Kurt Blome


Kurt Blome als Angeklagter im Nürnberger Ärzteprozess

Kurt Blome (* 31. Januar 1894 in Bielefeld; † 10. Oktober 1969 in Dortmund) war ein deutscher Arzt, Politiker und Reichstagsabgeordneter der NSDAP. Seine medizinischen Arbeitsgebiete waren Krebs und Biologische Waffen.

Leben

Die frühen Jahre

Nach dem Besuch von Volksschule und Realgymnasium in Dortmund machte Blome 1912 sein Abitur und studierte im Anschluss Medizin an den Universitäten in Göttingen, Münster, Gießen und Rostock.[1] In Göttingen wurde er 1912 Mitglied der Burschenschaft Holzminda.[2] Zum Sommersemester 1914 wechselte er nach Rostock,[3] wo er seinen Wehrdienst am 1. April 1914 als Einjährig-Freiwilliger beim Großherzoglich Mecklenburgischen Füsilier-Regiment „Kaiser Wilhelm“ Nr. 90 antrat und in Folge am Ersten Weltkrieg vom 2. August 1914 an bis 1918 teilnahm, überwiegend als Leutnant beim Infanterie-Regiment „Bremen“ (1. Hanseatisches) Nr. 75.[1] Zuletzt war er Leutnant der Reserve und stellvertretender Bataillonsführer.[2] Das Kriegsende erlebte er aufgrund einer Verwundung im März 1918 in einem Lazarett in Bremen.[4] Er setzte ab 1919 sein Medizinstudium vorübergehend in Münster und Gießen fort.

Die Zeit in Rostock

1918/19 wurde er Freikorps-Mitglied in Rostock und Mitglied der Organisation Escherich, der Marinebrigade Ehrhardt und der Organisation Consul.[2] 1920 war er aktiv am Kapp-Putsch beteiligt, wobei er verwundet wurde.[2] Weiterhin engagierte er sich als Zeitfreiwilliger in der Reichswehrbrigade 9.[2] In Rostock legte er dann 1920 sein Examen ab. Blome promovierte dort auch 1921 mit einer Arbeit Über das Verhalten von Bacterien im electrischen Strom zum Dr. med. Nach dem Studium wurde er Medizinalpraktikant in Münster und Gießen, dann Assistenzarzt und Oberarzt am Dermatologischen Institut der Universität Rostock.[2] Er war ein frühes Mitglied der NSDAP, der er 1922 beitrat.[5] Nach Verbot der NSDAP im November 1923 wurde er wegen NS-Betätigung von der Universität Rostock entlassen.[2] Er war auch Mitglied im Frontkriegerbund und im Tannenbergbund.[4] Von 1924–1934 führte er dann als Facharzt für Haut- und Blasenleiden eine eigene Praxis.[2]

1924 gehörte er der DVFP an und war Mitbegründer der Völkischen Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg.[2] Im Rahmen der DNVP und der Völkischen Arbeitsgemeinschaft gehörte er von 1924 bis 1926 dem Landtag von Mecklenburg-Schwerin an.[2]

1931 trat er wieder in die NSDAP ein (Nr. 590.233) und wurde Mitglied der SA, 1932 SA-Gausturmarzt, am 1. Juli 1932 SA-Sanitäts-Oberführer und dann Sanitätsbrigadeführer, später auch Gaureferent für das Medizinalwesen in der Gauleitung Mecklenburg-Lübeck der NSDAP und Gauobmann des NSDÄB im Gau Mecklenburg-Lübeck der NSDAP.[2][5] 1934 wurde er Gauamtsleiter des Amtes für Volksgesundheit des Gaus Mecklenburg-Lübeck der NSDAP.[2]

Karriere in der Zeit des Nationalsozialismus

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Kurt Blome in der Zeit des Nationalsozialismus

1934 wurde er in das Hauptamt für Volksgesundheit nach Berlin berufen[1] und Beauftragter des Stellvertreters des Führers für die Ausnahmebestimmungen der Nürnberger Gesetze.[2] Vom 1. März 1935 bis 28. Februar 1936 war er weiterhin mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Gruppenarztes der SA-Gruppe Berlin-Brandenburg (Berlin) beauftragt.[2] In dieser Zeit war er auch als Arzt der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte und als Adjutant im Hauptbüro des Deutschen Roten Kreuzes beschäftigt.[2] Nachdem er im Januar 1935 vom „Reichsärzteführer“ Gerhard Wagner zum Beauftragten für ärztliche Fortbildung, und somit zum Leiter des ärztlichen Fortbildungswesens und der ärztlichen Schulung im Dritten Reich,[1] ernannt worden war, gehörte Blome seit dem 8. Februar[2] 1936 dem Reichsausschuss zum Schutze des deutschen Blutes an.[5] Um diese Zeit wurde er auch Dozent an der Führerschule der Deutschen Ärzteschaft.[4] Am 9. November 1937 wurde er zum SA-Sanitäts-Brigadeführer (OSAF) befördert.[2] Er war ab 1938 auch Präsident des Ständigen Büros der Internationalen Akademie für das Ärztliche Fortbildungswesen.[1][2] Vom 1. März 1938 bis 8. November 1940 war er daneben als Sanitätsverbindungsführer der OSAF zur Deutschen Arbeitsfront eingesetzt.[2] Im April 1938 wurde er erfolglos zur Reichstagswahl vorgeschlagen.[2] 1939 wurde Blome stellvertretender Leiter des NS-Ärztebundes und Generalarzt. Ab 20. April 1939 war er Stellvertretender Leiter des Hauptamtes für Volksgesundheit[1] sowie ab 22. April 1939 Reichshauptamtsleiter der NSDAP und stellvertretender Reichsärzteführer.[2]

In der „letzten Wahlperiode“ war Blome als Nachrücker für den verstorbenen Abgeordneten Gerhard Wagner ab April 1939 Mitglied des Reichstags.[1] Am 29. August 1939, zwei Tage vor dem Überfall auf Polen, wurde er als Nachfolger von Hans Deuschl bis August 1944[2] Stellvertreter des Reichsgesundheitsführers Leonardo Conti.[5] Im Oktober 1939 übernahm er die Schriftleitung der Monatszeitschrift Ziel und Weg. Die Gesundheitsführung. Seit 1940 war Blome als Spartenleiter für Erb- und Rassenpflege im Reichsforschungsrat tätig.[5] Er war von Januar 1942 bis 1945 auch Fachspartenleiter des Reichsforschungsrates für Krebsforschung.[2] Vom 9. November 1940 bis 1945 wurde er als Verbindungsführer der OSAF zum Hauptamt für Volksgesundheit der NSDAP eingesetzt und am 30. Januar 1941 SA-Sanitäts-Gruppenführer (OSAF).[2]

1942 war Blome an einem Plan beteiligt, 35.000 an Tuberkulose erkrankte Polen in einer Vergasung zu ermorden, legte aber in einem Brief vom 18. November an Gauleiter Arthur Greiser aus Geheimhaltungsgründen Einspruch ein: „Wenn die Garantie einer restlosen Geheimhaltung gegeben wäre, könnte man Bedenken zurückstellen“.[6]

Am 30. April 1943 wurde Blome Bevollmächtigter für Krebsforschung, was nach Ernst Klee ein „Tarnwort für Bio-Waffen“ war, sowie Mitglied einer Arbeitsgemeinschaft Blitzableiter, die im Klartext zur Vorbereitung einer „biologische[n] Kriegführung“ dienen sollte.[7] Blome war somit Leiter des Zentralinstituts für Krebsforschung in Nesselstedt bei Posen und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft „Blitzforschung“.[2] Von Blome wurden folgende Forschungsprojekte koordiniert:[8]

  1. „Nesselstedt“ (Blome) - mit höchster Prioritätsstufe deklariert
  2. „Entwicklung eines Flugzeugstreugerätes für streuförmige Insektizide und Fungizide (insbesondere zur Malariabekämpfung)“ (Oberst von Borstell) - als geheim eingestuft
  3. „Bekämpfung des Kartoffelkäfers“ (Dr. M. Schwartz)
  4. „Einfluß der bakteriellen Stoffwechselprodukte auf das cancerogene Wachstum“ (Dozent Dr. Fr. Trense)
  5. „Entwicklung eines rohstoffarmen Versandbehälters für Bakterienkulturen“ (Eugen Gildemeister)
  6. „Ermittlung von Ackerbauschädlingsbekämpfungsmitteln. Bodenentseuchung“ (Dr. Seel)
  7. „Wiedererwärmung bei allgemeiner Abkühlung des menschlichen Körpers, Heilung bei teilweisen Erfrierungen, Kälteanpassung des menschlichen Körpers“ (Sigmund Rascher)
  8. „Röntgen-Frühdiagnose des Magenkrebses“ (Prof. Hohlfelder)

In Erhard Geißlers Buch (siehe Literatur) sind mehrere Hinweise (von NS- und amerik. Medizinern) enthalten, dass Blome in Bezug auf B-Waffen nur ein alter Parteigenosse ohne Fachkompetenz sei, dessen Arbeit sich in administrativen Dingen erschöpfe.[9]

Er wurde zum Oberdienstleiter der NSDAP befördert[2] und 1944 Mitglied des wissenschaftlichen Beraterstabs von Karl Brandt, dem Bevollmächtigten für das Gesundheitswesen.[5]

Leben nach 1945

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Blome verhaftet und im Nürnberger Ärzteprozess am 25. Oktober 1946 angeklagt, aber nach dem vom 9. Dezember 1946 bis zum 20. Juli 1947 dauernden Prozess vor dem 1. Amerikanischen Militärgerichtshof am 20. August 1947 freigesprochen.[2] Nachdem er am 10. Juni 1948 von der Spruchkammer in Schwelm entnazifiziert wurde,[4] ließ er sich als Facharzt für Dermatologie und Urologie in Dortmund in einer eigenen Praxis nieder. Ab 1951 arbeitete er als Arzt beim US-Geheimdienst in einem amerikanischen Militärkrankenhaus beim European Intelligence Center, dem amerikanischen Europakommando in Oberursel. Zwar verpflichtete sich Blome am 10. August 1951, an einem amerikanischen Geheimdienstprogramm für den Army Chemical Corps im Project 63 (Siehe Projekt Paperclip und MKULTRA) mitzuarbeiten, jedoch kam dies nicht zustande,[10] da der amerikanische Konsul in Frankfurt am Main die Einreise Blomes in die USA ablehnte.[2] Nachdem seine Anwerbung durch das amerikanische Militär gescheitert war, kehrte er nach Dortmund zurück und wurde in Hagen[2] bzw. in Dortmund nach seiner von einer deutschen Spruchkammer erfolgten Entnazifizierung[11] erneut Facharzt.[5]

In der Bundesrepublik engagierte er sich in der Deutschen Partei, für die er 1953 im Bundestagswahlkreis Dortmund III vergeblich zum Deutschen Bundestag kandidierte.[2] Er starb 1969 in Dortmund.

Auszeichnungen

  • Im Ersten Weltkrieg:
    • Ritterkreuz des Königlichen Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern[1]
    • Eisernes Kreuz 1. Klasse (EK I)[1]
    • Eisernes Kreuz 2. Klasse (EK II)[1]
    • Goldenes Verwundetenabzeichen[4]
  • Goldenes Parteiabzeichen der NSDAP[1]

Publikationen

  • Literatur von und über Kurt Blome im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Über das Verhalten von Bacterien im electrischen Strom. Dissertation Universität Rostock 1921.
  • Seit Oktober 1939: Schriftleitung der Monatszeitschrift Ziel und Weg. Die Gesundheitsführung.
  • Krebsforschung und Krebsbekämpfung. In: Ziel und Weg. Die Gesundheitsführung. Nr. 11 (1940) S. 406–412.
  • Arzt im Kampf: Erlebnisse und Gedanken. Barth Leipzig (1942).

Einzelnachweise

  1. 1,00 1,01 1,02 1,03 1,04 1,05 1,06 1,07 1,08 1,09 1,10 E. Kienast (Hg.): Der Großdeutsche Reichstag 1938, IV. Wahlperiode. R. v. Decker´s Verlag, G. Schenck, Ausgabe Juni 1943, Berlin.
  2. 2,00 2,01 2,02 2,03 2,04 2,05 2,06 2,07 2,08 2,09 2,10 2,11 2,12 2,13 2,14 2,15 2,16 2,17 2,18 2,19 2,20 2,21 2,22 2,23 2,24 2,25 2,26 2,27 2,28 2,29 Joachim Lilla: Statisten in Uniform - Die Mitglieder des Reichstags 1933–1945. Düsseldorf 2004, S.45–46.
  3. Siehe dazu die Erstimmatrikulation von Kurt Blome im Rostocker Matrikelportal. Eine zweite Immatrikulation erfolgte im Wintersemester 1919/20.
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Thomas Maibaum: Die Führerschule der deutschen Ärzteschaft Alt-Rehse, Universität Hamburg, Hamburg 2007. Dissertationsschrift (pdf)
  5. 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 5,6 Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 54.
  6. Zitat bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Fischer Taschenbuch 2005, S. 54.
  7. Zitate Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Fischer Taschenbuch 2005, S. 54.
  8. Erhard Geißler: Biologische Waffen – nicht in Hitlers Arsenalen. Biologische und Toxin-Kampfmittel in Deutschland von 1915 bis 1945. S. 401.
  9. Erhard Geißler: Biologische Waffen – nicht in Hitlers Arsenalen. Biologische und Toxin-Kampfmittel in Deutschland von 1915 bis 1945. S. 389.
  10. Erhard Geißler: Biologische Waffen – nicht in Hitlers Arsenalen. Biologische und Toxin-Kampfmittel in Deutschland von 1915 bis 1945. S. 757.
  11. Erhard Geißler: Biologische Waffen – nicht in Hitlers Arsenalen. Biologische und Toxin-Kampfmittel in Deutschland von 1915 bis 1945. S. 758.

Literatur

  • Helge Dvorak: Biografisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I Politiker, Teilband 1: A-E. Heidelberg 1996, S. 102-103.
  • Ernst Kienast (Hg.): Der Großdeutsche Reichstag 1938, IV. Wahlperiode. R. v. Decker´s Verlag, G. Schenck, Ausgabe Juni 1943, Berlin.
  • Joachim Lilla: Statisten in Uniform - Die Mitglieder des Reichstags 1933–1945. Droste Verlag, Düsseldorf 2004 ISBN 3-7700-5254-4, S.45–46.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Fischer Taschenbuch 2005, S. 54.
  • Erhard Geißler: Biologische Waffen – nicht in Hitlers Arsenalen. Biologische und Toxin-Kampfmittel in Deutschland von 1915 bis 1945. Münster 1998 ISBN 3-8258-2955-3.
  • Friedrich Hansen: Biologische Kriegsführung im Dritten Reich. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 1993 (Rezension: Schmutziges Geschäft. In: Der Spiegel. Nr. 43, 1993, S. 227–233 (online25. Oktober 1993).)
  • Thomas Maibaum: Die Führerschule der deutschen Ärzteschaft Alt-Rehse, Universität Hamburg, Hamburg 2007. Dissertationsschrift (pdf).

Weblinks