Rädertierchen
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Rädertierchen | ||||||||||||
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Keratella cochlearis | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Rotatoria | ||||||||||||
Antoni van Leeuwenhoek |
Rädertierchen (Rotatoria, Rotifera) sind 0,1 bis höchstens 3 Millimeter lange vielzellige Tiere mit genetisch festgelegter, gleich bleibender Anzahl von Zellen (Eutelie). Die beweglichen Vorder- und Hinterenden schauen unter einer Cuticula hervor. In der Mundöffnung befinden sich bewegliche Wimpernkränze, das Räderorgan. Es existieren weltweit etwa 2000 teilweise sehr verschiedene Arten, davon etwa 550 in Deutschland.
Lebensraum
Die Rädertierchen sind sehr widerstandsfähig und können in vielen Lebensräumen überleben. Auf dem Land, in Bäumen, in feuchtem Moos oder zwischen Bodenpartikeln sind sie ebenso zu Hause wie im Meer oder im Süßwasser. Dabei macht ihnen die Kälte der Antarktis ebenso wenig etwas aus wie die Hitze von Thermalquellen.
Die verschiedenen Rädertiergattungen leben entweder dauerhaft an Pflanzen festsitzend oder freischwebend im Wasser oder Detritus.
Morphologie
Das Aussehen der Rädertiere ist sehr vielgestaltig, dennoch lässt sich der Körper grob in drei Abschnitte gliedern, wobei die äußere Form von Pflanzen bewohnenden Tieren eher wurmartig ist und die der Wasser bewohnenden Arten eher sackförmig:
- Kopf mit Räderorgan - Das Räderorgan besteht aus zwei Wimpernkränzen, die fast ständig in Bewegung sind und daher sich drehenden Rädern gleichen. Es dient zum einen der Fortbewegung und zum anderen dem Einstrudeln von Nahrungsteilchen (daher auch Strudelorgan). Das Rädertier ist in der Lage, das Strudelorgan ein- und auszufahren.
- Rumpf - In der Mitte des Körpers befindet sich der meist mit einer Cuticula gepanzerte Rumpf. Bei manchen Arten, etwa Macrochaetus collinsi entspringen der Cuticula lange Stacheln. Taphrocampa selenura wiederum besitzt eine klebrige Cuticula. Zumindest die wurmförmigen Arten können Kopf und Fuß in den Rumpf einziehen.
- Fuß - Der Fuß des Rädertiers hat zwei Anhänge mit Klebedrüsen, mit dem sich das Rädertier zeitweise oder dauerhaft an einen gewählten Untergrund festheften kann. Bei manchen Rädertierchen, etwa Asplanchna, fehlt jedoch der Fuß.
Rädertiere haben, bedingt durch ihre Körperform, verschiedene Möglichkeiten der Fortbewegung: Gleiten, schwimmen, spannerartig kriechend, mit den Wimpern des Kopfes laufend oder strudelnd.
Um Trockenzeiten überstehen zu können, geben Rädertiere einen Teil ihrer Körperflüssigkeit ab und schrumpfen zu einer kugelförmigen Gestalt zusammen. In diesem sehr widerstandsfähigen Dauerstadium, auch Trockenstarre genannt, können sie bis zu vier Jahre überleben.
Am Rumpf oder Fuß können einzelne Eier oder Eipakete hängen, die eine ähnlich hohe Widerstandskraft gegen Umwelteinflüsse haben, wie die ausgewachsenen Tiere.
Der für die Rotaria typische Kaumagen (Mastax, Pl. Mastaces) zeigt kieferartige, komplexe Gerüste aus einzelnen stäbchen-, schild- oder plattenförmigen, chitinhaltigen Hartteilen, den sogenannten Trophi (Sg.Trophum). Sie können gegeneinander bewegt werden und können je nach Form verschiedene Funktionen, wie Zermahlen, Zerquetschen oder Ergreifen von Beute wahrnehmen. Bei den Monogononta sind die Trophi je nach Art stark unterschiedlich geformt und bilden ein wichtiges Merkmal zur genauen phylogenetischen Bestimmung einzelner Arten. Bei den Arten der Bdelloida zeigen sie allerdings unter den einzelnen Arten eine eher gleichartige Struktur, es wird auch von den typischen ramaten Mastaces oder den ramaten Trophi der Bdelloida gesprochen (englisch ramate trophi)[1].
Ernährung
Die meisten Arten ernähren sich von Algen oder Detritus. Brachionus calyciflorus beispielsweise ernährt sich von einzelligen Algen und Bakterien. Es strudelt diese mit seinem Räderorgan herbei. Lindia torulosa ernährt sich von Blaualgen, deren Fäden sie mit dem Kauapparat abkneifen. Es gibt aber auch räuberische Rädertierchen, wie die Floskularien (Floscularia) , die sehr kleine Lebewesen und Partikel aus dem durch ihre Ruderorgane aufgewirbelten Wasser fangen, oder die Cephalodella die ebenfalls räuberisch leben. Asplanchna brightwelli ist ca. einen Millimeter groß und ernährt sich ebenfalls räuberisch. Es scheidet ein Peptid, das sogenannte Asplanchnin ins Wasser ab, welches oft als Kairomon bei den Beuteorganismen Dorneninduktion hervorruft. Pleurotrocha petromyzon ernährt sich wiederum aasfressend von toten Wasserflöhen[2]. Die Collotheca, Cupelopagis vorax aber auch Stephanoceros fimbriatus haben eine andere Jagdweise. Sie fangen ihre Nahrung mittels weit aufgesperrten Trichtern am oberen Körperende. Die zwei Arten der urtümlichen Gattung Seison leben im Meer als Schmarotzer auf Arten der Krebsgattung Nebalia. Auch Süßwasserformen wie Proales werden als Parasiten angesehen, da sie in Algen wie Volvox und Vaucheria leben und sich von diesen ernähren.
Der Kaumagen (Mastax) der Rädertiere ist sehr muskulös und mit verschieden zähen Abschnitten ausgestattet. Er ist so dehnbar, dass er verschiedene Formen annehmen kann und so zum Kauen, Saugen und dem Beutefang benutzt wird.
Vermehrung und Lebenserwartung
Die einzelnen Gattungen der Rädertiere nehmen unterschiedliche Möglichkeiten der Fortpflanzung wahr. Unter günstigen Bedingungen (meist in den Sommermonaten) erfolgt eine ungeschlechtliche Vermehrung (siehe auch: Parthenogenese), unter ungünstigen Bedingungen (meist im Herbst) findet die geschlechtliche Fortpflanzung statt.
Einige Arten wie etwa Adineta vaga sind in der Lage, genetisches Material anderer Lebewesen in ihr Erbgut aufzunehmen, was die Nachteile ausgleicht, die sich aus ungeschlechtlicher Fortpflanzung ergeben. Diese Fortpflanzungsstrategie wurde bei Rädertierchen erstmals durch Eugene Gladyshev nachgewiesen[3] und war zuvor nur bei Bakterien bekannt.
Rädertiere haben unterschiedliche Lebenserwartungen. Der Durchschnitt liegt jedoch bei etwa einer Woche.
Taxonomie
Als Erstbeschreiber der Rädertierchen gilt Antoni van Leeuwenhoek, der die Rädertiere mit seinem selbstgebauten Mikroskop beobachtete. Da dessen Vergrößerung nicht sehr stark war, konnte er die flimmernde Mundöffnung nur ungenau beobachten, beschrieb jedoch ihr räderförmiges Aussehen.
Heute werden die Rädertierchen zwar weiterhin als Tierstamm akzeptiert, nach phylogenetischen Untersuchungen sowohl der Morphologie als auch anhand von molekularbiologischen Vergleichen werden sie jedoch heute nicht mehr als natürliche Gruppe (Monophylum) akzeptiert, da die ebenfalls als Tierstamm betrachteten Kratzwürmer (Acanthocephala) als Schwestergruppe der Bdelloida innerhalb der Rädertierchen angesehen werden müssen.[4][5]
Innerhalb der Rädertierchen werden folgende Verwandtschaftsverhältnisse als aktuell akzeptierte Hypothese angenommen:
Rädertierchen |
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Fossilien
Das einzige bekannte Fossil aus dem Stamm Rotatoria stellt der Fund eines Vertreters der Klasse Bdelloidea (Ordnung Bdelloida) in tertiärem Dominikanischen Bernstein dar. Zugleich liefert dieser Fund den Beweis, dass Parthenogenese seit mindestens 25 bis 40 Millionen Jahren existiert.[6]
Belege
- ↑ Alois Herzig et al. (Hrsg.): Rotifera X. Rotifer Research: Trends, New Tools and Recent Advances, Proceedings of the Xth International Rotifer Symposium, held in Illmitz, Austria, 7-13 June 2003. Springer, Dordrecht 2005, ISBN 978-1-4020-4408-3
- ↑ Heinz Streble, Dieter Krauter: Das Leben im Wassertropfen. Mikroflora und Mikrofauna des Süßwasser. Ein Bestimmungsbuch. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-440-11966-2
- ↑ Eugene A. Gladyshev, Matthew Meselson, Irina R. Arkhipoval: Massive Horizontal Gene Transfer in Bdelloid Rotifers. In: Science. 320. Jahrgang, Nr. 5880, 30. Mai 2008, S. 1210–1213, doi:10.1126/science.1156407 (sciencemag.org [abgerufen am 19. November 2012]).
- ↑ James R. Garey, Thomas J. Near, Michael R. Nonnemacher1, Steven A. Nadler: Molecular evidence for Acanthocephala as a subtaxon of Rotifera. Journal of Molecular Evolution 43 (3), 1996; Seiten 287–292 (Abstract)
- ↑ Martín García-Varela, Gerardo Pérez-Ponce de León, Patricia de la Torre, Michael P. Cummings, S.S.S. Sarma, Juan P. Laclette: Phylogenetic Relationships of Acanthocephala Based on Analysis of 18S Ribosomal RNA Gene Sequences. Journal of Molecular Evolution 50 (6), 2000; Seiten 532–540 (Abstract)
- ↑ George O. Poinar, Jr.: Life in Amber. 350 S., 147 Fig., 10 Tafeln, Stanford University Press, Stanford (Cal.) 1992. ISBN 0-8047-2001-0
Literatur
- Rudolf Drews: Mikroskopieren als Hobby, Falken-Verlag, ISBN 3-8068-1197-0
- Wilhelm Eigener: Enzyklopädie der Tiere, Nikol-Verlag Hamburg, ISBN 3-933203-98-8