Leukozyt
Leukozyten oder weiße Blutkörperchen (Singular der Leukozyt, von altgriechisch λευκός leukós „weiß“ sowie altgriechisch κύτος kýtos „Höhlung“, „Gefäß“, „Hülle“[1]) sind bestimmte Zellen des Körpers, die im Blut, im Knochenmark, in den lymphatischen Organen und anderen Körpergeweben zu finden sind. Morphologisch werden sie den Erythrozyten (roten Blutkörperchen) gegenübergestellt, da sie im Gegensatz zu diesen nicht den roten Farbstoff Hämoglobin enthalten. Die quantitative Zusammensetzung der Leukozyten im peripheren Blut wird im Differentialblutbild erfasst.
Leukozyten erfüllen spezielle Aufgaben in der Abwehr von Krankheitserregern und körperfremden Strukturen. Sie gehören zum Immunsystem und sind dort Teil der spezifischen und unspezifischen Immunabwehr, weshalb sie auch als Immunzellen oder Immunozyten bezeichnet werden.
Bau der Leukozyten
Leukozyten sind, je nach ihrer Art, unterschiedlich in Gestalt und Aufbau. Die Größe der Leukozyten schwankt zwischen 7 µm bei Lymphozyten und 20 µm bei Monozyten. Die Roten Blutkörperchen sind etwa 7,5 µm groß. Die Lebensdauer der Zellen reicht von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten. Bestimmte Leukozyten sind amöboid beweglich und können aktiv aus dem Blut in die verschiedenen Zellgewebe einwandern.
Bildung der Leukozyten
Die Bildung der Leukozyten ist ein Vorgang, der beim Erwachsenen im roten Knochenmark (Medulla osseum rubrum) von Brustbein und Becken beginnt. Diesen Vorgang nennt man Leukopoese (auch Leukozytopoese). Bei Kindern befindet sich blutbildendes rotes Knochenmark zusätzlich in den langen Röhrenknochen der Arme und Beine. Die weißen Blutkörperchen werden dort aus so genannten Vorläuferzellen der Stammzellen gebildet und differenzieren anschließend innerhalb der unterschiedlichen Kategorien der Leukozyten weiter, je nach den ihnen zugedachten Aufgaben und Funktionen. Um diese erfüllen zu können, müssen Teile der Leukozyten nach ihrer Bildung in bestimmten Organen geprägt werden. Im Lymphsystem, das heißt in Lymphknoten, Thymus, Milz, Mandeln, Knochenmark, müssen sie lernen, welche Stoffe zum Körper des Organismus gehören und welche als fremd anzusehen sind. Die Stammzellen selbst besitzen weitreichende Möglichkeiten sich zu entwickeln, sie sind pluripotent. Bei ihrer Teilung entstehen nicht zwei gleiche Tochterzellen, sondern jeweils eine neue pluripotente Stammzelle und eine Vorläuferzelle der einzelnen Blutzellen (determinierte Stammzelle), welche anschließend weiter heranreift. Je nachdem, welcher Wachstumsfaktor (Zytokine) einwirkt, entstehen so die unterschiedlichen Arten entweder der Leukozyten oder der Erythrozyten oder der Megakaryozyten.
Aufgaben der Leukozyten
Weiße Blutkörperchen haben die Aufgabe, für den Organismus unverträgliche Stoffe bzw. Krankheitserreger unschädlich zu machen. Dazu zählen Bakterien, Viren, Tumorzellen, Toxine, körperfremde Partikel, Würmer, Pilze und Protozoen (Einzeller). Die einzelnen Untergruppen der Leukozyten übernehmen dabei verschiedene Aufgaben innerhalb des Immunsystems – von der Phagozytose über die Markierung von Antigenen bis hin zur Bekämpfung von körpereigenen und körperfremden Zellen und Krebszellen.
Neutrophile Granulozyten, Monozyten, Makrophagen und Dendritische Zellen zum Beispiel sind als Bestandteil der unspezifischen Abwehr zur Phagozytose fähig. Dabei nehmen sie Fremdmaterial auf und machen es unschädlich. Sie werden daher auch Fresszellen genannt.
B-Lymphozyten hingegen produzieren nach geeigneter Stimulation speziell gegen bestimmte Erreger oder schädigende Stoffe gerichtete Antikörper. Sie gehören somit zur spezifischen Abwehr.
T-Lymphozyten dienen unter anderem der Koordination zwischen spezifischer und unspezifischer Abwehr. Auch an Entzündungen sind Leukozyten beteiligt und in der Lage, durch freigesetzte Botenstoffe (Mediatoren) wie Zytokine und Leukotriene diese aufrecht zu halten, zu modulieren oder zu beenden. Leukozyten spielen außerdem eine wesentliche Rolle bei allen Autoimmunkrankheiten.
Morphologie der Leukozyten
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die unterschiedlichen Leukozytenarten zu kategorisieren.
- Aufgrund ihrer Abstammung und Farbe in der Pappenheim-Färbung können sie wie folgt unterschieden werden. Alle Zellen der lymphatischen Reihe gehen auf lymphatische Vorläuferzellen zurück, die der myeloiden Reihe entwickeln sich aus myeloiden Vorläuferzellen. Auch die roten Blutkörperchen und die Blutplättchen entwickeln sich aus myeloiden Vorläuferzellen, diese werden aber nicht zu den Leukozyten gezählt und sind daher in der folgenden Tabelle nicht aufgeführt.
lymphatische Reihe | myeloide Reihe |
---|---|
Lymphozyten | Monozyten (Vorläufer der Makrophagen) Dendritische Zellen Mastzellen Granulozyten |
Granulozyten unterscheiden sich von den anderen Immunzellen (Agranulozyten) durch ihre unregelmäßig gelappten Zellkerne und durch das Vorhandensein kleiner Partikel im Cytoplasma. Die Agranulozyten besitzen dagegen runde oder bohnenförmige Zellkerne und keine Partikel im Cytoplasma.
- Lymphozyten und Granulozyten werden in weitere Zelltypen unterteilt:
Lymphozyten | Granulozyten |
---|---|
B-Lymphozyten T-Lymphozyten NK-Zellen |
neutrophile Granulozyten eosinophile Granulozyten basophile Granulozyten |
Funktionen der einzelnen Leukozyten
Die einzelnen Blutkörperchen übernehmen innerhalb des Immunsystems verschiedene Aufgaben, welche im folgenden kurz dargestellt sind. Nähere Informationen gibt es unter den entsprechenden Begriffen.
Immunzellen | Aufgabe und Funktion |
---|---|
Monozyten | Vorläufer der Makrophagen im Blut |
Makrophagen | Phagozytose, im Gewebe und der Lymphflüssigkeit |
Mastzellen | setzen nach Aktivierung Substanzen frei, die die Permeabilität der Blutgefäße beeinflussen |
Antigenpräsentierende Zellen (zum Beispiel Makrophagen, B-Zellen und Langerhanszellen) |
markieren Antigene und leiten damit die Immunantwort ein |
Granulozyten | |
neutrophiler Granulozyten | Phagozytose von Bakterien, Viren und Pilzen im Blut |
eosinophiler Granulozyten | Abwehr von Parasiten, beteiligt an allergischen Reaktionen |
basophiler Granulozyten | Abwehr von Parasiten, Auslösern allergischer Reaktionen, Entzündungsreaktionen, Juckreiz |
B-Zell-Gruppe | |
B-Lymphozyten | Vorläufer der Plasmazellen im Blut |
Plasmazellen | Spezialisierung auf Antikörperproduktion |
B-Gedächtniszellen | langlebige B-Zellen mit einem Gedächtnis für spezielle Antigene |
T-Zell-Gruppe | |
T-Helferzellen | aktivieren Plasmazellen und Killerzellen erkennen Antigene auf den Antigen präsentierenden Zellen |
Regulatorische T-Zellen | bremsen die Immunantwort, hemmen die Funktion der B-Zellen und anderer T- Zellen |
T-Gedächtniszellen | langlebige T-Zellen mit einem Gedächtnis für spezielle Antigene |
T-Killerzellen (zytotoxische T-Zellen) | erkennen und zerstören von Viren befallene Körperzellen und Tumorzellen, indem sie auf bestimmte Antigene der befallenen Zellen reagieren |
Killerzellen | |
natürliche Killerzellen (NK) | greifen unspezifische Tumorzellen an und Zellen, die von Viren befallen sind |
Bindung der Leukozyten an die Blutgefäße
Die weißen Blutkörperchen sind sozusagen die Wächter des Immunsystems und patrouillieren ständig im gesamten Organismus auf der Suche nach Erregern oder zu zerstörenden Zellstrukturen. Dazu nutzen sie den Blutkreislauf, um von einem Ort zum anderen zu gelangen und tasten während dieser Phase die Wände der Gefäßzellen systematisch nach Stoppsignalen ab, die beispielsweise Krebszellen anzeigen. Des Weiteren dringen in jeder Minute hunderte von weißen Blutkörperchen in das Gewebe ein und suchen dort nach Verletzungen und Entzündungen. Dies tun sie, indem sie an den Wänden der Zellen entlang rollen und dort nach bestimmten Strukturen suchen, die einen solchen Zustand anzeigen.
Zahlen und Werte
- Normalwerte von Leukozyten im menschlichen Blut
Normalwerte | häufig benutzt | SI-Einheit |
---|---|---|
Erwachsene | 4 000 – 10 000 /µl (4–10 /nl) | 4–10 × 109/l |
Schulkinder | 5 000 – 15 000 /µl (5–15 /nl) | 5–15 × 109/l |
Kleinkinder | 6 000 – 17 500 /µl (6–17,5 /nl) | 6–17,5 × 109/l |
Neugeborene | 9 000 – 30 000 /µl (9–30 /nl) | 9–30 × 109/l |
Eine die Normwerte übersteigende Anzahl von Leukozyten pro Volumen wird als Leukozytose bezeichnet.
Eine Unterschreitung der Normwerte der Leukozyten pro Volumen wird als Leukopenie bezeichnet.
- prozentualer Anteil der Untergruppen an der Gesamtzahl der Leukozyten im Organismus
Leukozytenuntergruppen | Anteil in % |
---|---|
Monozyten | 2 – 8 |
Lymphozyten | 20 – 45 |
Neutrophile Granulozyten segmentkernig | 50 – 70 |
Neutrophile Granulozyten stabkernig | 3 – 5 |
Eosinophile Granulozyten | 2 – 4 |
Basophile Granulozyten | 0 – 1 |
- auf siebenhundert rote Blutkörperchen kommt unter normalen Bedingungen etwa ein weißes Blutkörperchen
Krankheiten im Zusammenhang mit Leukozyten
Leukämie
Bei den Leukämien verändern sich einzelne Untergruppen der Leukozyten zu Tumorzellen. Am häufigsten betroffen sind die Lymphozyten. Der Entstehungsort der Krankheit ist das Knochenmark, wo die Tumorzellen mit dem Blutstrom in Kontakt kommen und dadurch im ganzen Körper verteilt werden. Durch ihr massenhaftes Auftreten rufen die Tumorzellen Krankheitssymptome in allen Organen hervor. Vor allen Dingen im Knochenmark verdrängen sie die Erythrozyten, normalen Leukozyten und Thrombozyten und hemmen auf diese Weise deren Bildung. Die Betroffenen fallen durch Müdigkeit, Blässe, Blutungsneigung und allgemeines Krankheitsgefühl auf. Gleichzeitig entsteht eine Anfälligkeit für Infektionen, weil die entarteten Leukozyten ihre eigentliche Aufgabe der Immunabwehr nicht erfüllen.
HIV
Das Humane Immundefizienz-Virus vermehrt sich vorwiegend über T-Helferzellen.[2] Mit der Zeit sinkt die Anzahl der vorhandenen T-Helferzellen bis schließlich die komplette Immunabwehr zusammenbricht, es treten die Symptome des AIDS' auf. Die Erkrankten sterben oft an opportunistischen Infektionen. Ein typisches Beispiel für eine solche Infektion ist eine Lungenentzündung durch Pneumocystis jirovecii, an der gesunde Menschen nur sehr selten erkranken.
Adhäsionsdefizit
Hierbei handelt es sich um eine Gruppe (seltener) erblicher Glykoproteinbiosynthese-Störungen, die zu geistigen und körperlichen Behinderungen und einer vermehrten Infektanfälligkeit führen können. Derzeit sind neun verschiedene Subtypen der Erkrankung bekannt. Die Zahl der Erkrankten wird in Europa auf 300 geschätzt. Typisch ist eine Leukozytose ohne ersichtlichen Grund. Die Adhäsionsfähigkeit der Leukozyten an die Blutgefäßwand ist bei diesem Krankheitsbild erheblich eingeschränkt.[3] Das Krankheitsbild ist auch in der Veterinärmedizin bekannt.[4]
Quellen
- Hermann Delbrück: Chronische Leukämien. Stuttgart 2004. ISBN 3-17-018369-9
- Charles A. Janeway jr. u. a.: Immunologie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2002. ISBN 3-8274-1078-9
- Thomas Lothar (Hrsg.): Labor und Diagnose. Frankfurt am Main 2005. ISBN 3-9805215-5-9
- Arne Schäffler (Hrsg.): Mensch, Körper, Krankheit. München 2001. ISBN 3-437-55091-8
- Dorothea Zucker-Franklin (Hrsg.): Atlas der Blutzellen Funktion und Pathologie. Stuttgart 1990 ISBN 3-437-11299-6
Einzelnachweise
- ↑ Wilhelm Gemoll: Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch, München/ Wien 1965
- ↑ Coakley et al.: Assessing chemokine co-receptor usage in HIV. Curr Opin Infect Dis. 2005 Feb;18(1):9-15
- ↑ innovations-report.de: Weiße Blutkörperchen – gefangen in der Blutbahn! Seltene Erbkrankheit bei Kindern erforscht, 28. Mai 2001, hier online; zuletzt eingesehen am 30. Mai 2009
- ↑ taz.de: Warum Nutztierrassen verschwinden, 21. April 2008, hier online; zuletzt eingesehen am 30. Mai 2009
Weblinks
- Wiktionary: Leukozyt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
- Skript zu Immunologie (Einführung in die Biotechnologie, ETH Zürich) (PDF-Datei; 2,14 MB)