Pilzanbau


Verschiedene asiatische Speisepilze, die teilweise auch in Europa angebaut werden. Von links im Uhrzeigersinn: Enoki (Samtfußrübling), Buna-shimeji und Bunapī-shimeji (Buchenraslinge), Eryngi (Kräuterseitling) und Shiitake (Pasaniapilz)

Der Pilzanbau ist eine Fachsparte des Gartenbaus. Sie beschäftigt sich mit der Vermehrung, Kultivierung, Ernte und Vermarktung von Speisepilzen, sogenannten „Kulturpilzen“ (für deren Aufzucht keine Wurzelsymbiose nötig ist) und Pilzkulturen. Im Vordergrund des europäischen Speisepilzanbaus steht dabei die Kultur des Champignons. Pilzanbau wird zuweilen auch nichtkommerziell im Hobbygartenbau betrieben.

Unter einer Pilzkultur versteht man im Allgemeinen die Anzüchtung von Pilzen in einem Kulturmedium zum Zwecke der Vermehrung. In der mikrobiologischen Laboratoriumspraxis nennt man Pilzkultur das Heranzüchten von Pilzen nach einem Abstrich auf einem Nährboden oder in einer Nährlösung, um gegebenenfalls Krankheitserreger zu bestimmen.

Eine Spezialform des Pilzanbaus ist die Anzucht von Mykorrhizapilzen. Diese können, bei gleichzeitiger Reduktion von Düngergaben oder Bewässerung, landwirtschaftliche Erträge[1] steigern oder die Widerstandskraft der Pflanzen erhöhen[2].

Geschichtlicher Hintergrund

Champignons

Der Pilzanbau geht auf den gezielten Anbau von Champignons am Hof Ludwigs des XIV. in der Mitte des 17. Jahrhunderts zurück. Man kultivierte Feld- und Wiesenchampignons, die am Hof des Königs unter dem Namen Champignon de Paris als Delikatesse galten, in dunklen Gewölben und Kellern. Anfang des 20. Jahrhunderts begann man, Champignons auf breiter Basis in eigenen Produktionsbetrieben und dort in abgedunkelten und klimatisierten Hallen, später in aufgelassenen Bergwerks- oder Luftschutzstollen zu kultivieren. Dies führte dazu, dass der Champignon, früher eine seltene Delikatesse, heute in Europa der bedeutendste Speisepilz ist.

Im Zuge der Globalisierung des Produktionsgartenbaus kamen zu den Champignonarten und anderen, in Europa heimischen und angebauten Pilzen wie beispielsweise der Samthaube, auch asiatische Speisepilze in das Anbausortiment. Bekanntestes Beispiel dafür ist der Shiitake, der in der fernöstlichen Volksheilkunde bereits eine lange Tradition aufweisen kann.

Pilzanbau als Teil des Erwerbsgartenbaus

Pilzproduktion in Deutschland 2008[3]
Speisepilz Anbaumenge in t
Champignon 57.000
Austernseitling 500
Shiitake 500
Kräuterseitling 200
Sonstige 50

Der kommerzielle Anbau von Speisepilzen durch Produktionsbetriebe stellt einen speziellen Teil des Erwerbsgartenbaus dar. Berufsständisch organisiert sind in Deutschland und in der Schweiz zurzeit je 12 größere und kleinere Betriebe. Unter den Pilzanbaubetrieben finden sich auch vermehrt Produktionsbetriebe, die auf biologische Weise arbeiten. Neben einer Vielzahl von speziellen Speisepilzkulturen werden mengenmäßig vor allem Champignons angebaut. An zweiter und dritter Stelle der erzeugten Speisepilzmenge folgen Shiitake und Seitlinge wie Austern- oder Kräuterseitling.

In Deutschland wird der kommerzielle Speisepilzanbau in zwei Bundesländern durch eine Offizialberatung, also eine vom Bundesland finanzierte Beratung, der Gärtner unterstützt. Bundesweit gibt es deshalb dazu zwei Pilzanbauberater. In der Schweiz gibt es seit 2007 in Cernier ein eigenes Zentrum für Pilzkunde,[4] welches verschiedene Aspekte der Mykologie abdeckt, unter anderem auch den Speisepilzanbau und deren Verarbeitung oder gesundheitliche Wirkung.

Laut FAO-Statistik wurden 2005 weltweit fast 3,2 Millionen Tonnen Speisepilze angebaut.[5] Weltweit wichtigstes Anbauland war in diesem Zeitraum China mit 1,41 Millionen Tonnen, gefolgt von den USA 0,38 Millionen Tonnen. Deutschland produzierte im angegeben Jahr nur 65.000 Tonnen Speisepilze und stand auf Platz 11 der Liste der Anbauländer.

Zurzeit werden laufend neue Speisepilze in das Anbausortiment aufgenommen oder für die Anbaueignung im mitteleuropäischen Raum getestet. So beispielsweise auch der Shimeji. Dieser wird in China und Japan in größeren Mengen angebaut und gilt als der meistgegessene Speisepilz in China.

Anbau von Speisepilzen

Kultur von Austernseitlingen

Beim Anbau von Speisepilzen unterscheidet man zwischen der Licht- und Dunkelkultur. Während vor allem asiatische Pilze eher bei mehr oder weniger starkem Licht kultiviert werden, wird der (weiß oder braun gefärbte) Champignon in Dunkelheit kultiviert.

Als Substrat dient ein auf die jeweilige Pilzart abgestimmtes Kultursubstrat. Grundbestandteile können hier beispielsweise Stroh, Sägespäne, Holzschnitzel oder andere organische Grundbestandteile sein, die unter Umständen auch geschmacksbeeinflussend sind. Durch mehrere Tage andauernde Bewässerung werden primäre Zersetzungsprozesse aktiviert und der mikrobielle Aufschluss des Substrates gefördert. Danach schließt sich ein Pasteurisierungsprozess an, der das mikrobiologisch aufgeschlossene und homogenisierte Substrat desinfiziert. Somit wird eine Besiedlung des Substrates mit unerwünschten Fremdorganismen vermieden.

Champignonkultur auf Substrat

Das fertige Substrat wird nun unter sterilen Bedingungen mit dem Pilzmycel beimpft. Beim Champignon kultiviert man das Mycel vorab auf Weizenkörner und fügt die vom Mycel durchwachsene Masse als so genannte Champignonbrut hinzu. Je nach Pilzart dauert das Durchwachsen des Substrates und die anschließende Fruchtifizierungsphase unterschiedlich lange. Champignonmycel durchwächst in circa 15 Tagen das Substrat, nach circa 3 Wochen können die ersten Pilze geerntet werden. Das Mycel des Shiitake braucht dafür 15 bis 20 Wochen und dann nochmal bis zu einer Woche, bis erntefähige Pilze vorhanden sind. Während des Mycelwachstums und der Fruchtifizierungsphase müssen spezielle klimatische Bedingungen eingehalten werden. Klimaparameter wie Temperatur, relative Luftfeuchte, CO2-Gehalt oder Lichtmenge werden in den Wachstumsräumen mit Klimacomputer genauestens eingehalten und gesteuert. Mit Hilfe der Klimasteuerung kann der Anbauer sicherstellen, dass zu bestimmten Ernteterminen eine gewisse Anzahl von erntbaren Pilzen vorhanden ist. Die Pilze werden in der Regel von Hand geerntet. Die Ernte selbst erstreckt sich oft über mehrere, voneinander getrennte Zeiträume.

Berufsständische Vertretungen

Den Berufsstand der Speisepilzerzeuger für den Erwerbsanbau vertreten nationale Verbände, die auf europäischer Ebene zusammenarbeiten. In Deutschland ist dies der Bund Deutscher Champignon- und Kulturpilzanbauer e.V. (BDC). Hervorgegangen ist der Berufsverband, der auch Mitglied im Zentralverband Deutscher Gartenbau ist, aus den deutschen Champignonzüchtern, die sich 1948 zu einem eigenen Verband zusammenschlossen. Die Interessen der Schweizer Speisepilzanbauer vertritt der Verband Schweizer Pilzproduzenten e.V. (VSP), der sich bereits 1938 gründete.

Auf europäischer Ebene fungiert die Groupement Européen des Producteurs de Champignons (GEPC) als berufsständische Vertretung. Sie vertritt beispielsweise auch die übergeordneten Belange des BDC.

Pilzzucht als Hobby

Die Pilzzucht für den privaten Gebrauch kann in zwei unterschiedlichen Stufen betrieben werden. Indem entweder vorgefertigtes Myzel von Fachbetrieben gekauft und Substrat (frische Laubholz-Stammstücke oder Strohballen) beimpft wird, wobei auch schon fertig beimpfte Substratblöcke käuflich zu erwerben sind oder es wird der komplette Zyklus von der Spore bis zum Pilz abgearbeitet. Die letztere Methode ist wesentlich aufwendiger und benötigt zudem ein, wenn auch kleines, Labor bzw. einen eigenen sauber und weitgehend steril gehaltenen Raum. Zum Unterschied von auf Pilzanbau spezialisierten Betrieben werden nicht ganze Strohballen verwendet, sondern nur Teile davon. Wird nämlich ein ganzer Strohballen gewässert oder eingeweicht, so ist er aufgrund des Nassgewichts kaum manuell handhabbar. Die gewässerten Strohballen werden ohne vorherige Pasteurisierung direkt beimpft.

Motivationen für die private Pilzzucht sind

  • die zu bewältigenden Herausforderungen auf unterschiedlichen Gebieten;
  • Frische und Geschmack, etwa der Geschmack eines vollausgereiften aufgeschirmten Champignons, der so im Handel gar nicht angeboten wird oder von Schopftintlingen, die frisch im Handel nicht zu finden sind, da sie bei Lagerung zerfließen würden;
  • Futter für die Zucht von Käfern;
  • ungewöhnliche Formen und Farben zu entdecken wie bei Schleimpilzen oder Leuchtpilzen;
  • eine Methode zu finden einen neuen Pilz zu kultivieren;
  • ein möglicher medizinischer oder berauschender Nutzen (siehe dazu Halluzinogene Pilze und Psychoaktive Pilze).

Sortiment Speisepilze im deutschsprachigen Raum

(Sortierreihenfolge: lateinischer Name)

Eine Vielzahl weiterer Pilzgattungen und -arten wird derzeit auf ihre Anbaueignung getestet.[6]

Einzelnachweise

  1. Mykorrhiza: Das Geheimnis schöner Pflanzen
  2. Mykorrhiza-Tutorial des Instituts für Pflanzenbiochemie Halle
  3. Quelle: Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, BDC
  4. Mycorama, Schweiz
  5. zitiert nach: Reinhard Lieberei, Christoph Reisdorff: Nutzpflanzenkunde.7. Auflage Stuttgart, 2007.
  6. Speisepilze in der Testphase

Literatur

  • Bund Deutscher Champignon- und Kulturpilzanbauer (BDC) e.V. (Hrsg.): Der Champignon - Fachzeitschrift für den Speisepilzanbau. Eigenverlag, Bonn.
  • Wernhard Einar Schmidt: Anbau von Speisepilzen: Kulturverfahren für den Haupt- und Nebenerwerb. Ulmer Verlag, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-8001-4628-4.
  • Jan Lelley: Pilzanbau - Biotechnologie der Kulturspeisepilze. Handbuch des Erwerbsgärtners. 2. Auflage, Ulmer Verlag, Stuttgart 1991, ISBN 978-3-8001-5131-8.
  • Reonhard Lieberei, Christoph Reisdorff: Nutzpflanzenkunde. 7. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-13-530-407-6.
  • Jolanda Englbrecht: Pilzanbau in Haus und Garten. 4. Auflage, Ulmer Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-8001-4636-9.

Weblinks

Commons: Fungi – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikibooks: Pilzzucht – Lern- und Lehrmaterialien