Branisella ist der Name der bis heute ältesten bekannten Gattung von Neuweltaffen in Südamerika. Die vier Fundstücke stammen aus spät-oligozänen Ablagerungen in Bolivien und gehören wahrscheinlich zu einem einzigen Individuum. Die Morphologie deutet darauf hin, dass der Affe ein Gewicht von etwa 1.000 g erreichte.
Branisella hat drei Prämolare und drei Molare. Die Morphologie der oberen Backenzähne ähnelt der heute lebender Totenkopfäffchen (Saimiri) oder Nachtaffen (Aotus), da sie einen kleinen Hypokonus und ein gut entwickeltes linguales Cinculum aufweisen, jedoch deuten die niedrigeren, runden Höcker im Gegensatz zu Saimiri auf eine mehr frugivore Ernährung hin. Der kleine P2 und die Form des Unterkiefers zeigen, dass es sich um einen kurzgesichtigen Affen handelte.
Die Backenzähne von Branisella haben sehr hohe Kronen, die darauf hindeuten, dass der Affe teilweise auf dem Boden lebte [4], obwohl diese Hypothese durch keinerlei postcraniale Skelettknochen bestätigt werden kann (aus dem einfachen Grund, weil es keine gibt). Die bekannten Kiefer- und Gebissreste zeigen einen extrem hohen und schnellen Verschleiß, so ist der erste Backenzahn weit mehr abgenutzt als die letzte, was darauf hindeutet, dass Branisella abrasive Nahrung zu sich nahm [4]. Bei einem Exemplar ist ein Teil einer kleinen Augenhöhle erhalten, was bedeuten könnte, dass Branisella ein tagaktiver Primat war.
Das Gebiss von Branisella als Ganzes ist Proteopithecus aus dem späten Eozän Ägyptens sehr ähnlich, außer in der Morphologie des unteren Eckzahns, was auf eine enge phyletische Beziehung zwischen beiden spricht. Die Entstehung und frühe Diversifizierung der Neuweltaffen könnte also auf dem afrikanischen Kontinent noch vor der Überquerung des Atlantiks stattgefunden haben [1].
Die Fundstücke von Branisella boliviana wurden von dem Paläontologen Leonardo Branisa in der Salla-Formation in Bolivien entdeckt und sind ca. 26 Millionen Jahre alt. Die Gebissmorphologie führte einige Wissenschaftler zu der Annahme, dass die primitiven Vorfahren von Branisella aus Afrika stammen müssten. Andere Merkmale deuten darauf hin, dass Branisella mit Omomoyiden in Zusammenhang gestanden haben könnte, einer ausgestorbenen Gruppe koboldmaki-ähnlicher Primaten, die vor allem in Nordamerika [3] verbreitet waren, aber auch recht zahlreich in Europa vorkamen. Einige sind aus Asien sowie möglicherweise aus Nordafrika bekannt.
Die Beziehung von Branisella zu späteren Platyrrhini liegt im dunkeln. Innerhalb der Platyrrhini ist Branisella als Stammform aller Neuweltaffen ohne Verwandschaft zu einer heute lebenden Art interpretiert worden, andere sehen in ihm einen primitiven Krallenaffen (Callitrichidae). Da Branisella derzeit der einzige bekannte südamerikanische Primat vor dem Miozän ist, sind weitere Fossilfunde nötig, um die phylogenetische Stellung der Gattung eindeutig zu klären.
Branisella boliviana
Das Typusexemplar trägt die Bezeichnung MNHN (ohne Nummer), dabei handelt es sich um einen teilweise erhalten Schädel mit den Zähnen (P4/-M2/, mit den Wurzeln von P2-3/). Die Typuslokalität ist Salla in der Salla Formation von Bolivien.