Vielfraß
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Vielfraß | ||||||||||||
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Vielfraß (Gulo gulo) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name der Gattung | ||||||||||||
Gulo | ||||||||||||
Pallas, 1780 | ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name der Art | ||||||||||||
Gulo gulo | ||||||||||||
(Linnaeus, 1758) |
Der Vielfraß (Gulo gulo) ist eine Raubtierart aus der Familie der Marder (Mustelidae), die im nördlichen Eurasien und in Nordamerika lebt. Er wird auch als Bärenmarder, Gierling, Giermagen, Gierschlund oder Järv (vom skandinavischen jerv, järv) bezeichnet. Der Name Vielfraß ist eine volksetymologische Umformung des skandinavischen Begriffs fjeldfross, was so viel wie Bergkatze oder Felsenkatze bedeutet.
Merkmale
Der Vielfraß ähnelt in seinem Körperbau den Echten Mardern, wird aber deutlich größer. Er erreicht eine Kopfrumpflänge von 65 bis 105 Zentimetern und eine Schwanzlänge von 17 bis 26 Zentimetern. Mit einem Gewicht von bis zu 32 Kilogramm werden Männchen deutlich schwerer als Weibchen, die 20 Kilogramm erreichen können. Der massive Kopf und die kräftigen Gliedmaßen erwecken einen deutlich kompakteren und kräftigeren Eindruck als bei anderen Mardern. Die Ohren sind relativ klein, der Schwanz ist kurz und buschig. Das lange, dichte Fell ist dunkelbraun oder schwärzlich gefärbt, charakteristisch ist eine gelbliche oder hellbraune Bandzeichnung, die sich von den Schultern über die Seiten des Rumpfes erstreckt und sich über der Schwanzwurzel wieder vereint.
Verbreitung und Lebensraum
Der Vielfraß ist über die Taiga- und Tundragürtel der nördlichen Halbkugel verbreitet. Sein heutiges Verbreitungsgebiet umfasst Skandinavien, das nördliche Sibirien, Alaska, weite Teile Kanadas und vereinzelte Populationen im Nordwesten der Vereinigten Staaten. In geschichtlicher Zeit war er auch weiter südlich heimisch, so in Polen, im Baltikum oder in Deutschland beziehungsweise in etlichen Regionen der Vereinigten Staaten, wo sich sein Verbreitungsgebiet bis Kalifornien und Pennsylvania erstreckte. Aus diesen Gegenden wurde er durch menschliche Bejagung vertrieben.
Am häufigsten sind Vielfraße in den borealen Nadelwäldern vorzufinden, doch auch in den baumlosen Mooren der Tundra und in Gebirgsregionen sind sie weit verbreitet.
Lebensweise
Vielfraße sind vorwiegend nachtaktiv, im Norden ihres Verbreitungsgebietes halten sie während der Polartage und -nächte einen alternierenden Rhythmus mit jeweils drei- bis vierstündigen Schlaf- und Aktivitätszeiten. Zur Ruhe ziehen sie sich in Nester zurück, die sie aus Gräsern und Blättern in Höhlen, Felsspalten oder unter gefallenen Bäumen errichten. Manchmal beziehen sie auch Baue anderer Tiere oder legen Höhlen im Schnee an. Sie sind in erster Linie Bodenbewohner, können aber auch gut klettern und schwimmen. Sie sind zwar nicht sehr schnelle, aber ausdauernde Läufer, die 10 bis 15 Kilometer ohne Pause zurücklegen und in einer Nacht Distanzen bis zu 45 Kilometern bewältigen können. Sie halten keine Winterruhe, wandern im Winter aber manchmal in tiefergelegene oder südlichere Regionen ab.
Wie die meisten Marder leben Vielfraße einzelgängerisch. Es sind territoriale Tiere, die ihr Revier oder zumindest ihr derzeitiges Aufenthaltsgebiet mit dem Sekret ihrer Analdrüsen oder mit Urin markieren. Gegenüber gleichgeschlechtlichen Artgenossen sind sie in der Regel intoleranter als gegenüber Vertretern des anderen Geschlechts, ein Revier eines Männchens kann sich mit dem mehrerer Weibchen überlappen oder sogar gänzlich überschneiden. Die Reviere sind verhältnismäßig groß und können im Winter 2000 Quadratkilometer umfassen.
Der Vielfraß ist ein ausgezeichneter Schwimmer. Er gilt als außergewöhnlich stark und angriffslustig und wurde sogar dabei beobachtet, Pumas oder Bären vom Riss zu vertreiben.
Nahrung
Im Sommer zeigt der Vielfraß ein ganz anderes Jagdverhalten als im Winter. In der warmen Jahreszeit betätigt er sich vor allem als Aasfresser, sucht aber auch nach Vogeleiern, Baumtrieben und Beeren. Nur selten reißt er junge Rentiere und Elchkälber, wenn er sie unbewacht antrifft.
Im Winter nutzt der Järv seine Überlegenheit gegenüber großen Säugetieren, da er sich ihnen auf dem Schnee fast geräuschlos nähern kann, ohne einzusinken. Seine Hauptbeute sind in dieser Zeit Schneehasen, Mäuse, Eichhörnchen und Schneehühner, gelegentlich aber auch junge Rentiere, Elche und sogar Luchse.
Früher wurden Schauergeschichten über seine Gefräßigkeit verbreitet: So berichtet Brehms Tierleben (allerdings mit Skepsis), dass er sich an Aas (nach einer alten Erzählung von Conrad Gesner sogar an einer Leiche) vollfresse und sich dann zwischen engstehenden Bäumen durchzwänge, um den Darminhalt möglichst rasch loszuwerden und sogleich weiterzufressen. Großen Tieren springt der Vielfraß angeblich auf den Rücken, um sie in den Nacken zu beißen, bis sie stürzen. Mit seiner 10-20 kN starken Bisskraft bricht er dann die Knochen der Tiere auf, um an das für andere Tiere nur schwer zu erreichende Knochenmark zu gelangen.[1]
Fortpflanzung
Die Paarung erfolgt in den Monaten April bis Juli, bedingt durch eine Keimruhe beginnt die eigentliche Tragzeit erst zwischen November und März. Nach rund 30- bis 40-tägiger effektiver Trächtigkeitsdauer bringt das Weibchen zwei bis vier Jungtiere zur Welt. Zu diesem Zweck legt es oft eine Schneehöhle an, in der die Jungtiere ihre ersten Lebenswochen verbringen. Neugeborene sind schneeweiß, blind und wiegen rund 90 bis 100 Gramm. Sie werden acht bis zehn Wochen gesäugt und verlassen die Mutter im Herbst. Nach einem Jahr erreichen sie ihre volle Größe, nach zwei bis drei Jahren werden sie geschlechtsreif. Die Lebenserwartung in freier Wildbahn beträgt acht bis zehn Jahre, in menschlicher Obhut können sie 17 Jahre alt werden.
Mensch und Vielfraß
Name
Der Name bezieht sich nicht auf die Ernährungsgewohnheiten, sondern ist eine volksetymologische Ableitung des altnordischen Fjellfräs, was so viel wie „Gebirgs-(Fjell)-Katze“ bedeutet. Namen, die auf Gefräßigkeit hindeuten, hat der Vielfraß auch in mehreren anderen Sprachen. Nicht zuletzt die wissenschaftliche Bezeichnung (Gulo gulo) nimmt Bezug auf die gefräßige, nordische Sagengestalt Gulon. Die englische Bezeichnung wolverine nimmt dagegen Bezug auf den Wolf, während in allen modernen skandinavischen Sprachen eine dem schwedischen „Järv“ analoge Bezeichnung verwendet wird.
Verfolgung
Die menschliche Bejagung des Vielfraßes und die damit verbundene Verkleinerung seines Verbreitungsgebietes hat zwei Gründe. Zum einen sieht man ihn als Nahrungskonkurrenten, Rentierzüchter fürchten ihn, da er manchmal ihr Vieh reißt. Aus diesem Grunde wurde er in Skandinavien bis in die jüngste Zeit gejagt. Außerdem dringt er manchmal auf der Suche nach Nahrung in Häuser ein, wo er den strengen Geruch seines Analdrüsensekretes verbreitet.
Der zweite Grund für die Bejagung war sein Pelz. Er galt früher als wertvoll, spielt heute aber im kommerziellen Pelzhandel keine Rolle mehr. Von arktischen Völkern wird er aber wegen seiner Kälteundurchlässigkeit immer noch geschätzt.
Verwendung und Symbolik
Die norwegische Kommune Bardu sowie Kittilä, eine Gemeinde in der finnischen Landschaft Lappland, führen einen Vielfraß im Wappen.
Der Vielfraß ist außerdem Maskottchen der „Michigan Wolverines“, des Verbundes der Sportmannschaften der University of Michigan. Auch in dieser Hinsicht ist der US-Bundesstaat Michigan dem Vielfraß verbunden: Eine hauptsächlich aus Detroiter Soldaten bestehende Brigade im US-Bürgerkrieg nannte sich „Wolverines“ und hin und wieder wird Michigan mit dem Beinamen „The Wolverine State“ versehen. Dies ist möglicherweise auf den Pelzhandel in Sault Ste. Marie im 18. Jahrhundert zurückzuführen.
Auch in Mythen verschiedener Indianerstämme spielt der Vielfraß eine wichtige Rolle.
Bestand und Schutz
Im nördlichen Mitteleuropa ist die Art ausgestorben, in Norwegen gibt es nur mehr eine kleine Population von 120 bis 150 Tieren, die streng geschützt ist. Die schwedische Vielfraßpopulation war so gut wie ausgestorben, wurde aber 1969 unter Schutz gestellt und konnte sich in den letzten Jahren auf rund 480 Tiere erholen, die hauptsächlich in Lappland und vereinzelt in Dalarna leben.[2] In Finnland hat sich der Bestand zwischen 1991 und 2007 fast verdoppelt und wird derzeit auf 150 bis 170 Individuen geschätzt.[3]
Im östlichen und südlichen Kanada sind Vielfraße ausgerottet worden, ebenso im größten Teil des Kerngebietes der Vereinigten Staaten, wo nur mehr vereinzelte Reliktpopulationen vorkommen. In Nordasien, dem nördlichen Kanada und Alaska sind sie noch häufiger, insgesamt gelten sie laut Weltnaturschutzunion IUCN als nicht gefährdet („Least Concern“). In Deutschland sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz und der Bundesartenschutzverordnung Handel und Einfuhr verboten, um die Bejagung in den verbliebenen natürlichen Lebensräumen nicht zu begünstigen.
Systematik
Die systematischen Beziehungen des Vielfraßes zu anderen Mardern sind nicht restlos geklärt. Aufgrund seiner Besonderheiten im Körperbau wird er manchmal in eine eigene Unterfamilie, Guloninae, gestellt. Genetische Untersuchungen stützen diese Sichtweise aber nicht, sondern ordnen ihn in die Mustelinae ein, möglicherweise ist sogar die Gattung der Echten Marder (Martes) ohne den Vielfraß paraphyletisch. Demnach könnte dieser ein enger Verwandter des nordamerikanischen Fischermarders sein.
Literatur
- John J. Flynn, John A. Finarelli, Sarah Zehr, Johnny Hsu, Michael A. Nedbal: Molecular phylogeny of the Carnivora (Mammalia). Assessing the impact of increased sampling on resolving enigmatic relationships. In: Systematic Biology. 54(2), 2005, S. 1–21. doi:10.1080/10635150590923326
Weiterführende Literatur
- Robert M. Inman , Audrey J. Magoun, Jens Persson, Jenny Mattisson: The wolverine's niche: linking reproductive chronology, caching, competition, and climate. In: Journal of Mammalogy 93 (3) S. 634-644. 2012 doi:http://dx.doi.org/10.1644/11-MAMM-A-319.1
Weblinks
- Gulo gulo in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2009. Eingestellt von: Abramov, A., Belant, J. & Wozencraft, C., 2009. Abgerufen am 24. Januar 2010.
Einzelnachweise
- ↑ Brehms Thierleben, 1. Aufl., 1. Bd. (1864), S. 516.
- ↑ Svenska Rovdjursföreningen (schwedisch)
- ↑ Finnish Game and Fisheries Research Institute: Lynx population doubled between 1994 and 2007 while the wolverine population grew more slowly. Meldung vom 3. Oktober 2008.