Ökotyp
Als Ökotyp wird eine bestimmte Form eines Lebewesens bezeichnet, das im Vergleich zu anderen Populationen der gleichen Art eigene genetisch fixierte ökologische Ansprüche an seine Umwelt stellt. Der Begriff Ökotyp wurde 1922 vom schwedischen Botaniker Göte Turesson geprägt und wird besonders bei Pflanzen verwendet. Der Begriff des Ökotyps ist weitgehend identisch mit dem in der Zoologie vielfach verwendeten Begriff der ökologischen Rasse, die dort im Gegensatz zur geographischen Rasse steht. Durch die Art seiner Entstehung ist der Biotyp ein Sonderfall des Ökotyps, da dieser Begriff sich auf Populationen einer Art bezieht, die durch Autogamie oder durch Parthenogenese entstanden sind.
Ein Ökotyp unterscheidet sich zwar durch das Wirken der Selektion aufgrund der besonderen ökologischen Bedingungen genetisch und physiologisch von anderen Populationsteilen, diese Eigenschaften werden jedoch nicht dazu herangezogen, den Organismus als eigene Art zu beschreiben und ihre damit eine eigene formale taxonomische Stellung zuzubilligen.
Tiere
Beim Sotalia-Tümmler (Sotalia fluviatilis) existieren zwei unterschiedliche Ökotypen oder ökologischen Rassen. Der erste Ökotyp, „Sotalia fluviatilis guianensis“, lebt an den Atlantikküsten zwischen Nicaragua und Brasilien. Der zweite, „Sotalia fluviatilis fluviatilis“, bewohnt den Amazonas und seine Nebenflüsse. In ähnlicher Weise werden auch beim Großen Tümmler (Tursiops truncatus) zwei, von manchen Wissenschaftlern sogar drei, Ökotypen unterschieden.
Pflanzen
Im Pflanzenreich ist die Ausbildung von Ökotypen wegen der geringen Mobilität der Pflanzen (durch die Bildung von Diasporen sind auch Pflanzen "mobil") stärker verbreitet als im Tierreich. So sind z. B. von der Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana) weltweit mehr als 750 verschiedene Ökotypen bekannt.
Auch der Mensch trägt durch die Nutzung der Natur dazu bei, dass Ökotypen bei Pflanzen gefördert werden. So können beim Wiesenlieschgras in Abhängigkeit von der Art der Landnutzung eine Weideform und eine Wiesenform sichtbar werden.
Bei Galium aparine, das in verschiedenen Habitaten vorkommt, konnten zwei verschiedene Ökotypen, ein „Ackerökotyp“ und ein „Nichtackerökotyp“ nachgewiesen werden. Die beiden Ökotypen unterscheiden sich sowohl hinsichtlich ihrer Entwicklungsstrategie als auch hinsichtlich einer Vielzahl von morphologischen als auch ihrer phänologischen Merkmalen (Groll u. Mahn 1986).
Ein sehr eindrucksvolles Beispiel für Ökotypen einer Art hat uns Göte Turesson selbst hinterlassen. Er hat auf dem Gelände der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaftenin Ultuna eine Baumreihe mit der Moorbirke aus unterschiedlichen geographischen Breiten Schwedens pflanzen lassen. Die Bäume repräsentieren einen „genetischen Gradienten“ von Schonen in Südschweden bis nach Lappland und belegen noch heute in ihren phänologischen Erscheinungen die Forschungsergebnisse Turessons in spektakulärer Weise: Der Aufbruch der Birkenknospen beginnt an den Südbäumen zuerst und setzt sich sukzessive nach Norden fort, während die Blattfärbung im Herbst bei den Bäumen im Norden einsetzt und die Blätter der Birken im Süden sich als letzte verfärben und abfallen.
Bakterien
Bakterien vermehren sich asexuell durch Zweiteilung. Demzufolge können bei Bakterien keine Arten (Spezies), im Sinne von Fortpflanzungsgemeinschaften festgesetzt werden. „Mikrobielle Arten“ sind demnach als bakterielle Ökotypen und nicht als Biospezies aufzufassen, die über ihre ökologische Nische und ihre DNA-Sequenz definiert werden.
Literatur
- Ulrich Kutschera: Evolutionsbiologie, UTB 2006, ISBN 978-3-8252-8318-6
- Groll U., Mahn E.G.: Zur Entwicklung ausgewählter Populationen des Klettenlaubkrautes (Galium aparine L.). In: Flora. 178. 1986, 93–110.