Kugelfischverwandte
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Kugelfischverwandte | ||||||||||||
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Weißflecken-Feilenfisch (Cantherhines macrocerus) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Tetraodontiformes | ||||||||||||
Berg, 1937 |
Die Kugelfischverwandten (Tetraodontiformes) (gr. tetra = vier, gr. odontes = Zähne, lat. forma = Gestalt), auch Kugelfischähnliche oder mittlerweile veraltet Haftkiefer (Plectognathi) genannt, sind eine Ordnung der Knochenfische mit über 430 [1] bekannten Arten . Zu ihnen gehören die Drückerfische (Balistidae), die Feilenfische (Monacanthidae), die Kofferfische (Ostraciidae), die Kugelfische (Tetraodontidae), die Igelfische (Diodontidae), die Mondfische (Molidae) sowie drei weitere, unbekanntere Familien.
Der deutsche Name Haftkiefer weist auf die verschmolzenen Zwischenkieferknochen (Praemaxillare) und Kieferknochen (Maxillare) sowie einige weitere Modifikationen des Schädels hin, die allen Arten gemein sind und nur in dieser Ordnung vorkommen.
Merkmale
Äußere Anatomie
Fast alle Kugelfischverwandten haben einen gedrungenen, hohen, rautenförmigen, rundlichen oder eckigen und steifen Körper. Der kleinste Vertreter mit zwei Zentimetern ist der zu den Feilenfischen gehörende Rudarius minutus. Mit einer Länge von 3,30 Metern, einer Höhe von 4 Metern und einem maximalen Gewicht von 2,3 Tonnen ist der Mondfisch (Mola mola) nicht nur der größte Kugelfischverwandte, sondern der schwerste Knochenfisch überhaupt.
Die Rücken- und die Afterflosse stehen einander symmetrisch gegenüber, weit hinten vor der Schwanzflosse. Sie bilden bei den meisten Kugelfischverwandten das Hauptantriebsorgan und sorgen durch wellenförmige, bei den Mondfischen durch paddelartige Bewegungen für den Vortrieb beim ("balistiformen") Schwimmen. Die Schwanzflosse dient nur der Richtungsänderung. Bei den Mondfischen ist sie nur im Larvenstadium vorhanden und ist bei abgeschlossener Metamorphose durch einen Flossensaum am stumpf endenden Körper ersetzt. Die Bauchflossen und dann auch die Beckenknochen fehlen bei den Kugelfischen, den Igelfischen, den Kofferfischen und den Mondfischen. Bei den Hornfischen, Dreistachlern, Drückerfischen und Feilenfischen sind sie zu einem Flossenstachel umgewandelt. Den Angehörigen der beiden letztgenannten Familien dienen sie zusammen mit dem Drückermechanismus aus den ersten drei harten Strahlen der Rückenflosse dazu, sich in Verstecken zu verkeilen. Die Afterflosse besitzt grundsätzlich keine Stachelstrahlen. Die Igelfische schwimmen hauptsächlich durch Undulieren ihrer breiten Brustflossen.
Die immer relativ kleinen, runden oder schlitzförmigen Kiemenöffnungen liegen direkt am Brustflossenansatz. Die Verengung der Kiemenöffnung resultiert aus einer Verwachsung der Kiemenmembran mit der Haut des Rumpfes - ein weiteres Merkmal, das alle Kugelfischverwandten teilen. Das Maul ist klein und mit wenigen kleinen, harten Zähnen besetzt, die aber meist zu Zahnplatten verschmolzen sind, wodurch die Kiefer papageischnabelartigen Charakter (mit nur zwei, drei oder vier kräftigen Zahnplatten bei den Tetraodontoidea) annehmen. Der Körper ist beschuppt (Drückerfische), schuppenlos (Kugelfische), oder die Schuppen sind in große Platten (Kofferfische) oder aufrichtbare Stacheln (Igelfische und viele Kugelfische) umgewandelt. Viele Arten, besonders die in Korallenriffen lebenden, haben eine sehr bunte, auffallende Zeichnung und Färbung.
Innere Anatomie
Ihre Wirbelzahl ist mit höchstens 30, meist aber unter 20 die geringste aller Fische; die Kofferfische der Gattung Ostracion haben lediglich 14 Wirbel. Wie bereits dargestellt fehlen einigen der Gruppen die Beckenknochen, die gemeinsam mit den Bauchflossen reduziert wurden. Vielen Arten fehlen auch die Rippen. Alle Kugelfischverwandten mit Ausnahme der Mondfische haben eine Schwimmblase. Das Skelett der pelagischen Mondfische ist daher, um Gewicht einzusparen, nur wenig verknöchert.
Weitere Apomorphien des Schädels neben den verschmolzenen Kieferknochen sind das Fehlen der Scheitelbeins (Parietale), des Nasenbeins (Nasale), sowie von drei weiteren Schädelknochen: (Extrascapulare, Intercalare und Infraorbitale); auch das Seitenlinienorgan ist am Kopf nicht mehr vorhanden.
Verbreitung
Von den etwa 360 Arten bewohnen die meisten die Küsten tropischer Meere an Korallenriffen, einige Arten dringen auch in gemäßigte Breiten vor. Die Mondfische, die Dreistachler sowie einige Drücker- und Kugelfische leben dagegen pelagisch im offenen Ozean. Im Mittelmeer gibt es eine Art der Drückerfische, einen Feilenfisch, einen Igelfisch, zwei Mondfische, vier Arten Kofferfische und sieben Kugelfische. Der Igelfisch, der Feilenfisch und die beiden Kugelfischarten sind erst in den letzten Jahrzehnten durch den Suezkanal in das Mittelmeer eingewandert (Lessepssche Migration) und leben nur im östlichen Mittelmeer, an den Küsten Israels, des Libanon und der südlichen Türkei. An den deutschen Küsten, in Nord- und Ostsee gibt es keine ständig lebenden Kugelfischverwandten. Lediglich der Mondfisch (Mola mola) stößt auf seinen Wanderungen manchmal bis in die westliche Ostsee vor.
Unter den Kugelfischen gibt es Arten, die in den Flussmündungen im Brackwasser leben; im tropischen Südamerika, in Afrika, Indien und Südostasien kommen auch 14 reine Süßwasserformen vor.
Lebensweise
Sozialverhalten
Kugelfischverwandte sind meistens Einzelgänger und oft sehr aggressiv gegenüber Artgenossen. Einige Drückerfische und Feilenfische leben paarweise. Spitzkopfkugelfische schließen sich oft zeitweise zu Schwärmen von bis zu hundert Tieren zusammen.
Kugelfischverwandte können durch Zähneknirschen oder durch Vibrieren der Schwimmblase mit Hilfe spezieller Muskeln Töne erzeugen.
Ernährung
Kugelfischverwandte ernähren sich von einer Vielzahl wirbelloser Tiere. Kugelfische, Kofferfische und Drückerfische fressen meist hartschalige bodenbewohnende Tiere wie Krebse, Seeigel, Schnecken und Muscheln. Einige Drückerfische jagen hauptsächlich Zooplankton. Arten wie die Palettenstachler, die sich ausschließlich von den Polypen der Steinkorallen-Gattung Acropora ernähren, sind Nahrungsspezialisten. Spitzkopfkugelfische nehmen auch viel pflanzliche Nahrung zu sich. Die im offenen Ozean lebenden Mondfische ernähren sich von gallertartigen größeren planktonischen Organismen wie Quallen und Salpen.
Verteidigung
Zur Verteidigung, aber auch zum Imponieren und Drohen, vergrößern Kugelfische und Igelfische ihren Körper durch das Aufnehmen von Wasser in eine Aussackung ihres Magens. Sie können sich so kugelförmig aufblähen. Bei den Igelfischen werden dabei die scharfen Stacheln aufrecht fixiert. Die Drückerfische, Feilenfische, Dreistachler und Spitzkopfkugelfische vergrößern ihren Körper durch Ausdehnung eines Hautlappens am Bauch.
Kugelfische, Igelfische, Mondfische und Kofferfische lagern das Nervengift Tetrodotoxin in ihre Haut und ihre inneren Organe, vor allem in die Leber und die Gonaden ein, das sie für Beutegreifer ungenießbar macht. Kofferfische werden zusätzlich durch Pahutoxin geschützt, das sie bei Gefahr aktiv ausstoßen können.
Fortpflanzung und Entwicklung
Die meisten Kugelfischverwandten sind Freilaicher, die ihre Eier und Spermien bei der Paarung einfach in das offene Wasser oder, bei Süßwasserbewohnern, zwischen Wasserpflanzen ausstoßen. Einige Kugelfische laichen wie Riffbarsche auf vorher gesäuberte Steine (Substratlaicher). Viele Drückerfischarten graben große Gruben in den Bodengrund, in denen sie laichen. Die Jungen werden nach dem Schlupf noch einige Zeit von den Eltern bewacht, bis der Dottersack aufgezehrt ist.
Äußere Systematik
Die Kugelfischverwandten gehören innerhalb der Echten Knochenfischen (Teleostei) zu den Stachelflossern (Acanthopterygii) und dort zu der großen Gruppe der Percomorpha, der Barschähnlichen. Aufgrund des komplexen Merkmals der zusammengewachsenen Kieferknochen sowie der weiteren kennzeichnenden Merkmale (Apomorphien) ist die Monophylie des Taxons unbestritten.
Innerhalb der Percomorpha sind die Eberfische (Caproidae) und die Armflosser (Lophiiformes) wahrscheinlich die nächsten Verwandten der Kugelfischverwandten. Strittig ist nur wer von beiden die unmittelbare Schwestergruppe ist [2] [3] oder ob ein von beiden gebildetes Taxon die Schwestergruppe der Kugelfischverwandten ist [4].
Die früher angenommene enge Verwandtschaft mit den Doktorfischartigen (Acanthuroidei), die sich auf die Ähnlichkeit der Larven und der Drückerfische mit diesen gründete, ist wahrscheinlich auf Konvergenz zurückzuführen.
Innere Systematik
Die Kugelfischverwandten werden in neun Familienunterteilt, zwei, die Kugelfische und die Kofferfische bestehen jeweils noch aus zwei Unterfamilien. Eine phylogenetische Studie bestätigte die Monophylie aller Familien und Unterfamilien, mit Ausnahme die der Tetraodontinae. Außerdem zeigt sich eine basale Aufteilung in zwei Kladen, Triacanthodoidei (Dreizahn-Kugelfisch, Hornfische, Kofferfische) und Tetraodontoidei (Mondfische, Drückerfische, Feilenfische, Dreistachler, Kugelfische und Igelfische). Wie erwartet sind die Drückerfische und die Feilenfische Schwestergruppen, ebenso Kugelfische und Igelfische.
Die basale Dichotomie zwischen den beiden Kladen Triacanthodoidei und Tetraodontoidei resultiert wahrscheinlich auf eine ökologische Diversifikation in zwei unterschiedlichen Lebensräumen. Während die Arten der Triacanthodoidei vor allem in tieferem Wasser entlang des Kontinentalschelfs leben, kommen die Arten der Tetraodontoidei küstennah in Korallenriffen, im Brackwasser, in Süßgewässern und auch auf offener See vor.
Die wahrscheinlichen Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Kugelfischverwandten zeigt folgendes Kladogramm [1]:
Kugelfischverwandte |
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Fossilbefund
Der älteste bekannte Kugelfischverwandte ist Plectocretacicus clarae aus der oberen Kreide des Libanon, er ähnelt bereits den heutigen Kofferfischen. Aus dem unteren Oligozän des Nordkaukasus stammt Oligobalistes robustus, ein Drückerfisch. Die wichtigste Fundstätte ist die norditalienische Monte Bolca-Formation, die im Eozän aus Ablagerungen der Tethys entstand. Sie ermöglichte die Beschreibung zahlreicher Arten fossiler Kugelfischverwandter, darunter Spinacanthus imperialis aus der Stammlinie der Drückerfischartigen (Balistoidea), den Dreistachler Protacanthodes ombonii, die Kofferfische Eolactoria sorbinii und Proaracana dubia aus der Unterfamilie Aracaninae, Eoplectus bloti und Zignoichthys oblongus aus der Stammlinie der Kugelfischartigen (Tetraodontoidea), den Kugelfisch Tetraodon pygmaeus und den Igelfisch Diodon tenuispinus. Die Gattungen Aluteres und Monacanthus, zu der auch heute lebende Feilenfische gehören, sind aus dem Pliozän von Fiume Marecchia in Nordost-Italien überliefert.[5]
Kugelfischverwandte und der Mensch
Fischerei
Wegen der Giftigkeit werden die meisten Arten der Kugelfischverwandten nicht befischt. Lediglich einige größere Arten der Drückerfische und die als Fugu bezeichneten größeren Kugelfische werden gefangen. In japanischen Restaurants, die eine spezielle Lizenz besitzen müssen, wird Fugu als Delikatesse serviert. Bei den Drückerfischen besteht immer die Gefahr einer Ciguatera-Vergiftung, da sie als Endglieder der Nahrungskette Gifte mit ihrer Nahrung aufnehmen. Igelfische werden gefangen und aufgeblasen präpariert an Touristen verkauft.
Aquarienhaltung
Die kleineren Arten der im Süß- und Brackwasser lebenden Kugelfische werden im Aquaristikfachhandel hin und wieder als Zierfische verkauft. Sie werden in mit Hölzern und Steinen gegliederten Aquarien durchaus gehalten, gelten jedoch teilweise als aggressiv gegenüber Artgenossen und anderen Fischen, weshalb die Haltung im Artaquarium empfohlen wird. Kugelfische werden auch als Prophylaxe gegen Schneckenplagen angesehen. Einige Arten konnten erfolgreich gezüchtet werden, die meisten angebotenen Fische stammen allerdings aus Wildfängen.
In der Meerwasseraquaristik werden Kugel-, Drücker-, Koffer- und Feilenfische meist nur in reinen Fischaquarien gehalten, da sie oft eine Vielzahl von wirbellosen Tieren fressen. Im Fachhandel werden oft winzige nur 2 bis 4 Zentimeter große Koffer-, Kugel- und Igelfische angeboten, die vom Menschen als niedlich empfunden werden und zum Kauf verleiten sollen. Der potentielle Käufer sollte allerdings wissen, dass die Tiere mindestens 30 Zentimeter lang werden, Krebstiere, Weichtiere und Stachelhäuter fressen und nach einiger Zeit mit ihrem papageiartigen Schnabel auch die Stein- und Weichkorallen zerstören können. Kofferfische können bei Stress oder im Fall ihres Todes ihr Hautgift ausstoßen und den gesamten übrigen Fischbestand töten. Spitzkopfkugelfische und einige kleine Feilenfischarten sind aber im Korallenriffaquarium haltbar. Angriffe auf Korallen kommen nur vor, wenn die Tiere zu wenig oder falsch gefüttert werden. Alle für das Meerwasseraquarium angebotenen Kugelfischverwandten sind Wildfänge.
Große und bunte Kugel- und Drückerfische sind beeindruckende Bewohner großer, öffentlicher Schauaquarien. In einigen riesigen Aquarien in Japan (Kaiyūkan-Aquarium in Ōsaka) und den USA (Monterey Bay Aquarium) werden den Besuchern inzwischen auch Mondfische präsentiert.
Quellen und weiterführende Informationen
Einzelnachweise
Die Informationen dieses Artikels entstammen zum größten Teil aus den unter Literatur angegebenen Quellen, darüber hinaus werden folgende Quellen zitiert:
- ↑ 1,0 1,1 Yusuke Yamanoue, Masaki Miya, Keiichi Matsuura, Masaya Katoh, Harumi Sakai, & Mutsumi Nishida: A new perspective on phylogeny and evolution of tetraodontiform fishes (Pisces: Acanthopterygii) based on whole mitochondrial genome sequences: Basal ecological diversification?. BMC Evol Biol. 2008; 8: 212. doi:10.1186/1471-2148-8-212
- ↑ Masaki Miya et al. (2003): Major patterns of higher teleostean phylogenies: a new perspective based on 100 complete mitochondrial DNA sequences. Molecular Phylogenetics and Evolution, Volume 26, Issue 1, January 2003, Pages 121-138 doi:10.1016/S1055-7903(02)00332-9
- ↑ Masaki Miya et al. (2005): The phylogenetic position of toadfishes (order Batrachoidiformes) in the higher ray-finned fish as inferred from partitioned Bayesian analysis of 102 whole mitochondrial genome sequences. Biological Journal of the Linnean Society, Volume 85 Issue 3, 2005, Pages 289 - 306 doi:10.1111/j.1095-8312.2005.00483.x
- ↑ Yusuke Yamanoue et al.: Phylogenetic position of tetraodontiform fishes within the higher teleosts: Bayesian inferences based on 44 whole mitochondrial genome sequences. Molecular Phylogenetics and Evolution, Volume 45, Issue 1, October 2007, Pages 89-101 doi:10.1016/j.ympev.2007.03.008
- ↑ K. A. Frickinger: Fossilien Atlas Fische, Mergus-Verlag, Melle, 1999, ISBN 3-88244-018-X
Literatur
- Joseph S. Nelson: Fishes of the World, John Wiley & Sons, 2006, ISBN 0-471-25031-7
- Kurt Fiedler: Lehrbuch der Speziellen Zoologie, Band II, Teil 2: Fische, Gustav Fischer Verlag, Jena 1991, ISBN 3-334-00339-6
- Rudie H. Kuiter / Helmut Debelius: Atlas der Meeresfische, Kosmos-Verlag, 2006, ISBN 3-440-09562-2
- Hans A. Baensch / Robert Patzner: Mergus Meerwasser-Atlas Band 6 Non-Perciformes (Nicht-Barschartige), Mergus-Verlag, Melle 1999, ISBN 3-88244-116-X
- Autorenkollektiv: Urania Tierreich, Fische, Lurche, Kriechtiere, Urania-Verlag, 1991, ISBN 3-332-00491-3
Weblinks
- Kugelfischverwandte auf Fishbase.org (englisch)
- Mikko's Phylogeny Archive