebiete besiedeln, in denen sie nicht ursprünglich beheimatet sind und die sie ohne die bewusste oder unbewusste Verbreitung durch den Menschen nicht erreicht hätten. Typischer Verbreitungsweg für den Klatschmohn ist die Verunreinigung von Getreidesaatgut durch Klatschmohn (so genannte Speirochorie).
Standort
Man findet den Klatschmohn verbreitet in Getreidefeldern, selten auch auf Schutt, an Wegen, im Bahnhofsgelände usw. Zur Begrünung von Ödflächen wird er auch angesät. Er ist ein Altbürger (Archäophyt) und seit dem Neolithikum Kulturbegleiter. Durch Herbizideinsatz ist er in Getreidefeldern oft sehr zurückgegangen, tritt aber dafür oft in Mengen beispielsweise an ungespritzten, offenerdigen Straßenböschungen auf. Auf lockeren und steinigen Brachen ohne Konkurrenz bildet der Klatschmohn Bestände, die im Laufe der Zeit von Gräsern und anderen Pflanzen zurückgedrängt werden (Pionierpflanze). Er bevorzugt sommerwarmen, meist kalkhaltigen Lehmboden. Nach Ellenberg ist er ein Frischezeiger, an stickstoffreichen Standorten wachsend und eine Klassencharakterart der Getreide-Beikrautfluren (Secalietalia).
Inhaltsstoffe
Im Klatschmohn können viele Alkaloide mit einem Gesamtgehalt von 0,11–0,12 % nachgewiesen werden. Prinzipiell enthalten alle Pflanzenteile als Hauptalkaloid das schwach giftige Rhoeadin (Gehalt etwa 0,06 %), insbesondere der weiße Milchsaft. Weitere erwähnenswerte Inhaltsstoffe sind Allocryptopin, Berberin, Coptisin, Papaverin, Roemerin und Sinactin sowie Depside,[2]Schleimstoffe, Gerbstoffe, Meconsäure und Mecocyanin. Die Samen sind ungefährlich, nach Verzehr größerer Mengen kann es jedoch zu Magen-Darm-Beschwerden mit Bauchschmerzen kommen.[3]
Das im Schlafmohn enthaltene Morphin ist im Klatschmohn nicht enthalten.
Die Kronblätter wurden wegen ihrer Anthocyanine, Derivaten von Cyanidin und Pelargonidin, früher zur Herstellung roter Tinte verwendet.[4]
Heilpflanze
Als Drogen dienen die getrockneten Blütenblätter.
Wirkstoffe:Anthocyanglykoside wie Mecocyanin und Cyanin, Schleimstoffe. Im Milchsaft Isochinolin-Alkaloide mit dem Hauptalkaloid Rhoeadin.
Anwendung: Die schönen, roten Klatschmohnblütenblätter sind heute allein als Schmuckdroge ohne Anspruch auf Wirksamkeit in Teemischungen verschiedener Indikationen enthalten. Früher nutzte man sie in Form eines Syrups gegen Husten und Heiserkeit und als Beruhigungsmittel für Kleinkinder. Da es keinen Beleg für die Wirksamkeit gibt, hat man diese Anwendungen aufgegeben. Bei Kindern wurden Vergiftungen nach der Aufnahme des frischen Krautes fetstgestellt,die Pflanze enthält jedoch keinesfalls Opium-Alkaloide wie der Schlafmohn.
Zierpflanze
Unter der Bezeichnung Seidenmohn sind Gartenformen von Papaver rhoeas in diversen Farbvarianten, besonders als gefüllte Sorten, im Handel.
Sonstiges
Das bulgarische Wort für Braut, „bulka“, bedeutet gleichzeitig Klatschmohn.
Im englischsprachigen Raum ist der Klatschmohn ein Symbol für das Gedenken an gefallene Soldaten. Dies geht zurück auf das Gedicht In Flanders Fields und den Ersten Weltkrieg, in dem auf den frisch aufgeschütteten Hügeln der Soldatengräber als erstes der Klatschmohn zu blühen begann. Die stilisierten Ansteckblumen bestehen aus einer Mohnblüte, auch mit Blatt.
Im persischsprachigen Raum symbolisiert der Klatschmohn die Liebe. So heißt es in einem der berühmtesten Gedichte des neuzeitlichen persischen Dichters Sohrab Sepehri: „So lange es den Klatschmohn (=Liebe) gibt, muss gelebt werden!“ Weiterhin symbolisiert sein schwarzer Mittelpunkt die Leiden der Liebe.
Quellen
Einzelnachweise
- ↑ Meret Bissegger: Meine wilde Pflanzenküche - Bestimmen, Sammeln und Kochen von Wildpflanzen 2011 AT Verlag, S. 38. ISBN 978-3038005520
- ↑ Hillenbrand, M. / Zapp, J. / Becker, H.: "Depsides from the petals of Papaver rhoeas", Planta Medica 70 (4) / 2004, S. 380–82.
- ↑ Andreas Alberts, Peter Mullen: Psychoaktive Pflanzen, Pilze und Tiere. Kosmos-Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-440-10749-3.
- ↑ Kapitel 3.4 Klatschmohn in Georg Schwedt: Chemie für alle Jahreszeiten. John Wiley & Sons, Weinheim 2012, ISBN 978-3-527-66195-4.
Literatur
- Wegweiser durch die Natur - Wildpflanzen Mitteleuropas. ADAC, München 1989, ISBN 3-87003-352-5.
- Dumonts große Kräuterenzyklopädie. Dumont Verlag, Köln 1996, ISBN 3-7701-4607-7.
- Ruprecht Düll, H. Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. 7. Auflage. Quelle & Meyer-Verlag, 2011, ISBN 978-3-494-01424-1.
- Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. 8. Auflage. Ulmer-Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 3-8001-3131-5.
- Heinz Ellenberg: Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen. 5. Auflage. Ulmer-Verlag, Stuttgart 1996, ISBN 3-8385-8104-0.
- Römpp Lexikon Naturstoffe. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 3-13-749901-1.
- Ruprecht Düll, H. Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. 7. Auflage. Quelle & Meyer-Verlag, 2011, ISBN 978-3-494-01424-1.
- Ingrid und Peter Schönfelder: Das neue Handbuch der Heilpflanzen. Franckh-Kosmos Verlagsgesellschaft, 2011, ISBN 978-3-440-09387-0.
- Lutz Roth, Max Daunderer, Kurt Kormann: Giftpflanzen Pflanzengifte. 6. Auflage. Nikol, Hamburg 2012, ISBN 978-3-86820-009-6.
Weblinks
- Klatschmohn. FloraWeb.de
- Eintrag auf dem privaten Portal Heilkräuter-Seiten.
- Beschreibung in der Flora of North America (auf englisch).
- Arealkarte auf dem Portal Den virtuella floran (auf schwedisch).
- Verbreitungskarte für Deutschland. In: Floraweb.
- Eintrag zu Papaver rhoeas auf dem Portal des Germplasm Resources Information Network (GRIM) des US-amerikanischen Landwirtschaftsministeriums (auf englisch).
- Artikel über die Verwendung in der Volksheilkunde auf dem privaten Portal Heilpflanzenkatalog.