Torpor
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Unter dem Torpor (lat. Erstarrung, Betäubung) versteht man einen physiologischen Schlafzustand, der bei einigen kleineren Säugetieren und Vögeln, also bei homoiothermen oder endothermen Tieren vorkommt und der mit einer Lethargie vergleichbar ist, bei dem Stoffwechsel- und Energieumsatzprozesse auf ein Minimum gesenkt werden und alle Körperfunktionen gleichsam auf Sparflamme gehalten werden. Die betroffenen Tiere sind vollkommen inaktiv und verharren in einem Zustand der körperlichen Starre. Reaktionen auf Außenreize finden in diesem Zustand kaum statt. Der Torpor dient den Tieren vor allem dazu, längere Zeiten des Nahrungsmangels oder Wassermangels zu überstehen, sie können so einige Tage bis mehrere Wochen ohne Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme überleben.
Wissenschaftlich wird dieser Zustand als Torpidität bzw. als Torpor bezeichnet, oft auch als Hypothermie. Im deutschen Sprachraum kennt man dafür auch die Bezeichnungen Hungerstarre, Tagesschlaflethargie, Hunger- oder Kälteschlaf; vogelkundlich wird von einem Verklammen gesprochen.
Physiologisch ähnelt die Hungerstarre dem Winterschlaf, doch sind meist nicht Kälte und Lichtmangel oder hormonelle Umstellungen die auslösenden Faktoren, sondern Nahrungsmangel und damit einhergehender Gewichtsverlust. Alle lebenserhaltenden Vorgänge werden auf ein Mindestmaß reduziert, die Körpertemperatur sinkt wesentlich, aber niemals so stark ab, wie bei echten Winterschläfern. Als Auslöser für den Torpor kommen auch längere Trockenperioden in Frage, es kommt dann zu einer längeren Trocken- oder Sommerstarre. Die betroffenen Tiere wachen aus dem Torpor regelmäßig wieder auf, wenn die Umweltbedingungen wieder besser geworden sind.
Der Torpor tritt meist nur für einige Stunden ein und wird in der Regel als Antwort auf die aktuelle Nahrungssituation und den Energieverbrauch genutzt. Jedes Individuum entscheidet situationsbedingt, ob es in Torpor geht oder nicht. Bei Untergewicht kommt es nicht zum Absinken der Körperfunktionen, was auch sinnvoll ist, da für die Aufwachphase erhebliche Energiereserven benötigt werden.
Der Torpor unterscheidet sich von dem Winterschlaf darin, dass er nur für eine begrenzte Zeit eintritt und beliebig, also jederzeit und ohne physiologische Vorbereitungen, eingesetzt werden kann. Winterschlaf ist ein zwangsläufiges Verhalten, das wochenlanger Vorbereitung (Fetteinlagerung, hormonelle Umstellungen , etc.) bedarf. Beim Torpor wird die Körpertemperatur nicht auf so niedrige Werte wie während des Winterschlafs gesenkt. Trotzdem kann durch diesen Zustand Energie eingespart werden. Der Vorteil gegenüber dem Winterschlaf ist, dass die Tiere nicht ihr Revier aufgeben müssen, sich nicht zurückzuziehen brauchen und schneller wieder aufwachen.
Bei manchen Tieren kann es sogar zu täglichen Torporzyklen kommen. Bei Kolibris hat man beobachtet, dass sie sich nachts spontan in einen kurzfristigen Schlafzustand versetzen können. Ebenso tritt der Torpor bei Fledermäusen und der gewöhnlichen Hausmaus auf. Die Fledermaus senkt dazu ihre Körpertemperatur im Schlafzustand unter den Normalwert.
Täglicher Torpor ist auch von Mausmakis, den kleinsten Primaten der Welt, bekannt. Wenn das nächtliche Nahrungsangebot während der Trockenzeit nicht ausreichend ist, dann gehen Mausmakis gegen Mitternacht in Torpor und senken ihre Körpertemperatur herab. Sie lassen sich gegen Morgen passiv mit Sonne langsam wieder aufheizen und erwachen gegen Mittag aus dem Torpor. Sie haben dann nur wenige Stunden in Torpor verbracht, aber sparen damit bis zu 40 % ihrer Energie, insbesondere durch das passive Aufheizen.
Der Torpor bei Vögeln
Da Vögel keinen Winterschlaf halten, trifft man die Fähigkeit in torpide Zustände zu verfallen bei ihnen recht häufig an, doch ist diese Möglichkeit auf kleinere Arten beschränkt, da das Aufwachen relativ viel Energie verbraucht. Für größere und schwerere Arten ergäbe sich dadurch ein ungünstiges Verhältnis zwischen Energieersparnis und Energieverbrauch in der Aufwachphase. In den Vogelfamilien der Segler (Apodidae), Schwalben (Hirundinidae), sowie der Nachtschwalben (Caprimulgidae) finden sich einige Vertreter, die den Zustand der Hungerstarre als Energiesparmaßnahme nutzen.
Mehlschwalben geraten auch bei tiefen Außentemperaturen (minus 5 Grad und tiefer) niemals in Torpor, solange sie gut ernährt sind. Sinkt ihr Körpergewicht jedoch auf etwa 15 Gramm (Normalgewicht 19–20 Gramm), tritt auch bei hohen nächtlichen Außentemperaturen Torpor ein. Die Intensität der Torpidität und damit das Absenken der nächtlichen Körpertemperatur hängt vom Ernährungszustand ab.
Einige Nachtschwalben, wie etwa die im südwestlichen Nordamerika verbreitete Winternachtschwalbe (Phalaenoptilus nuttallii) überwintern im Zustand einer tiefen Torpidität. Die Hopi-Indianer nennen ihn Hoelchko, was sich mit Der Schlafende übersetzen lässt. Tiere, die sich in einem solchen Zustand befinden, können das Erwachen nicht mehr selbst steuern – erst sehr deutlich steigende Umgebungstemperaturen leiten die Aufwachphase ein. Eine weniger tiefe Torpidität dagegen kann selbst bei gleich bleibend tiefen Außentemperaturen vom Vogel selbst beendet werden.
Auch Kolibris, die in nachtfrostexponierten Regionen leben, fallen regelmäßig in Torpor, da diese Vögel mit ihrer sehr hohen Stoffwechselrate ansonsten die langen, kalten Nächte nicht überleben würden. Ihre Körpertemperatur sinkt dabei von normalerweise 38–40 °C auf 18–20 °C, die Stoffwechselrate wird dabei für nur wenige Stunden um bis zu 90 % herabgesetzt. Bei ihnen ist dieser Zustand stärker endogen bestimmt.
Siehe auch
Literatur
- Franz Bairlein: Ökologie der Vögel. Gustav Fischer Stuttgart 1996. S. 9 und 10. ISBN 3-437-25018-3.
- Schmid, J., and Speakman, J. R. (2000). Daily energy expenditure of the grey mouse lemur (Microcebus murinus): a small primate that uses torpor. J. Comp. Physiol. B 170: 633-641.