Okulokutaner Albinismus Typ 4


Der Okulokutane Albinismus Typ 4 (OCA 4) ist eine Form des Albinismus, die zu aufgehellter Haut und Haarfarbe aufgrund einer Mutation des MATP-Gens führt. Weitere Namen des Gens sind: underwhite (uw), dominant brown (Dbr), B/AIM-1-like protein, Aim1, Aim-1, blanc-sale (bls), 1A1 und solute carrier family 45, member 2 (SLC45A2) und membrane associated transporter protein (MATP).[1]

Erscheinungsbild

Albinismus

Pigmentierte Flecken auf der Haut treten sowohl bei der euräischen OCA4-Mutation die zu weißer Hautfarbe führt auf als auch bei einigen anderen Mutationen dieses Genortes auf

An Japanern, die normalerweise helle Haut, schwarze Haare und braune Augen haben, wurde das Erscheinungsbild von OCA4 untersucht. Haarfarbe der betroffenen Menschen variierte je nach Mutation von völlig weiß bis dunkelblond. Die Augenfarbe von Blau bis rötlichbraun. Bei denjenigen Menschen, bei denen die OCA4 am stärksten ausgeprägt war, war keinerlei Melaninproduktion mehr festzustellen, wie das auch bei OCA1A der Fall ist. Entsprechend sind in diesen Fällen auch der Nystagmus (Augenzittern) und die Sehbehinderung mit einem Visus von 10 % ausgeprägt wie bei OCA1A. Daneben kommen auch bei OCA4 Menschen vor, die pigmentierte Flecken in der Haut aufweisen.[2] [3]

Beitrag des Genortes zur normalen Variation der Hautfarbe

Die helle Hautfarbe der Europäer und Asiaten ist auf OCA4-Varianten zurückzuführen

Während bei Schwarzafrikanern Mutationen des OCA4-Locus selten sind, sind sie bei Asiaten recht häufig. Japaner und Bewohner von Neuguinea haben oft das Allel 272K. Deutlich über 90 % der Europäer besitzen dasselbe 374F genannte Allel des Gens, das hier für die blasse Hautfarbe verantwortlich ist. Die Variationen von Haar- und Augenfarbe bei Europäern erklären sich dagegen weitgehend über Mutationen des OCA2-Gens. Während in Afrika eine dunkle Haut erhebliche gesundheitliche Vorteile als Schutz vor Hautkrebs durch UV-Strahlung hat, überwiegt in nördlichen Ländern der Vorteil der hellen Haut, die eine verbesserte Vitamin D-Produktion mit Hilfe der hier schwächeren UV-Strahlung ermöglicht. [4] [5] [6]

Genetik

Der Okulokutane Albinismus Typ 4 (OCA 4) wurde erst 2001 als eine neue Form des OCA beschrieben. Ausgehend von der Beobachtung, dass es bei der Maus durch Mutationen im underwhite Gen bzw. im zur Hypopigmentierung kommt, vermutete man einen Zusammenhang des entsprechenden Gens beim Menschen mit OCA. Das Gen heißt neben MATP auch Slc45a2 (solute carrier family 45, member 2), Aim-1, Aim1, blanc-sale, bls, Dbr und dominant brown.[7] [8]

Beim Menschen befindet sich das Matp-Gen auf Chromosom 5 (5p13.3) und besteht aus 7 Exons und fünf Introns. Seine Transkription wird durch MITF moduliert. Das Gen kodiert ein aus 530 Aminosäuren bestehendes Protein. 2006 waren 18 krankheitsverursachende Mutationen und 8 nicht krankhafte Variationen des Gens bekannt.[9]

Das Protein hat eine Struktur- und Sequenzähnlichkeit mit pflanzlichen Sucrosetransportern.[10]

Physiologie

Die Physiologie von OCA4 wurde an Mäusen mit der Mutation Underwhite (uw) untersucht, bei der es sich um eine Variante von OCA4 bei Mäusen handelt.[11]

Melanozyten von Underwhite-Mäusen haben wesentlich mehr Zellfortsätze als normale Melanozyten und sind auch deutlich größer als diese. Die Melanosomen enthalten nur wenig Melanin, haben eine unregelmäßige Form und ihre Matrixproteine bilden unregelmäßig angeordnete Fasern aus.[11]

Wie das P-Protein, das für den Okulokutanen Albinismus Typ 2 (OCA2) verantwortlich ist, hat MATP 12 Transmembrandomänen. MATP fungiert offensichtlich nur für Melanozytenspezifische Proteine als Transporter und seine Mutationen haben deshalb neben Albinismus keine weiteren negativen Auswirkungen auf die Gesundheit.[11]

Sowohl das P-Protein als auch MATP sind für den Transport von Tyrosinase nötig, doch während bei OCA2 die Tyrosinase aus der Zelle ausgeschieden wird, statt in die Melanosomen transportiert zu werden, wurde bei der Underwhite-Mutation festgestellt, dass es zu früh in die Melanosomen transportiert wird. Die Synthese von Tyrosinase im Endoplasmatischen Retikulum und Golgi-Apparat läuft normal ab. Eine erhebliche Menge an Tyrosinase wird in noch nicht ausgereifte Melanosomen und Vesikel transportiert, die der Ausscheidung dienen, statt in ausgereifte Melanosomen transportiert zu werden, wo es der Melaninsynthese dienen könnte. Neben der Tyrosinase erreicht auch Tyrp1 - und in geringerem Maße Dct - nicht die Melanosomen. [11]

Die Produktion der Tyrosinase läuft bei wildfarbenen Mäusen genauso und nahezu in derselben Menge ab wie bei Mäusen mit der Mutation Underwhite, doch während fast 100 % der produzierten Tyrosinase nach 24 Stunden noch in den Melanozyten der Wildfarbenen Mäuse zu finden ist, bleibt in den Underwhite-Mäusen nur sehr wenig Tyrosinase erhalten.[11]

Häufigkeit

OCA4 tritt bei 5-8 % der deutschen Patienten mit Albinismus auf, ist aber für 18 % der japanischen Albinismusfälle verantwortlich.[12]

OCA4 bei Tieren: MATP-Gen

Palomino, Quarter Horse

Säugetiere

Pferd

Beim Pferd ist kein vollständiger Albinismus bekannt. Das Creme-Gen (Cr) führt zu unvollständigem Albinismus (OCA4), der unter anderem für die Pferdefarben Buckskin, Palomino, Cremello und Perlino verantwortlich ist. Das Cream-Gen wird deshalb als Dilute-Gen geführt.[13]

Maus

Bei der Maus ist MATP für mehrere Mutationen verantwortlich, von denen die meisten die Bezeichnung "underwhite" im Namen tragen da bei den betroffenen Tieren die Unterwolle stärker aufgehellt als das Deckhaar oder weiß ist. Fell, Haut und Augen sind je nach Mutation in unterschiedlichem Maße aufgehellt. Die Augen sind bei der Geburt hell, dunkeln aber im Laufe des Lebens nach.[7] [8]

Vögel: Haushuhn

Bei Hühnern wird der Genort als Silver-Locus bezeichnet und liegt auf dem Geschlechtschromosom, das mit Z bezeichnet wird. Es sind drei Varianten des Gens bekannt: Silver, wild type/gold und sex-linked imperfect albinism.[14]

Fische

Eine orangerote Variante des Japanischen Reiskärpflings (Oryzias latipes), der zu den Reisfischen (Adrianichthyidae) zählt, hat eine Mutation eines Genlocus der bei diesem Fisch als b-Locus bezeichnet wird, das Gen selbst wurde bei seiner Entdeckung AIM1 genannt. Es wurde belegt, dass es sich hierbei um das Oryzias latipes-Homolog des MATP-Gens handelt.[10]

Taufliegen

Bei Taufliegen (Drosophila) heißt das homologe Gen CG4484. Ein Zusammenhang mit der Farbe ist hier nicht bekannt.[15]

Einzelnachweise

  1. NCBI: Slc45a2 solute carrier family 45, member 2 (Mus musculus). GeneID: 22293. Stand: 6. April 2007
  2. Katsuhiko Inagaki, Tamio Suzuki, Hiroshi Shimizu, Norihisa Ishii, Yoshinori Umezawa, Joji Tada, Noriaki Kikuchi, Minoru Takata, Kenji Takamori, Mari Kishibe, Michi Tanaka, Yoshinori Miyamura, Shiro Ito, and Yasushi Tomita: Oculocutaneous Albinism Type 4 Is One of the Most Common Types of Albinism in Japan. Am J Hum Genet. 2004 March; 74(3): 466–471. PMID 14961451
  3. Sengupta M, Chaki M, Arti N, Ray K: SLC45A2 variations in Indian oculocutaneous albinism patients. Mol Vis. 2007 Aug 10;13:1406-11. PMID 17768386
  4. Soejima M, Tachida H, Ishida T, Sano A, Koda Y: Evidence for recent positive selection at the human AIM1 locus in a European population. Mol Biol Evol. 2006 Jan;23(1):179-88. Epub 2005 Sep 14. PMID 16162863
  5. David L. Duffy, Grant W. Montgomery, Wei Chen, Zhen Zhen Zhao, Lien Le, Michael R. James, Nicholas K. Hayward, Nicholas G. Martin und Richard A. Sturm: A Three–Single-Nucleotide Polymorphism Haplotype in Intron 1 of OCA2 Explains Most Human Eye-Color Variation. Am J Hum Genet. 2007 February; 80(2): 241–252. PMID 18252222
  6. Shekar SN, Duffy DL, Frudakis T, Sturm RA, Zhao ZZ, Montgomery GW, Martin NG: Linkage and association analysis of spectrophotometrically quantified hair color in Australian adolescents: the effect of OCA2 and HERC2. J Invest Dermatol. 2008 Dec;128(12):2807-14. Epub 2008 Jun 5. PMID 18528436
  7. 7,0 7,1 Newton JM, Cohen-Barak O, Hagiwara N, Gardner JM, Davisson MT, King RA, Brilliant MH.: Mutations in the human orthologue of the mouse underwhite gene (uw) underlie a new form of oculocutaneous albinism, OCA4. Am J Hum Genet. 2001 Nov;69(5):981-8. Epub 2001 Sep 26. PMID 11574907
  8. 8,0 8,1 Mouse Genome Informatics: Slc45a2 Gene Detail. Abgerufen: 21:10, 20. Jun. 2009 (CEST)
  9. Li HY, Duan HL, Zheng H: A new form of Oculocutaneous albinism, OCA4. Yi Chuan. 2006 Sep;28(9):1149-52. PMID 16963427
  10. 10,0 10,1 Fukamachi S, Shimada A, Shima A: Mutations in the gene encoding B, a novel transporter protein, reduce melanin content in medaka. Nature Genetics Volume 28, Issue 4, 2001, Pages 381-385. PMID 11479596
  11. 11,0 11,1 11,2 11,3 11,4 Costin GE, Valencia JC, Vieira WD, Lamoreux ML, Hearing VJ: Tyrosinase processing and intracellular trafficking is disrupted in mouse primary melanocytes carrying the underwhite (uw) mutation. A model for oculocutaneous albinism (OCA) type 4. J Cell Sci. 2003 Aug 1;116(Pt 15):3203-12. PMID 12829739
  12. Grønskov K, Ek J, Brondum-Nielsen K.: Oculocutaneous albinism. Orphanet J Rare Dis. 2007 Nov 2;2:43. Review. PMID 17980020
  13. Denis Mariat, Sead Taourit, Gérard Guérin: A mutation in the MATP gene causes the cream coat colour in the horse. Genet. Sel. Evol. 35 (2003) S.119–133 PMID 12605854
  14. Ulrika Gunnarsson, Anders R. Hellström, Michele Tixier-Boichard, Francis Minvielle, Bertrand Bed'hom, Shin'ichi Ito, Per Jensen, Annemieke Rattink, Addie Vereijken, and Leif Andersson: Mutations in SLC45A2 Cause Plumage Color Variation in Chicken and Japanese Quail. Genetics. 2007 February; 175(2): 867–877. PMID 17151254
  15. Shoji Fukamachi et al: Gene encoding b protein. Application number: 10/168,017, Publication number: US 2003/0175962 A1, Filing date: 18 Jun 2002