Werner Kollath


Werner (Georg) Kollath (* 11. Juni 1892 in Gollnow (Pommern); † 19. November 1970 in Porza (Lugano)) war ein deutscher Bakteriologe, Hygieniker und Ernährungswissenschaftler. Er gilt als ein Pionier der Vollwerternährung.

Leben

Werner Kollath wurde am 11. Juni 1892 in Gollnow als Sohn des praktischen Arztes Dr. med. Georg Kollath geboren. Er ging in Gollnow und in Stettin zur Schule und legte im Herbst 1911 die Reifeprüfung ab.

Kollath studierte Medizin in Leipzig, Freiburg im Breisgau, Berlin und Kiel. Während des Ersten Weltkrieges, zu dem er sich als Kriegsfreiwilliger meldete, diente er als Feldunterarzt. Nach dem Krieg setzte er sein Studium in Marburg fort. Er hat dort 1920 promoviert und erhielt seine Approbation zum Arzt.

1923 wurde er Assistent bei Richard Pfeiffer am Hygiene-Institut der Universität Breslau. 1926 erfolgte die Habilitation mit einer Arbeit über „Vitaminsubstanz und Vitaminwirkung. Eine Studie über Zusammenhänge zwischen Mineral- und Sauerstoffwechsel, Phosphatiden und ultraviolettem Licht, geprüft an den Wachstumsbedingungen des Influenzabazillus“. 1932 wurde Kollath zum außerordentlichen Professor der Uni Breslau ernannt und übernahm 1933/34 die Vertretung für den Lehrstuhl des Fachs Hygiene.

Karriere im NS-Staat

Obwohl er schon im April 1933 die Aufnahme beantragte, erfolgte seine Aufnahme in die NSDAP erst im Mai 1934 (Mitglieds-Nr. 3.522.586), da der erste Antrag verloren ging. Er war zudem Förderndes Mitglied der SS. Ab Oktober 1933 gehörte er dem Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB), dem NS-Dozentenbund, der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) und dem Reichsluftschutzbund an. Diese Angaben stehen auf Kollaths NSDAP-Mitgliedsausweis.[1]

1935 folgte er einem Ruf an die Universität Rostock und war als Professor für Hygiene und Bakteriologie und zugleich Direktor des Landesgesundheitsamtes tätig. Hier hielt er u. a. Vorlesungen über Rassenhygiene und setzte sich für die Einrichtung eines entsprechenden Lehrstuhls ein.[2] 1937 wurde er für ein Jahr Dekan der Medizinischen Fakultät und publizierte ein Lehrbuch für Hygiene unter dem Titel Grundlagen, Methoden und Ziele der Hygiene. Kollaths Hygienelehrbuch fand im Dritten Reich, wohl auch wegen der Ausführungen zur Rassenhygiene, die Zustimmung von Seiten der Behörden. Die Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums wählte es zu einem der 100 besten deutschen Bücher des Jahres 1936/37.[3] In diesem Buch heißt es unter anderem: „Die Schwierigkeiten auf hygienischem Gebiet lagen bisher darin, dass eine ausreichende Gesetzgebung, die z. B. die Ausschaltung Minderwertiger von der Fortpflanzung ermöglichte, in der Vergangenheit nicht bestanden hat.“[4] Seine Bejahung dieser NS-Gesetzgebung wird an anderer Stelle deutlich: „Eine höhere und edlere Form der Humanität ist erst durch die nationalsozialistische Gesetzgebung in Deutschland eingeführt durch die Sterilisationsgesetze“.[5]

1942 publizierte Kollath sein Hauptwerk Die Ordnung unserer Nahrung. Dieses Veröffentlichungsdatum deutet darauf hin, dass das Buch vom NS-Staat als ein "kriegswichtiges Buch" angesehen wurde.“[6] In Die Ordnung unserer Nahrung verwendete Kollath den Begriff Vollwertkost. Vollwertkost steht für eine Kost, die „alles enthält, was der Organismus zu seiner Erhaltung und zur Erhaltung der Art benötigt“. Was das Ernährungskonzept selbst anbelangt, griff er vor allem auf die Veröffentlichungen Bircher-Benners zurück. Kollath teilte alle Lebensmittel in sechs Wertstufen ein. Je geringer der Grad der Verarbeitung, desto höher galt die Wertigkeit. Pflanzliche Nahrung wird von ihm grundsätzlich höher bewertet als tierische, Rohkost höher als gekochte Nahrung. Kollath unterschied begrifflich auch zwischen nicht oder wenig verarbeiteten „Lebensmitteln“, die noch lebendig seien, und stärker verarbeiteten „Nahrungsmitteln“, die für ihn „tote Nahrung“ darstellten.[7]

Kollaths Engagement für den Nationalsozialismus hielt bis zum Frühjahr 1945 an. Vor der Kapitulation beteiligte er sich an Übungen des Volkssturms.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Aufgrund des Runderlasses vom Präsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Bereinigung der Verwaltung vom 30. August 1945 wurde Kollath wegen seiner Parteizugehörigkeit entlassen.“[8] Kollath widersprach der Entlassung mit der Behauptung, er sei kein „aktiver Faschist“ gewesen, sondern habe im Gegenteil sogar entgegengesetzte Auffassungen vertreten.

Als Oberseuchenkommissar blieb er bis 1946 im Amt. Rostock gehörte zur Sowjetischen Besatzungszone. Kollath erhielt von der SED eine Bescheinigung, dass er „nur nominelles Mitglied der NSDAP“ gewesen sei und bereits im Dezember 1945 einen Aufnahmeantrag für die KPD gestellt habe. „Ferner sei er als Parteianwärter in die SED aufgenommen‘ worden, was fälschlicherweise als Entnazifizierung bezeichnet wird.“[9] 1947 wurde er jedoch auch als Direktor des Landesgesundheitsamtes entlassen. Im März 1947 verließ Kollath heimlich die Sowjetische Besatzungszone – es handelte sich um eine vorher organisierte Flucht – und siedelte nach Hannover über, wo er als Lebensmittel-Chemiker und Berater für den Keksfabrikanten Bahlsen arbeitete, für den er im Zweiten Weltkrieg „Flieger-Abwurfnahrung“ geprüft hatte.[10]

1948 erschien die zweite veränderte Auflage seines Hygiene-Lehrbuchs. „Er tauscht die Rassenhygiene gegen Sozialhygiene, Goebbels gegen Goethe und streicht z. B. die Passagen über Hitler, über Auslese, Erbmasse und Zwangssterilisation.“[11]

1948 erhielt er den Entnazifizierungsbescheid (Kategorie IV, nach Einspruch Kollaths Kategorie V) und forschte von September 1948 bis Februar 1949 am Pathologischen Institut in Stockholm. 1950 veröffentlichte er das Buch Der Vollwert der Nahrung und seine Bedeutung für Wachstum und Zellersatz. Kollath spricht darin von einer „Vollwertlehre“. Er setzte sich auch nach 1950 für die Popularisierung der Vollwerternährung ein und arbeitete unter anderem am ersten Gesundheitsbrockhaus mit. Seit 1951 wurde das so genannte „Kollath-Frühstück“ über die Reformhäuser vertrieben, das im Wesentlichen aus Frischkornbrei bestand.

Während einer privaten Reise durch Chile wurde ihm eine Forschungsstelle für Hygiene an der Medizinischen Fakultät in Santiago de Chile angeboten, die Kollath aber ablehnte. Im April 1952 wurde er rückwirkend zum April 1951 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt und erhielt so wieder Dienstbezüge. Grundlage war angeblich ein amtsärztliches Gutachten. Von 1952 bis 1956 widmete sich Kollath Tierversuchen an der Uni München, um seine Hypothesen zur Mesotrophie durch nicht vollwertige Ernährung zu belegen.[12] Anerkennung fand Kollath für seine Arbeiten zur Ernährung in den 1950er und 1960er Jahren vor allem von der Internationale Gesellschaft für Nahrungs- und Vitalstoff-Forschung (IVG), dem Weltbund zum Schutz des Lebens und dem 1964 gegründeten Arbeitskreis Gesundheitskunde sowie von Alternativmedizinern.

Sein Buch „Die Ordnung unserer Nahrung“ gilt als Grundlage der Vollwerternährung und erschien im Jahre 2005 in der 17. Auflage. Kollath schrieb 326 wissenschaftliche Publikationen, darunter 28 Bücher. Die Werner-und-Elisabeth-Kollath-Stiftung mit Sitz in Bad Soden/Taunus widmet sich der Förderung ganzheitlicher wissenschaftlicher Ernährungs- und Gesundheitsforschung.[13]

Publikationen

  • Vitaminsubstanz oder Vitaminwirkung? Eine Studie über Zusammenhänge zwischen Mineral- und Sauerstoff-Stoffwechsel, Phosphatiden und ultraviolettem Licht, geprüft an den Wachstumsbedingungen des Influenzabazillus (Bazillus Pfeiffer), in: Zentralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten 100, 1926, 97-145.
  • Grundlagen, Methoden und Ziele der Hygiene. Eine Einführung für Mediziner und Naturwissenschaftler, Volkswirtschaftler und Techniker, Leipzig 1937.
  • Zur Einheit der Heilkunde, Stuttgart 1942 (Autobiographie).
  • Die Ordnung unserer Nahrung. Grundlagen einer dauerhaften Ernährungslehre, Stuttgart 1942.
  • Lehrbuch der Hygiene, 2 Bde., Stuttgart 1949.
  • Der Vollwert der Nahrung und seine Bedeutung für Wachstum und Zellersatz. Experimentelle Grundlagen, Stuttgart 1950.
  • Getreide und Mensch – eine Lebensgemeinschaft, Bad Homburg v. d. H. 1964

Literatur

  • Melzer, Jörg: Vollwerternährung. Diätetik, Naturheilkunde, Nationalsozialismus, sozialer Anspruch, Stuttgart 2003.
  • Spiekermann, Uwe: Der Naturwissenschaftler als Kulturwissenschaftler. Das Beispiel Werner Kollaths, in: Neumann, Gerhard/Wierlacher, Alois/Wild, Rainer (Hg.): Essen und Lebensqualität. Natur- und Kulturwissenschaften im Gespräch, Frankfurt a.M./New York 2001, 247-274.
  • Ströhle, Alexander: Rück- und Seitenblicke im Zeitalter der Ernährungsver(w)irrung, - Eine Hommage an Werner Kollath-, Köln 2009
  • Warning, Herbert: Kollath. Wissenschaftliche Arbeiten, Bad Homburg v.d.H. 1963
  • Watzl, Bernhard/Leitzmann, Claus: Eine Kommentierung der ernährungswissenschaftlichen Arbeiten von Werner Kollath, in: Kollath, Werner: Die Ordnung unserer Nahrung, 16. Aufl., Heidelberg 1998, 313-323.
  • Personalakte im Universitätsarchiv Rostock
  • Nachlass bei der Werner- und Elisabeth-Kollath-Stiftung, Bad Homburg.

Weblinks

Quellen

  1. Jörg Melzer, Vollwerternährung. Diätetik, Naturheilkunde, Nationalsozialismus, sozialer Anspruch, Stuttgart 2003, S. 216.
  2. Jörg Melzer 2003, S. 219.
  3. Jörg Melzer 2003, S. 215.
  4. Zitiert nach Jörg Melzer 2003, S. 214.
  5. Zitat bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 329.
  6. Jörg Melzer 2003, S. 249.
  7. Werner Kollath, Die Ordnung unserer Nahrung, 16. Aufl. 2005.
  8. Jörg Melzer 2003, S. 225f.
  9. Jörg Melzer 2003, S. 232.
  10. Jörg Melzer 2003, S. 268.
  11. Jörg Melzer 2003, S. 271.
  12. Jörg Melzer 2003, S. 279f.
  13. Stiftung http://www.eden-stiftung.de/kollath.html

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