Lactase


Lactase

Eigenschaften des menschlichen Proteins
Masse/Länge Primärstruktur 1061 Aminosäuren; 160 kDa
Sekundär- bis Quartärstruktur single pass Typ 1 Membranprotein, Dimer
Präkursor Pre-pro-LPH (1927 Aminosäuren; 219 kDa)
Bezeichner
Gen-Namen LCT; LAC; LPH; LPH1
Externe IDs OMIM: 603202 UniProtP09848 CAS-Nummer: 9031-11-2
Arzneistoffangaben
ATC-Code A09AA04
Enzymklassifikationen
EC, Kategorie 3.2.1.108  Glykosidase
Reaktionsart Hydrolyse
Substrat Lactose + H2O
Produkte D-Galactose + D-Glucose
EC, Kategorie 3.2.1.62, Glykosidase
Reaktionsart Hydrolyse
Substrat Glycosyl-N-Acylsphingosin + H2O
Produkte N-Acylsphingosin + Zucker
Vorkommen
Übergeordnetes Taxon Säugetiere[1]

Lactase (fachsprachlich, standardsprachlich: Laktase; Abkürzung LPH, Gen-Name: LCT) heißt das Enzym, das Lactose (Milchzucker) in seine Bestandteile Galactose (Schleimzucker) und Glucose (Traubenzucker) spaltet. Ohne diese chemische Reaktion können die Bestandteile des Milchzuckers nicht durch die Dünndarmschleimhaut aufgenommen werden. Beim Menschen wird das Enzym normalerweise im Kindesalter im Dünndarm produziert, in Europa bei den meisten Menschen auch später im Erwachsenenalter. Ein Mangel an Lactase kann mehrere Ursachen haben (siehe Lactoseintoleranz) und führt bei 2/3 der betroffenen Personen zu Verdauungsproblemen, wenn Milchzucker aufgenommen wird.

Die Lebensmittelindustrie verwendet Enzyme, die ebenfalls Lactose hydrolysieren können und dem Oberbegriff beta-Galactosidasen zugeordnet werden. Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch sollte Lactase nur für beta-Galactosidasen aus Säugetieren verwendet werden. Da die Herstellung von menschlicher Lactase unwirtschaftlich wäre, werden ausschließlich mikrobielle beta-Galactosidasen aus sicheren und zugelassenen Bakterien (Escherichia coli K-12), Hefen (Kluyveromyces lactis) oder filamentösen Pilzen biotechnologisch für die Lebensmitteltechnologie hergestellt.[2][3] Die Hydrolyse von Lactose führt zur Reduktion des Milchzuckers, wobei Glucose und Galactose entstehen, die in lactosefreier Milch zu einer erhöhten Süße beitragen. Milchzuckerfreie Lebensmittel werden nicht nur an lactoseintolerante Personen verkauft, milchzuckerfreies Eis hat beispielsweise günstigere Verarbeitungseigenschaften und durch andere Kristallisationseigenschaften eine feinere Beschaffenheit.[4][5]

Neben der Lactaseaktivität hat das Enzym eine weitere Glykosylceramidase-Aktivität, weshalb es in der Fachliteratur als Lactase-Phlorizinhydrolase bezeichnet wird. Strukturell besteht das LCT-Gen aus vier ähnlichen Domänen, wobei die Lactaseaktivität an der vierten, und die Phlorizinhydrolase an der dritten Domäne stattfindet.[6]

Als integrales Membranprotein ist LPH in der Bürstensaummembran der säulenförmig angeordneten Hauptzellen des Zottenepithels des Dünndarms aller Säugetiere lokalisiert. Mutationen im LCT-Gen können über eine Verringerung der LPH-Aktivität Ursache für erbliche Varianten von Laktoseintoleranz sein. Gewisse andere Mutationen führen dagegen über eine Erhöhung der LPH-Produktion bzw. ihrer Beibehaltung im Erwachsenenalter zur Laktosepersistenz vor allem bei Bewohnern der nördlichen Hemisphäre. Der Normalzustand jedoch ist eine Verringerung der LPH-Produktion nach der Stillzeit.

Evolution

Aufgrund der vierfachen Glykosidase-1-Domäne ist von zwei Genverdopplungen in der Evolution des LCT-Gens auszugehen. Dass die letzte dieser Verdopplungen noch vor der Entwicklung der Wirbeltiere stattfand, ist der Tatsache zu entnehmen, dass bereits die zu LCT orthologen Gene in mehreren Fischarten vier Glykosidase-1-Domänen aufweisen.[7]

Für die Evolution der Lactasepersistenz-Mutation ist ihre Selektion in milchtrinkenden Kulturen ursächlich. Die von Beja-Pereira und anderen propagierte Koevolution mit einer ähnlichen Mutation in Milchkühen ist heute die wahrscheinlichste Erklärung für den hohen Anteil der Persistenz in der menschlichen Bevölkerung und ihr Verbreitungsprofil.[8]

Biosynthese

Das für LPH kodierende Gen LCT liegt auf dem zweiten Chromosom (2q21). Das LCT-Gen erstreckt sich über 17 Exons und 49.340 Basenpaare. Nach der Transkription entsteht mRNA, die 6274 Basen enthält und zu einem 1927 Aminosäuren langen Molekül Pre-pro-LPH übersetzt wird. Dieses enthält vier ähnliche Glykosidase-1-Domänen, und eine Signalsequenz, die bewirkt, dass Prepro-LPH vom ER zur Zellmembran transportiert wird. Nach Entfernung der Signalsequenz (19 Aminosäuren) zerschneiden Peptidasen das Molekül in zwei Teile: LPHß (1061 Aminosäuren) und ein weiteres Protein LPHα (847 Aminosäuren), das wahrscheinlich für den Transport des LPHß-Dimers zur Membran notwendig ist, das zuletzt noch phosphoryliert und glykosyliert wird.[9][10][11][12]

Katalysierte Reaktion

Spaltung des Milchzuckers in Galaktose (1) und Glukose (2).

Lactose wird in Glucose und Galactose gespalten. Die optimalen Bedingungen für die Laktase liegen bei einem pH-Wert von 6,5 und einer Temperatur von 48 °C.

Industrielle Nutzung

Kommerziell produzierte Lactase wird aus Hefepilzen wie Kluyveromyces fragilis gewonnen. Das so gewonnene Enzym wird in Form von Tabletten und Kapseln angeboten, damit Menschen, welche unter Laktoseintoleranz leiden, Milchprodukte zu sich nehmen können. Auch gibt es lactosefreie Milch, bei welcher die Lactose bereits durch Zusatz von Lactase aufgespalten wurde. Damit ist diese Milch für Menschen genießbar, denen das Enzym Lactase fehlt.

In der Herstellung von Speiseeis wird Lactase eingesetzt, da die Spaltprodukte Glucose und Galactose süßer sind als die Lactose und somit der Zuckerzusatz eingeschränkt werden kann. Außerdem kristallisiert Lactose bei tiefen Temperaturen, bei denen Speiseeis vorliegt, während die Spaltprodukte weiterhin gelöst vorliegen und dem Eis so eine feinere Beschaffenheit verleihen.

Mengenangaben werden mit der Einheit FCC ausgedrückt. 1000 FCC entsprechen 70 Milligramm Lactase und können 5 Gramm Milchzucker abbauen.[13]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Orthologe bei OMA
  2. http://www.fei-bonn.de/download/projekte/projektdatenbank.html/fv_15801/
  3. http://www.dsm.com/le/en_US/maxilact/html/lactase.htm
  4. UniProt-Eintrag
  5. P. Born: DD unspezifischer Abdominalbeschwerden: die Kohlenhydratmalabsorption. In: Münch. Med. Wschr. 139. Jahrgang, Nr. 29, 1997, S. 32/436–36/440.
  6. J. C. Arribas, A. G. Herrero u.a.: Differential mechanism-based labeling and unequivocal activity assignment of the two active sites of intestinal lactase/phlorizin hydrolase. In: European Journal of Biochemistry Band 267, Nummer 24, Dezember 2000, S. 6996–7005, ISSN 0014-2956. PMID 11106409.
  7. Lactase des grünen Kuglfischs bei Ensembl
    Lactase des Medaka
  8. A. Beja-Pereira, G. Luikart u.a.: Gene-culture coevolution between cattle milk protein genes and human lactase genes. In: Nature genetics. Band 35, Nummer 4, Dezember 2003, S. 311–313, ISSN 1061-4036. doi:10.1038/ng1263. PMID 14634648. (Review).
  9. GeneID 3938
  10. ENSEMBL-Eintrag
  11. N. Mantei, M. Villa u.a.: Complete primary structure of human and rabbit lactase-phlorizin hydrolase: implications for biosynthesis, membrane anchoring and evolution of the enzyme. In: The EMBO journal. Band 7, Nummer 9, September 1988, S. 2705–2713. PMID 2460343. PMC 457059 (freier Volltext).
  12. H. Y. Naim, R. Jacob u.a.: The pro region of human intestinal lactase-phlorizin hydrolase. In: The Journal of biological chemistry. Band 269, Nummer 43, Oktober 1994, S. 26933–26943, ISSN 0021-9258. PMID 7523415.
  13. Informationen zur Quantität der Wirkung

Weblinks

  • Laktonaut Wiki-Datenbank mit laktosefreien Lebensmitteln