Zytomegalie


Klassifikation nach ICD-10
B25 Zytomegalie
P35.1 Angeborene Zytomegalie
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Zytomegalie oder Cytomegalie ist eine Erkrankung, die durch das Humane-Zytomegalie-Virus (HZMV), auch Humanes-Cytomegalie-Virus (HCMV) oder Humanes-Herpes-Virus 5 (HHV 5) genannt, ausgelöst wird. Das Virus gehört zur Familie der Herpesviridae. Es bleibt nach einer Infektion lebenslang in den menschlichen Zellen. Selbst nach Beendigung der Erkrankung kann es noch wochenlang mit Speichel und Urin ausgeschieden werden.

Krankheitsverlauf und Symptome

Die Erstinfektion mit dem Humanen-Zytomegalie-Virus verläuft in 99 % ohne oder nur mit geringen Krankheitssymptomen, so dass die Betroffenen häufig von der Infektion nichts bemerken.

Von der Ansteckung bis zum eventuellen Auftreten von ersten Krankheitsanzeichen kann eine Zeit von zwei bis sechs Wochen vergehen. Da viele Infektionen unbemerkt bleiben, kann die Inkubationszeit bisher nicht genauer angegeben werden. In der Regel kommt es dann zu Fieber und einer Schwellung der Lymphknoten, es können aber auch Kopf- und Gliederschmerzen auftreten.

Bis zu 60 % der Gesunden sind Träger des HCMV und es bleibt lebenslang in lymphatischem Gewebe erhalten.

CMV-Infektionen während der Schwangerschaft

Ist das Humane-Zytomegalie-Virus für gesunde Erwachsene in der Regel harmlos, so stellt sich das Virus in der Schwangerschaft als besonders gefährlich dar und es kann für ungeborene Kinder sogar lebensgefährlich sein.

Die Infektion mit dem Zytomegalie-Virus (CMV) ist die häufigste Infektion, die während der Schwangerschaft von der Mutter auf den Fötus übertragen wird. Etwa 0,3 – 1 % aller Schwangeren infizieren sich mit dem Virus, und bei 40 % wird die Infektion auf das ungeborene Kind übertragen. Kommt es während des ersten oder zweiten Drittels der Schwangerschaft zu einer Infektion, so kann sie zu Fehlbildungen beim Kind führen. Besonders häufig treten diese am Herz-Kreislauf-System, Magen-Darm-Trakt, Skelett und den Muskeln auf. Daneben wurden Hepatosplenomegalie (Vergrößerung der Leber und der Milz), Petechien, ein Mikrozephalus, intrazerebrale Verkalkungen und Chorioretinitis [Entzündung der Aderhaut (Choroidea) und der Netzhaut (Retina)] beobachtet. Als Folge sterben allein in Deutschland jährlich etwa 60 Kinder, und mehr als 1000 werden mit CMV-bedingten Behinderungen geboren. Das Spektrum der Behinderungen reicht von Hörstörungen bis hin zu schweren geistigen Retardierungen mit einem Intelligenzquotient (IQ) unter 70. Die Letalität beträgt 12 bis 30 %. 9 von 10 überlebenden Kindern weisen Spätfolgen auf.

Für die Mutter ist die CMV-Infektion meist harmlos. Sie verläuft wie eine milde Grippe und wird daher oft nicht erkannt. Auffällig werden nur massive Infektionen, die beim Fötus im Ultraschall sichtbar werden. Eine Entscheidung über einen potentiellen Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation kann getroffen werden, nachdem ein positiver Ultraschallbefund (Mikrozephalie, intrazerebrale Verkalkungsherde u.ä.) und ein positiver Virusnachweis mittels PCR vorliegen. Bisher war dann der Schwangerschaftsabbruch die einzige „Therapie“, wobei diese Entscheidung oft zu einem vergleichsweise späten Zeitpunkt, nach der 20. Schwangerschaftswoche, gefällt werden musste.

Das Risiko während der Schwangerschaft eine CMV-Infektion zu erleiden betrifft Frauen, die „CMV-seronegativ“ sind, d.h. die noch keine CMV-Infektion durchgemacht haben. Um bei ihnen die CMV-Infektion rechtzeitig zu erkennen, müsste während der Schwangerschaft regelmäßig ein Test auf CMV-Antikörper (CMV-IgG) gemacht werden. Dieser Test ist noch kein Bestandteil der Mutterschaftsvorsorge, unter anderem deshalb, weil bisher keine Therapie zur Verfügung stand. Seronegative Schwangere sollten deshalb die Exposition mit dem Virus meiden (v.a. Kinderpflegerinnen). Erkrankungen während der Schwangerschaft (Embryopathie) sind meldepflichtig.

Im September 2005 wurde im New England Journal of Medicine (NEJM) eine Studie veröffentlicht [1], in der die erfolgreiche Prävention und Therapie der konnatalen CMV-Infektion mit einem CMV-Hyperimmunglobulin berichtet wurde. Bei der Prävention wurden die CMV-infizierten Mütter mit dem Wirkstoff Cytotect behandelt, um einen Übergang der Infektion auf das ungeborene Kind zu vermeiden. Wenn das Kind bereits infiziert war, wurde die Mutter therapiert. Da Immunglobuline (Antikörper) durch die Plazenta wandern, erreichen sie das ungeborene Kind und können die Infektion bekämpfen. In beiden Gruppen war die Anwendung des CMV-Hyperimmunglobulins erfolgreich. Trotz einiger methodischer Mängel der Arbeit sind nach Ansicht der meisten Experten CMV-Hyperimmunglobuline jetzt eine therapeutische Option, die nicht außer acht gelassen werden darf.[2]

Nach der Geburt

Beim Neugeborenen treten oft erst Wochen oder Monate nach der Geburt Symptome einer Zytomegalie-Infektion auf, bei Kleinkindern teilweise erst Jahre später als sogenanntes Zytomegalie-Virus-Syndrom. Dann kann es zu neurologischen Ausfällen wie frühkindlichem Hirnschaden, Entwicklungsverzögerungen und Innenohrschwerhörigkeit, weiterhin Gelbsucht, Einblutungen in die Haut durch eine Schädigung der Gefäßwände, Störungen der Blutgerinnung und zu Vergrößerungen von Milz und Leber kommen.

Die Infektion erfolgt über die Muttermilch seropositiver Mütter. Bei Frühgeburten und positivem CMV-Antikörper-Nachweis sollte in jedem Fall auf das Stillen verzichtet werden. Bei etwa 3 von 10 betroffenen Kindern endet eine Infektion tödlich.

Für Frühgeburten ist die Muttermilch jedoch aufgrund ihrer Bestandteile zur Körperabwehr und für das Wachstum sehr wichtig. Daher gibt es die Möglichkeit die Muttermilch vor dem Verfüttern zu behandeln. Studien belegen jedoch, dass ein Einfrieren der Muttermilch nicht 100%ig sicher ist und Infektionen trotzdem auftreten können. Eine zweite Variante ist die Erwärmung der Milch für einen längeren Zeitraum (30 min., 63 °C). Hierbei werden jedoch auch die wichtigen Bestandteile der Milch zerstört und deutlich reduziert. Das neueste Verfahren ist eine Kurzzeitbehandlung, bei dem die Muttermilch in ca. 90 Sekunden auf 62 °C erwärmt wird und nach 5 Sekunden auf dieser max. Temperatur sofort wieder auf 30 °C abgekühlt wird. Bei diesem in Deutschland (UNI Tübingen; Virex GmbH, Tübingen) entwickelten Verfahren bleiben die wesentlichen Bestandteile der Muttermilch erhalten und damit die Werthaltigkeit für das Kind. Studienergebnisse belegen die verlässliche Inaktivierung von HCMV in der Muttermilch.

Verhaltensänderungen

Einer Studie von Jaroslav Flegr an der Universität Prag zufolge verursacht das Virus Verhaltensänderungen ähnlich denen, die er schon bei einer latenten Toxoplasmose beobachtet hat, etwa eine geringere Motivation, Neues zu entdecken. Er führt die ähnlichen Symptome auf einen gemeinsamen Wirkmechanismus zurück, vermutlich einer chronischen Entzündungsreaktion im Gehirn. Die Stärke der Symptome ist bei Personen, die von beiden Erregern befallen sind, statistisch signifikant erhöht. Infizierte Personen sind auch weniger häufig von leichteren Infekten betroffen, die Autoren führen dies auf eine "Stimulation" des Immunsystems zurück, das die latente Infektion im Griff behalten muss.[3]

Komplikationen

Diese Infektion kann durch noch unklare Faktoren in seltenen Fällen bei ansonsten gesunden Menschen zu schweren Erkrankungen wie Hepatitis oder Polyneuritis führen.

Bei geschwächtem Immunsystem

Für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem kann Zytomegalie zu einer schwerwiegenden Erkrankung werden. Besonders gefährdet sind Menschen

In fast allen Organen kann es dann zu lymphozytären-plasmazellulären interstitiellen Entzündungen mit Riesenzellbildung in Kern und Zytoplasma kommen. Sehr häufig sind schwere Lungenentzündungen. Besonders gefürchtet werden zusätzliche bakterielle Infektion und Geschwüre im Magen-Darm-Trakt. Derartige Komplikationen können sogar tödlich enden.

Diagnostik

Serologie zur Statusbestimmung: IgG, IgM, Komplementbindungsreaktion (KBR) - hauptsächlich hier zum Nachweis von IgG Antikörper, Virämienachweis pp65 (Phosphoprotein 65 des HCMV), HCMV-IEA (durch das HCMV ausgelöste Erythrozytenabnormalität [Inherited Erythrocyte Abnormality]), quantifizierte nPCR (nested Polymerase Kettenreaktion). Die normale PCR ist mit über 25 % falsch positiver Befunde im Grunde wertlos.

Schwere CMV-Erkrankungen gehen in der Regel mit einer CD3 Zahl < 200 µl einher, die CD3 Zahl stellt einen Indikator für den Behandlungsverlauf dar. Der CD3-Rezeptor oder einfach nur CD3 ist ein Erkennungsmolekül, das z. B. an der Oberfläche von T-Lymphozyten vorkommt.

Therapie

Tritt die Zytomegalie bei ansonsten gesunden Menschen auf, so ist eine spezielle Behandlung in den meisten Fällen nicht erforderlich. Meistens ist eine Behandlung der Symptome ausreichend. Spezielle Virostatika oder Anti-Immunglobuline werden nur bei immungeschwächten Menschen angewandt. Dann ist normalerweise eine Behandlung mit Ganciclovir oder Foscarnet erfolgreicher als mit Aciclovir. Wichtig ist auf eine bakterielle Infektion zu achten. Sie sollte sofort mit Antibiotika behandelt werden.

Vorbeugung

Es existiert bislang keine wirksame Impfung zur Prophylaxe. Mit dem abgeschwächten (attenuierten) HCMV-Stamm Towne als einem Impfstoffansatz konnte lediglich ein eingeschränkter Schutz erzielt werden. Allerdings befinden sich verschiedene Impfstoffe in der Entwicklung.[4]

Weblinks

Wiktionary: Zytomegalie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Nigro et al., New England Journal of Medicine 353, S. 1350-62; 2005 http://www.nejm.org/doi/pdf/10.1056/NEJMoa043337
  2. Amei, Hengel; Päd.12,2006
  3. Flegr J. et al, BMC Infectious Diseases; 2005 http://web.natur.cuni.cz/flegr/pdf/cmv.pdf
  4. http://elib.uni-stuttgart.de/opus/volltexte/2002/1170/pdf/B._Schrage_Promotionsarbeit.pdf

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