Retzius-Streifen
Als Retzius-Streifen (auch: Retzius-Linien oder Retzius striae) werden die in starker Vergrößerung sichtbaren, über den gesamten Schmelzmantel verteilten Wachstumslinien des Zahnschmelzes bezeichnet, die von Seite zu Seite parallel zueinander verlaufen; sie werden auch als Perikymatien bezeichnet. Im Querschliff des Zahnes erscheinen die Retzius-Streifen als konzentrische Kreise. Der Abstand von Linie zu Linie beträgt zwischen 4 und 150 μm.
Die Bezeichnung erinnert an den schwedischen Anatomen und Anthropologen Anders Adolf Retzius (1796 – 1860), der diese Streifen 1837 in einer Studie zur Embryologie und Histologie der Zähne erstmals korrekt als „die Spuren verschiedener Perioden der Schmelzbildung“ beschrieben hatte.[1]
Die Retzius-Streifen entstehen, weil der Rhythmus der Mineralisation tagesperiodischen Schwankungen unterliegt. Sie gelten als die Folge einer Ruhephase zwischen zwei Sekretionsphasen der Adamantoblasten.[2] Ferner können besondere physiologische Ereignisse die Schmelzbildung stören, zum Beispiel die Umstellung der Ernährung nach der Geburt („Geburtslinie“) sowie fiebrige und andere schwere Erkrankungen („Stresslinien“). Die Retzius-Streifen zeigen somit bei jedem Menschen ein individuelles Muster und können daher auch kriminaltechnisch ausgewertet werden.[3] Fossile Zähne werden in der Paläoanthropologie beispielsweise genutzt, um anhand dieser Streifen die Entwicklungsgeschwindigkeit der Jugendlichen von frühen Arten der Hominini zu rekonstruieren.[4]
Weblinks
ruhr-uni-bochum.de (PDF) Nina Eckardt: Die Geschichte der Histogenese und Histologie des Zahnschmelzes zwischen 1770 und 1890. Dissertation, Ruhr-Universität Bochum, 2001
Einzelnachweise
- ↑ Anders Adolph Retzius: Bemerkungen über den inneren Bau der Zähne, mit besonderer Rücksicht auf den im Zahnknochen vorkommenden Röhrenbau. Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin, Berlin 1837, S. 539
- ↑ Hubert E. Schroeder: Orale Strukturbiologie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York, 4. Aufl. 1992, S. 37 ff.
- ↑ Ulrich Welsch: Sobotta Lehrbuch Histologie. Urban & Fischer Verlag, 2. Aufl. 2006, S. 348
- ↑ Ein Beispiel hierfür ist: Tanya M. Smith et al.: Rapid dental development in a Middle Paleolithic Belgian Neanderthal. PNAS, Band 104, Nr. 51, 2007, S. 20220–20225, doi:10.1073/pnas.0707051104