Leberblümchen



Leberblümchen

Leberblümchen (Hepatica nobilis)

Systematik
Ordnung: Hahnenfußartige (Ranunculales)
Familie: Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae)
Unterfamilie: Ranunculoideae
Tribus: Anemoneae
Gattung: Leberblümchen (Hepatica)
Art: Leberblümchen
Wissenschaftlicher Name
Hepatica nobilis
(L.) Schreb.

Das Leberblümchen (Hepatica nobilis, Syn. Anemone hepatica) gehört zur Familie der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae). Über die Zugehörigkeit zu einer Gattung gibt es zwei Auffassungen (siehe Abschnitt Systematik): Die meisten Autoren stellen das Leberblümchen zur Gattung Hepatica. Andere Autoren stellen es in eine weit gefasste Gattung der Windröschen (Anemone).

Der Name Hepatica wie auch der deutsche Trivialname beziehen sich auf die Gestalt der Blätter. Die Blätter erinnern im Umriss an die Form der menschlichen Leber und begründeten früher nach der Signaturenlehre den Glauben an die Heilkraft bei Leberleiden. Das Leberblümchen gehört zu den im Frühjahr am frühesten blühenden Arten. Typischerweise wächst es auf kalkreichem Boden in lichten Eichen- und Buchenwäldern.

Die Stiftung Naturschutz Hamburg kürte das Leberblümchen zur Blume des Jahres 2013.

Beschreibung

Die Laubblätter sind markant dreilappig

Vegetative Merkmale

Das Leberblümchen ist eine überwinternd grüne, ausdauernde, krautige Pflanze, die Wuchshöhen zwischen 10 und 25 cm erreicht. Es übersteht den Winter mit Überdauerungsknospen, die sich unmittelbar an der Erdoberfläche in den Blattachseln und im Schutz der überdauernden Blätter befinden und gehört deshalb zu den wintergrünen Hemikryptophyten. Es besitzt ein kurzes, schräg im Boden liegendes, dunkelbraunes Rhizom, das mit schuppenförmigen Niederblättern besetzt ist. Die Wurzeln des Leberblümchens reichen bis zu 30 Zentimeter tief ins Erdreich. Deshalb wird das Leberblümchen zu den Tiefwurzlern gezählt.

Dem Rhizom entspringen nach der Blüte oder gegen Ende der Blütezeit die neu angelegten, grundständigen Laubblätter. Die langen Blattstiele weisen bei jungen Blättern noch eine dicht glänzende, weiße und weiche Behaarung auf. Die Blattspreite ist in drei Lappen geteilt und erinnert im Umriss an die menschliche Leber, worauf nach der Signaturenlehre der deutsche Trivialname basiert. Die Lappen besitzen abgerundete oder leicht zugespitzte Blattzipfel und können bis zur Hälfte der Spreite eingeschnitten sein. Die Blattoberseite der leicht ledrigen Blätter ist dunkelgrün gefärbt; die Blattunterseite ist dagegen purpur-violett getönt.

Nahaufnahme einer Blüte
Blütenunterseite mit grünen Hochblättern
Fruchtstand

Generative Merkmale

Die behaarten, rötlich-braunen Blütenstandsschäfte wachsen aufrecht. Beinahe direkt über den drei kelchartigen, grünen Hochblättern (Involucrum), die die Blütenknospen schützend umhüllen und damit die Schutzfunktion des fehlenden Kelchs übernehmen,[1] sitzen die langgestielten Blüten. Die endständigen Blüten sind zwittrig, radiärsymmetrisch und besitzen einen Durchmesser von 15 bis 30 mm. Die sechs bis neun gleich gestalteten Blütenhüllblätter sind blau bis blauviolett gefärbt, selten kommen Exemplare mit weißer oder purpurfarbener Blütenhülle vor. Die blaue Farbe wird durch den Anthocyanfarbstoff Cyanidin erzeugt.[2] Ein Kreis weißlicher Staubblätter umgibt das Blütenzentrum. Im Zentrum der Blüte befinden sich zahlreiche freie Fruchtblätter. Sie sind grün gefärbt, länglich geformt und besitzen eine kopfige Narbe.

Die Blütezeit erstreckt sich von März bis April, womit das Leberblümchen zu den im Frühling am frühesten blühenden Pflanzen gehört. Bei Regenwetter und am Abend schließen sich die Blüten. Die häufige Öffnung erfolgt durch Wachstumsbewegungen der Blütenhüllblätter, wodurch diese sich täglich etwas verlängern und während der Gesamtblütezeit auf etwa das Doppelte der ursprünglichen Größe anwachsen.

In einer Sammelfrucht stehen mehrere Achänen zusammen.

Das Leberblümchen ist diploid mit der Chromosomenzahl 2n=14.

Leberblümchen brechen im zeitigen Frühjahr aus der Falllaubschicht des Waldes hervor

Ökologie

Das Leberblümchen wächst auf lehmigen, fast immer kalkhaltigen Waldböden mit der Humusform Mull, es gilt standörtlich sowohl als Lehm- wie auch als Kalkzeiger.[3] Es gilt als Charakterart der mitteleuropäischen Laubwälder (Klasse Querco-Fagetea, vgl. unter Waldgesellschaften Mitteleuropas), besonders häufig kommt es im Kalkbuchenwald (Waldgersten-Buchenwald und Seggen-Buchenwald) vor,[4] seltener auch in Nadelwäldern der Gebirge auf Kalkstandorten. Es bevorzugt gemäßigt kontinentales Klima mit warmen und feuchten Sommern, aber relativ kalten Wintern und fehlt deshalb in stärker atlantisch geprägten Bereichen, in Süddeutschland z. B. im Westen des Schwarzwalds und westlich davon (mit einem kleinen Vorposten im Kaiserstuhl).

Blütenökologisch handelt es sich bei den Blüten des Leberblümchens um einfach gestaltete Scheibenblumen. Das Leberblümchen bietet keinen Nektar an, ist aber ein wichtiger Pollenlieferant für Bienen, Käfer und Schwebfliegen. Die Lebensdauer der Blüten beträgt etwa 8 Tage.

Die Samen, behaarte Nüsschen mit Elaiosom, werden von Ameisen aufgesucht und durch diese verbreitet. Da sich die Fruchtstängel zur Fruchtreife zu Boden neigen, ist die Pflanze auch ein Selbstaussäer.

Der zunächst sehr kleine und ungegliederte Embryo entwickelt sich anfangs sehr langsam; die Pflanze erreicht ihre Blühreife erst nach Jahren. Die nach der Blüte sich vergrößernden Hochblätter tragen durch ihre Photosynthese wesentlich zur Ernährung der Früchte bei. Die Fruchtreife tritt bereits ab Mai ein.

Der Rostpilz Puccinia actaeae-agropyri befällt das Leberblümchen und bildet Spermogonien und Aecien auf den Blättern.[5]

Vorkommen

Das Areal des Leberblümchens ist durch große Verbreitungslücken gekennzeichnet (disjunktes Areal). Sein Verbreitungsschwerpunkt liegt in den Laubwäldern der Nordhalbkugel. In Europa, Ostasien und Nordamerika bildet es unterschiedliche geographische Rassen aus.

Europa
  • Hepatica nobilis var. nobilis – von Skandinavien bis zu den Alpen und Pyrenäen. Als Standorte werden lichte Buchen- und Eichenwälder mit kalkhaltigen, basenreichen Lehmböden bevorzugt. In den Alpen steigt es bis auf Höhenlagen von 2200 Metern.[6] In Österreich ist das Leberblümchen häufig bis zerstreut.[7]
Ostasien
  • Hepatica nobilis var. asiatica (Syn. Hepatica asiatica): Ostchina, Wälder und grasige Abhänge von 700 bis 1100 m.[8]
  • Hepatica nobilis var. insularis (Syn. Hepatica insularis)
  • Hepatica nobilis var. japonica (Syn. Hepatica japonica)
  • Hepatica nobilis var. pubescens (Syn. Hepatica pubescens): Dies ist die einzige tetraploide Rasse (Chromosomenzahl 2n=28).[9]
Östliches Nordamerika
  • Hepatica nobilis var. acuta (Syn. Hepatica acutiloba, Anemone acutiloba): gekennzeichnet durch zugespitzte Blätter und Vorkommen auf Kalk.[10]
  • Hepatica nobilis var. obtusa (Syn. Hepatica americana, Anemone americana): gekennzeichnet durch abgerundete Blätter und Vorkommen auf saurem Boden.[11]

Systematik

Zur systematischen Stellung des Leberblümchens gibt es zwei Auffassungen. Einerseits sprechen phylogenetische Untersuchungen wie auch morphologische und zytologische Befunde für eine Eingliederung in eine weit gefasste Gattung Anemone.[12][13] Dies hätte aber zur Folge dass alle Anemoninae zu einer Gattung zusammengefügt werden.[14] Andererseits gibt es durchaus gute Gründe für die Abspaltung der Gattung Hepatica, wie etwa die reduzierte Chromosomengrundzahl x=7 für Hepatica (gegenüber x=8 für die Windröschen im engeren Sinne ).[15]

Das Leberblümchen wurde durch Carl von Linné 1753 erstmals als Anemone hepatica beschrieben.[16] Der Name Hepatica nobilis wurde 1771 von Johann Christian von Schreber eingeführt.[17]

Inhaltsstoffe

Aufgrund des in der frischen Pflanze enthaltenen Protoanemonin kann das Leberblümchen als schwach giftig bezeichnet werden. Bei Kontakt mit Haut oder Schleimhäuten entfaltet das Protoanemonin seine reizende Wirkung und kann zu Rötungen, Juckreiz oder auch Blasenbildung führen. Beim Trocknen wird das Protoanemonin in Anemonin und Anemoninsäure umgewandelt, die praktisch ungiftig sind.[18]

Gefährdung und Schutz

Das Leberblümchen ist nach der Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) in Deutschland „besonders geschützt“. Es darf weder gepflückt noch ausgegraben werden. In Österreich ist es nicht in allen Bundesländern geschützt.

Quellen

Literatur

  • Eva Dreyer, Wolfgang Dreyer: Der Kosmos-Waldführer, Franck-Kosmos-Verlag, ISBN 3-440-05981-2
  • Angelika Lüttig: Hagebutte & Co, Fauna-Verlag, ISBN 3-935980-90-6
  • Bertram Münker: Wildblumen Mitteleuropas, Mosaik-Verlag, ISBN 3-570-01141-0
  • Dankwart Seidel: Foto-Pflanzenfüher, BLV-Verlag, ISBN 3-405-13087-5
  • Hans Simon, Leo Jelitto & Wilhelm Schacht: Die Freiland-Schmuckstauden, Band 1, Verlag Eugen Ulmer, ISBN 3-8001-3265-6
  • H. Dietrich, W. Heinrich: Frühblüher um Jena, EchinoMedia-Verlag, ISBN 978-3-937107-15-8
  • R. Düll, H. Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. 7. Auflage 2011, Quelle & Meyer Verlag, ISBN 978-3-494-01424-1

Einzelnachweise

  1. Angelika Lüttich, Juliane Kasten: Hagebutte & Co, S. 290
  2. William John Cooper Lawrence, James Robert Price, Gertrude Maud Robinson and Robert Robinson (1939): The Distribution of Anthocyanins in Flowers, Fruits and Leaves. Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Series B, Biological Sciences, Vol. 230, No. 567: 149–178.
  3. Martin Nebel (1993): Ranunculaceae, Hahnenfußgewächse. In: Oskar Sebald, Siegmund Seybold, Georg Phillippi (Herausgeber): Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs. Band I. Eugen Ulmer Verlag. ISBN 3-8001-3322-9
  4. Erich Oberdorfer (1994): Pflanzensoziologische Exkursionsflora. 7. Auflage. Eugen Ulmer Verlag.
  5. Peter Zwetko: Die Rostpilze Österreichs. Supplement und Wirt-Parasit-Verzeichnis zur 2. Auflage des Catalogus Florae Austriae, III. Teil, Heft 1, Uredinales. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 2000, Seite 31.
  6. H. Dietrich, W. Heinrich: Frühblüher um Jena, S. 103 ff.
  7. Manfred A. Fischer, Karl Oswald, Wolfgang Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. Dritte Auflage, Land Oberösterreich, Biologiezentrum der OÖ Landesmuseen, Linz 2008. ISBN 978-3-85474-187-9.
  8. Flora of China, Band 6, 2001, S. 328 [1].
  9. B. J. M. Zonneveld: Genome Sizes in Hepatica Mill: (Ranunculaceae) Show a Loss of DNA, Not a Gain, in Polyploids. Journal of Botany 2010, Hindawi Publ. Co. DOI: 10.1155/2010/758260 [2]
  10. Flora of North America [3]
  11. Flora of North America [4]
  12. Sara B. Hoot, Anton A. Reznicek, Jeffrey D. Palmer: Phylogenetic Relationships in Anemone (Ranunculaceae) Based on Morphology and Chloroplast DNA. In: Systematic Botany 1994, 19 (1), S. 169–200.
  13. Otto Schmeil, Jost Fitschen: Flora von Deutschland und angrenzender Länder. 94. Aufl. 2009
  14. M. A. Fischer, K. Oswald, W. Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol, 3. Auflage 2008, S. 301.
  15. F. Ehrendorfer, R. Samuel: Contributions to a molecular phylogeny and systematics of Anemone and related genera (Ranunculaceae-Anemoninae). Acta Phytotaxonomica Sinica Bd. 39, 2001, S. 293–307 (PDF)
  16. Carl von Linné: Species Plantarum 1: 538. 1753 [5]
  17. Johann Christian von Schreber: Spicilegium Florae Lipsicae 39. 1771.
  18. Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 8. Aufl., Walter de Gruyter Verlag, ISBN 3-11-015793-4

Weiterführende Literatur

  • Michael Alexander Commichau: Hepatica: Aktueller Überblick über die Gattung. Eigenverlag, Suhl, ergänzte Auflage 2007, erweiterte Auflage 2012.

Weblinks

Commons: Leberblümchen – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Leberblümchen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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