Nürnberger Reichswald


Nürnberger Reichswald
Nürnberger Reichswald (Deutschland)
Koordinaten: 49° 29′ 50″ N, 11° 11′ 5″ O
Lage: Bayern, Deutschland
Besonderheit: Wald
Nächste Stadt: Nürnberg
Fläche: 25.000 ha
Gründung: ca. 720
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Der Reichswald um Nürnberg ist ein im Nord- und Südosten Nürnbergs gelegenes Kulturwaldgebiet, das rund 25.000 ha umfasst.

Entsprechend der Teilung der Nürnberger Altstadt durch die Pegnitz in die südliche Lorenzer Altstadt (mit der Lorenzkirche) und die nördliche Sebalder Altstadt (mit der Sebalduskirche), teilt sie auch den Reichswald in den Lorenzer Reichswald südlich der Pegnitz und den Sebalder Reichswald nördlich der Pegnitz. Im Süden kann dem Reichswald ein ca. 10.000 Hektar großes Gebiet zugerechnet werden, das bis zum Rothsee reicht und erst in neuerer Zeit als Südlicher Reichswald bezeichnet wird.

Der Nürnberger Reichswald stand historisch für die Waldbesitztümer der Reichsstadt Nürnberg. Das Gesamtgebiet des Sebalder und des Lorenzer Reichswaldes umfasste Anfang des 19. Jahrhunderts noch rund 32.000 Hektar und ging durch Abholzung und Nutzung als Bauland auf rund 25.000 Hektar zurück.

Fauna und Flora

Der „Steggerlaswald“

Dominierend sind die Nadelhölzer Kiefer und Fichte. Im gesamten Reichswald haben die Nadelhölzer im Durchschnitt einen Anteil von knapp 81 %, wobei der Anteil im südlichen Reichswald mit 89 % höher liegt als im Sebalder und Lorenzer. Auch die durchschnittliche Verbreitung der Kiefer (62 %) gegenüber der Fichte (19 %) wird durch den südlichen Reichswald verzerrt, in dem die Kiefer weit stärker vertreten ist [1]. Der Verbreitung der Kiefer mit den kahlen Stämmen verdankt der Reichswald auch den Beinamen Steggerlaswald.

Ursprünglich gab es dort Kiefern-Birken-Eichen-Mischwälder mit Eiche und Kiefer im ausgeglichenen Verhältnis[2]) und Buchen-Mischwälder. Die heutigen Nadelwälder sind auch das Ergebnis eines Jahrhunderte währenden Nährstoffentzugs durch landwirtschaftliche Nutzung der Nadelstreu als Einstreu und Dünger.[3] Die Aufforstungen förderten in allen Jahrhunderten die schnellwachsenden Kiefern und Fichten und schufen große Monokulturen. Diese begünstigten die Verbreitung von Schädlingen. Nachdem sich in den vorherigen Jahrzehnten schon die Schadensintervalle verkürzt hatten, brachte das 19. Jahrhundert zwei Schädlingskatastrophen durch Kieferneule, Spanner und Spinner.

Mit dem Reichswaldprogramm wurde 1986–2003 durch Neupflanzung von Laubhölzern ein naturnaher Mischwald angestrebt.

Im Reichswald gibt es 20 verschiedene Waldtypen, vom nassen Erlenbruchwald über Eichen-Buchen- und Eichen-Kiefernwälder bis hin zu Flechten-Kiefernwäldern.[4] Neben den vorherrschenden Nadelwäldern gibt es entlang der Waldbäche auch Bruch- und Sumpfwälder, in den aufgelassenen Steinbrüchen haben sich Biotope entwickelt, die Flüsse haben Sandterrassen angeschwemmt, von denen der feine Sand durch Stürme zu Binnendünen in den Wald geweht wurde. Waldweiher, Birkenwälder, Sandmagerrasen, Waldwiesen, Heiden und Hügel ergänzen das Bild einer auf den ersten Blick nicht vermuteten Vielfalt.

Wirtschaftliche Nutzung

Wernloch bei Wendelstein

Die Hauptnutzung war der Holzeinschlag für Brenn- und Bauholz sowie die Entnahme von Laub- und Nadelstreu für das Vieh durch die Bauern. Gerade in Notzeiten wurde beides viel zu intensiv betrieben. Lange Zeit rauchten auch die Meiler der Köhler zur Herstellung von Holzkohle, auf die das Handwerk in früheren Zeiten angewiesen war.

Sehr wichtig war im Mittelalter die Imkerei. Bereits 1296 hatten die Zeidler Sonderrechte im Reichswald.[5] Gemeinden wie Feucht und Röthenbach bei Sankt Wolfgang waren Zeidlergemeinden. Der Nürnberger Reichswald galt als des „Heiligen Römischen Reiches Bienengarten“, also als ertragreicher Bienenwald. Die Nürnberger Lebkuchen wären ohne den Honig aus dem Reichswald gar nicht denkbar gewesen.

Weißensee im Sebalder Reichswald

Das Zeidelrecht war ein Hoheitsrecht im Reichswald.[6] Damit verbunden waren Rechte zur Holz- und Waldnutzung, aber auch die Pflicht zur Waldpflege und zur Abgabe des „Honiggeldes“. Von der ursprünglichen Waldbienenpflege ging man im späten Mittelalter auf die Hausbienenpflege über. Der Mischwald erlaubte zwei Ernten, die Früh- und die Spättracht. Mit dem steigenden Anteil der Nadelbäume (ab dem 14. Jahrhundert) sanken die Erträge. Im 16. Jahrhundert begann der Niedergang des Zeidlerwesens aufgrund des wachsenden Handels mit dem Osten (Wachs und Honig) und der Einfuhr von Rohrzucker aus Westindien.[7]

Im Mittelalter wurde Nürnberg scherzhaft als „Sandbüchse des Reichs“ bezeichnet. In dieser Zeit gab es im Reichswald ungefähr dreißig Steinbrüche zum Abbau von Sandsteinen; Beispiele sind der Schmausenbuck, der Nürnberger Tiergarten sowie der Kornberg und das Wernloch bei Wendelstein. Der rötlich gefärbte, durch Eisen gebundene Burg-Sandstein wurde für den Haus- und Hofbau benutzt. Der besonders harte, helle Quarzit aus den Wendelsteiner Gruben wurde für Mühlsteine, Straßenpflaster und den Bau des Ludwig-Donau-Main-Kanals sowie einiger Nürnberger Stadttürme verwendet; allein 1595 wurden ca. 50.000 Steine nach Nürnberg geliefert.[8]


Neben Sand und Sandstein wurde auch Ton abgebaut. Der sogenannte Tiegelton war von besonderer Qualität und diente insbesondere zur Herstellung von Gussformen für in Nürnberg gefertigte Metallwaren. Daneben wurde natürlich auch Ton für die Herstellung von Ziegeln gewonnen, zuletzt in Kalchreuth.

Waldgeschichte

Mit dem Ende der letzten Eiszeit vor ungefähr 16.000 Jahren wurde die waldfreie Tundra von Bäumen besiedelt und nach 9.000 Jahren hatte sich geschlossener Wald entwickelt[4]: Kiefern-Birken-Eichen-, Buchen- und andere Mischwälder.

Schon im 14. Jahrhundert wurde der Forst durch Entnahme von Holz und Streu übernutzt. 1368 säte Peter Stromer erstmals in Europa planmäßig und im großen Maßstab Kiefern aus. Die Aufforstungen wurden in den folgenden Jahrhunderten wiederholt, trotzdem kam es zu keiner nachhaltigen Nutzung – [9] Sperber nennt eine 200-prozentige Übernutzung. 1385 wurde der Lorenzer und 1465 der Sebalder Reichswald durch eine Bannmeile vor weiterer Ausplünderung geschützt.[9]

Ein Forstbericht von 1799 stufte nur zwei von zehn Forsthutungen des Sebalder Waldes mit 60- bis 70-jährigen Beständen als gut ein. In anderen Hutungen wuchsen nur 20- bis 40-jährige Kiefern und der Ödlandanteil betrug bis zu 50 %.[4]

Die Aufforstungen förderten in allen Jahrhunderten die schnellwachsenden Kiefer- und Fichtenbäume und schufen weite Monokulturen.

Beim Übergang der Provinz Ansbach und der Reichswälder zum Königreich Bayern 1806 konnte nicht mehr von einem geschlossenen Waldgebiet gesprochen werden. Der Wald befand sich aufgrund von Rechtsstreitigkeiten, zu hohen Rotwildbeständen sowie einer massiven Übernutzung in einem beklagenswerten Zustand.

Die Königlich-Bayerische Forstverwaltung nahm großflächige Aufforstungen vor, verwendete jedoch wie in den Jahrhunderten vorher schnellwachsende Kiefer- und Fichtenbäume und schuf dadurch weite Monokulturen. 1836–1840 brachten Kieferneule, Spanner und Spinner einen Verlust auf rund 5000 Hektar, 1894 fielen rund ein Drittel der Bäume den Raupen des Kiefernspanners zum Opfer.

Auch im Ersten und Zweiten Weltkrieg wurde der Wald massiv übernutzt. Zusätzlich gingen große Flächen für militärische Einrichtungen (Munitionslager, Übungsgebiete, Schießplätze) verloren. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich der Wald durch neue Waldbauverfahren sowie Anpflanzung von heimischen Laubbäumen erholen.

Doch für Autobahnbau und Erweiterungen der Siedlungen wurden weitere Waldflächen geopfert. Um dem Flächenverbrauch auch der jüngeren Zeit ein Ende zu bereiten, wurde ein Großteil des Nürnberger Reichswaldes 1980 als erster Wald Bayerns zum Bannwald erklärt.

Mit dem Reichswaldprogramm 1986–2003 wurde versucht, durch Neupflanzung von Laubhölzern den Forst in einen naturnahen Mischwald weiter zu entwickeln. In diesem Zeitraum wurden 20 Millionen Laubbäume auf einer Fläche von 4400 Hektar im Reichswald gepflanzt. Zusammen mit einer ungefähr ebenso großen Fläche, die durch reguläre Ersatzpflanzungen umgebaut wurde, sollte ein Flächenanteil von 20 bis 25 Prozent Mischwald erreicht worden sein.

Im Jahr 2006 wurde fast der gesamte Nürnberger Reichswald als Europäisches Vogelschutzgebiet ausgewiesen.[10]. Dies führte dann auch dazu, das die Planungen einer Umgehungsstraße durch den Buckenhofer Forst im Juni 2012 eingestellt wurden.

Seit den 1970er Jahren trat die ökologische Funktion und die Nutzung als Naherholungsgebiet in den Vordergrund. Der Nürnberger Reichswald ist Teil des im Jahr 2000 begonnenen Projektes Sandachse Franken. Jedes Jahr findet an einem Wochenende im Juli das Reichswaldfest statt.[11]

Politische Geschichte

Karte aus der Beschreibung des Reichswaldes bei Nürnberg von 1853

Um ungefähr 720 wurde der Wald zwischen den Flüssen Rednitz/Regnitz, Schwabach und Schwarzach mit dem fränkischen Königsbann belegt. Im 9. Jahrhundert entstand daraus ein Reichsforst. Alle Rechte standen dem König zu, der sie als Lehen vergab. 1003 wurde der bis dahin bestehende Nordgau aufgespalten, ab 1024 schufen die Kaiser Konrad II. und Heinrich III. ein neues Reichsland oder Reichsdominium, zu dem die Reichswälder beiderseits der Pegnitz gehörten. Als Verwaltungssitz wurde 1040 Nürnberg gegründet. Zur Verwaltung hat sich der Kaiser auf Reichsministerialen (Reichsdienstmannen) gestützt, die in verschiedenen Orten ihre Sitze hatten (z.B. in Feucht). 1138–1254 erlebte das Reichsland seine Blüte.

Mit dem Untergang der Staufer löste sich das Reichsland bzw. Reichsdominium auf. In das Machtvakuum stießen die Burggrafen von Nürnberg und die Freie Reichsstadt Nürnberg. Im Reichswald sicherte sich die Stadt Nürnberg zahlreiche Rechte, doch war die genaue Abgrenzung mit den Burggrafen, insbesondere bei der Gerichtsbarkeit, nicht geregelt. Erst als die Burggrafen mit der Mark Brandenburg belehnt wurden und Geld brauchten, kam es zur Einigung: Die Reichsstadt Nürnberg erwarb 1427 die meisten Rechte, der Burggraf behielt jedoch den hohen Wildbann, das Landgericht und Waldrechte. Daraus leiteten die Burggrafen bzw. Markgrafen von Ansbach-Bayreuth später immer wieder Ansprüche auf den ganzen Reichswald ab.[12]

1792 dankte der letzte Markgraf Karl Alexander ab und verkaufte sein Land dem Königreich Preußen. Der preußische Minister Freiherr von Hardenberg, der in Ansbach seinen Sitz hatte, setzte die jahrhundertelang beanspruchte Landeshoheit über die Reichswälder durch. 1796 besetzten preußische Truppen mit den Reichswäldern einen großen Teil des Nürnberger Umlandes.[13]

Am 6. März 1806 musste Preußen auf französischen Druck die Provinz Ansbach und damit die Reichswälder an das Königreich Bayern abtreten.

Geographie

Der Reichswald liegt überwiegend im Mittelfränkischen Becken. Nur kleine Teile befinden sich im Vorland der Nördlichen bzw. Südlichen Frankenalb.

Zum ursprünglichen Gebiet kam ab ungefähr 2000 der Südliche Reichswald dazu.[14] Nach heutiger Definition besteht der Nürnberger Reichswald aus[15]:

  • Sebalder Reichswald
Vom Fluss Schwabach im Norden bis zur Pegnitz im Süden, vom Knoblauchsland und den Wohngebieten von Erlangen und Nürnberg im Westen bis zur Stadt Lauf im Osten.
  • Lorenzer Reichswald
Von der Pegnitz im Norden bis zur Schwarzach im Süden, von der Rednitz bzw. den Wohngebieten Nürnbergs im Westen bis zur Stadt Altdorf und Gemeinde Leinburg im Osten.
  • Südlicher Reichswald
Von der Schwarzach im Norden bis zum Rothsee im Süden, von der Rednitz bzw. mehreren Gemeinden im Westen bis nach Burgthann und Mimberg im Osten. Darüber hinaus zieht sich die Waldfläche östlich bis in die Oberpfalz hinein.

Literatur

  • Beschreibung des Reichswaldes bei Nürnberg in geschichtlicher und wirthschaftlicher Beziehung. Palm, München 1853 (Digitalisat)
  • Georg Sperber: Die Reichswälder bei Nürnberg – aus der Geschichte des ältesten Kunstforstes. (Mitteilungen aus der Staatsforstverwaltung Bayerns, 37. Heft.) München und Neustadt an der Aisch 1968
  • Autorenkollektiv: Nürnberger Reichswald. ( Naturmagazin HB draußen Nr. 22.) HB-Verlag, Hamburg 1982
  • I. Rabus: Der Nürnberger Reichswald, seine Funktion und seine außerforstlichen Nutzungen. (Nürnberger Wirtschafts- u. Sozialgeographische Arbeiten, Band 22.) Nürnberg 1974.
  • Die Aktuelle Vegetation des Nürnberger Reichswaldes, Dissertation von Gerhard Brunner 2005 (PDF-Datei; 3,11 MB)

Weblinks

Quellen

  1. BRUNNER, S. 182
  2. M. Ott-Eschke: Pollenanalytische Untersuchungen im Gebiet des Nürnberger Reichswaldes. 1952
  3. Sandschätze im Nürnberger Reichswald, S. 12
  4. 4,0 4,1 4,2 http://www.bund-naturschutz-nbg.de/veroeffentlichungen/langwasserweg_a4.pdf
  5. Dr. W. Schwemmer: Alt-Feucht, Feucht 1977, S. 22
  6. Dr. W. Schwemmer: Alt-Feucht, Feucht 1977, S. 25
  7. Dr. W. Schwemmer: Alt-Feucht, Feucht 1977, S. 31
  8. Sandschätze im Nürnberger Reichswald, S. 10
  9. 9,0 9,1 G. Sperber: Die Reichswälder bei Nürnberg. Aus der Geschichte des ältesten Kunstforstes. München 1968
  10. [1],Verordnung des Freistaats Bayern
  11. Reichswaldfest trotzte dem Regen, Artikel in den Nürnberger Nachrichten vom 20. Juli 2009
  12. Dr. W. Schwemmer: Alt-Feucht, Feucht 1977, S. 9
  13. Dr. W. Schwemmer: Alt-Feucht, Feucht 1977, S. 20
  14. Regionaler Planungsverband der Industrieregion Mittelfranken weist den Bannwald „Südlicher Reichswald“ aus (PIM 2000)
  15. http://d-nb.info/979005345/34

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