Legionellen
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Legionellaceae | ||||||||||
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Legionella pneumophila | ||||||||||
Systematik | ||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||
Legionella | ||||||||||
(Brenner et al., 1979) | ||||||||||
Arten | ||||||||||
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Legionellen (Legionella) sind eine Gattung stäbchenförmiger Bakterien in der Familie der Legionellaceae. Sie sind im Wasser lebende gramnegative nicht sporenbildende Bakterien, die durch eine oder mehrere polare oder subpolare Flagellen (Geißeln) beweglich sind. Alle Legionellen sind als potenziell humanpathogen anzusehen. Zurzeit kennt man mehr als 48 Arten und 70 Serogruppen. Die für Erkrankungen des Menschen bedeutsamste Art ist Legionella pneumophila (Anteil von etwa 70 bis 90 %, je nach Region), sie ist Erreger der Legionellose oder Legionärskrankheit.
Eine Besonderheit, die viele Arten der Gattung Legionella zeigen, ist, dass sie einen hohen bis überwiegenden Anteil von verzweigten Fettsäureketten in ihren Membranlipiden aufweisen. Beispielsweise beträgt bei Legionella pneumophila der Anteil verzweigter Ketten 64 %.[1]
Lebensbedingungen
Die optimalen Lebensbedingungen für Legionellen sind:
- Süß- und Salzwasser
- Temperaturbereich 25–50 °C
- Frischwassernachspeisung
- lange Verweilzeit
Vorkommen von Legionellen
Legionellen kommen dort vor, wo erwärmtes Wasser ihnen optimale Bedingungen für die Vermehrung bietet. Dieses kann beispielsweise der Fall sein in
- Warmwassererzeugungs- und Warmwasserverteilungsanlagen
- Schwimmbädern
- Luftwäschern in Klimaanlagen
- Kühltürmen
- Biofilmen
- Krankenhäusern
- Schulduschen und anderen öffentlichen Duschen
- Wannenbäder, Stationsbäder
- Totleitungen
- Wassertanks
- Kaltwasserleitungen mit Wärmeeinwirkung von außen oder mit langen Stillstandszeiten, z. B. mäßig genutzte Feuerlöschleitungen mit Trinkwasseranbindung
Übertragung der Legionellen auf den Menschen
Eine Übertragung von Legionellen ist prinzipiell durch Kontakt mit Leitungswasser möglich, wenn die Legionellen in die tiefen Lungenabschnitte gelangen.
Nicht jeder Kontakt mit legionellenhaltigem Wasser führt zu einer Gesundheitsgefährdung. Erst das Einatmen bakterienhaltigen Wassers als Aerosol (Aspiration bzw. Inhalation z. B. beim Duschen, bei Klimaanlagen, durch Rasensprenger oder in Whirlpools) kann zur Erkrankung führen.
Das Trinken von legionellenhaltigem Wasser stellt für Personen mit intaktem Immunsystem keine Gesundheitsgefahr dar.
Eine Übertragung von Legionellosen wird insbesondere mit folgenden technischen Systemen in Verbindung gebracht: Warmwasserversorgungen (z. B. in Wohnhäusern, Krankenhäusern, Heimen, Hotels), raumlufttechnische Anlagen (Klimaanlagen), Luftbefeuchter, Badebecken, insbesondere Warmsprudelbecken (Whirlpools), sowie sonstige Anlagen, die Wasser zu Wassertröpfchen zerstäuben.
Geschichte
Legionellen wurden erstmals im Juli 1976 im Bellevue-Stratford Hotel in Philadelphia entdeckt. Dort erkrankten beim 58. Kongress ehemaliger amerikanischer Soldaten (American Legion) 180 von 4400 Delegierten. Die Krankheit forderte 29 Todesopfer, und obwohl der Kongress am 22. Juli begann, bemerkte das Gesundheitsamt erst am 2. August, dass eine Epidemie grassierte. Trotz sofortiger Forschungsaktivitäten gelang es erst im Januar 1977, das Bakterium aus Lungengewebe eines verstorbenen Veteranen zu isolieren. Es gibt auch Ergebnisse, die auf Opfer in den frühen 1900er Jahren hindeuten.
Der größte Ausbruch einer Legionellen-Epidemie in Deutschland und einer der größten weltweit ereignete sich Anfang Januar 2010 im Raum Ulm mit 5 Toten und 64 Infizierten.[2][3] Bei dem Erreger handelt es sich um das Stäbchen-Bakterium Legionella pneumophila der Serogruppe 1.[4] Die Gesundheitsbehörden ermittelten in Zusammenarbeit unter anderem auch mit der Technischen Universität Dresden dabei als Verursachungsquelle die zu einem Blockheizkraftwerk gehörigen Kühltürme in der Nähe des Ulmer Hauptbahnhofs. Die Anlage wurde im September 2009 installiert und befand sich zu diesem Zeitpunkt im Probebetrieb.[5][6]
Maßnahmen zur Verminderung des Legionellenwachstums
Für die Errichtung und den Betrieb von Trinkwassererwärmungs- und Trinkwasserleitungsanlagen gilt das DVGW-Arbeitsblatt W 551 über die „Technischen Maßnahmen zur Verringerung des Legionellenwachstums“ vom April 2004. Danach muss am Austritt von Warmwassererzeugungsanlagen ständig eine Temperatur von mindestens 60 °C gehalten werden. Bei Anlagen mit Zirkulationsleitungen darf die Warmwassertemperatur im System nicht um mehr als 5 °C gegenüber der Austrittstemperatur absinken. Somit muss die Rücklauftemperatur der Zirkulation in den Warmwasserbereiter mindestens 55 °C betragen. Außerdem soll Trinkwasser (kalt) möglichst kühl gehalten und vor unerwünschter Erwärmung, z. B. durch Sonneneinstrahlung oder nahegelegene Heizungsleitungen, geschützt werden.
Dies stellt eine der technischen Herausforderungen bei der Nutzung von Geothermie, Solarthermie und Wärmepumpen zur Brauchwassererwärmung dar.
Bei einem Gehalt von 100 KbE (= koloniebildende Einheiten)/100 ml gilt Trinkwasser als kontaminiert (geringes Infektionsrisiko, "technischer Maßnahmewert"), sofortiger Handlungsbedarf ist geboten ab einer stärkeren Kontamination als 10.000 KbE/100 ml. Hier spricht das Arbeitsblatt W 551 von einer „extrem hohen Kontamination“ und fordert Sofortmaßnahmen wie z. B. eine Desinfektion des Leitungsnetzes oder die Verhängung eines Duschverbots.
Maßnahmen zur Legionellenverminderung
Ultrafiltration
Bei der Ultrafiltration werden die Erreger mechanisch aus dem Wasser entfernt. Die Module bestehen aus gebündelten, an beiden Enden in Hüllrohre eingegossenen schlauchförmigen Ultrafiltrations-Membranen. Die Porenweite der Membran beträgt 0,01 bis 0,05 µm.
Um die Trennwirkung zu erreichen, wird das Wasser durch die Wandung der Membrankapillare nach außen geleitet. Durch das umgebende Hüllrohr des Moduls wird das Reinwasser aufgefangen und als bakterienfreies und virenarmes Wasser durch den seitlichen Anschluss zum Versorgungssystem geleitet. Das Gerät muss regelmäßig gereinigt werden.
Thermische Desinfektion
Legionellen werden bei einer Temperatur von mehr als 70 °C in kurzer Zeit abgetötet. Bei der thermischen Desinfektion wird daher mindestens der Warmwasserbereiter und möglichst das gesamte Leitungsnetz inklusive der Entnahmearmaturen für mindestens drei Minuten auf mehr als 71 °C erwärmt.
Eine periodische Desinfektion (Legionellenschaltung der Regulierventile innerhalb der Zirkulationsleitung, üblicherweise 1 × pro Woche) bei vollem Desinfektionsvolumenstrom mit anschließender Kühlung durch nachströmendes Kaltwasser, lässt eine sichere legionellenfreie Versorgung von Warmwasserverteilungssystemen zu. Allerdings bereitet der – je nach Region ab 60 °C entstehende – Ausfall von Kalk im Leitungsnetz große Probleme, abhängig vom verwendeten Rohrwerkstoff und vom Härtegrad des Frischwassers. Als besonders problematisch erwiesen sich die früher verwendeten Eisenwerkstoffe.
Bei der thermischen Desinfektion in Heimen etc. muss die zeitweise Verbrühungsgefahr an der Entnahmestelle beachtet werden. Die eingestellte Solltemperatur im Warmwasserspeicher einer Heizanlage ohne Zirkulation sollte nicht unter 55 °C liegen. Moderne Heizungssteuerungen für Kleinheizanlagen erhöhen die Speichertemperatur täglich kurzzeitig mindestens einmal oder in kurzen regelmäßigen Abständen.
Die thermische Desinfektion erfasst naturgemäß nur das Warmwassernetz für das Frischwasser. Legionellen können sich aber auch massiv im Kaltwasser vermehren, weil sich in modernen beheizten Gebäuden das Leitungsnetz für das Kaltwasser auf über 20 °C erwärmen kann. Liegen zusätzlich bauliche Mängel vor (zu groß dimensionierte Leitungsrohre, Verlegung in Versorgungssträngen mit schlecht isolierten Warmwasserleitungen oder Heizungsrohren) kann die Kaltwassertemperatur auf über 25 °C ansteigen.
Aachener Konzept
Das Aachener Konzept ist ein gemeinsam vom Klinikum Aachen mit der Firma KRYSCHI Wasserhygiene im Jahre 1987 entwickeltes Verfahren zum Schutz gegen Legionellen durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht (UV-Licht). Es ist nach dem Technischen Regelwerk DVGW W 551 (Ausgabe April 2004) die einzige Alternative zu thermischen Lösungen. Es wird dort eingesetzt, wo erhöhte Temperaturen nicht möglich oder nicht gewünscht sind.[7]
Das Konzept verlangt dezentral eingesetzte UV-Geräte nahe den Abnahmestellen. Die Änderungen vom August 2007 in der UBA-Liste zu § 11 Trinkwasserverordnung Teil II sind zu beachten. Vorteil dieser Methode ist, dass keine chemischen Wasserzusätze verwendet werden. Die fehlende Depotwirkung wird durch periodische Rohrspülungen ausgeglichen.
Chemische Desinfektion
Eine permanente Desinfektion kann auch mit dafür zugelassenen Chemikalien durchgeführt werden, dabei sind Grenzwerte und die Bildung von Desinfektionsnebenprodukten zu beachten (siehe Liste des Umweltbundesamtes zu §11 Trinkwasserverordnung Teil Ic). Als Dauerlösung haben sich Chemikalien jedoch als nicht erfolgreich erwiesen.[8]
Bei einer Stoßdesinfektion werden Chemikalien in hohen Konzentrationen eingesetzt, die anschließend durch Spülung wieder aus dem Leitungsnetz entfernt werden. Während der Maßnahme ist sicherzustellen, dass kein Trinkwasser entnommen wird. Bei der Stoßdesinfektion können auch Desinfektionsmittel eingesetzt werden, die nicht vom Umweltbundesamt gelistet sind, wie z. B. Wasserstoffperoxid (H2O2).
Elektrolytische Herstellung von Chlor vor Ort
Diese Verfahren arbeiten mit Elektrolysezellen und produzieren Chlorgas oder „unterchlorige Säure“ (Natriumhypochlorit).
Die Herstellung von neutralem Natriumhypochlorit durch elektrochemische Aktivierung mittels Membranzellenelektrolyse (Bezeichnung für das so hergestellte Desinfektionsmittel ist Anolyt) vor Ort ist ein neues Verfahren und seit August 2007 in die Liste zu §11 TrinkwV 2001 Teil II aufgenommen. Das Verfahren wird im Arbeitsblatt W229 des DVGW beschrieben (Abschnitt 6.5.2). Die Natriumhypochloritlösung muss laut Liste zu §11 TrinkwV 2001 Teil Ic die Reinheitsanforderungen der DIN EN 901 erfüllen.
Anolyt ist in der Lage, Biofilm abzubauen. Neutrales Anolyt enthält nur geringe Mengen an Chlorgas und bildet daher merkbare Mengen an Chloroform nur bei starkem Überschuss von Acetylverbindungen (Eiweiße, Biofilmmatrix), die mit Cl2 stufenweise zu Chloroform umgesetzt werden (Haloformreaktion). Nach Abbau oberflächlicher Biofilmschichten ist Chloroform in anolytdotierten Wasser nicht mehr nachweisbar.
Die Trinkwasserverordnung gibt ein Minimierungsgebot vor. Es ist nicht aus prophylaktischen Gründen zu desinfizieren. Außerdem sollen in der möglichst kurzen Desinfektionszeit die Mängel behoben und anschließend in den regulären Betrieb übergegangen werden.
Mikrobiozide Kontaktwirkung
Ein biophysikalisches Verfahren zur Legionellenbekämpfung unter Nutzung der mikrobiziden Kontaktwirkung metallischen Silbers wurde von der TU Dresden in Zusammenarbeit mit der Firma silvertex entwickelt. Eine signifikante Reduzierung der Einsiedelung und Vermehrung von Legionellen in wasserführenden Systemen wird durch das Einbringen spezieller silberhaltiger textiler Systeme (Abstandsgewirke) erreicht. Das Entstehen von Biofilmen in Bereichen mit geringer Strömung kann so jedoch nicht zuverlässig ausgeschlossen werden.
Die antimikrobielle Wirkung entsteht als Folge der Übertragung von Metallionen auf Mikroorganismen, des oligodynamischen Effektes. Das Verfahren erfordert keinen zusätzlichen Energieaufwand oder reaktive chemische Zusätze. Beim Einsatz in Behälter- bzw. Tanksystemen sind keine zusätzlichen technischen Installationen notwendig. Aufgrund der flexiblen Struktur passt sich das Abstandsgewirk an unterschiedliche Profile (z. B. Rohrleitungen) an, sodass sie an den „Außenseiten“ durch den Anpassungsdruck über eine höhere Materialdichte verfügt, was zu einer höheren Wirkungsdichte und damit einer besonderen Wirksamkeit gegenüber einer „Koloniebildung“ bzw. dem Aufwachsen eines Biofilms führt.
Mikrobiozide Reaktionswirkung
Zur biochemischen Desinfektion von Trinkwasser dürfen in Deutschland nur Desinfektionsmittel eingesetzt werden, die in der vom Umweltbundesamt geführten Liste (Teil Ic) zu §11 Trinkwasserverordnung aufgeführt sind: Calcium- und Natriumhypochlorit, Chlor, Chlordioxid und Ozon (Stand: August 2007).
Weblinks
- Legionellenproblematik im Trinkwasser (FLUGS-Fachinformationsdienst am Helmholtz Zentrum München, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt) (PDF-Datei; 178 kB)
- Legionellen-Bekämpfung durch Silber-Elektrolyse Artikel aus IHKS-Fachjournal (Ausgabe 2008)
- Legionellen-Wasser.de Deutsches Informationsportal über Legionellen
Einzelnachweise
- ↑ T. Kaneda: Iso- and anteiso-fatty acids in bacteria: biosynthesis, function, and taxonomic significance. In: Microbiol. Rev. 55(2); June 1991: S. 288–302, PMID 1886522 (freier Volltextzugang)
- ↑ http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Nachrichten/Bayern/Artikel,-Die-Infektionsquelle-zu-finden-ist-echte-Detektivarbeit-_arid,2046232_regid,2_puid,2_pageid,4289.html
- ↑ http://www.ulm.de/start.3076.htm
- ↑ http://www.augsburger-allgemeine.de/Home/Lokales/Neu-Ulm/Lokalnachrichten/Artikel,-Legionellen-Bakterie-ist-identifiziert-_arid,2046311_regid,2_puid,2_pageid,4503.html
- ↑ Blockheizkraftwerk als Legionellen-Quelle wahrscheinlich. Südwest-Presse vom 4. Februar 2010
- ↑ Behörden identifizieren Legionellen-Quelle in Ulm. Südwest-Presse vom 2. Februar 2010
- ↑ Das Aachener Konzept (erschienen in sbz, 46. Jahrgang 1991, Heft 17, S. 44–48), S. 1
- ↑ Legionellenproblematik im Trinkwasser (FLUGS-Fachinformationsdienst am Helmholtz Zentrum München, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt), S. 8