Die Strepsirrhini (Feuchtnasenaffen) sind eine Unterordnung der Primaten und bestehen heute aus sieben Familien, die man in drei Gruppen aufteilt.

Die erste Gruppe sind die Lemuriformes, sie besteht aus vier Familien, die man in der Regel einfach als Lemuren bezeichnet. Die anderen drei Familien sind vertreten durch die Galagos, Loris und Pottos sowie dem Fingertier (Ayé-Aye).

Loris, Pottos und Galagos sind in der Gruppe Lorisiformes zusammengefasst, das Fingertier repräsentiert sowohl den einzigen Vertreter der Familie Daubentoniidae als auch der Gruppe Chiromyiformes. Allerdings erfolgt die Zuordnung des Ayé-Aye nur mit Vorbehalt, denn es ist unsicher, ob sich diese Gruppe in der Abstammungslinie der Strepsirrhini zeitlich vor oder nach den Lemuren und Loris abgespalten hat.


Die frühesten Feuchtnasenaffen (Streprirrhini)

Als mögliche Vorfahren der Feuchtnasenaffen (Strepsirrhini) wurden von Forschern bereits mehrere Gattungen oder Arten der Adapiformes aus der Alten Welt genannt. Doch trotz der reichlichen Fossilfunde von eozänen Primaten auf den nördlichen Kontinenten gibt es keine Exemplare, die eindeutig den Übergang zu den echten Lemuren und Loris belegen könnten. Molekulare Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich die Linie der Feuchtnasenaffen (Strepsirrhini) schon vor jener Zeit abspaltete, aus der die ältesten bekannten Euprimaten stammen [1]. Bis vor kurzem gab es keine Fossilien aus den Epochen vor dem Miozän, doch jüngste Entdeckungen datieren nun den zeitlichen Bereich von Lemuren und Loris zurück bis in das frühe Tertiär.

Der Lebensraum von Lemuren ist heute auf Madagaskar und die vorgelagerten Komoren-Inseln beschränkt und die einzigen bekannten Fossilien auf Madagaskar stammen aus dem Quartär [2]. So war die Entdeckung eines frühen, lemurenähnlichen Primaten aus dem Oligozän Pakistans eine unerwartete Sensation. Von Bugtilemur, wie man den Fund nannte, wurden in den Bugti Hills in der Provinz Belutschistan mehrere isolierte obere und untere Zähne entdeckt [3]. Sie ähneln denen der heute lebenden Maus- und Katzenmakis (Cheirogaleidae) in Details der molaren Struktur. Der untere Eckzahn ist relativ lang und seitlich zusammengedrückt, was darauf hindeutet, dass dieser Primat über den typischen Zahnkamm der Feuchtnasenaffen verfügt haben könnte, jedoch nicht so entwickelt, da der Zahn nicht so stark verlängert und keine so ausgeprägte horizontale Lage aufweist, wie es bei heute lebenden Lemuren oder Loris üblich ist.

Vor der jüngsten Entdeckung von lori-ähnlichen Primaten aus dem Eozän stammten die ältesten, eindeutigen Lorisiformes (Loris, Pottos und Galagos) aus dem frühen Miozän Ost-Afrikas [4]. Ältere Berichte über mögliche eozäne Lorisoidea (= Loroidea) aus Europa und der Fayum-Senke in Ägypten haben sich nicht bestätigt - diese Exemplare gehören wahrscheinlich zur Familie Adapidae oder zu Plesiopithecus, oder vielleicht zu einer unbestimmten Art eines primitiven Altweltaffen (Catarrhini). Neues Zahnmaterial von drei neuen Gattungen aus der Fayum-Senke aus Schichten des mittleren Eozäns beweist jetzt, dass dort eindeutige Lorisiformes bereits 20 Millionen Jahre früher existierten, als bisher angenommen.

Die drei Gattungen sind als Wadilemur und Saharagalago, beide aus der Familie Galagonidae (Buschbabys), und als Karanisia, einem möglichen Verteter der Familie Lorisidae (Loris und Pottos), beschrieben worden, wobei man Wadilemur zunächst als einen Schmalnasenaffen (Catarrhini) aus der Gruppe der höheren Primaten (Altweltaffen) beschrieb [5]. Die oberen Molaren ähneln denen der heute lebenden Lorisiformes durch das Vorhandensein eines großen trigoniden Beckens und einem vorstehenden posterolingualen Cingulum mit einem ausgeprägten Hypokonus. Der untere Eckzahn von Karanisia ist länger und schlanker als bei Bugtilemur, ähnlich wie beim Zahnkamm der heutigen Feuchtnasenaffen. Es sind sogar mikroskopisch kleine Furchen an den Rändern der Eckzähne zu erkennen, die durch die Fellpflege verursacht wurden.

Plesiopithecus aus dem Steinbruch L-41 in der Fayum-Senke, ist einer der unverwechselbarsten eozänen Feuchtnasenaffen. Schädel und Unterkiefer von Plesiopithecus sind mit dem heute lebender Plumploris (Nycticebus) vergleichbar. Im Unterkiefer sitzt ein vergrößerter, liegender Frontzahn, der entweder ein Schneide- oder ein Eckzahn sein könnte - in diesem Fall gäbe es keine Schneidezähne - sowie vier einfache Zähne zwischen dem vorderen Zahn und den Backenzähnen, die entweder vier Prämolaren repräsentieren, oder einen reduzierten Eckzahn und drei Prämolaren [6]. Die unteren Molaren sind weitgehend mit denen der Lorisiformes (Loris, Pottos und Galagos) vergleichbar, aber sie ähneln auch denen der Höheren Primaten, und zwar in der Reduzierung des Parakonus. Den oberen Molaren fehlt der Hypoconus, sie weisen jedoch wie bei allen Lorisiformes ein hervorstehendes posterolinguales Cingulum auf. Die Augenhöhlen sind groß, was auf eine nächtliche Lebensweise hindeutet. Auf der Grundlage von Schädelanatomie und Morphologie der Backenzähne wurde Plesiopithecus als Feuchtnasenaffe (Strepsirrhine) interpretiert, der Ähnlichkeiten mit Loris aufweist [6]. Plesiopithecus unterscheidet sich von Höheren Primaten durch das Fehlen der postorbitalen Schließung und der nicht verschmolzenen Unterkiefersymphyse (Symphysis mandibularis). Plesiopithecus scheint einen frühen Zweig der Feuchtnasenaffen (Strepsirrhini) zu repräsentieren, jedoch nicht enger mit heute lebenden Feuchtnasenaffen verwandt zu sein [7].


Systematik


Literatur

[1] Yoder und Yang, 2004; [2] Godfrey und Jungers, 2002; [3] Marivaux et al., 2001; [4] Phillips und Walker, 2002; [5] Seiffert et al., 2003, 2005; [6] Simons und Rasmussen, 1994; [7] Rasmussen und Nekaris, 1998

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