Regenwürmer


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Regenwürmer

Ein Tauwurm (Lumbricus terrestris) beim Verlassen seiner Wohnröhre (Abends – 20 Uhr)

Systematik
ohne Rang: Urmünder (Protostomia)
Überstamm: Lophotrochozoen (Lophotrochozoa)
Stamm: Ringelwürmer (Annelida)
Klasse: Gürtelwürmer (Clitellata)
Ordnung: Wenigborster (Oligochaeta)
Familie: Regenwürmer
Wissenschaftlicher Name
Lumbricidae
Gattungen
  • Allolobophora
  • Dendrobaena
  • Eisenia
  • Eiseniella
  • Lumbricus
  • Octolasium
Ein Regenwurm im humosen Oberboden im östlichsten Teil von Slawonien

Die Regenwürmer (Lumbricidae) sind im Erdboden lebende, gegliederte Würmer aus der Ordnung der Wenigborster (Oligochaeta). Sie gehören innerhalb des Stammes der Ringelwürmer (Annelida) zur Klasse der Gürtelwürmer (Clitellata). In der Schweiz leben derzeit etwa 40,[1] in Österreich 62,[2] in Deutschland 39, in Europa etwa 400 und weltweit etwa 3000 Regenwurmarten.[3] Nicht alle der in Europa lebenden Arten sind ursprünglich dort heimisch. Ihre durchschnittliche Lebenszeit liegt zwischen 3 und 8 Jahren. Der 9 bis 30 Zentimeter lange Tauwurm oder Gemeine Regenwurm (Lumbricus terrestris) ist neben dem 6 bis 13 Zentimeter langen Kompostwurm (Eisenia fetida) wohl die bekannteste einheimische Annelidenart.

Name

Die Herkunft der Bezeichnung „Regenwurm“ ist umstritten. Einer Ansicht zufolge soll er auf den althochdeutschen Begriff „Regnwurm“ zurückgehen, der sich auf das Verhalten der Würmer beziehe, bei starken Regenfällen die unterirdischen Wohnröhren rasch zu verlassen, um auf der Erdoberfläche dem Wasseranstieg im Oberboden zu entkommen. Nach anderer Ansicht rührt der deutsche Name von ihrer steten unterirdischen Aktivität her; noch im 16. Jahrhundert soll es die Bezeichnung „reger Wurm“ gegeben haben. Treffender, weil auf den eigentlichen Aufenthaltsort des Wurms bezogen, ist die englische Bezeichnung „Earthworm“ und der französische Begriff „Ver de Terre“.

Weshalb die Regenwürmer bei Regen ihre Wohnröhren verlassen, ist noch nicht vollständig geklärt. Oftmals wird angenommen, dass die Regenwürmer nicht an die Erdoberfläche kriechen, weil sie angeblich das feuchte Milieu der Niederschläge lieben, sondern weil sie bei Regen, insbesondere bei langanhaltenden Regenperioden, in ihren Gängen im Erdboden ersticken würden, da der im Wasser gelöste Sauerstoff nicht ausreicht, um den Wurm über die Hautatmung mit genügend Sauerstoff zu versehen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigten jedoch, dass selbst unter anaeroben Bedingungen unter Wasser gehaltene Regenwürmer erst nach 35 Stunden langsam zugrunde gehen. Wie sich weiter herausstellte, schalten die Würmer unter diesen extremen Bedingungen auf einen glykolytischen Stoffwechsel ohne Sauerstoffverbrauch um (Milchsäuregärung). Im Uferbereich von unverbauten Gewässern findet man stellenweise Regenwurmarten, die im Oberboden auch eine temporäre Überflutung durchaus tolerieren und unbeschadet überstehen.

Eine Studie der Carlton Universität im kanadischen Ottawa legt hingegen nahe, dass Regenwürmer aus Angst vor Maulwürfen an die Oberfläche kriechen: Das Geräusch des Regens ähnle dem Grabegeräusch der Maulwürfe. Dazu beschallten die Forscher Waldboden mit Tieftonschwingungen von 500 Hz und weniger, was den Frequenzen eines grabenden Maulwurfs entspreche. Diese Beschallung habe zahlreiche Würmer aus der Erde getrieben. Nasse Erde habe hingegen keine Auswirkung gezeigt.[4]

Körperbau

Segmentierung

Borsten vergrößert durch ein Mikroskop

Der Körper des Regenwurms besteht aus zahlreichen zylindrischen Gliedern (Segmenten), welche außen an ihren Seiten die kaum aus der Haut hervorragenden Borsten tragen. Die Borsten, von denen Regenwürmer pro Segment vier Paar besitzen, bestehen aus Chitin und Proteinen und können mit Hilfe besonderer Muskeln bewegt werden. Die Anzahl der Segmente nimmt mit dem Alter des Wurms zu. Eine spezielle Wachstumszone in der Nähe des Hinterendes produziert neue Glieder. Ausgewachsene Exemplare erreichen um die 160 Segmente.

Hautmuskelschlauch

Nach außen hin ist der gesamte Körper des Wurms und damit auch jedes seiner Segmente durch einen Hautmuskelschlauch abgegrenzt. Auf eine einschichtige Epidermis, die einige Drüsen- und Sinneszellen enthält und nach außen von einer kollagenhaltigen Cuticula umgeben ist, folgt eine Ringmuskelschicht. An diese schließt wiederum nach innen die dicke Längsmuskelschicht an. Die meisten Arten besitzen Hautpigmente. So sind zum Beispiel viele Lumbricus-Arten mehr oder weniger rot gefärbt. Alle Allolobophora-Arten besitzen dagegen mehr dunkle Pigmente, die die Hautoberfläche eher hellgrau oder grau-schwarz erscheinen lassen.

Verdauungsorgane

Eine Art Oberlippe, auch Kopflappen (Prostomium) genannt, überwölbt am Kopfende den Mund. Die Mundöffnung führt in den Darm, der den Regenwurm von vorne bis hinten vollständig durchzieht. Der Darm beginnt mit dem muskulösen Pharynx, auf den die Speiseröhre (Oesophagus) mit ihren Kalksäckchen sowie ein muskulöser Kropf und Muskelmagen folgen. Hier wird (ähnlich wie bei Hühnern) die pflanzliche Nahrung durch mitaufgenommene kleine Steinchen (hier: Sandkörner) gleichmäßig zerrieben. Es folgt der lange Mitteldarm, der auf der Rückenseite in seiner gesamten Länge eine Einstülpung (Typhlosolis) aufweist, die die innere Darmoberfläche vergrößern hilft. Am Hinterende des Wurms befindet sich der After. Mit Hilfe kalziumhaltiger Abscheidungen neutralisieren die Würmer alle aufgenommenen säurehaltigen Bodeninhaltsstoffe und sorgen so auf natürliche Weise für eine Bodenverbesserung.

Coelom

Zwischen den inneren Organen und dem Hautmuskelschlauch liegt in jedem Segment rechts und links ein mit Flüssigkeit ausgefüllter und von einer elastischen zarten Haut umgebener Hohlraum, die sekundäre Leibeshöhle (Coelom). Die abgrenzenden Quer- und Längswände in den Segmenten werden als Dissepimente bzw. Mesenterien bezeichnet. Die eingeschlossene Flüssigkeit wirkt für den wirbellosen Organismus gewissermaßen als hydrostatisches Skelett. Im Zusammenwirken (Interaktion) mit dem Hautmuskelschlauch unterstützt es den Wurm sowohl beim Bohren im Boden als auch bei der Fortbewegung allgemein, z. B. Kriechen an der Bodenoberfläche oder in der Wohnröhre.

Ausscheidungsorgane

Die Ausscheidungsorgane beginnen hinten in jedem Coelomsäckchen der Segmente (mit Ausnahme der ersten drei Glieder und des letzten Segments) links und rechts vom Darm mit je einem Wimpertrichter der sogenannten Nephridien. Diese gehen im nächsten Coelomsäckchen in einen langen, in Schleifen gewundenen, von Blutgefäßen umsponnenen Exkretionskanal über, der sich im Endabschnitt zu einer Harnblase erweitert. Der Wimpertrichter saugt Coelomflüssigkeit an, deren größter Teil im Exkretionskanal ins Blut transportiert wird (bis auf die Abfallstoffe). Die Adern dienen gleichzeitig der Versorgung des Ausscheidungsorgans mit Sauerstoff und Nährstoffen. Diese Versorgung der Zellen ist nötig, weil an den Schleifen des Nephridiums aktive Transportvorgänge zur Ausscheidung von Harnsäure, Harnstoff, Ammonium und Salzen sowie zur Resorption von Wasser, Ionen und organischen Verbindungen ablaufen.

Fortpflanzungsorgane

Regenwürmer besitzen als Zwitter sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsorgane und diese zudem jeweils beidseitig. Sie beginnen mit zwei Paar Hoden vorn im Coelom des 10. und 11. Segmentes, eingepackt in die sogenannten Samenkapseln. Die Samenkapsel des 10. Segments weist zwei paarige Ausstülpungen der Dissepimente in vordere und hintere Längsrichtung auf, die Samentaschen. Die Samentasche des 11. Segments ragt in das 12. Segment hinein. Die gereiften Spermien aus diesen drei Paar Samentaschen wandern in die Samenkapseln zurück. Hier beginnen die Spermienleiter jeweils mit einem Wimperntrichter (einer Öffnung mit einem Saum von Zilien, die in Richtung des Inneren schlagen), vereinigen sich beiderseits und münden im 15. Segment in zwei erkennbaren Öffnungen (männlicher Porus) nach außen. Im 13. Segment liegen entsprechend die weiblichen Organe (Eierstöcke und Eileiteröffnungen). Die Eileiter münden aber schon im 14. Segment nach außen. Hinzu kommen noch zwei Paar Samentaschen (Receptacula seminis) im 9. bis 10. Segment zur Aufnahme von Spermien bei der Paarung.

Nervensystem

Datei:Regenwurm Kopf.jpg
Längsschnitt durch das Vorderende
bm = Bauchmark
d = Darmlumen mit Nahrungspartikeln
ep = Epithel
lm = Längsmuskulatur
m = Mundöffnung
osg = oberes Schlundganglion
rm = Ringmuskel
usg = unteres Schlundganglion

Das Nervensystem ist hoch entwickelt. Es ist in das Gehirn oder Oberschlundganglion, das Bauchmark und die Segmentalnerven untergliedert. Das aus zwei miteinander verwachsenen Cerebralganglien bestehende Gehirn liegt im dritten Segment kurz vor dem Beginn des Pharynx dorsal dem Darm auf. Von ihm ziehen zahlreiche Nerven nach vorn in Richtung Prostomium. Schlundkonnektive verbinden das Oberschlundganglion auf beiden Seiten des Vorderdarms mit dem zu Beginn des vierten Segments ventral vom Darm gelegenen Unterschlundganglion (siehe nebenstehende Abbildung). Es folgt der Hauptstrang des Nervensystems, der auf der Bauchseite den Wurm vom vierten Kopfsegment bis zum Schwanzsegment durchzieht. Er wird daher als Bauchmark bezeichnet. In einem Frontalschnitt durch das Bauchmark erkennt man, dass es sich evolutionär vom Strickleiternervensystem ableitet. Die ursprüngliche Organisation des Strickleiternervensystems besteht aus paarigen, längs zur Körperachse verlaufenden Konnektiven, die durch quer zur Körperachse angeordnete Kommissuren miteinander verbunden sind. Konnektive und Kommissuren sind durch Nervenknoten (Ganglien), die überwiegend aus den Zellkörpern der Nervenzellen bestehen, miteinander verbunden. Beim Regenwurm sind diese Elemente alle in einem median verlaufenden (unpaaren) Nervenstrang vereint. In azangefärbten histologischen Präparaten kann man die beiden Faseranteile (Kommissuren und Konnektive) sowie die Nervenknoten auf geeigneten Schnitten gut differenzieren. Pro Segment zweigen vom Bauchmark je drei Paar Segmentalnerven ab. Das vordere Paar liegt im kranialen (kopfwärts orientierten) Abschnitt eines Segments; das mittlere und das hintere Paar liegen meist eng benachbart im caudalen (schwanzwärts orientierten) Bereich eines Segments. Diese typische Anordnung erlaubt in den allermeisten Fällen, ein histologisches Präparat nach kopfwärts/schwanzwärts zu orientieren. Nach ihrer Abzweigung vom Bauchmark verlaufen die Segmentalnerven zunächst durch die sekundäre Leibeshöhle des Regenwurms (Coelom) und treten dann in den Hautmuskelschlauch ein, wo sie sich in einen ventralen und einen dorsalen Ast auftrennen. In ihrem weiteren Verlauf zwischen Ring- und Längsmuskulatur zweigen fortwährend feine Fasern ab und innervieren die Muskelzellen sowie die Zellen der Epidermis. Die Innervation der Dissepimente, also der muskulösen Scheidewände zwischen den Segmenten, erfolgt durch die sogenannten Septalnerven, die in den Achseln der vorderen Segmentalnerven vom Bauchmark abzweigen. Das Darmnervensystem des Regenwurms, das man auch stomodaeales System nennt, wurde erst relativ spät entdeckt. Augen fehlen zwar, doch ist der Regenwurm vor allem am Vorder- und Hinterende lichtempfindlich. In der Epidermis finden sich einzelne Sehzellen. Somit ist der Regenwurm zumindest in der Lage, hell und dunkel zu unterscheiden.[5] Der Regenwurm reagiert auch auf Erschütterungen des Bodens.

Blutgefäßsystem

Besondere Atmungsorgane besitzt der Regenwurm nicht, aber ein vielfach verzweigtes, geschlossenes Blutgefäßsystem, das den über die Haut aufgenommenen Sauerstoff und die aus dem Darm aufgenommenen Nährstoffe im ganzen Körper verteilt. Es besteht aus einem Rückengefäß, das das Blut von hinten nach vorn treibt, und einem Bauchgefäß. In den Segmenten sieben bis elf werden die beiden Hauptblutgefäße durch muskulöse und stark kontraktile Schlingen, die so genannten Lateralherzen (zwei pro Segment), miteinander verbunden. In den übrigen Segmenten gibt es keine direkte Verbindung mehr zwischen dem Rücken- und dem Bauchgefäß. Das Blut selbst ist durch den roten Blutfarbstoff Hämoglobin, der im Blutplasma gelöst ist, rot gefärbt. Es enthält auch farblose Blutkörperchen, die Amoebocyten, die jedoch meistens den Gefäßwänden anliegen. Das Hämoglobin des Regenwurms besteht nicht wie das des Menschen aus nur 4, sondern aus 24 Untereinheiten. Entsprechend hoch ist die Molare Masse von 3.840.000 g·mol−1.

Lebensweise

Ernährung

Teilweise in den Boden gezogene Blätter (rechts) und Ausscheidungen (linke Bildmitte) von Regenwürmern.

Die nachtaktiven Regenwürmer sind überwiegend Substrat- und Pflanzenfresser, das heißt, sie füllen ihren Darm mit humusreicher Erde und vermodertem Pflanzenmaterial. Sie ziehen nachts beispielsweise Keimlinge und Blätter in die Erde, um sie dort verrotten zu lassen und später als Nahrung zu verwerten. Um die Blätter festzuhalten, können Regenwürmer ihr Vorderende knopfartig aufblähen, so dass ihr Mund wie von einer Saugscheibe umgeben ist. Diese wird an das Blatt oder den Blattstiel gepresst, und mit Hilfe des muskulösen Pharynx saugt sich der Wurm so sehr fest, dass er in der Lage ist, das angesaugte Blatt rückwärts kriechend in seine Wohnröhre zu ziehen. Sekrete aus den Pharynxdrüsen fördern den Zersetzungsprozess. Die aufgenommene Nahrung wird anschließend mit Hilfe des Muskelmagens zerrieben und im Mitteldarm verdaut.

Ständig fressen sich die Regenwürmer kreuz und quer durch die Bodenschichten ihres Lebensbereiches. Die dabei aufgenommene Erde enthält Detritus-Bestandteile, Bakterien, Pilzsporen und zahlreiche Einzeller, die verdaut und als Nahrung genutzt werden können. Manche Arten verzehren auch Aas. Durch die Beschaffenheit der Erde, die der Regenwurm erzeugt, wenn er die mitgefressenen Bodenbestandteile wieder ausgeschieden hat, werden die für den Boden nützlichen Mikroorganismen gefördert und die bodenfeindlichen eingedämmt, z. T. sogar vernichtet.

Fortbewegung und Graben

Mit Hilfe seiner Borsten und der Ring- und Längsmuskulatur ist der Regenwurm in der Lage, sich sowohl vorwärts als auch rückwärts kriechend zu bewegen. Sind beispielsweise beim Kriechen die Borsten schräg nach hinten gerichtet, bewirkt das Zusammenziehen der Ringmuskeln des Vorderendes, dass dieses dünner und länger wird. Dabei verankern die Borsten die hinteren Segmente im Boden, während der vordere Teil über den Boden gleitend sich nach vorne schiebt. Nun folgt eine von vorn nach hinten verlaufende Kontraktion der Längsmuskeln, wodurch die Segmente wieder dicker und kürzer werden, was den Wurmkörper nach vorne zieht (peristaltische Bewegung). Berührungs- und Lichtreize können Regenwürmer auch zu sehr raschen Muskelkontraktionen im Sinne einer Fluchtreaktion veranlassen. Beim Eindringen in den Oberboden sowie beim Bau neuer unterirdischer Wohnröhren wird das verdünnte Vorderende als Bohrinstrument benutzt. Zum Überwinden des Bodenwiderstandes dient der stabile hydrostatische Druck der Leibeshöhlenflüssigkeit.

Fortpflanzung

Foto zweier aneinandergehefteter, kopulierender Regenwürmer
Kopulation – das Clitellum ist bei beiden Würmern gut sichtbar
Kokons von Lumbricus terrestris

Die Geschlechtsreife, die mit ein bis zwei Jahren eintritt, zeigt sich durch die Ausbildung des sogenannten Gürtels (Clitellum), einer gelblichen sattelförmigen drüsenreichen Verdickung vom 27. bis 35. Segment. (Die Seitenränder des Clitellums treten als sogenannte Pubertätsleisten besonders hervor.) Regenwürmer sind Zwitter und befruchten sich wechselseitig. Große Drüsen des Gürtels scheiden bei der Begattung ein Sekret aus, mit dem sich jeder Wurm an der Bauchseite des 10. Segmentes des anderen Partners gegenläufig anheftet. Dann scheidet jeder Wurm aus den beiden Spermienleitern eine deutlich sichtbare Spermienportion aus, die er durch Hautbewegungen längs zweier Samenrinnen in Richtung seines Gürtels zu den dort befindlichen Samentaschen (Receptacula seminis) des Partners transportiert. Die dort gespeicherten fremden Spermien dienen ein paar Tage später zur Befruchtung der eigenen Eizellen. (Bei einigen Regenwurmarten wurde hin und wieder auch Selbstbefruchtung beobachtet.) Die Eier werden (wie auch bei den Blutegeln) in Kokons abgelegt. Ein Clitellum-Sekret dient zur Bildung der Hülle dieses Ei-Kokons, ein zweites füllt es mit einer Eiweißschicht. Dann zieht sich der Wurm rückwärts aus dem Kokonring, in den dabei aus den Eileitermündungen je nach Art ein oder mehrere Eier und aus den Samentaschen Spermien abgegeben werden. Die Embryonen ernähren sich von dem Eiweiß, von dem sie umgeben sind, und machen im Ei nach einer kurzen Trochophora-Phase die Metamorphose zum zunächst durchsichtigen Wurm durch. Die Entwicklungsdauer der Jungwürmer kann je nach Art und Umgebungstemperatur sehr verschieden sein. So schlüpft der Kompostwurm (Eisenia fetida) in seiner relativ warmen Umgebung bereits nach 16 bis 20 Tagen, dagegen benötigt Lumbricus terrestris bei einer mittleren Bodentemperatur von etwa 12 °C bis zu 135 Tage.

Lebensraum

Die Regenwürmer lassen sich in drei Gruppen einteilen:

  • Epigäische Arten wohnen knapp unterhalb der Bodenoberfläche im organisch angereicherten Horizont oberhalb des Mineralbodens. Sie leben vorwiegend von Tierauscheidungen und abgestorbenem Pflanzenmaterial. Aufgrund des notwendigen UV-Schutzes sind sie dunkel gefärbt.
  • Anektische Formen sind vertikalgrabend und suchen auch tiefere Bodenschichten (> 2 m) auf. Diese Arten fördern die Durchmischung der Mineralerde mit dem Humus.
  • Endogäische Vertreter der Regenwürmer leben im oberen Bereich des Mineralbodens. Sie sind durchscheinend bleich gefärbt, da sie selten an die Oberfläche kommen.

Überleben im Winter

Die Wintermonate (Dezember bis Februar) verbringen Regenwürmer in Mitteleuropa in 40 bis 80 cm Bodentiefe in einer Art Kältestarre. Häufig finden sich unter wärmespeichernden Bodenstrukturen wie Baumstümpfen, Steinen oder Komposthaufen ganze Kolonien zusammengerollter Würmer. Unter hohen und dicht geschlossenen Schneedecken ist der Boden gegen Kälte geschützt und meist nicht gefroren. Stellenweise kann man hier Regenwürmer beobachten, die selbst im Winter im Bereich des Oberbodens aktiv sind. Noch ist unbekannt, inwieweit und wie lange die Tiere Kältegrade überstehen können. Mittelfristig droht den im Winter aktiven Würmern die Gefahr auszutrocknen, da eine Durchfeuchtung des Bodens aufgrund der gefrorenen Schneedecke bzw. Bodenoberfläche nicht stattfindet. Manche Arten können während der Winterruhe ca. 80 % ihres ursprünglichen Gewichts einbüßen, bevor sie sterben. Lumbricus terrestris zum Beispiel vollzieht in den relativ milden Gegenden Südwestdeutschlands (Oberrheingraben) keine richtige Winterruhe. Er erscheint in feuchten, frostfreien Nächten stets an der Bodenoberfläche, um Nahrung aufzunehmen. Die im Herbst abgelegten Kokons der geschlechtsreifen Regenwürmer entwickeln sich im frostfreien Boden über den Winter hinweg weiter. Im Frühjahr schlüpfen die Jungwürmer nach Eintritt einer Bodentemperatur von über 10 °C.

Foto von entlang einer Röhre aufgegrabenem Erdboden (Schnitt)
Tiefgründige, vertikal angeschnittene Regenwurmröhre
Bodenbildende Ausscheidungen von französischen Regenwürmern (aus Darwins Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer). Nach Ansicht von Louis Pasteur holen Regenwürmer auf diese Weise auch die Sporen von Milzbrand-Bakterien aus vergrabenen Tierkadavern wieder an die Oberfläche.

Bedeutung für die Bodenverbesserung

Regenwürmer können in bestimmten Bereichen einen Anteil von bis zu 90 Prozent der Biomasse der gesamten Bodenfauna ausmachen, wobei die Wurmdichte bis zu 2000 Individuen pro Quadratmeter erreichen kann.[6] Sie nehmen als Destruenten eine zentrale Stellung beim Abbau organischer Substanzen ein. Bei ihren Wanderungen durch die Böden bilden Regenwürmer Röhren. In lockerem Bodensubstrat wie zum Beispiel feuchten Waldböden oder Komposterde haben die Tiere beim Durchdringen des Bodens keine Probleme. Mineralböden dagegen bieten je nach Körnung, Festigkeit und aktuellem Wassergehalt sehr unterschiedliche Widerstände. Meist werden die gebohrten Röhren mit Schleim und Exkrementen der Würmer ringsherum ausgekleidet und somit für den raschen Auf- und Abstieg stabilisiert. Man nennt diese Verfestigung auch „Tapete“. Sie dient u. a. auch den Pflanzen als Dünger. Die lufthaltigen Gänge sorgen dafür, dass aerobe Bakterien mit genügend Sauerstoff versorgt werden und sich abgestorbene Pflanzenteile besser zersetzen. In den vertikal gebohrten Gängen können aber auch Pflanzenwurzeln schneller in die Tiefe wachsen.

Von besonderer Bedeutung ist eine Tatsache, die 1881 bereits Charles Darwin in seinem Buch Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer beschrieb, dass Regenwürmer beständig die aus den tieferen Schichten des Bodens stammende Erde durch ihren Darm hindurch an die Erdoberfläche befördern und dadurch zur Auflockerung und Belüftung der Böden beitragen.[7] Als begleitender Effekt zeigt sich u. a. das erleichterte Eindringen von Wasser in tiefere Bodenschichten. Dies wiederum fördert das Pflanzenwachstum.

Ihren Kot setzen die Regenwürmer meist oberirdisch in Form von geringelten Kotbällchen am Mündungsende ihrer Gänge ab. Nach Darwins Berechnung befördern die Regenwürmer in vielen Teilen Englands jährlich auf einem sechs Hektar großen Landstück ein Gewicht von mehr als 25.000 kg Erde an die Oberfläche und bewirken dadurch eine ganz erhebliche Durchmischung der Bodenschichten, wobei der Untergrund mit Humusstoffen angereichert wird. Durch diese Tätigkeit „versinken“ Steine oder auch verlorene Münzen im Boden, weil die Ausscheidungen, die auf der Oberfläche abgelagert werden, aus tieferen Bodenschichten stammen. Dieser Vorgang wird allgemein als Bioturbation bezeichnet. In den Oberböden der Tropen und Subtropen wurden noch wesentlich höhere Umsetzungsraten festgestellt. Es liegt nahe, dass die Böden des tropischen Regenwaldes hierbei an der Spitze liegen (bis zu 280 t pro ha). Ebenfalls 1881 hatte aber Louis Pasteur auch darauf hingewiesen, dass in den Kotbällchen der Regenwürmer Krankheitserreger aus tieferen Erdschichten an die Oberfläche gelangen können: Damals war es üblich, an Milzbrand-Erregern (Bacillus anthracis) verstorbene Rinder, Schafe und Pferde auf einer Acker- oder Wiesenfläche zu vergraben. In den Kotbällchen der Regenwürmer über diesen Kadavern waren hohe Konzentrationen an Milzbrand-Erregern entdeckt worden, die nachweisbar von Weidetieren aufgenommen wurden und zu weiteren Infektionen führten.[8] Ein Jahr später erörterte auch Robert Koch diese Form der Infektion in seiner Publikation „Über die Milzbrandimpfung“.[9]

Die gezielte Verarbeitung von Kompost (Kompostierung) durch Regenwürmer (Wurmkompost) ergibt als Produkt den so genannten Wurmhumus mit hochkonzentrierten Bestandteilen an pflanzenverfügbaren Nährstoffen. Im Freiland sind die positiven Einflüsse von Regenwürmern nicht messbar, da man sie von den anderen Umwelteinflüssen nicht trennen kann. Unter standardisierten Bedingungen im Labor hingegen sind die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf die Bodenverbesserung belegbar. Erfahrungen haben aber auch gezeigt, dass sich übermäßige künstliche Düngung eher ungünstig auf die Regenwurmfauna auswirkt. Eine französische Bauernweisheit behauptet zu Recht: „Der liebe Gott weiß, wie man fruchtbare Erde macht, und er hat sein Geheimnis den Regenwürmern anvertraut.“

Foto eines Regenwurms im Erdboden (Schnitt)
Regenwürmer sorgen für Belüftung des Bodens

Biologischer Gartenbau

Für den biologischen Gartenbau sind Regenwürmer von zentraler Bedeutung. Regenwürmer gelten als wichtigste Erzeuger von Dauerhumus, gleichbedeutend mit den Ausscheidungen des Regenwurms, einer stabilen Bodenstruktur, ideal für das Pflanzenwachstum und mit vielen für die Pflanzen verfügbaren Nährstoffen. Daher ist auch die Pflege des Bodens in Form von Abdecken oder oberflächliches Hacken gegen Austrocknung, Mulchen und Einbringen von Kompost eine Vergünstigung der Lebensbedingungen für das Bodenleben (Edaphon) und somit für die Regenwürmer. Der Komposthaufen im biologischen Gartenbau stellt sozusagen die Verdauungstätigkeit des Regenwurms im großen Stil nach. Hier finden sich vor allem der Kompostwurm und der Rote Waldregenwurm sehr häufig ein, ebenso wie unter ausgebrachtem Mulchmaterial. Die Reife des Kompostes lässt sich dadurch feststellen, dass der Haufen zusammengesunken ist und die Regenwürmer diesen verlassen haben. Die Nährstoffanreicherung durch die Regenwürmer wird indirekt durch organische Düngung erzeugt und auf Kunstdünger wird explizit verzichtet. Da die Grabetätigkeit der Regenwürmer den Boden ausreichend lockert, ist im biologischen Garten bei richtiger Bodenpflege ein Umgraben im Gegensatz zur konventionellen Anbaumethoden nicht mehr erforderlich.

Fressfeinde

Laufkäfer (Carabus auratus) erbeutet einen Regenwurm

Regenwürmer dienen zahlreichen Vogelarten als Nahrungsquelle. Meist sind es Stare, Drosseln, und Krähen, im Norden auch vermehrt Möwen und Austernfischer, die den Würmern gezielt nachstellen. Weitere natürliche Feinde sind Marder, Maulwürfe, Igel, Spitzmäuse, Erdkröten, Frösche, Feuersalamander, Hundertfüßer, Ameisen und Laufkäfer. Auch Füchse und Dachse ernähren sich gern von Regenwürmern.

Maulwürfe beißen den Regenwürmern häufig ins Vorderende, um sie am Davonkriechen zu hindern. Die auf diese Art und Weise bewegungsunfähig gewordenen, aber noch lebensfähigen Würmer werden anschließend an einem sicheren Platz unter der Erde als Nahrungsvorrat deponiert, zum Beispiel für die Wintermonate.

Parasiten

In Regenwürmern leben zahlreiche parasitierende Organismen. Neben verschiedenen, zum Teil symbiotisch lebenden Bakterien, Ciliaten und Flagellaten finden sich besonders häufig Gregarinen (Sporozoen) und Fadenwürmer (Nematoden). Befallen werden vor allem die Leibeshöhle sowie die Samenblase. Die meisten Parasiten sind harmloser Natur, einige aber übertragen als Zwischenwirte schwere Krankheiten (zum Beispiel die Lungenwurmkrankheit bei Schweinen und Hühnern durch Metastrongylus-Arten). Hin und wieder werden auch Larven von Bandwürmern (Eucestoda) in Regenwürmern nachgewiesen. Gelegentlich parasitieren auch Larven der Goldfliege (Lucilia sericata) in Regenwürmern. Sie halten sich bevorzugt im vorderen Bereich des Regenwurms (drittes und viertes Segment) auf und führen nach einiger Zeit zum Tod ihres Wirts.

Regenerationsvermögen und Selbstverstümmelung

Regenwürmer verfügen über ein beachtliches Regenerationsvermögen. So ist es den Tieren möglich, nach der Durchtrennung ihr Hinterende fast vollständig wieder auszubilden. Die Würmer sind auch in der Lage, in bestimmten Gefahrensituationen sich selbst zu verstümmeln (Autotomie), z. B. wenn sie ein Fressfeind gepackt hat. Hierbei schnürt der Wurm am Hinterende eine Reihe von Segmenten ab und überlässt sie dem Räuber, um sich mit dem restlichen Körper durch Flucht in Sicherheit zu bringen.

Das weit verbreitete Gerücht, dass zwei lebende Würmer entstehen würden, wenn man einen Wurm in der Mitte durchtrennt, trifft nicht zu. Gerade in der Körpermitte ist das Regenerationsvermögen des Regenwurms am geringsten. Jedes Körpersegment besitzt die genetische Anlage, nur den After und nicht den Kopf wieder auszubilden. Das Vorderende kann nur überleben, wenn die Teilung des Regenwurms hinter dem 40. Segment erfolgt. In diesem Bereich befinden sich die lebenswichtigen Organe wie das Oberschlund- und das Unterschlundganglion (Nervenzentren mit gehirnähnlichen Funktionen) sowie die Lateralherzen, die für die Aufrechterhaltung des Hämolymphkreislaufs erforderlich sind. Diese lebensnotwendigen Organe müssen vollständig erhalten bleiben, da sie nicht regeneriert werden können.

Am Vorderende können maximal die ersten 4 Segmente, das sogenannte Prostomium, abgetrennt werden. Diese Segmente werden alle wieder komplett ersetzt. Trennt man vorne mehr Segmente ab, werden nicht mehr alle regeneriert. Bei mehr als 15 entfernten Segmenten ist meist keine Regeneration des Vorderendes mehr möglich. Das Hinterende ist in weitaus höherem Maße zur Regeneration fähig, wobei auch hier wieder das Regenerationsvermögen zur Körpermitte hin abnimmt. Das Regenerat hebt sich durch seine hellere Färbung von der benachbarten Körperpartie deutlich ab. Während der Regeneration fallen die Regenwürmer in eine Körperstarre. Dies machen sich Maulwürfe zunutze, die sie in die vordersten Segmente beißen und die dann unbeweglichen Regenwürmer in Kammern als Vorrat lagern.[10]

Gefährdung und Schutz

Foto einer städtischen Straßenbaustelle mit Asphaltfertiger und Kombiwalze
Gefährdung durch vollständige Versiegelung der Bodenoberfläche durch Straßen- und Wegebau

Vor allem die Zerstörung ihres Lebensraumes durch Schadstoffeinträge und Flächenversiegelung gefährdet die Regenwürmer.

Die Schadstoffe können aus privaten wie gewerblichen Anlagen stammen, aus dem Straßenverkehr, aus Abfällen und aus der Ausbringung von Klärschlamm. Auch unsachgemäße Anwendung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln schädigt die Böden. Alle genannten Faktoren bewirken eine Veränderung und Einschränkung der natürlichen Bodenfunktionen. Besonders betroffen davon sind nährstoffarme und flachgründige Standorte, die von Natur aus ein geringeres Puffervermögen gegenüber Bodenveränderungen besitzen. Infolge der allgemeinen Schädigung binden die Böden immer weniger Humusanteile und Mineralstoffe. Das Bodenleben kommt letztlich zum Erliegen, dies führt schrittweise zur vollständigen Erosion des Oberbodens durch Wind und Regen.

Weitere Probleme bringen die Verdichtung und die zunehmende Versiegelung der Böden mit sich. Man hat festgestellt, dass unter völlig versiegelten Flächen wie Fahrbahnen und Parkplätzen keine Bodenlebewesen mehr existieren. Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Schutz des Menschen und der Umwelt“ wagt in ihrem Zwischenbericht („Konzept Nachhaltigkeit“) die Prognose, dass weite Flächen des Bundesgebietes in ca. 80 Jahren zugebaut sein werden, wenn die Flächeninanspruchnahme durch Siedlung und Verkehr wie in den letzten 30 Jahren weiter voranschreiten wird.

Es liegt auf der Hand, bei der Planung von neuen Wohn- und Gewerbegebieten auf eine flächensparende Bauweise mit möglichst geringer Flächenversiegelung zu achten. Selbst in dichtbesiedelten Ballungszentren können Regenwürmer und andere Bodenlebewesen existieren, wenn ihnen durch die Anlage von Baumscheiben, Rasensteinen, Grünflächen und Heckenzügen Lebensraum bleibt.

Wurmzucht, Wurmfarm

Die meisten Regenwurmarten können relativ einfach in Gefangenschaft gehalten und entsprechend gut vermehrt werden. Auf diese Weise werden Regenwürmer vielerorts in sogenannten Wurmfarmen in großem Stil gezüchtet und kommerziell genutzt. Vielfache Verwendung finden die Würmer als Futtertiere im Zoofachhandel oder als Köder für den Angler. Zuchtansätze und Zubehör zur Wurmzucht können von darauf spezialisierten Unternehmen im Internet bestellt und auf dem Postweg zugeschickt werden.

Seit einiger Zeit werden Wurmkulturen auch für die Bodenverbesserung und für die Kompostwirtschaft eingesetzt. Am besten eignen sich hierfür Arten, die bereits von Natur aus hohe Umsetzungs- und Reproduktionsraten aufweisen (z. B. Eisenia fetida).

Neuerdings werden auch tropische Regenwurmarten in geheizten Anlagen kultiviert (z. B. Eudrilus eugeniae aus Westafrika). Solche Arten sollten allerdings nur in geschlossenen Bereichen (Gewächshäusern, Laboreinheiten) gezüchtet werden. Ins Freiland ausgebracht sollte sie wegen der Neozoenproblematik jedoch nicht. Auch für den Hobbygärtner und den Halter von Terrarientieren (z. B. Schildkröten, Frosch- und Schwanzlurche) kann sich die Zucht von Regenwürmern in so genannten Wurmkisten lohnen. Diese speziellen Behältnisse eignen sich u. a. auch für die Aufstellung auf Balkonen und Terrassen.

Immer wieder tauchen in der Presse Berichte auf, dass Regenwürmer für den menschlichen Verzehr gezüchtet und angeboten werden (z. B. als Fleischklößchen – sog. „Wormburger“ oder frisch frittiert). Aufgrund der generell starken Parasitierung der Würmer ist hier aber Vorsicht geboten (siehe Kap. Parasiten).

Fangmethoden

Thielemann’sche Oktettmethode

Die Thielemann’sche Oktettmethode ist eine in der Wissenschaft inzwischen anerkannte Anwendung, zum Fang von Regenwürmern mittels elektrischen Stroms. Das Verfahren nach dem Biologen Dr. Ullrich Thielemann wird häufig im Rahmen von Untersuchungen zur standardisierten Bestandserfassung der Regenwurmfauna spezieller Standorte angewandt. Auch im Zuge des Biomonitorings ist es eine weit verbreitete Nachweismethode. Hierbei stößt man acht Elektroden mit einem Abstand von etwa 50 cm zueinander kreisförmig in den Oberboden. Je nach Leitfähigkeit des anstehenden Bodens werden „zerhackte“ Gleichstromimpulse von 50 bis 250 Volt an die Elektroden für die Dauer von etwa 20 Minuten angelegt. Binnen weniger Minuten werden die im elektrischen Feld angesiedelten Regenwürmer aus dem Boden getrieben, wobei die größeren Exemplare meistens zuerst an die Oberfläche kriechen.

Formaldehyd

Eine andere und auch üblichere Methode für die Gewinnung von Regenwürmern aus dem Erdreich ist die Anwendung von Formalin (Formaldehyd). Zur Gewinnung der Tiere werden 50 ml 37 %es Formalin auf 10 Liter Leitungswasser vermengt und die so erzeugte Formalinmischung auf etwa 1/2 m² Rasen- oder Bodenfläche verteilt. Die so gewonnenen Tiere werden sofort nach dem Auflesen zur Abschleimung ca. 10 bis 15 Minuten in sauberes Leitungswasser gelegt. Für die Bestimmung der Tiere z. B. unter einem Binokular werden sie nach einer Erholungspause von etwa zwei Stunden mit CO2-Gas betäubt. Danach werden die Würmer auf ein vorbereitetes Zuchtsubstrat gelegt, wo sie sich nach fünf bis zehn Minuten eingraben.
Aufgrund der Gesundheitsgefährdung durch Formalin ist diese Methode nicht zu empfehlen.

Senf

Als Alternative zum giftigen und umweltschädlichen Formaldehyd wird seit Anfang der 1990er Jahre auch Senf als (zudem kostengünstigeres) Austreibungsmittel empfohlen. Bei dieser Methode werden zunächst 60 g Senfmehl in einen halben Liter Wasser gegeben. Nach einer Stunde Wartezeit und gründlicher Durchmischung wird die Suspension in 9,5 Liter Wasser gegeben. Ebenso kann Fertigsenf verwendet werden, der leichter zu handhaben ist, da er direkt in das Wasser eingerührt werden kann; jedoch ist hier die Austreibungswirkung im Hinblick auf bestimmte Regenwurmarten (namentlich der Gattungen Aporrectodea und Allolobophora) geringer.[11]

Andere Fangmethoden

In bestimmten Regionen Kanadas, der USA und Englands werden Regenwürmer in großem Maße mittels Worm Charming, Worm Fiddling oder Wurmgrunzen gejagt.[12][13]

Systematische Übersicht der in Deutschland vorkommenden Arten

Regenwurm im Bodenprofil

Die systematische Gliederung der Würmer findet ihren Anfang in der Unterteilung der Invertebraten in zehn Klassen durch Lamarck. Cuvier ordnete die Stämme nach vergleichend morphologischen Gesichtspunkten in vier Kreise (Vertebrata, Mollusca, Articulata, Radiata), wobei er jedoch im Wesentlichen die Einteilung Lamarcks beibehielt. Zahlreiche Forscher gliederten aus diesen Kreisen weitere Gruppen heraus und reihten sie als selbständige Stämme in die Systematik ein. So wurde der Stamm Vermes in den Stämmen Plathelmintes, Nemertini, Nemathelminthes und Annelida aufgeteilt. Der „Wurm“-Begriff kennzeichnet heute nur noch einen bestimmten Habitus, aber keinesfalls mehr eine systematische Einheit. Nach Otto Graff (1953) unterscheiden wir bei den Lumbriciden zwei Gattungsgruppen, die durch den Besitz morphologischer Unterschiede sowie ihrer ökologischen Ansprüche zu bestimmen sind: Eisenia, Lumbricus und Dendrobaena gehören zu den Gattungen, die stets rot pigmentiert sind. Sie leben im Laubwald im Oberboden – die juvenilen Tiere ausschließlich in der Streuschicht. Die pflanzlichen Abfallprodukte (z. B. Falllaub) werden verzehrt und dadurch abgebaut. Für den Boden bedeutet das, dass der Gasaustausch (CO2-Kreislauf) durch die Falllaubschicht nicht behindert wird.

Den rot pigmentierten Gattungen steht die Gruppe Octoclasium, Eiseniella und Allobophora gegenüber, die alle Schattierungen zwischen schwarz, grau und bläulich bis grünlich aufweisen, jedoch nie rot pigmentiert sind. Sie leben im tieferen Erdreich und nehmen viel Mineralboden in ihrem Darm auf. Ihre Ausscheidungsprodukte bestehen aus einem Gemisch von organischen und anorganischen Teilen. Diese werden im Boden ausgeschieden, so dass diese Gattungsgruppe nicht nur zur Lockerung und Durchlüftung der tieferen Bodenhorizonte beitragen, sondern den Mineralboden auch mit organischen Substanzen anreichern. Die Gattung Eiseniella spielt dabei keine wesentliche Rolle, da sie meistens nicht im Boden lebt und daher in Kulturböden ohne Bedeutung ist. Das Verhalten der beiden Gattungsgruppen auf dem Grünland ist ähnlich, jedoch sind hier die ökologischen Unterschiede verwischt, da - durch die Kultur verursacht - der biologische Rhythmus zwischen Vegetation und Laubwald erheblich gestört ist.

In Deutschland finden sich derzeit 39 Regenwurmarten aus 6 Gattungen: Gattung Allolobophora (14 Arten):

Allolobophora antipae Allolobophora caliginosa (Feldwurm, Wiesenwurm) Allolobophora chlorotica (Kleiner Ackerwurm)
Allolobophora cupulifera Allolobophora diomedea Allolobophora handlirschi
Allolobophora icterica Allolobophora jenensis Allolobophora limicola
Allolobophora longa Allolobophora minuscula Allolobophora oculata
Allolobophora rosea Allolobophora smaragdina
Regenwurm attackiert durch Ocypus olens

Gattung Dendrobaena (9 Arten):

Dendrobaena attemsi (rötlich, bis 5 cm) Dendrobaena austriaca Dendrobaena illyrica
Dendrobaena octaedra Dendrobaena platyura (grau, bis 17 cm) Dendrobaena pygmaea
Dendrobaena rubida (blassrot, bis 6 cm) Dendrobaena subrubicunda Dendrobaena tenuis

Gattung Eisenia (4 Arten):

Eisenia eiseni Eisenia fetida andrei (Kompostwurm, bis 13 cm), Eisenia fetida fetida (Mistwurm)
Eisenia veneta

Gattung Eiseniella (1 Art):

Eiseniella tetraedra

Gattung Lumbricus (8 Arten (9)):

Lumbricus badensis (Badischer Riesenregenwurm) Lumbricus castaneus Lumbricus festivus
Lumbricus friendi Lumbricus polyphemus Lumbricus pusillus
Lumbricus rubellus (Rotwurm, leuchtend rot bis 12 cm) Lumbricus terrestris (Tauwurm) Lumbricus moliboeus

Gattung Octolasium (3 Arten):

Octolasium croaticum, Octolasium cyaneum, Octolasium lacteum

Neozoenproblematik europäischer Regenwürmer in den USA

Im Nordosten der USA wirkt sich das Ernährungsverhalten eingeschleppter europäischer Regenwurmarten (vermutlich als Angelköder) stellenweise auf das Bodenökosystem der Laubwälder aus, vgl. auch Roter Waldregenwurm. Da dort ursprünglich keine Regenwürmer verbreitet waren, haben sich die Laubwälder darauf eingestellt, dass sich dichte Laubschichten auf dem Boden bilden, die im Winter als Isolierung dienen und kleinere Pflanzen sowie Baumschösslinge vor Frost schützen. Wo aber Regenwürmer diese Schicht zersetzen, sind Böden und Unterwuchs dem strengen Frost des nordamerikanischen Winters ausgesetzt. Dies kann dort heimische Arten sowie die Waldverjüngung bedrohen.

Regenwürmer in der Populärkultur

Eine Regenwurm-Adaptation ist der unkonventionelle Videospielheld Earthworm Jim, der auch seine eigene Zeichentrick-Reihe erhielt. Diese Figur stellt einen schießfreudigen Superhelden dar. In der Zeichentrickserie „Die Biene Maja“ tritt ein Regenwurm mit Namen Max auf. Andere Videospiele, in dem Regenwürmer die Protagonisten sind, ist die Worms-Reihe.

Quellen

Literatur

Briefmarke der Färöer-Inseln
  • W. Peters, V. Walldorf: Der Regenwurm - Lumbricus terrestris L. Heidelberg 1986, ISBN 3-494-01124-9.
  • W. Buch: Der Regenwurm im Garten. Ulmer, Stuttgart 1986, ISBN 3-8001-6276-8.
  • J. E. Satchell: Earthworm Ecology. Chapman and Hall, London 1983, ISBN 0-412-24310-5.
  • Otto Graff: Die Regenwürmer Deutschlands. Ein Bilderatlas für Bauern, Gärtner, Forstwirte und Bodenkundler. Verl. M. u. H. Schaper, Hannover 1953. (Schriftenreihe der Forschungsanstalt für Landwirtschaft Braunschweig-Völkenrode 7)
  • B. Gruner, E. Zebe: Studies on the anaerobic metabolism of earthworms. In: Comp. Biochem. Physiol. 60 B (1978), S. 441–445.
  • G. Osche: Der „Riesenregenwurm“ (Lumbricus badensis) des Südschwarzwaldes. In: Der Feldberg im Schwarzwald. Natur- und Landschaftsschutzgebiete Bad.-Württ. 12, Karlsruhe 1982, S. 394–396.
  • Charles Darwin: Die Bildung der Ackererde durch die Thätigkeit der Würmer mit Beobachtung über deren Lebensweise. 1882.
    • Nachdruck: Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer. März-Verlag, Berlin/Schlechtenwegen 1983, ISBN 3-88880-017-X.
  • U. Thielemann: Elektrischer Regenwurmfang mit der Oktett-Methode. In: Pedobiologia. 29 (4) 1986, S. 296–302.
  • J. Breidenbach: Normalanatomie und -histologie des Lumbriciden Lumbricus terrestris L. Dissertation, 2002. (online)
  • Volz: Charakterisierung von Waldstandorten durch Regenwurmgesellschaften. 1962. (Quelle)
  • U. Kutschera, J. M. Elliott: Charles Darwin's observations on the behaviour of earthworms and the evolutionary history of a giant endemic species from Germany, Lumbricus badensis (Oligochaeta: Lumbricidae). In: Applied and Environmental Soil Science. 2 (2010), S. 1–11. doi:10.1155/2010/823047. (Open Access Article)
  • André Voisin: Lebendige Grasnarbe. LVB, München 1961, S. 194–224.

Einzelnachweise

  1. F. Häni: Pflanzenschutz im integrierten Ackerbau. 2001.
  2. Erhard Christian, András Zicsi: Ein synoptischer Bestimmungsschlüssel der Regenwürmer Österreichs (Oligochaeta: Lumbricidae). In: Die Bodenkultur. Bd. 50, Heft 2 (1999), S. 121–131, S. 121.
  3. Hans-Wilhelm Grömping: Regenwurm. In: Natur-Lexikon.com. Absatz 2. Abgerufen am 29. Oktober 2010.
  4. dpa: Angst vor Maulwürfen treibt Regenwürmer ans Licht. 16. Dezember 2008.
  5. E. Hadorn, R. Wehner, Allgemeine Zoologie. Thieme, 1978, ISBN 3-13-367420-2 (formal falsche ISBN), S. 271.
  6. C. A. Edwards, P. J. Bohlen: Biology and Ecology of Earthworms. Chapmann & Hall, London 1996.
  7. C. Darwin: The formation of vegetable mould through the action of worms, with observations of their habits. Murray, London 1881; deutsche Ausgabe: Volltext (PDF)
  8. Louis Pasteur: Sur les virus-vaccins de choléra des poules et du charbon. In: Louis Pasteur Vallery-Radot (Hrsg.): Oeuvres de Pasteur Réunies, Band VI, Masson et Cie., Paris 1933, S. 367. Nachdruck aus: Comptes rendus des traveaux du Congrès international des directeurs des stations agronomiques, session de Versailles, Berger-Levrault et Cie., Juni 1881, S. 151–162.
  9. Robert Koch: Über die Milzbrandimpfung. Verlag von Theodor Fischer, Kassel und Berlin 1882, S. 12–13
  10. W. Westheide, R. Rieger: Spezielle Zoologie. Teil 1. Einzeller und wirbellose Tiere. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart/ Jena/ New York 1996, ISBN 3-437-20515-3, S. 363.
  11. H.-C. Fründ, B. Jordan: Eignung verschiedener Senfzubereitungen als Alternative zu Formalin für die Austreibung von Regenwürmern. In: Mitteilungen der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft. 103 (2004), S. 25–26. (online. Abgerufen am 22. April 2007)
  12. Lucy Berrington: The War on Worms. In: Sunday Mirror. 28. April 1996. Online abgerufen am 9. Februar 2011
  13. Kenneth Catania: Maulwurf-Alarm à la Darwin. In: Spektrum der Wissenschaft. 2, 2011.

Weblinks

Commons: Regenwürmer – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Regenwurm – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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