Sommerwurzen



Sommerwurzen

Gelbe Sommerwurz (Orobanche lutea)

Systematik
Kerneudikotyledonen
Asteriden
Euasteriden I
Ordnung: Lippenblütlerartige (Lamiales)
Familie: Sommerwurzgewächse (Orobanchaceae)
Gattung: Sommerwurzen
Wissenschaftlicher Name
Orobanche
L.

Die etwa 200 Arten der Gattung der Sommerwurzen (Orobanche) sind krautige, ein- oder mehrjährige parasitische Blütenpflanzen.

Beschreibung

Ihr Verbreitungsschwerpunkt liegt in den warmen und gemäßigten Zonen der nördlichen Erdhalbkugel. Systematisch sind sie mit den Braunwurzgewächsen (Scrophulariaceae) verwandt, werden aber heute mit ca. 12 weiteren Gattungen einer eigenen Familie Sommerwurzgewächse (Orobanchaceae) zugeordnet. Es wird auch eine Einordnung als Subfamilie und die Aufspaltung der Gattung in die 2 Gattungen (Orobanche s.str. und Phelipanche) diskutiert. Die Unterscheidung der einzelnen Arten anhand morphologischer Eigenschaften ist schwierig. Eine auf genotypischen Unterschieden basierte Klassifikation wurde noch nicht erarbeitet.

Ginster-Sommerwurz, Detail der Blüte
Sommerwurz (Orobanche). Aufgenommen in der Sierra Aitana südlich von Valencia (Spanien).

Sommerwurzsamen gehören mit 0,3 bis 0,5 mm Länge zu den kleinsten aller Pflanzensamen. Die Samen können mehrere Jahre im Boden ausdauern ohne ihre Keimfähigkeit zu verlieren. Ihre Keimung wird von Substanzen, sog. Keimungsinduktoren, ausgelöst, die von Wurzeln der Wirtspflanze ausgeschieden werden. Diese Stoffe werden unter dem Begriff Strigolactone zusammengefasst. Ihre unterschiedliche Struktur trägt zur Wirtsspezifität verschiedener Orobanchearten bei. Erreicht die Keimwurzel eine geeignete Wirtswurzel, dringt sie in diese ein und bildet ein spezielles Kontaktorgan, das Haustorium. Nach Anschluss an die Leitbündel des Wirtes entwickelt die Sommerwurzpflanze zunächst auf der Wurzeloberfläche ihres Wirtes ein Speicherorgan (Tuberkelstadium), an dem sich der spätere Spross bildet. Ihre Wurzeln sind nicht zur Nährstoffaufnahme aus dem Boden befähigt, können aber bei Kontakt mit Wurzeln des ersten oder eines anderen Wirtes weitere Haustorien bilden. Gelegentlich dringen diese auch in die Wurzeln der eigenen oder einer anderen Sommerwurzpflanze ein.

Die bleichen Sprosse werden erst nach Ausbildung der Speicherknolle entwickelt. Sommerwurzpflanzen besitzen keine Chloroplasten und können keine Photosynthese betreiben, sie sind daher vollständig auf die Ernährung durch ihre Wirte angewiesen (Holoparasit). Ihr schnelles Wachstum wird durch die in der Wurzelknolle gespeicherten Reservestoffe ermöglicht. Die Sprosse tragen nur reduzierte Schuppenblätter, in deren Achseln im oberen Teil die Blüten stehen. Die Kapselfrüchte können einige Tausend Samen enthalten und eine Sommerwurzpflanze kann über 300.000 Samen bilden, die später mit dem Wind verbreitet werden.

Sommerwurzpflanzen parasitieren nur auf zweikeimblättrigen Wirtspflanzen. Ihre Wirtsselektivität ist unterschiedlich ausgeprägt.[1] Während manche Arten Wirte bestimmter Familien bevorzugen (zum Beispiel Orobanche ramosa u.a Solanaceae), besitzen andere ein sehr enges Wirtsspektrum (zum Beispiel Orobanche cumana auf Sonnenblume). Die verursachten Schäden an den Wirtspflanzen sind auf den Entzug von Wasser und Nährstoffen zurückzuführen. In bewässerten und gedüngten Kulturen sind die Schäden wesentlich geringer, wirtschaftliche Bedeutung hat der Sommerwurzbefall daher vor allem in den ärmeren Ländern Afrikas und Asiens. Neben zahlreichen, nur punktuell oder ± begrenzt verbreiteten Arten spielen fünf Arten als Schädlinge in landwirtschaftlichen Kulturen eine besondere Rolle:

Ästige Sommerwurz (Orobanche ramosa)
  • Orobanche aegyptiaca und Orobanche ramosa auf Kartoffeln, Tomaten, Auberginen, Kürbissen, Gurken, Melonen, Tabak, Linsen, Hanf, Raps und Kohl;
  • Orobanche cernua auf Sonnenblumen, Tomaten, Auberginen und Tabak;
  • Orobanche crenata auf Ackerbohnen, Kichererbsen, Linsen, Erbsen, Futterwicken, Möhren, Salat und Sonnenblumen;
  • Orobanche minor auf Klee, Luzerne und Tabak.

Die Samen werden durch landwirtschaftliche Maschinen, verunreinigtes Erntegut, Bewässerungssysteme und Erosion verbreitet. Auch Tiere können die Samen äußerlich und nach Aufnahme mit dem Futter durch ihre Ausscheidungen verschleppen. Die Schäden durch Sommerwurzbefall können durch Bodenbehandlung, Düngung, Bewässerung und Zeitpunkt der Saat beeinflusst werden. Die Bekämpfung der Sommerwurzpflanzen nach dem Auftreten erfolgt in wenig entwickelten Ländern durch Entfernen der Blütensprosse von Hand. Der Einsatz von Herbiziden ist nur teilweise erfolgreich und oft zu teuer, biologische Bekämpfungsverfahren werden noch erprobt. In Sonnenblumen-Kulturen sollen Maispflanzen als 'Fangpflanzen' dienen, die den Parasiten-Samen zum Austreiben bringen. Da diese auf Mais nicht überleben könne, sterben die Keinlinge ab[2]. Auf längere Sicht erscheint die Züchtung von resistenten Kulturpflanzensorten die sinnvollste Lösung zu sein. Bisher ermöglicht noch keines der genannten Verfahren eine wirksame und wirtschaftliche Bekämpfung der Sommerwurzarten in den betroffenen Ländern.

Arten (Auswahl)

Blutrote Sommerwurz (Orobanche gracilis)
Violette Sommerwurz (Orobanche purpurea)
Efeu-Sommerwurz (Orobanche hederae)
Elsässer Sommerwurz (Orobanche alsatica)

In Europa gibt es die folgenden Orobanche-Arten:

  • Sektion Trionychon, in Europa ca. 10 Arten. Die Sektion wird von manchen Autoren als eigenständige Gattung Blauwürger (Phelipanche) geführt:[3]
  • Sektion Orobanche, in Europa ca. 40 Arten:
    • Thymian-Sommerwurz oder Quendel-Sommerwurz oder Weiße Sommerwurz (Orobanche alba Stephan ex Willd.)
    • Elsässer Sommerwurz (Orobanche alsatica Kirschleger)
      • Elsässer Sommerwurz (Orobanche alsatica ssp. alsatica)
      • Bartlings Sommerwurz (Orobanche alsatica ssp. libanotidis (Rupr.) Tzvelev)
      • Mayers Sommerwurz (Orobanche alsatica ssp. mayeri (Suess. & Ronniger) Kreutz)
    • Amethyst-Sommerwurz (Orobanche amethystea Thuill.)
    • Orobanche amoena C.A. Meyer
    • Panzer-Sommerwurz (Orobanche artemisiae-campestris Gaudin)
    • Orobanche austrohispanica M.J.Y. Foley
    • Orobanche ballotae A. Pujadas
    • Orobanche calendulae Pomel
    • Orobanche canescens C. Presl
    • Nelken-Sommerwurz (Orobanche caryophyllacea Sm.)
    • Orobanche cernua Loefl.
    • Orobanche chironii Lojac.
    • Orobanche clausonis Pomel
    • Bläuliche Sommerwurz (Orobanche coerulescens Stephan)
    • Gezähnelte Sommerwurz (Orobanche crenata Forsskal)
    • Orobanche crinita Viv.
    • Orobanche densiflora Salzm. ex Reut.
    • Große Sommerwurz (Orobanche elatior Sutton)
    • Orobanche esulae Pančić
    • Pestwurz-Sommerwurz oder Hellgelbe Sommerwurz (Orobanche flava C.F.P. Mart. ex F.W. Schultz)
    • Orobanche foetida Poiret
    • Blutrote Sommerwurz (Orobanche gracilis Sm.)
    • Orobanche grisebachii Reuter
    • Orobanche haenseleri Reuter
    • Efeu-Sommerwurz (Orobanche hederae Duby)
    • Orobanche laserpitii-sileris Reuter ex Jordan
    • Breitschuppige Sommerwurz (Orobanche latisquama (F.W. Schultz) Batt.)
    • Berberitzen-Sommerwurz (Orobanche lucorum A. Braun)
    • Gelbe Sommerwurz (Orobanche lutea Baumg.)
    • Kleine Sommerwurz oder Kleewürger (Orobanche minor Sm.)
    • Orobanche pancicii G. Beck
    • Bitterkraut-Sommerwurz (Orobanche picridis F.W. Schultz)
    • Orobanche pubescens D'Urv.
    • Ginster-Sommerwurz (Orobanche rapum-genistae Thuill.)
    • Distel-Sommerwurz (Orobanche reticulata Wallr.)
      • Netzige Distel-Sommerwurz (Orobanche reticulata ssp. reticulata)
      • Blassblütige Distel-Sommerwurz (Orobanche reticulata ssp. pallidiflora (Wimm. & Grab.) Hayek)
    • Salbei-Sommerwurz (Orobanche salviae F.W. Schultz)
    • Orobanche sanguinea C. Presl
    • Orobanche serbica G. Beck & Petrović
    • Gamander-Sommerwurz (Orobanche teucrii Holandre)
    • Orobanche variegata Wallr.

Einzelnachweise

  1. C.A.J. Kreutz: Orobanche. Die Sommerwurzarten Europas / The European Broomrape Species. Stichting Naturpublikaties Limburg, Maastricht 1995, ISBN 90-74508-05-7
  2. Ergebnisse chinesischer Forscher zur Sommerwurz-Bekämpfung mit Maispflanzen: http://www.pflanzenforschung.de/journal/aktuelles/fangpflanzen-treiben-schmarotzer-den-selbstmord
  3. M.A. Fischer, K. Oswald, W. Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. Dritte Auflage, Land Oberösterreich, Biologiezentrum der OÖ Landesmuseen, Linz 2008, ISBN 978-3-85474-187-9

Literatur

  • C.A.J. Kreutz: Orobanche. Die Sommerwurzarten Europas / The European Broomrape Species. Stichting Naturpublikaties Limburg, Maastricht 1995, ISBN 90-74508-05-7
  • Daniel L. Nickrent & Lytton J. Musselman: Introduction to Parasitic Flowering Plants. In: The Plant Health Instructor, 2004. DOI: 10.1094/PHI-I-2004-0330-01
  • Hans Christian Weber: Parasitismus von Blütenpflanzen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1993, ISBN 3-534-10529-X
  • Hans Christian Weber: Schmarotzer: Pflanzen, die von anderen leben. Belser, Stuttgart 1978, ISBN 3-7630-1834-4

Weblinks

Commons: Sommerwurzen (Orobanche) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien