Weihrauch


Weihrauch-Harz

Weihrauch (von althochdeutsch wîhrouch ,heiliges Räucherwerk‘, zu wîhen ,heiligen, weihen‘), auch Olibanum, ist das luftgetrocknete Gummiharz, das aus dem Weihrauchbaum gewonnen wird. Es wird sowohl kultisch als Räucherwerk als auch heilkundlich, d. h. in therapeutischer Absicht, verwendet. Der beim Verbrennen entstehende Rauch wird ebenfalls als Weihrauch bezeichnet.

Weihrauchharz ist grobkörnig bis stückig und von durchscheinend braun-gelber bis rötlich-brauner Farbe.

Gewinnung

Durch Anschneiden an Stamm und Ästen wird eine klebrig-milchige Flüssigkeit gewonnen, aus der durch Trocknung an der Luft das Weihrauchharz entsteht. Zwischen Ende März und Anfang April beginnt die Weihrauchproduktion, die über mehrere Monate andauert. Dabei werden den Bäumen Schnitte an Stamm und Ästen zugefügt. Der erste Erntevorgang ergibt nur ein sehr minderwertiges Harz, welches früher weggeworfen wurde, heute allerdings vermarktet wird. Erst drei Wochen später wird eine annehmbare Qualität geerntet, die mit den weiteren Wochen immer besser und reiner wird. Die Harzausbeute pro Baum hängt von Alter, Größe und Zustand des Baumes ab und liegt zwischen 3 und 10 kg. Die Weihrauchbäume sind in ihrem Bestand stark bedroht.[1]

Zusammensetzung

Weihrauch besteht aus einem Gemisch aus ätherischen Öl, Harzen, Schleim und Proteinen, deren Mengen artabhängig schwanken. Der Anteil an reinem Harz beträgt etwa 50 bis 70 %.

So enthält etwa der in der indischen Ayurvedamedzin traditionell verwendete und auch im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) geführte aus dem Salaibaum (Boswellia serrata) gewonnene „Indische Weihrauch“:

  • circa 5–9 % ätherisches Öl (α-Thujen, β-Myrcen, p-Cymol, Methyleugenol u. a.)
  • circa 15–16 % Harzsäuren (z. B. Boswelliasäuren, Lupansäuren und Tirucallensäuren[2]; mindestens je 1 % 3-O-Acetyl-11-keto-β-boswelliasäure (AKBA) und 11-Keto-β-boswelliasäure (KBA))
  • circa 20 % Schleimstoffe

Kultische Verwendung

Weihrauch auf Kohle

Weihrauch war schon bei den alten Ägyptern für kultische Zwecke, bei der Mumifizierung herausragender und vermögender Personen und zumindest in begüterteren Kreisen im Alltag als aromatisches, desinfizierendes und entzündungshemmendes Räuchermittel und Heilmittel in Gebrauch. Es entwickelt beim Verglühen (Räuchern) einen aromatisch duftenden Rauch und wird in verschiedenen Religionen (z. B. der katholischen und orthodoxen Kirche) seit Mitte des ersten Jahrtausends bis heute bei Kulthandlungen verwendet, meist vermischt mit anderen Räuchermitteln wie Benzoe, Myrrhe, Galbanum, Zistrose, Styrax, Lorbeer etc. Früher wurden auch andere Räucherharze als Weihrauch bezeichnet.

Ursprünge

Der Rauch und der Duft, die sich beim Verbrennen von Weihrauch entwickeln, machten den Weihrauch von alters her zu einer Komponente bei kultischen Vollzügen. Historisch wird die Verwendung von Weihrauch im Christentum auf die Parallele im Kult der Israeliten zurückgeführt, in deren Tempel zweimal täglich Ketoret verbrannt wurden. Ursprünglich aus dem kanaanäischen Räucherkult stammend, wurde der Weihrauch im alten Israel zunächst als „Neuerung“ abgelehnt. Erst später fand er Eingang im Tempel-Gottesdienst. Spätestens im nachexilischen zweiten Tempel von Jerusalem (ab etwa 540 v. Chr.) befand sich vor dem Vorhang des Allerheiligsten der Rauchopferaltar, an dem morgens und abends ein Rauchopfer dargebracht wurde.

In den verschiedenen Epochen der ägyptischen Pharaonen wurde Weihrauch bei vielen Kulthandlungen und bei der Mumifizierung verwendet. So nannten die alten Ägypter die Harzperlen des Weihrauchs den „Schweiß der Götter“. Viele andere antike Religionen und der orientalische und römische Herrscherkult kannten den Weihrauch. Während der republikanischen Zeit ersetzte bei den Römern das Verbrennen von Weihrauch die alten, vorgeschriebenen Opfer. Bei Bitt- und Dankesgebeten ließ man die Weihrauchkörner in speziell dafür bestimmten Gefäßen, acerra, im Feuer verbrennen. Kaisern und Statthaltern wurde beim Einzug in eine Stadt Weihrauch vorangetragen – als Zeichen der Huldigung, aber auch zur Verdrängung des Kloakengestanks. Die römischem Kaiser ließen sich als Dominus et deus „Herr und Gott“ verehren und verlangten Rauchopfer vor ihrem Bild.

Die frühen Christen lehnten diese göttliche Verehrung des Kaisers ab und mussten dafür Verfolgungen erdulden. Aus diesem Grunde war der Weihrauch in der christlichen Liturgie zunächst verpönt; die Kirchenväter sprachen sich explizit dagegen aus. Bei kirchlichen Begräbnisfeiern wurde der Weihrauch allerdings auch von Christen verwendet. Erst mit zeitlichem Abstand zur den Christenverfolgungen im Römischen Reich und mit der Übernahme von Elementen des römischen Kaiserkultes in den christlichen Gottesdienst wurde der Weihrauch akzeptiert.

Ausschlaggebend war die Förderung des Christentums durch Kaiser Konstantin und in der damit einhergehenden Änderung der Organisation der Hierarchie der Kirche. Die Geistlichen, vor allem die Bischöfe, erhielten einen völlig neuen Rechtsstatus. Sie waren nun Reichsbeamte geworden und zwar in einer sehr hohen Stellung. Dazu erhielten die Bischöfe 318 von Konstantin den Auftrag, in bestimmten Zivilprozessen höchstinstanzlich Recht zu sprechen. Mit dieser Rangerhöhung ging wohl auch das Recht auf die dazugehörigen Statussymbole einher. Daher ist wohl auch der Brauch zu erklären, beim Einzug des Bischofs Leuchterträger und Weihrauchfassträger vorauszuschicken. Das ist die Form, in der uns der Weihrauch zum ersten Mal in einer schriftlichen Quelle in der römischen Liturgie begegnet. Das Beräuchern des Altars war hingegen in Rom Mitte des neunten Jahrhunderts noch unbekannt. Die heutige Verwendung des Weihrauchs in der katholischen Kirche ist vor allem durch die gallikanische Liturgie in die römische eingedrungen. Das muss nicht heißen, dass diese spätere Entwicklung ausschließlich das Resultat karolingischer Liturgieveränderung war. Denn die gallischen Formen der westlichen Liturgie waren stark von Konstantinopel beeinflusst. Beispielsweise bringt die Liturgie von St. Denis viele direkte Zitate aus der griechischen Liturgie; darunter finden sich auch vier Formen der Inzens.

Auch privat war das regelmäßige Ausräuchern des Hauses mit verschiedenen aromatischen Mischungen in der Antike verbreitet. Im altägyptischen Totenkult wurde dem Weihrauch eine bannende (apotropäische) Wirkung gegen die Macht und den Geruch des Todes zugesprochen. Auch die Sumerer, Babylonier und Perser kannten den Weihrauch.

Katholische Liturgie

In der Liturgie der katholischen Kirche wird Weihrauch vor allem in der Heiligen Messe und in den Laudes und der Vesper des Stundengebets verwendet werden, außerdem zur Verehrung des Allerheiligsten, etwa bei Prozessionen oder der sakramentalen Andacht. Die eucharistischen Gaben und Gestalten sowie alle Christussymbole – wie der Altar, das Evangeliar, der bzw. die Priester, das Altarkreuz, die Osterkerze und die Weihnachtskrippe – und die Gläubigen werden mit einem Weihrauchfass beweihräuchert (inzensiert). Bei der Begräbnisfeier werden auch der Sarg und das offene Grab mit dem Sarg darin inzensiert, mit den Worten „Dein Leib war Gottes Tempel. Der Herr schenke Dir ewige Freude.“ Symbolisch steht der Weihrauch zunächst für Reinigung, Verehrung und Gebet. Nach Psalm 141 und weiteren Bibeltexten, etwa Offb 8,3, bezeichnet er das zu Gott aufsteigende Gebet der Gläubigen.

Die mindestens seit 1570 geltende Vorschrift, im Hochamt Weihrauch verwenden zu müssen, ihn aber ansonsten nicht verwenden zu dürfen, machte den Weihrauch zu einem Merkmal der Festlichkeit. Seit 1970 kann Weihrauch wieder – wie in den Ostkirchen seit je üblich – in allen Heiligen Messen verwendet werden. Dadurch kommen seine symbolischen Bezüge wieder deutlicher zur Geltung.

Die katholische Liturgie macht mit der Weihrauchverwendung zudem deutlich, dass der Mensch eine Einheit aus Leib und Seele ist. Der Gottesdienst ist ein Gottesdienst für alle Sinne, auch für das Auge und den Geruchssinn. Weil Gottes Wort in Jesus Christus Mensch geworden ist (Inkarnation „Fleischwerdung“), muss sich auch der Gottesdienst leiblich erfahrbar ausdrücken (inkarnatorisches Prinzip). Weihrauch gilt daher auch als ein Zeichen der Gegenwart Gottes bzw. des Wehens des Heiligen Geistes: Nach katholischer Lehre ist Jesus Christus als wahrer Gott und wahrer Mensch in den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein wahrhaft und dauerhaft gegenwärtig.

Andere Liturgien

Unter den evangelischen Kirchen zählen die evangelisch-lutherischen Kirchen den Gebrauch von Weihrauch als unverbindliche Zeremonie zu den Adiaphora. Zum Teil mit der katholischen Lehre vom Messopfer verbunden, wurde sein Gebrauch im Zeitalter der Aufklärung zurückgedrängt. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts verschwand er fast völlig aus dem evangelisch-lutherischen Gottesdienst. In neuerer Zeit wird zuweilen wieder Weihrauch in Anlehnung an Psalm 141 als Zeichen des Gebetes verwendet. Wie fast aller sinnlicher Schmuck des Gottesdienstes wurde der Weihrauch in den reformierten Kirchen von Beginn an abgelehnt.

In der orthodoxen Liturgie, z. B. im byzantinischen Ritus und in der orientalischen Liturgie, wird Weihrauch als Duft des Himmels verwendet. Nach alter orientalischer Vorstellung ist eine Gottesbegegnung mit einem Dufterlebnis verbunden. In den slawisch-orthodoxen Kirchen enthält die Räuchermischung allerdings oft hauptsächlich Benzoe und wenig oder keinen eigentlichen Weihrauch.

Weihrauchstraße

In der Antike war Weihrauch ein hochbezahltes und begehrtes Handelsgut und wurde auf der Weihrauchstraße (Oman-Jemen-Hedschas-Gaza-Damaskus) und im Fernhandel bis in fast alle Gegenden der alten Welt gehandelt und spielte in den allermeisten Religionen und Kulturen der damaligen Zeit eine Rolle. Der Ursprung des Weihrauchs wurde geheim gehalten und die Handelswege überwacht.

Gesundheitliche Risiken

Weihrauch enthält (genauso wie Tabakrauch) den krebserregenden Stoff Benzo[a]pyren. Eine taiwanische Studie fand in einem Tempel in Tainan eine Benzo[a]pyren-Konzentration, die 40-mal so hoch war wie in tabak-verrauchten Wohnungen.[3] Vergleichbare asiatische Studien gehen allerdings von den dort verwendeten Räucherstäbchen aus, an denen der Weihrauch mittels eines Bindemittels fixiert ist. Vermutlich ist es dieses Bindemittel, das die erhöhten Schadstoffwerte verursacht. Für Kirchen hierzulande konnte jedenfalls nichts Vergleichbares nachgewiesen werden.[4] Eine dem Passivrauchen vergleichbare Gefährdung erscheint aufgrund der Zusammensetzung des Rauches aber plausibel. In einer Studie wurde die Feinstaubbelastung in einer bayerischen Kirche gemessen; sie entsprach der Belastung einer vielbefahrenen Straße oder einer verrauchten Kneipe.

Heilkunde

Im Altertum waren Medizin und Religion eng verbunden. Spuren davon sind noch heute in der Sprache zu finden: Wenn etwas heilt, dann ist es heil-ig. Erste Hinweise auf die Verwendung von Weihrauch finden sich in dreieinhalbtausend Jahre alten Texten aus dem Niltal. Die Ägypter nutzten Weihrauch für den guten Geruch der Luft, für Salben und zur Wundbehandlung. Vor dreitausend Jahren gab es bereits feste Handelswege, die Weihrauchstraßen, die das kostbare Harz einerseits aus Somalia und Äthiopien, andererseits aus Indien und den Ländern am Roten Meer nach Ägypten und Mesopotamien brachten. Auch das spätere römische Imperium war ein großer Abnehmer von Weihrauch. Hippokrates und andere griechisch-römische Ärzte setzten Weihrauch zur Wundreinigung, gegen Krankheiten der Atemwege und bei Verdauungsproblemen ein. Über die Wirkungsmechanismen war nichts bekannt, aber die praktischen Erfolge waren wohl zahlreich genug, dass das teure Mittel auch noch im Mittelalter als Medizin eingesetzt wurde, so auch von Hildegard von Bingen.

Erst die Entwicklung chemisch-synthetischer Arzneistoffe, vor allem in den Klassen der Antibiotika und Kortikoide, ließ Weihrauch als Arzneimittel in Vergessenheit geraten. Im Zusammenhang mit der Rückbesinnung auf Naturheilmittel sowie durch Förderung der Naturheilmittelforschung konnte die medizinische Forschung intensiviert werden. An der Universität Jena werden Zielstrukturen auf molekularer und zellulärer Ebene erforscht, um pharmakologische Wirkungen des Weihrauchs therapeutisch nutzbar zu machen.[5]

Traditionelle afrikanische Medizin

Die Swahili verwendeten Weihrauch gegen zu geringe Harnausscheidung. In Ostafrika wurde Weihrauch traditionell gegen Krankheiten wie Syphilis, Bilharziose und Magenleiden eingesetzt. Die Wirksamkeit ist nicht belegt, die Art der Anwendung und die Dosierung sind nicht bekannt.[6]

Traditionelle orientalische Heilkunde

In der traditionellen orientalischen Heilkunde, beispielsweise im Kanon der Medizin, der „Qanun al-Tibbvom“ des persischen „Hakim“ Avicenna, welcher in der Region dort heute unter dem Namen „Abu Ali Senna“ (persisch ابو علی سینا - Abū ʾAlī Sīnā) bekannt ist, wird die innere Anwendung von Weihrauchharzperlen (Boswellia serrata, Boswellia sacra) zur „Stärkung des Geistes und des Verstandes“ empfohlen. Ergebnisse einer Studie, die eine außerhalb des Orients bislang unbekannte Wirkung in Form einer Steigerung der Lern- und Gedächtnisleistung in Tierversuchen nahelegen, sind zwar auf einem Kongress vorgestellt worden[7], haben Medienecho hervorgerufen[8] und werden zur Vermarktung von Weihrauchpräparaten bemüht, sind aber bislang nicht in einer wissenschaftlichen Publikation außerhalb des Irans[9] veröffentlicht worden.

Indische Ayurvedamedizin

In der indischen Ayurvedamedizin wird Weihrauch („Salai Guggal“) bereits seit ca. 5000 Jahren volksheilkundlich verwendet, etwa bei rheumatischen Erkrankungen.

Klassische europäische Naturheilkunde

In der klassischen europäischen Naturheilkunde wurde der Weihrauch hauptsächlich zur Linderung von rheumatischen Erkrankungen eingesetzt. So war Weihrauch noch 1850 zur inneren und äußeren und 1870 lediglich zur äußeren Anwendung in pharmakologischen Büchern zu finden. Nach 1875 geriet der Weihrauch durch das Aufkommen chemisch definierter Medikamente in Vergessenheit.

Moderne Medizin

In der modernen Medizin werden Präparate aus dem Weihrauch mit standardisiertem Wirkstoffgehalt in der Therapie chronisch entzündlichen Erkrankungen, wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa oder Polyarthritis untersucht.[10] Erste klinische Studienergebnisse lassen eine Wirksamkeit von Weihrauchpräparaten bei Morbus Crohn[11] und Colitis ulcerosa,[12] vermuten. Zu Therapieversuchen bei Asthma bronchiale[13] und rheumatoider Arthritis liegen bislang nur Einzelfallberichte und Pilotstudien vor, aus denen sich keine ausreichend sicheren Wirksamkeitsnachweise ableiten lassen. So konnten 1994 vorgestellte Studienergebnisse aus einer Behandlung der Polyarthritis (Rückgang von Schmerzen, Gelenksteife und Schwellungen)[14] nicht bestätigt werden; so ergab etwa eine randomisierte doppeltblinde Studie keinen Vorteil gegenüber Placebo.[15] Lediglich bei der Behandlung der Kniearthritis konnte in einer kleinen randomisierten doppeltblinden Studie an 30 Patienten eine signifikante schmerzlindernde und abschwellende Wirkung des Weihrauchpräparates H15 der indischen Firma Gufic im Vergleich zu Placebo nachgewiesen werden.[16] Die Langzeitwirkungen der Einnahme von Weihrauch sind noch nicht untersucht. Meldungen über Nebenwirkungen basieren auf Einzelfallberichten und stehen nicht unbedingt in einem kausalem Zusammenhang.[17] Darüber hinaus konnten für Boswelliasäuren in vitro antiproliferative Effekte auf verschiedene Tumorzelllinien (z.B. Melanome, Glioblastome, Leberkarzinome) gezeigt werden, die auf einer Induktion von Apoptose beruhen. Eine positive Wirkung von Weihrauchpräparaten auf das Begleitödem von Hirntumoren ist zwar in kleineren klinischen Studien beschrieben worden;[18] die Ergebnisse sind aufgrund methodischer Mängel jedoch umstritten.[19] Als Hauptwirkstoff werden die im indischen Weihrauch enthaltenen Boswelliasäuren angesehen.

Der indische Weihrauch ist als pflanzlicher Arzneistoff im europäischen Arzneibuch beschrieben, zugelassene Fertigarzneimittel gibt es in den EU-Ländern keine, abgesehen von homöopathischen Zubereitungen. Apotheken können in Deutschland auf Verordnung oder Kundenwunsch Weihrauchkapseln als Rezepturarzneimittel herstellen. Da bis dato nur der indische Weihrauch im Arzneibuch geführt ist, dürfte auch nur dieser für arzneiliche Zwecke verwendet werden; andere Weihrauchsorten (z. B. der afrikanische Weihrauch (Boswellia sacra, Olibanum) können aufgrund fehlender Monographien somit nicht für arzneiliche Verwendungen untersucht werden. In der Schweiz existiert aufgrund von Übergangsregelungen noch eine bis 2013 kantonal gültige Zulassung (H15 Ayurmedica) in Appenzell. Beurteilungen der Kommission E oder des Ausschusses der Europäischen Arzneimittelagentur liegen keine vor. Die ESCOP beschreibt den alkoholischen Trockenextrakt aus indischem Weihrauch für die Behandlung der schmerzhaften Arthrose in Dosen von 250 mg bis 1200 mg/Tag bzw. von 900 mg bis 3600 mg/Tag zur Therapie der chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen(Kinder > 12 Jahre).[17]

Bei der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA wurde die gesundheitsbezogene Bewerbung (Health Claim) „Gelenk-Gesundheit“ für weihrauchhaltigen Lebensmittel beantragt,[20] wobei das Bundesministerium für Verbraucherschutz Weihrauch eher dem Arzneimittelbereich zuordnet (Liste B).[21][22] Auch haben bereits einzelne Überwachungsbehörden Kapselpräparate mit dem Extrakt aus Indischem Weihrauch wegen ihrer objektiven Zweckbestimmung, teilweise sogar ausdrücklich durch die Vertriebsunternehmen zur therapeutischen Anwendung beworben, als Arzneimittel eingestuft.[23]

Wirkmechanismen

1991 fanden der Tübinger Pharmakologe Hermann Ammon und seine Mitarbeiter in dem Harz den entzündungshemmenden Wirkstoff Acetyl-11-keto-ß-boswelliasäure (AKBA). Acetyl-11-keto-ß-boswelliasäure greift in den Entzündungsprozess ein, indem es vermutlich die Leukotrienbiosynthese reduziert.[24]

Nach einer 2012 erschienenen Studie aus dem Arbeitskreis von Oliver Werz (Universität Jena, früher Universität Tübingen) verringern Boswelliasäuren die Entzündungsreaktion indem sie die Synthese von Prostaglandin E2 unterbinden. Prostaglandin E2 ist für die Vermittlung der Immunantwort zuständig. Boswelliasäuren hemmen das für dessen Synthese zuständige Enzym. Extrakte aus dem Harz der Art Boswellia papyrifera erwiesen sich dabei als besonders wirksam – diese kommt vorwiegend im Nordosten Afrikas (Äthiopien, Somalia, Eritrea) und auf der arabischen Halbinsel (Jemen, Oman) vor.[1] Problematisch sei, dass sich Boswelliasäuren nur schwer synthetisch herstellen ließen, zugleich Weihrauchbäume als deren einzige natürliche Ressource in ihrem Bestand aber stark bedroht seien.[1]

Aktuelle Studien[25][26] zeigen, dass die in vivo-Konzentrationen von 3-OH-11-keto-ß-boswelliasäure (KBA) und 3-O-Acetyl-11-keto-ß-boswelliasäure (AKBA), die für die in vitro-Hemmung der 5-Lipoxygenase[27] benötigt werden, zu gering sind.

Tierversuche und in vitro-Studien zeigen, dass definierte Weihrauchextrakte wirksamer sind als isolierte Boswelliasäuren oder gemahlenes (= pulverisiertes) Weihrauchharz. In dem Zusammenhang wird die Wirkung der 3-Oxo-8,24-dien-tirucallensäure kontrovers diskutiert. Dieses tetrazyklische Triterpen lieferte in Laboruntersuchungen mit polymorphkernigen Leukozyten widersprüchliche Ergebnisse. So wurde bei niedrigen Konzentrationen die Leukotrienbiosynthese verstärkt und in höheren Dosen diese wiederum reduziert.[24]

Psychoaktive Inhaltsstoffe

Incensol, ein weiterer Inhaltsstoff des Weihrauchharzes und im Weihrauch zu im Schnitt 2,7 %[28] enthalten, zeigte im Tiermodell Effekte, die einer angstlösenden und antidepressiven Wirkung ähnlich waren.[29] Incensol ist ein wirkungsvoller Agonist des Transient receptor potential vanilloid-3-Kanals (TRPV3), eines Ionenkanals, der in der Haut an der Wahrnehmung von Wärmereizen beteiligt ist. TRPV3-mRNA wurde in Neuronen des Gehirns gefunden, jedoch ist bislang unklar, welche Rolle TRPV3-Kanäle dort spielen. Eine antidepressive Wirkung des Incensols im menschlichen Gehirn wurde bislang nicht nachgewiesen. Im Bundesforschungsprojekt der Universitäten in Tübingen und Saarbrücken mit AureliaSan GmbH (Bisingen) zeigte sich, dass Incensol extrem instabil ist und die Abbauprodukte von Incensol bzw. Incensolacetat wirksamer sind als die beiden Reinsubstanzen.[30][31]

Auf das Buch Weihrauch und Myrrhe von 1988 geht die Annahme zurück, dass Weihrauch das in Cannabis vorkommende Psychotrop Tetrahydrocannabinol (THC) enthalte. Laut den Autoren, zwei DDR-Toxikologen und einem BRD-Ethnologen, kommt die Entstehung von THC in Betracht, wenn sich die beiden Inhaltsstoffe Verbenol und Olivetol durch Verbrennung miteinander verbinden.[32] Trotz umfassender Versuche konnte diese These in der Praxis jedoch nicht bestätigt werden, weshalb ein entsprechender Zusammenhang als unwahrscheinlich gilt.[33][34][35]

Ätherisches Weihrauchöl

Das ätherische Öl wird mittels Wasserdampf-Destillation aus dem Harz gewonnen. Seine Inhaltsstoffe sind zu 75 % Monoterpene, Sesquiterpene, Monoterpenole, Sesquiterpenole und Ketone. Arabisches Weihrauchöl hat einen vollen balsamischen und süßen Duft, während das indische Weihrauchöl ausgesprochen frisch riecht.

Parfümerie: Olibanum zeichnet sich durch einen balsamisch-würzigen, leicht zitronigen und typischen Weihrauchduft aus mit leicht koniferigen und kienigen Untertönen. Es wird nicht nur in der Parfumindustrie verwendet, sondern auch in Kosmetikprodukten und Arzneimitteln.

Siehe auch

Literatur

  • Klaus D. Christof, Renate Haass: Weihrauch, der Duft des Himmels. Röll, Dettelbach 2006, ISBN 3-89754-252-8.
  • Susanne Fischer-Rizzi: Botschaft an den Himmel. Anwendung, Wirkung und Geschichten von duftendem Räucherwerk (= Heyne-Bücher. 13, Heyne esoterisches Wissen. Esoterische Heilverfahren. 9796). Heyne, München 1999, ISBN 3-453-15504-1.
  • Heidelore Kluge, Charles Fernando: Weihrauch, Gold und Myrrhe. Nutzen Sie die Heilschätze der Natur. Haug, Heidelberg 1999, ISBN 3-7760-1751-1.
  • Heidelore Kluge, R. Charles Fernando: Weihrauch und seine heilende Wirkung. Haug, Heidelberg 1998, ISBN 3-7760-1720-1.
  • Michael Pfeifer: Der Weihrauch. Geschichte, Bedeutung, Verwendung. Pustet, Regensburg 1997, ISBN 3-7917-1566-6.
  • Ralph Regensburger: Weihrauch. Duft der Erkenntnis Christi. Eine Hilfestellung zum Hintergrund und Gebrauch des Weihrauchs in der Liturgie. Regensburger, Berchtesgaden 2008, ISBN 978-3-00-024715-6, - Weihrauch - Duft der Erkenntnis Christi – online (PDF; 35 KB).
  • Christiane Thomas: Die Gabe des Königs aus dem Morgenland. In: Naturel. Eintauchen ins Leben. Nr. 12, 2003, ZDB-ID 2480282-7, S. 12ff., Die Gabe des Königs aus dem Morgenland – Autor:Christiane Thomas (02.12.2003).
  • Jürgen Tubach, Peter Wünsche: Weihrauch, I.  Religionsgeschichtlich, II.  Praktisch-theologisch. In: Gerhard Müller (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie. Band 35: Vernunft III – Wiederbringung aller. de Gruyter, Berlin u. a. 2003, ISBN 3-11-017781-1, S. 472–477.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Mitteilung des Instituts für Pharmazie der Friedrich-Schiller-Universität Jena: Weihrauch als Heilmittel. Pharmazeuten klären entzündungshemmende Wirkung von Boswelliasäuren auf, Oliver Werz, Juli 2012.
  2. Isolierung und Strukturaufklärung von entzündungshemmenden Inhaltsstoffen aus Weihrauchharz, Seitz S., Dissertation (2008), Universität des Saarlandes
  3. Ta Chang Lin u. a.: Environmental Exposure to Polycyclic Aromatic Hydrocarbons and Total Suspended Particulates in a Taiwanese Temple. In: Bulletin of Environmental Contamination and Toxicology. Band 67 (2001), S. 332–338, Zusammenfassung online auf Incense burning releases cancer-causing chemicals – newscientist.com
  4. Michael Plank, Sinnesrausch oder Gotteserlebnis, in: Heiliger Dienst 55 (2001) 281-292, „Sinnesrausch oder Gotteserlebnis“ – Weihrauch als Droge?
  5. Friedrich-Schiller-Universität Jena, Lehrstuhl für Pharmazeutische/Medizinische Chemie: Forschungsgebiet 2-Molekulare und zelluläre Funktionsweisen von Naturstoffen und Entwicklung als anti-inflammatorische und anti-neoplastische Arzneistoffe, abgerufen am 23. Dezember 2012.
  6. Hermann Hager, W. Blaschek, R. Hänsel, K. Keller: Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis. Springer, Berlin 1998, ISBN 3-540-61619-5 Drogen A–K
  7. Phytopharmaka und Phytotherapie 2004. Gemeinsame Tagung der Deutschen Gesellschaft für klinische Pharmakologie und Therapie, der Gesellschaft für Phytotherapie und der Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung. Berlin, 26.–28.2.2004. Abstract-Band, S. 86 Phytopharmaka und Phytotherapie 2004 - Forschung und Praxis - Abstracts (Memento vom 12. Juli 2006 im Internet Archive)
  8. ZDF.de: Avicennas Lehren – Stärkung durch Weihrauch (Memento vom 1. August 2004 im Internet Archive)
  9. H. Alaei et al.: Effects of the abstract of oliban on learning and memory. In: The journal of Qazvin University of Medical Science & Health Science, 1999, FENS Forum 2002 – Abstract
  10. H. Ammon: Salai-Guggal-(Indischer Weihrauch-) Gummiharz aus Boswellia serrata: Boswelliasäuren als Nicht-Redoxhemmstoffe der Leukotrienbiosynthese – Neue therapeutische Möglichkeit? In: Dtsches Arzteblatt 1998, Nr. 95(1-2): A-30 / B-21 / C-21
  11. H. Gerhardt, F. Seifert, P. Buvari, H. Vogelsang, R. Repges: Therapie des aktiven Morbus Crohn mit dem Boswellia-serrata-Extrakt H 15. In Z. Gastroenterol. 39 (20019, S. 11–17.
  12. Gupta et al.: Effects of Boswellia serrata gum resin in patients with ulcerative colitis. Eur J Med Res. 1997;2:37-43. PMID 9049593
  13. Gupta et al.: Effects of Boswellia serrata gum resin in patients with bronchial asthma: results of a double-blind, placebo-controlled, 6-week clinical study. Eur J Med Res. 1998;3(11):511-4.PMID 9810030
  14. Letzel et al.: Klinische Wirksamkeit des Weihrauchpräparates H15 bei rheumatischer Arthritis: Ein neues Therapieprinzip durch spezifische 5-Lipoxygenase-Inhibition? 26. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, Berlin, 1994.
  15. Sander et al.: Ist H15 (Harzextrakt von Boswellia serrata, ‘Weihrauch’), eine sinnvolle Ergänzung zur etablierten medikamentösen Therapie der chronischen Polyarthritis? —Ergebnisse einer doppelblinden Pilotstudie. Z Rheumatol. 1998;57:11-6 PMID
  16. Kimmatkar et al.: Efficacy and tolerability of Boswellia serrata extract in treatment of osteoarthritis of knee--a randomized double blind placebo controlled trial. Phytomedicine. 2003;10:3-7. PMID 12622457
  17. 17,0 17,1 Olibanum indicum - Indian Frankincense, in: ESCOP Monographs, 2nd Edition Supplement, 2009, S. 184 ff.
  18. Böker & Winkling: Die Rolle von Boswellia-Säuren in der Therapie maligner Gliome. Deutsches Ärzteblatt 1997; 94:A-1197 Die Rolle von Boswellia-Säuren in der Therapie maligner Gliome
  19. Warnke et al.: Die Rolle von Boswellia-Säuren in der Therapie maligner Gliome: Methodische Mängel. In: Deutsches Ärzteblatt 1998, Nr. 95: A-220 Die Rolle von Boswellia-Säuren in der Therapie maligner Gliome: Methodische Mängel
  20. Consolidated list of Article 13 health claim - List of references received by EFSA, Part 4, IDs 3001 – 4262
  21. Entwurf einer Liste für die Kategorie „Pflanzen und Pflanzenteile“
  22. Vorwort zur Stoffliste der Kategorie „Pflanzen und Pflanzenteile“
  23. z. B. Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe (CVUA) Karlsruhe: Weihrauch in Kapseln dient nicht nur einem kultischen Zweck, 2005.
  24. 24,0 24,1 S. E. Boden et al.: Stimulation of leukotriene synthesis in intact polymorphonuclear cells by the 5-lipoxygenase inhibitor 3-oxo-tirucallic acid. In: Mol Pharmacol Nr. 60, 2001, S. 267–273, PMID 11455013, Stimulation of Leukotriene Synthesis in Intact Polymorphonuclear Cells by the 5-Lipoxygenase Inhibitor 3-oxo-Tirucallic Acid. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Boden-Leukotriene Synthesis“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  25. P. Krüger et al.: Metabolism of Boswellic Acids in vitro and in vivo. In: Drug Metabolism and Disposition Bd. 36 (2008), Nr. 6, S. 1135-1142. doi:10.1124/dmd.107.018424
  26. Untersuchungen zur Bioverfügbarkeit von Boswelliasäuren in vitro und in vivo mittels LC-MS, Dissertation P. Krüger, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, 2008. Untersuchungen zur Bioverfügbarkeit von Boswelliasäuren in vitro und in vivo mittels LC-MS
  27. Safayhi et al.: Boswellic acids: novel, specific, nonredox inhibitors of 5-lipoxygenase. J Pharmacol Exp Ther. 1992;261(3):1143–6. PMID 1602379
  28. Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis
  29. A. Moussaieff, N. Rimmerman et al.: Incensole acetate, an incense component, elicits psychoactivity by activating TRPV3 channels in the brain. In: The FASEB journal (FASEB J.) 20. Mai 2008, PMID 18492727
  30. Chemotaxonomic Investigations on Resins of the Frankincense Species Boswellia papyrifera, Boswellia serrata and Boswellia sacra, respectively, Boswellia carterii: A Qualitative and Quantitative Approach by Chromatographic and Spectroscopic Methodology, Paul, M., Dissertation, Saarland University (2012) Chemotaxonomic Investigations on Resins of the Frankincense Species Boswellia papyrifera, Boswellia serrata and Boswellia sacra, respectively, Boswellia carterii
  31. Paul, M., Jauch, J.(2012) Efficient preparation of incensole and incensole acetate, and quantification of these bioactive diterpenes in Boswellia papyrifera by a RP-DAD-HPLC method., Nat Prod Commun. 2012 Mar;7(3):283-8 Efficient preparation of incensole and incensole acetate, and quantification of these bioactive diterpenes in Boswellia papyrifera by a RP-DAD-HPLC method.
  32. Viel Rauch um nichts. Die Zeit, 9. Oktober 2008, abgerufen am 13. Februar 2013.
  33. H. Safayhi: Wie der Haschisch in den Weihrauch kam. In: Pharmazeutische Zeitung 2001, Nr. 10 Wie der Haschisch in den Weihrauch kam
  34. Konflikte mit der Drogenfahndung. Focus Money, 20. Dezember 2007, abgerufen am 13. Februar 2013.
  35. Weihrauch ist eine Wissenschaft für sich. Focus Money, 17. Dezember 2011, abgerufen am 13. Februar 2013.

Film

Weblinks

Wiktionary: Weihrauch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Weihrauch – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

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