Mikropaläontologie


Etwa 12.000 Jahre alte Probe mit Mikrofossilien vom antarktischen Kontinentalhang (Weddell-Meer): Radiolarien (durchscheinende kleine Sphären, Ø ≈ 0,5 mm), Schwammnadeln (glasig), planktische Foraminiferen (weiß, klein), benthische Foraminiferen (große weiße Schale und gelbliche, aus Sandkörnern gebaute Schalen)

Mikropaläontologie ist das Teilgebiet der Paläontologie, das sich mit dem Studium der Mikrofossilien befasst. Als Mikrofossilien werden Fossilien von Mikroorganismen und mikroskopisch kleine fossile Reste größerer Lebewesen bezeichnet. Das Studium der Makrofossilien trägt sinngemäß die Bezeichnung Makropaläontologie.

Aufbereitung der fossilführenden Probe

Mikrofossilien sind im Gelände oft nicht mit bloßem Auge oder der Lupe zu erkennen. Um dennoch festzustellen, ob ein Gestein Mikrofossilien enthält, werden von einer Gesteinsprobe Dünnschliffe (einige Zehntel bis Hundertstel mm dicke Gesteinscheiben) angefertigt, in denen unter dem Mikroskop gegebenenfalls Querschnitte von Mikrofossilien zu erkennen sind. Die Mikrofossilien können mittels Aufbereitung im Labor gewonnen werden. Das Handstück ist dafür zunächst mechanisch zu zerkleinern.

In Abhängigkeit von der chemischen Zusammensetzung des Gesteins und der vermuteten Mikrofossilien, können anschließend verschiedene physikalisch-mechanische oder nass-chemische Aufbereitungsmethoden angewandt werden. Es folgen einige Beispiele (die Gesteinsbruchstücke befinden sich dafür in geeigneten Probegefäßen):

Methode Mikrofossil: Skelettsubstanz Sedimentgesteinstyp Wirkungsweise
Säureätzung mit verdünnter Ameisensäure oder Essigsäure Kieselsäure, Phosphat oder organisch Karbonat das (stärker) säurelösliche Karbonat im Gestein wird weggelöst/ die Fossilien und andere unlösliche Bestandteile liegen frei
Säureätzung mit Fluorwasserstoff organisch alle (inkl. Silikat) alle Gesteinsbestandteile bis auf die organischwandigen Fossilien werden weggelöst
Behandlung mit Wasserstoffperoxid[1] alle schwach bis mittelstark verfestigte Tone und Mergel katalytische Reaktion mit Kohlenstoffverbindungen; der freigesetzte Sauerstoff sprengt das Gestein
Kristallisationssprengung mit Glaubersalz alle alle mit Poren die Lösung dringt in die Poren ein und infolge einer herbeigeführten Temperaturerhöhung oder -erniedrigung bilden sich Glaubersalz-Kristalle, die durch ihr größeres Volumen das Gestein sprengen

Nach der Trocknung der Restprobe (Schlämmrückstand) liegen Körnerpräparate vor, in denen die Mikrofossilien je nach Methode zu einem mehr oder weniger großen Anteil enthalten sind. Falls sich die Fossilien und das Restgestein in der Dichte unterscheiden, ist die Anreicherung der Fossilien durch Dichtetrennung möglich.

Für das Auslesen der Fossilien aus einem Körnerpräparat werden Standardausleseschalen (gelocht oder ungelocht) mit 5 × 9 Feldern von je 1 cm² verwendet.

Im letzten Schritt vor der wissenschaftlichen Bearbeitung werden die Mikrofossilien unter dem Stereomikroskop aus dem Körnerpräparat aussortiert und in ein geeignetes Aufbewahrungsmedium wie beispielsweise eine Franke-Zelle abgelegt. Eine Franke-Zelle ist ein Papp- oder Kunststoffträger im Format der üblichen Mikroskopie-Objektträger mit einer vertieften Aufbewahrungsmulde, die durch ein transparentes Schiebedeckelchen aus Glas oder Kunststoff geschlossen werden kann.

Wissenschaftliche Bearbeitung

Die Morphologie einzelner Mikrofossilien wird durch Zeichnungen und Fotografien dokumentiert. Das Stereomikroskop, mit dem man Objekte räumlich sehen kann, ist dabei das wichtigste Hilfsmittel. Zum Fotografieren ist für die Schnittstelle Kamera/Stereomikroskop ein passendes Adapterbauteil erforderlich. Bei besonders kleinen und filigranen Mikrofossilien wird das Rasterelektronenmikroskop, das Objekte ebenfalls räumlich abbildet, zur Dokumentation verwendet.

Schließlich erfolgt die Vermessung, wissenschaftliche Beschreibung und Klassifikation der Mikrofossilien. Bei einer großen Anzahl an Exemplaren können die Daten der Messungen und Beschreibungen statistisch ausgewertet werden.

Mikrofossiliengruppen

Geologische Bedeutung der Mikrofossilien

Die besondere Bedeutung der Mikrofossilien gegenüber den Makrofossilien liegt in deren häufig reichem Vorkommen in kleinsten Probenmengen. Meist stehen für die weiteren Untersuchungen hunderte bis zehntausende Exemplare einer Art zur Verfügung. Dadurch sind umfangreiche Suiten auch bei eng horizontierter Probenentnahme gewinnbar. Die bedeutsame Arbeit über die Foraminiferen-Gattungen Gaudryina und Spiroplectinata basiert beispielsweise auf etwa 18.000 Exemplaren aus einem Zeitraum von ca. 14 Ma (Millionen Jahren).[2]. Durch die Kleinheit der Fossilien sind untersuchbare Exemplare auch im so genannten Bohrklein, den mit der Bohrspülung aus einer geologischen Bohrung transportierten Gesteinstrümmern, vorhanden. Dadurch ist die Mikropaläontologie zusammen mit der Geophysik eine in der Erdölgeologie unverzichtbare Wissenschaft.

Mikrofossilien sind die wesentliche Grundlage der Biostratigraphie, da Makrofossilien zur zeitlichen Einordnung von Sedimentschichten oft fehlen oder ungeeignet sind.

  • Biofazies/Palökologie:

Das Auftreten oder die Häufung bestimmter Mikrofossilien gibt Auskunft über die Lebensbedingungen eines Sedimentationsraums.

  • Isotopenstratigraphie/Paläoklimatologie:

Die in den Schalen von Mikrofossilien konservierten Verhältnisse der stabilen Isotope von Sauerstoff, Kohlenstoff oder anderer leichter Elemente geben Auskunft über bestimmte biotische/ abiotische Umweltfaktoren wie z.B. Temperatur, Salinität, biologische Aktivität und/oder das globale Vereisungsvolumen. Da sich durch klimatisch bedingte Vorgänge, z.B. die Verdunstung von Wasser, bestimme Isotopenverhältnisse einstellen, können sie als paläoklimatischer Indikator genutzt werden.

Eine Zeitreihe von Isotopendaten, die aus Mikrofossilien-Proben aufeinander folgender Schichten gewonnen wurden, kann durch Vergleich mit einer globalen Isotopenkurve die zeitliche Einordnung der untersuchten Sedimentgesteinsabfolge liefern.

  • Thermischer Reifegrad von Sedimenten

Die Elemente des Nahrungsapparates der Conodonten zeigen im Inneren eine Wechsellagerung von Skelettphosphat und organischer Substanz. Durch ansteigende Temperaturen während der Diagenese (Sedimentverfestigung) infolge zunehmender Versenkungstiefe oder der Wärmebeanspruchung durch einen nahen magmatischen Körper kommt es zur Inkohlung der organischen Substanz und die ursprünglich cremefarbenen Elemente verfärben sich zunehmend braun und sind bei etwa 300 °C schwarz. Noch höhere Temperaturen führen über verschiedene Graustufen wieder zu einer Aufhellung und bei 700 °C sind die Elemente vollkommen weiß und vielfach durchsichtig. Auf dieser temperaturabhängigen Verfärbung beruht eine siebenstufige Farbskala, der so genannte Conodont Alterations Index (CAI), der ein Maß für die thermische Überprägung und den Grad der Metamorphose des Gesteins ist. Bei hohen CAI-Werten waren in den Sedimenten für einen bestimmten Zeitraum keine Kohlenwasserstoffe stabil, sie können daher keine Speichergesteine für Erdöl sein. Die Verfärbung von Conodonten ist somit ein wichtiger Indikator bei der Prospektion auf Erdöl und Erdgas.

  • Geschiebekunde

Durch die getrennte mikropaläontologische Bearbeitung einzelner Geschiebe (= einzelnes Gesteinsstück) lässt sich das Geschiebe stratigraphisch einordnen und das Liefergebiet bestimmen oder stark einschränken. Zum Teil sind Liefergebiete vertreten, die mittlerweile abgetragen sind und damit „in situ“ nicht mehr existieren.

Quellen

  1. A.H. Müller 1992: 450-451
  2. Br. Grabert 1959

Literatur

  • Armstrong, S. & Brasier, M. (2005): Microfossils. 2. Aufl. - Blackwell Science, 304 S.
  • Grabert, Br.: Phylogenetische Untersuchungen an Gaudryina und Spiroplectinata (Foram.) besonders aus dem nordwestdeutschen Apt und Alb. - Abhandlungen der senckenbergischen naturwissenschaftlichen Gesellschaft, Bd. 498: 1-71, 27 Abb., 3 Taf.; Frankfurt am Main 1959.
  • Müller, A.H.: Lehrbuch der Paläozoologie. Band I. Allgemeine Grundlagen. 5. Aufl.: 1-514, 280 Abb., 19 Tab.; Gustav Fischer, Jena u. Stuttgart 1992, ISBN 3-334-60378-4
  • Wissing, F.-N. & Herrig, E.: Arbeitstechniken in der Mikropaläontologie. Enke Verlag, Stuttgart 1999, 191 S.

Weblinks