Reflexkettentheorie
Reflexketten wurden in der Zeit um 1900 vielfach als Ursache für komplizierte Bewegungsabfolgen angesehen. Die Vertreter der Reflexkettentheorie (sie selbst nannten ihr Konzept zur Deutung von Verhalten auch Reflexologie) vertraten die Ansicht, dass ein bestimmter Reiz eine Erregung von bestimmten Nervenzellen auslöst, die über eine festgelegte Bahn (Reflexbogen) geleitet wird und schließlich eine bestimmte Bewegung auslöst. Diese Bewegung wurde als Reiz für das Auslösen des nächsten Reflexes gedeutet.
Synonym: Kettenreflexe
Der bekannteste Vertreter der Reflexkettentheorie war Wladimir Bechterew, der in den 1920er-Jahren aufgrund seiner Studien über die männlichen Sexualreflexe in Fachkreisen großes Ansehen genoss. Er unterschied primäre (ererbte) und höhere (assoziierte) Reflexe. Diese höheren Reflexe werden heute, in Anlehnung an den Sprachgebrauch von Iwan Petrowitsch Pawlow, als bedingte Reflexe bezeichnet. Auch der britische Neurophysiologe Charles Scott Sherrington war ein prononcierter Verfechter der „Reflexologie“.
Gegen die Reflexkettentheorie wandten sich vor allem die Vertreter der klassischen vergleichenden Verhaltensforschung. Deren Instinkttheorie brachte (durchaus als Ergänzung zu den relativ starren, stets gleichartig anmutenden – reflexartigen – Bewegungsabfolgen) zusätzlich u.a. spontane innere Zustandsänderungen (Handlungsbereitschaften) ins Spiel. Vorreiter in Deutschland war hier vor allem Erich von Holst.
Literatur
- Wladimir Bechterew: Die kollektive Reflexologie. 1928: Halle