Spermienkonkurrenz
Als Spermienkonkurrenz bezeichnet man die Konkurrenz von Spermien eines oder mehrerer Männchen um die Chance zur Befruchtung einer Eizelle. Spermienkonkurrenz entsteht, weil die Männchen aller Tierarten sehr viel mehr Spermien produzieren als die Weibchen ihrer Art befruchtungsfähige Eizellen. So werden beispielsweise selbst bei der künstlichen Besamung von Kühen durch Bullen mit gutem bis mittlerem Befruchtungsvermögen noch 10 Millionen Samenzellen eingesetzt.[1] Auch beim Menschen steht in der Gebärmutter der Frau während jedes Menstruationszyklus in der Regel nur ein Ei zur Befruchtung bereit, doch der Mann gibt bei jeder Ejakulation rund 400 bis 600 Millionen Spermien ab.
Im weiteren Sinn kann als Spermienkonkurrenz auch das Konkurrieren von Spermien mehrerer Individuen bezeichnet werden. Diese Variante der Spermienkonkurrenz wurde 1970 vom britischen Biologen Geoffrey Parker[2] als eine Ursache für die extrem große Überzahl von Spermien im Vergleich zu den verfügbaren Eizellen gedeutet: Wenn kurz nach einander mehrere Männchen ein Weibchen begatten, hat ein Männchen, das deutlich mehr Spermien abgegeben hat als sein(e) Konkurrent(en), größere Chancen, dass eines seiner Spermien ein Ei befruchtet.
Strategien zur Verbesserung der Konkurrenzsituation
Eine offensive Strategie besteht darin, größere Hoden zu entwickeln, welche größere Mengen von Spermien produzieren. Dies begünstigt vor allem jene Männchen, die nur gelegentlich Weibchen begatten, die in ihrem Körper ständig Spermien ihres eigenen, regulären Sexualpartners tragen. Dies wurde bei Affen beobachtet: "Fremdgängerische" Schimpansenmännchen besitzen im Vergleich zur Körpermasse größere Hoden als Gorillamännchen, welche in stabilen, aber trotzdem polygynen Verhältnissen leben.
Eine weitere Variante kommt unter anderem auch beim Menschen vor: Männer ejakulieren nicht nur befruchtungsfähige Spermien, sondern auch bewegungsunfähige und sogar solche, die durch Substanzen an ihrer Oberfläche gegnerische Spermien abtöten können. Die bewegungsunfähigen Spermien blockieren den Weg etwaig vorhandener Fremdspermien, so dass sie schlechter den Schleimhäuten entlang zur Eizelle wandern können. Die "Killerspermien" suchen gezielt nach Fremdspermien, deren Oberflächenstruktur nicht der eigenen entspricht, und töten diese chemisch ab.
Eine defensive Strategie besteht darin, ein Weibchen möglichst oft zu begatten. Dies führt dazu, dass sich im Körper des Weibchens zu jeder Zeit eine größere Menge eigener Spermien befinden. So haben die Spermien eines Konkurrenten eine geringere Wahrscheinlichkeit, zur Befruchtung zu gelangen.
Eine dritte Möglichkeit besteht im Entfernen vorhandener "gegnerischer" Spermien. Männliche Libellen besitzen spezielle Strukturen an ihrem sekundären Kopulationsapparat, die der aktiven Entfernung von Fremdsperma dienen[3]. Auch von verschiedenen Grillenarten wurden ähnliche Verhaltensweisen beschrieben[4][5]. Spatzenmännchen picken vor der Paarung so viel Sperma aus der Kloake des Weibchens wie möglich.
Strategien zur Konkurrenzvermeidung
Die Spermienkonkurrenz lässt sich nur vermeiden, indem die Männchen versuchen, den sexuellen Zugang zu "ihren" Weibchen so effizient wie möglich zu kontrollieren. In Rudeln lebende Tierarten können beispielsweise so organisiert sein, dass ein dominantes Männchen exklusiven sexuellen Zugang zu den weiblichen Rudelmitgliedern hat und diesen vehement verteidigt (z.B. teilweise bei Löwen).
Literatur
- Baker, Robin: Krieg der Spermien, Bastei Lübbe, 1999. ISBN 3-404-60465-2. Populärwissenschaftliche Abhandlung.
- Harcourt, A.H., Harvey, P.H., Larson, S.G., and Short, R.V. 1981. "Testis weight, body weight and breeding system in primates", Nature 293: 5557.
- Parker, G.A. 1970. "Sperm competition and its evolutionary consequences in the insects", Biological Reviews 45: 525-567.
Einzelnachweise
- ↑ H. Schuh (1991): Nutzungsverbesserung von Altbullen in der künstlichen Besamung. Reproduction in Domestic Animals, Band 26 (3), S. 136–143, doi:10.1111/j.1439-0531.1991.tb01530.x
- ↑ Parker, Geoffrey A. 1970. Sperm competition and its evolutionary consequences in the insects, Biological Reviews 45: 525-567.
- ↑ http://journals.cambridge.org/action/displayAbstract;jsessionid=E6347AB1784294F283E995357EFCDBC4.tomcat1?fromPage=online&aid=187417
- ↑ http://www3.interscience.wiley.com/journal/119442454/abstract?CRETRY=1&SRETRY=0
- ↑ http://www.springerlink.com/content/l8mu334v341rkj30/