Salmonellen
- Seiten mit Skriptfehlern
- Proteobakterien
- Meldepflichtiger Erreger
- Lebensmittelmikrobiologie
Salmonella | ||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Sekundärelektronenmikroskopaufnahme von Salmonellen (rot eingefärbt) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
| ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Salmonella | ||||||||||||
Lignieres 1900 | ||||||||||||
Arten | ||||||||||||
Nach der derzeit gültigen Nomenklatur
S. enterica wird in die unten aufgeführten sechs Subspezies unterteilt. Innerhalb der Subspezies ordnet man individuelle Isolate einem der mehr als 2500 Serovare zu. |
Salmonellen gehören zu den stäbchenförmigen Bakterien, Durchmesser etwa 0,7 bis 1,5 µm, Länge etwa 2 bis 5 µm, gramnegativ, vorwiegend aktiv beweglich, peritrich begeißelt, fakultativ anaerob, chemoorganotroph mit oxidativem und fermentativem Energiestoffwechsel und nicht sporenbildend. Sie werden in der Gattung Salmonella zusammengefasst und der Familie der Enterobacteriaceae zugeordnet. Sie sind eng verwandt mit der Gattung Escherichia. Sie kommen weltweit in kalt- und warmblütigen Tieren, in Menschen und in Habitaten außerhalb von Lebewesen vor. Sie verursachen bei Menschen und vielen Tieren Krankheiten.
Joseph Lignières benannte die Gattung im Jahr 1900 nach dem US-amerikanischen Tierarzt Daniel Elmer Salmon.
Salmonellen als Krankheitserreger
Salmonellosen (Erkrankungen durch Salmonellen) gehören zu den Zoonosen, da sich sowohl der Mensch am Tier als auch das Tier am Menschen anstecken kann. Ferner ist die Infektion über Lebensmittel häufig. Salmonellen kommen unter anderem besonders auf Eiern und Geflügelfleisch vor. Im Gegensatz zu früher ist Schweinefleisch heutzutage nur noch selten mit Salmonellen belastet.
Man unterscheidet zwischen den Enteritis- und den Typhus/Paratyphus-Salmonellen, wobei letztere aufgrund spezieller Virulenzfaktoren und eines Kapselproteins (Virulenz-Antigen) schwerere Erkrankungen verursachen (z. B. Salmonella enterica subsp. enterica Serovar Typhi, kurz Salmonella typhi). Salmonella typhi kommt bei Tieren nicht vor und ist an Menschen angepasst.
Enteritis-Salmonellen, beispielsweise Salmonella enterica subsp. enterica Serovar Enteritidis (Kurzbezeichnung Salmonella enteritidis) und Salmonella typhimurium, verursachen beim Menschen meist spontan ausheilende Durchfallerkrankungen, die in der Regel nicht antibiotisch behandelt werden müssen. Allerdings können bei Risikogruppen, wie Säuglingen, Kleinkindern, alten Menschen, HIV-Patienten und immungeschwächten Patienten schwere Erkrankungen (Allgemeininfektionen) hervorgerufen werden.
In Deutschland gehören Salmonellosen zu den sogenannten meldepflichtigen Erkrankungen (§ 6 bzw. § 7) des Infektionsschutzgesetzes. Die amtlichen Meldungen sind seit 1990 von etwa 200 000 auf rund 55 000 Fälle im Jahr 2005 zurückgegangen. Deutschlandweit ist schätzungsweise jeder fünfte Mensch Salmonellenträger. Weltweit rechnet die WHO mit mehr als 16 Millionen Typhus-Erkrankungen jährlich, mehr als eine halbe Million davon enden tödlich.
Salmonellen sind außerhalb des menschlichen bzw. tierischen Körpers wochenlang lebensfähig. Sonnenlicht (UV-Strahlung) beschleunigt das Absterben der Erreger. In getrocknetem Kot sind sie über 2,5 Jahre lang nachweisbar. Um Salmonellen-Infektionen zu vermeiden, wird die Erhitzung der Lebensmittel mindestens zehn Minuten auf 75 °C (Temperatur im Kern) empfohlen. Durch Einfrieren werden die Bakterien nicht abgetötet. In sauren Medien sterben die Salmonellen rasch ab, gebräuchliche Desinfektionsmittel töten sie innerhalb weniger Minuten. Bei Temperaturen unter 6 °C ist die Vermehrung wesentlich verlangsamt.
Geschichte
- 1874 beschrieb der polnische Pathologe Tadeusz Browicz zum ersten Mal ein Bakterium als Ursache von Typhus.
- 1880 wurde der Erreger des Typhus abdominalis beim Menschen von Karl Joseph Eberth und Robert Koch entdeckt.
- 1884 gelang Georg Gaffky die Züchtung des Erregers in Reinkultur.
- 1889 fand Daniel Elmer Salmon, nach dem die Gattung Salmonella benannt wurde, die „Schweinecholera“-Bakterien.
Systematik und Nomenklatur
Die Systematik und Nomenklatur der Salmonella-Arten ist sehr komplex. In der Anfangsphase wurden Salmonella-Arten nach klinischen Gesichtspunkten gebildet und benannt, beispielsweise Salmonella typhi-murium (Mäusetyphus), S. abortus-ovis (Abort des Schafs), S. cholerae-suis (Cholera des Schweins).
Kauffmann definierte 1941 aufgrund serologischer Befunde jedes neu entdeckte Serovar als neue Art.[1]
Als erkannt wurde, dass die Wirtsspezifität mancher Arten nicht existiert – S. typhimurium und S. choleraesuis sind auch für den Menschen pathogen – wurden neue Serovare als eigenständige Salmonella-Arten angesehen und nach dem Ort bezeichnet, an dem der erste Stamm der neuen Art isoliert wurde.
1966 wurde beim Neunten Internationalen Mikrobiologischen Kongress in Moskau beschlossen, den Bindestrich in den Artnamen zu entfernen (also z. B. S. typhimurium).
Aufgrund molekularbiologischer Erkenntnisse (insbesondere DNA/DNA-Hybridisierung) stellten Le Minor und Popoff die Hypothese auf, die Gattung Salmonella bestehe nur aus einer einzigen Art, S. enterica.[2] Die Subspezies (abgekürzt ssp.) und Serovare wurden in sechs Gruppen eingeteilt.
Zu 99,5 % gehören Salmonellen, die aus Salmonellose-erkrankten Menschen und warmblütigen Tieren isoliert wurden, der Gruppe I an. Vertreter der Subspezies salamae (Gruppe II) und houtenae (Gruppe IV) wurden aus Reptilien isoliert; am seltensten sind Subspezies der Gruppe VI (Subspezies indica). S. enterica ssp. bongori wurde von Le Minor und Popoff (1987)[2] als Gruppe V klassifiziert, aber Reeves et. al. (1989)[3] schlugen vor, die Gruppe V als eigene Art S. bongori zu bezeichnen. Jede Subspezies enthält wiederum numerische Serovarbezeichnungen.
Medizinisch relevante Salmonellen gehören der
- Gruppe I (S. enterica ssp. enterica) sowie der
- Gruppe IIIa (S. enterica ssp. arizonae) und der
- Gruppe IIIb (S. enterica ssp. diarizonae) an.
Diese sechs Salmonellengruppen können mit biochemischen Tests wie folgt klassifiziert werden:[4]
Gruppe (nach Subspezies) |
Gruppe (nach Nummer) |
Malonat | ONPG | Dulcit | Salicin | Galakturonsäure | Gelatine |
---|---|---|---|---|---|---|---|
S. enterica ssp. enterica | I | negativ | negativ | positiv | negativ | negativ | negativ |
S. enterica ssp. salamae | II | positiv | negativ | positiv | negativ | positiv | positiv |
S. enterica ssp. arizonae, und S. enterica ssp. diarizonae | III | positiv | positiv | negativ | negativ | schwach | positiv |
S. enterica ssp. houtenae | IV | negativ | negativ | negativ | positiv | positiv | positiv |
S. enterica ssp. indica | VI | negativ | variabel | variabel | negativ | positiv | positiv |
S. bongori | V | negativ | positiv | positiv | negativ | positiv | negativ |
Erläuterungen: Malonat: Verwertung von Malonat als Energie- und Kohlenstoffquelle (C-Quelle); ONPG: Hydrolyse von ONPG; Dulcit: Verwertung von Dulcit, einem Zuckeralkohol, als Energie- und C-Quelle; Salicin: Verwertung von Salicin, einem Glycosid, das in Weiden (Gattungsname: Salix) vorkommt, als Energie- und C-Quelle, Galakturonsäure: Verwertung von Galacturonsäure, dem Hauptbestandteil der Pektine, Gelatine: Hydrolyse von Gelatine.
Nach einer fast zwanzig Jahre andauernden Diskussion wurden 2005 die Vorschläge von Léon Le Minor und Michel Y. Popoff[2] und Michael W. Reeves[3] angenommen.[5][6] Dieses formale, von mikrobiologischen Systematikern erstellte System steht jedoch nicht in Einklang mit der traditionellen Systematik der Spezies Salmonella und mit der Kauffmannschen Artbenennung aufgrund der Serovare. Mit diesem Benennungsprinzip sind jedoch die Fachärzte für Mikrobiologie und Infektiologen seit Jahrzehnten vertraut, so dass diese eigentlich falsche Benennung noch heute weit verbreitet ist.
Es gibt nach dem Kauffmann-White-Schema insgesamt mehr als 2500 Salmonellen-Serovare, die sich aufgrund des Vorkommens von unterschiedlichen O- und H-Antigenen unterscheiden. Die O-Antigene sind Bestandteil der Lipopolysaccharide (LPS) der Zellwand und die H-Antigene Bestandteil der Proteinbausteine der Geißeln (Flagellen), mit denen sich die Salmonellen fortbewegen können. Zusätzlich verfügen einige Arten über ein Antigen in der Schleimhülle („Kapsel“), sogenanntes Kapselantigen (= K-Antigen). Da durch das Kauffmann-White-Schema nur eine H-Phase nachweisbar ist und zur Typisierung aber auf jeden Fall beide H-Phasen benötigt werden, muss die zweite (andere) H-Phase durch eine Schwärmplatte nach Sven-Gard zur Ausbildung gebracht werden.
- O-Antigen (= somatisches Antigen), lokalisiert in der äußeren Membran, Lipopolysaccharide, thermostabil, Formaldehydunbeständig, sogenannte Oberflächen-Antigene
- H-Antigen (= Geißelantigen), thermolabil, Formaldehydbeständig.
- K-Antigen (= Hüllenantigen), besteht aus drei Fraktionen mit unterschiedlicher Wärmeempfindlichkeit und wird der Zellwand zugerechnet.
Epidemiologische Gruppen
Einordnung der Serovare nach der Anpassung an bestimmte Wirte:
- an den Menschen angepasste Serovare, die bei diesem Typhus oder Paratyphus verursachen (z. B. S. Typhi, S. Paratyphi A, B und C),
- an bestimmte Tierarten angepasste Serovare, die tierspezifische Erkrankungen hervorrufen und für andere Tierarten und den Menschen nicht von Bedeutung sind S. Dublin (Rind), S. Choleraesuis (Schwein), S. Abortusovis, Abortusequi (Schaf, Pferd) und
- Serovare ohne spezielle Wirtsanpassung, die bei allen Tierspezies als Erreger von Enteritiden auftreten und beim Menschen Lebensmittelvergiftungen hervorrufen.
- Serovare ohne spezielle Wirtsanpassung, die bei Mensch und Tier als Erreger von Salmonellosen auftreten und eine hohe Virulenz besitzen.
Infektionsmöglichkeiten
Infektionen mit Salmonellen sind möglich:
- durch Unsauberkeit im Lebensmittelbereich, insbesondere in Großküchen
- durch die Ausscheidungen von erkrankten, aber auch infizierten, aber klinisch gesund erscheinenden Menschen (Dauerausscheider) und Tieren (gefährdet: Pflegepersonal, andere Tiere); vor allem auch von unerkannt infizierten Reptilien (Befallsrate bei 90 %), eine Gefahr vor allem für Kleinkinder[7]
- durch verunreinigtes Oberflächenwasser und abgestandenes Wasser (beispielsweise in Duschschläuchen und nicht benutzten Wasserspendern)
- durch unhygienisch aufgetautes Geflügel (viele Bakterien befinden sich im Tauwasser) sowie
- durch rohe Eier, die von mit Salmonellen infiziertem Geflügel stammen (die Salmonellen befinden sich normalerweise nur auf der Eierschale, können bei verletzter Kutikula jedoch auch ins Innere gelangen).
Medizinisch bedeutsame Vertreter
- S. enterica ssp. arizonae, bei Kaltblütern, Geflügel, Säugetieren
- S. choleraesuis (Bacillus paratyphus B und C), Darmkommensale des Schweines, pathogen bei Resistenzschwäche; Menschen können sich durch den Verzehr vom Fleisch erkrankter Schweine infizieren, verursacht die Salmonellose des Schweins.
- S. enteritidis, Vorkommen im Darm von Rindern, Nagetieren, Enten (auch deren Eiern) und Menschen; Erreger des Kälberparatyphus und akuter Gastroenteritis des Menschen.
- S. paratyphi
- S. paratyphi A, rein humanpathogen, Erreger des „Paratyphus A“ (Paratyphöse Gastroenteritis), Übertragung durch Kontakt und infektiöse Lebensmittel oder Wasser.
- S. paratyphi B, in Mitteleuropa meist humanpathogen, Erreger des „Paratyphus B“, Übertragung durch Kontakt und infektiöse Lebensmittel, Wasser oder Fliegenkot.
- S. typhi, Vorkommen in gemäßigten und subtropischen Zonen, humanpathogener Erreger des Typhus abdominalis, Übertragung durch Kontakt und infektiöse Lebensmittel, Wasser oder Fliegenkot. 3–5 % aller Erkrankten bleiben Dauerausscheider.
- S. typhimurium, Erreger einer meist tödlich verlaufenden, fieberhaften Darminfektion bei Vögeln und Säugetieren, durch kontaminierte Lebensmittel. Auslöser der Salmonellenenteritis („Lebensmittelvergiftung“) des Menschen.
- S. dublin, einer der Erreger der anzeigepflichtigen Rindersalmonellose
- S. typhisuis, einer der Verursacher der Salmonellose des Schweins
Salmonellen in der Krebsforschung
Im Zusammenhang mit der Frage, ob und wie Bakterien Tumore abtöten können, wurde ermittelt, dass und wie Salmonellen in Tumore einwandern und diese zerstören. Für die Anwendung müssten die Salmonellen so abgeschwächt werden, dass sie für die Krebs-Behandlung nutzbar werden, ohne eine gefährliche Darminfektion auszulösen.[8]
Einzelnachweise
- ↑ F. Kauffmann: Die Bakteriologie der Salmonella-Gruppe. Munksgaard, Kopenhagen, 1941.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 L. Le Minor, M. Y. Popoff: Request for an Opinion. Designation of Salmonella enterica. sp. nov., nom. rev., as the type and only species of the genus Salmonella. In: Int. J. Syst. Bacteriol., Bd. 37, 1987, S. 465–468.
- ↑ 3,0 3,1 M. W. Reeves, G. M. Evins, A. A. Heiba, B. D. Plikaytis, J. J. Farmer III: Clonal nature of Salmonella typhi and its genetic relatedness to other salmonellae as shown by multilocus enzyme electrophoresis and proposal of Salmonella bongori comb. nov. In: J. Clin. Microbiol. Bd. 27, 1989, S. 313–320. PMID 2915026
- ↑ Tabelle 7
- ↑ Judicial Commission of the International Committee on Systematics of Prokaryotes: The type species of the genus Salmonella Lignieres 1900 is Salmonella enterica (ex Kauffmann and Edwards 1952) Le Minor and Popoff 1987, with the type strain LT2T, and conservation of the epithet enterica in Salmonella enterica over all earlier epithets that may be applied to this species. Opinion 80. In: Int. J. Syst. Evol. Microbiol. Bd. 55, 2005, S. 519-520. PMID 15653929
- ↑ B. J. Tindall, P. A. Grimont, G. M. Garrity, J. P. Euzeby: Nomenclature and taxonomy of the genus Salmonella . In: Int. J. Syst. Evol. Microbiol. Bd. 55, 2005, S. 521-524. PMID 15653930
- ↑ dradio.de, Forschung Aktuell, 4. April 2011, Marieke Degen: Gefährliche Lieblinge (8. April 2011)]
- ↑ Deutsche Krebshilfe Pressemitteilung vom 25. Januar 2011. Projekt-Nummer 109439, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung.
Weblinks
- Informationen des Robert-Koch-Institutes zu Salmonellen
- Laborlexikon (ISSN 1860-966X) – Fachzeitschrift für Labormedizin: Salmonellen-Nachweis
- Artikel bei Medizin.de
- Sommer, Sonne, Salmonellen – Häufige Infektionen in der warmen Jahreszeit (FLUGS-Fachinformationsdienst am Helmholtz Zentrum München, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt) (PDF-Datei; 2,51 MB)
- Hygienetipps gegen Salmonellose