Rohrdommel



Rohrdommel

Rohrdommel

Systematik
Klasse: Vögel (Aves)
Ordnung: Schreitvögel (Ciconiiformes)
Familie: Reiher (Ardeidae)
Unterfamilie: Dommeln (Botaurinae)
Gattung: Rohrdommeln (Botaurus)
Art: Rohrdommel
Wissenschaftlicher Name
Botaurus stellaris
Linnaeus, 1758
Rohrdommel im Flug, weiblich, Illmitz (Österreich)
Botaurus stellaris-Tokyo bay.jpg
sog. Pfahlstellung

Die Rohrdommel (Botaurus stellaris) ist ein Vogel aus der Familie der Reiher (Ardeidae). Die Unterart Botaurus stellaris stellaris kommt in Eurasien vor, während die Unterart Botaurus stellaris capensis ein Brutvogel in Südafrika ist. In der Abgrenzung zur Zwergdommel wird sie teilweise auch als „Große Rohrdommel“ bezeichnet. Die Rohrdommel lebt verborgen in ausgedehnten Röhrichten.

Merkmale

Rohrdommeln erreichen eine Körpergröße von 70 bis 80 Zentimeter. Die Weibchen wiegen zwischen 817 und 1.150, die Männchen zwischen 966 und 1940 Gramm.[1] Männchen sind nicht nur auffällig größer als Weibchen, sie sind auch etwas stärker gezeichnet als die Weibchen. Das Gefiederkleid weist außerdem geographische Varianten auf. So sind Rohrdommeln in Ostasien etwas auffälliger gezeichnet und wurden deshalb lange Zeit als Unterart eingestuft.

Die Rohrdommel ist damit etwas größer als ein Haushuhn und von gedrungener Gestalt mit kurzem, dicken Hals und kurzen Beinen, einem relativ kurzen, kräftigen grün-gelben Schnabel (an der Spitze mit fein gesägten Hornschneiden). Das Gefieder ist fein schwarz, gelbbraun und weiß gestreift. Kinn und Kehle sind cremeweiß und weisen in der Mitte einen rötlich-braunen Längsstreifen auf.

Das Aussehen und Verhalten der Rohrdommel ist unauffällig. Mit ihrem in warmen Brauntönen gehaltenen, stark gescheckten Federkleid ist sie im Altschilf sehr gut getarnt. Das Federkleid imitiert ein Muster aus Licht und Schatten, das die Konturen des Vogels selbst hinter wenigen Schilfhalmen auflöst. Diese Form der Tarnung wird als Somatolyse bezeichnet. Nähert man sich der Rohrdommel, nimmt sie bis auf geringe Distanz die so genannte Pfahlstellung ein: Mit nach oben gerichtetem Kopf und Schnabel schwankt die Rohrdommel wie das sie umgebende Schilf im Wind, ihre Längsstreifen wirken wie einzelne Halme.[2] Dieses Verhalten zeigen bereits junge Rohrdommeln, die noch nicht flügge sind.

Stimme

Im Frühjahr geben die Männchen dumpfe Balzrufe von sich, die kilometerweit zu hören sind und der Rohrdommel früher die volkstümlichen Bezeichnungen „Moorochse“, „Wasserochse“, „Riedochse“ oder „Mooskuh“ eingetragen haben.

Verbreitungsgebiet

Das Verbreitungsgebiet der Unterart Botaurus stellaris stellaris erstreckt sich von Großbritannien über Schweden, Finnland, Deutschland, Litauen, Italien, dem europäischen Russland bis in den Norden von Marokko und Algerien. Diese Unterart kommt auch in Albanien, Bulgarien, der Türkei, Nordiran, Kasachstan, Aserbaidschan, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisien, Afghanistan, Mongolei, Nordchina, Sibirien, Japen und Nord- und Südkorea vor. Die Unterart capensis brütet in den südafrikanischen Provinzen Natal und Transval. Vermutlich ist die Art auch in Sambia ein Brutvogel.

Die Rohrdommel ist ein Teilzieher. Eine Reihe von Rohrdommeln verbleiben in ihrem Brutareal, wenn das Wasser nicht gefriert oder wandern nur in etwas begünstigtere Klimaregionen ab. Einige Populationen wie in England und den Niederlanden sind fast ausschließlich Standvögel. Populationen überwintern in Mitteleuropa, in Osteuropa bis zur Ukraine, im Osten Saudiarabiens, Irak, Iran, Turkmenistan, Pakistan, Nordindien, Nepal, Bangladesch, dem Südosten Chinas, Südthailand, dem Norden Malaysias sowie in Libyen, Ägypten und dem Afrika südlich der Sahara. Das Überwinterungsgebiet dort erstreckt sich von Mauretanien, Senegal, Ghana, Gambia, Gabun, Nigeria, Kamerun, Kenia, Nordzaire, Sudan, Äthiopien und Eritrea.

Lebensraum

Die Rohrdommel lebt bevorzugt in ausgedehnten Verlandungszonen von Seen, Altwässern und Teichen. Besonders wichtig sind gut erhaltene, ausgedehnte Schilf- und Röhrichtbestände, in denen die Vögel geschickt umherklettern, in denen sie ihre Nester bauen können und Schutz finden.

Zur Nahrungssuche benötigt die Rohrdommel eingestreute niedrige Vegetation, z.B. Gräben, Uferbereiche und auch offene Wasserstellen. Während der Fortpflanzungszeit verteidigen sie ihr Nahrungs- und Brutareal energisch. Dabei kommt es sogar zu Angriffen in der Luft.[3] Außerhalb der Fortpflanzungsperiode kann man Rohrdommeln auch in größeren Gruppen beobachten.

Nahrung und Nahrungserwerb

Das Nahrungsspektrum der Rohrdommel ist sehr groß. Sie ernähren sich überwiegend von Kleinfischen, Fröschen sowie Amphibien und Wasserinsekten. Sie fressen außerdem kleinere Säuger wie etwa Mäuseartige sowie Kleinvögel und räubern auch die Nester von Entenvögeln.

Verhalten und Zugverhalten

Die Rohrdommel ist nachtaktiv und daher am Tage kaum zu beobachten. Junge Rohrdommeln streifen (wie viele Reiher) weit umher, während viele der europäischen Brutvögel in ihrem Brutgebiet überwintern, was ihnen in strengen Wintern oft zum Verhängnis wird. Ein großer Teil zieht jedoch im Winter nach West- und Südeuropa oder bis ins tropische Afrika.

Fortpflanzung und Brut

Bak Botaurus stellaris Poznan ZOO.jpg

Die Männchen sind polygam und verpaaren sich, wo die Bestände groß genug sind, mit mehreren Weibchen. Sie beteiligen sich nicht am Brutgeschäft oder an der Aufzucht der Jungen. Die Jungen sind Nesthocker und kommen mit ca. zwei Monaten zum Fliegen. Entsprechend den Regeln der nesthockenden Arten sollte die Rohrdommel eigentlich monogam sein. Man weiß aber von männlichen Rohrdommeln mit drei bis fünf, sogar bis sieben brütenden Weibchen, deren Nester in Sternform um ihr Territorium angeordnet sind. Das Nest aus Rohr, Schilf und Seggen ist innen mit Blättern und dürrem Gras gepolstert.

Nach 25-26 Tagen schlüpfen die braun bedunten Nesthocker. Schon nach 8 Tagen nehmen sie bei drohender Gefahr die „Pfahlstellung“ ein; das Nest verlassen sie meist im Alter von 4 bis 5 Wochen (oft aber auch schon nach 2-3 Wochen) und streifen danach in der Umgegend umher, bis sie mit 8 Wochen völlig selbständig und flugtüchtig sind.

Bestandstrends in Mitteleuropa und Bedrohung

Die Rohrdommel kommt von Nordafrika über die gemäßigten Breiten Europas bis nach Ostasien vor. Den europäischen Verbreitungsschwerpunkt finden wir in den weiten Sumpflandschaften Osteuropas. In Polen brüteten in den Jahren 2002/2003 zwischen 4.100 und 4.800 Brutpaare.[4] Größere Rohrdommel-Vorkommen gibt es am Neusiedler See in Österreich sowie an der Mecklenburgischen Seenplatte. In den deutschen Bundesländern Hessen und Baden-Württemberg ist sie als regelmäßiger Brutvogel verschwunden. In Bayern und Nordrhein-Westfalen gibt es nur noch wenige Einzelpaare.[5]

Durch Verlust ihres Lebensraumes, insbesondere Zerstörung von Schilfbeständen oder Entwässerung, ist die Rohrdommel stark gefährdet. An vielen Gewässern haben sich auch Freizeitaktivitäten katastrophal auf den Bestand ausgewirkt, da Rohrdommeln extrem störempfindlich sind. Sie leiden aber auch unter Entwässerungen und Grundwasserabsenkungen, wie sie zum Beispiel im Rahmen von Flurbereinigungen und einer Intensivierung der Landwirtschaft vorkommen. Hinzu kommen natürliche Bestandsschwankungen: In strengen Wintern können einzelne Populationen vollständig ausgelöscht werden. Trotz dieser Empfindlichkeit gegenüber Kältewintern zählt die Rohrdommel zu den Arten, die nach Einschätzungen von Ornithologen nicht von einer Klimaerwärmung profitieren. Prognosen, die auf Klimamodellen beruhen, gehen davon aus, dass die Rohrdommel bis zum Ende des 21. Jahrhunderts ihr Verbreitungsgebiet weiter nach Nordosten verlagert. Im Süden, Westen sowie in Mitteleuropa werden die Bestände dagegen zurückgehen.[6]

Die Rohrdommel steht in Deutschland auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten und ist nach BNatSchG, BArtSchV streng geschützt. Hier wurden 2005 etwa 580 - 610 Brutpaare gezählt.

Die Rohrdommel in der Literatur

In Arthur Conan Doyles Sherlock-Holmes-Roman Der Hund der Baskervilles hören Dr. Watson und Mr. Stapleton aus dem Moor einen unerklärlichen Schrei. Da der Naturforscher Stapleton nicht an den Geisterhund glaubt, meint er, es könnte sich um eine Rohrdommel handeln.

Einzelnachweise

  1. Kushlan et al., S. 296
  2. Christopher McGowan: The Raptor and the Lamb – Predators and Prey in the Living World. Penguin Books, London 1998, S.100,101. ISBN 0-14-027264-X
  3. Kushlan et al., S. 298.
  4. Bauer et al., S. 250.
  5. Bezzel, S. 83.
  6. Brian Huntley, Rhys E. Green, Yvonne C. Collingham, Stephen G. Willis: A Climatic Atlas of European Breeding Birds, Durham University, The RSPB and Lynx Editions, Barcelona 2007, ISBN 978-84-96553-14-9, S. 51

Literatur

  • Hans-Günther Bauer, Einhard Bezzel und Wolfgang Fiedler (Hrsg): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas: Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz. Band 1: Nonpasseriformes – Nichtsperlingsvögel, Aula-Verlag Wiebelsheim, Wiesbaden 2005, ISBN 3-89104-647-2
  • Einhard Bezzel: BLV Handbuch Vögel. BLV Verlagsgesellschaft, München 1995. ISBN 3-405-14736-0
  • James A. Kushlan & James A. Hancock: Herons. Oxford University Press, 2005, ISBN 0-19-854981-4

Weblinks

Commons: Rohrdommel – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien