α-Helix


Darstellung der Strukturebenen der Proteinfaltung mit Fokus auf die α-Helix anhand des Proteins 1EFN

Als α-Helix wird in der Biochemie ein häufiges Sekundärstrukturelement eines Proteins bezeichnet. Sie gehört zu den stabilsten natürlichen Konformationen einer Peptidsequenz und ist in der Sekundärstruktur nahezu allgegenwärtig. Unter der Sekundärstruktur eines Proteins wird die räumliche Struktur der Aminosäurekette ohne Berücksichtigung der Seitengruppen verstanden. Die Sekundärstruktur eines Proteins geht aus dessen Primärstruktur (Aminosäuresequenz) hervor. Übergeordnete Strukturebenen sind die Tertiärstruktur und die Quartärstruktur. Die dreidimensionale Struktur eines Proteins ist entscheidend für dessen selektive Funktion (siehe Proteinstruktur).

Geschichte

Ende der dreißiger/Anfang der vierziger Jahre führten die Amerikaner Pauling und Corey Röntgenuntersuchungen an kristallinen Peptiden durch. Dabei stellten sie fest, dass sich bestimmte räumliche Merkmale regelmäßig wiederholen: Diese wurden α-Helix und β-Faltblatt genannt. Sie stellen die häufigsten Sekundärstrukturelemente dar. Das α in "α-Helix" enthält keine wissenschaftliche Aussage, sondern bringt nur zum Ausdruck, dass die α-Helix vor dem β-Faltblatt gefunden wurde.

Struktur

α-Helix innerhalb eines Proteins. Darstellung der Atome und Zylinder-Darstellung.

Die α-Helix ist eine rechtshändig gedrehte Spirale (bevorzugt von L-Aminosäuren) mit durchschnittlich 3,6 Aminosäureseitenketten pro Umdrehung. Pro Windung wird eine Länge von p = 0,54 nm (5,4 Å) erzielt. Dieser Fortschritt wird als Ganghöhe bezeichnet. Sie ist das Produkt aus Schiebung (auch Translation genannt) (0,15 nm) und Resten pro Windung (3,6). Dieser Abstand zwischen den Resten ist der Grund dafür, dass Aminosäuren, die in der Primärstruktur drei oder vier Stellen voneinander entfernt sind, sich in der Helixstruktur in unmittelbarer Nähe befinden. Stabilisiert wird die α-Helix durch eine Wasserstoffbrückenbindung zwischen dem Carbonylsauerstoff der n-ten und dem Amidproton der (n+4)-ten Aminosäure desselben Moleküls.

Stabilisierungsschema bei Protein-Helices: Die häufigste und stabilste Helix ist die α-Helix (dicker roter Pfeil). Alternativen existieren, sind aber seltener (dünne Linien).

Die CO- und NH-Gruppen müssen zur Ausbildung der Wasserstoffbrückenbindung dicht beieinander liegen. Die engste Konfiguration liefert ein aufgewickelter Strang, bei der die beiden Gruppen übereinander liegen. Die Seitenketten zeigen dabei nach außen. Die Aminosäure Prolin („Strukturbrecher“) lässt sich nicht ohne Weiteres in die Helix einfügen (nur an den Positionen 1–4, vom Aminoende aus gesehen, ist dies möglich). Folglich kommt es an Stellen, an denen Prolin auftritt, zu Abweichungen von der regelmäßigen Struktur. α-Helices sind sehr stabil und können als starre Zylinder eine Art Skelett des Proteins bilden. Daher werden sie in Proteinstrukturen häufig nicht als Helices sondern als Zylinder abgebildet. Ein Protein mit überwiegender Helixstruktur ist das Myoglobin, ein mit dem Hämoglobin verwandtes Muskelprotein.

Andere wichtige Strukturelemente

Neben der α-Helix und dem β-Faltblatt existieren weitere Arten von Sekundärstrukturmotiven. Die nicht zu einem Motiv gehörenden Teile der Primärstruktur eines Proteins werden Zufallsschleifen (Random-Coil-Strukturen) genannt. Diese Strukturen sind maßgeblich an der Ausbildung der gesamten Proteinstruktur beteiligt.

Weitere häufig vorkommende Motive sind:

Geometrie der Helix und Helix-Helix-Wechselwirkungen

Helixrad (´helical wheel'). Die Endansicht (Projektion) der α-Helix verdeutlicht die Wechselbeziehungen der Aminosäurereste. Wie unter (B) dargestellt, überdeckt jede Aminosäure einen Sektor von 100° [dünne Linien in (A)]. Die nach Abb. 1 Wasserstoff-verbrückten Reste 1 und 5 sind sich – als Teile aufeinanderfolgender Windungen – räumlich nahe. Ähnliches gilt für die Reste 1 und 4 (sog. „n+/-3,4 Kriterium“ gemäß Tab. 2). Während erst der 19. Rest (R19) ekliptisch über R1 zu liegen kommt, gilt dies angenähert bereits für den zwei Windungen entfernten Rest 8; man spricht hier von einem „Pseudorepeat“ (Heptadenrepeat) der Form abcdefga’b’c’d’e’f’g’, wobei a dem Rest 1 und a’ dem Rest 8 entspricht. Sind a und a’ bzw. d und d’ hydrophobe Reste, so entsteht ein linksgewundenes „hydrophobes Band“ um den Zylinder der (rechtsgängigen) α-Helix herum. Hierdurch werden, gemäß Abb. 3, Überstrukturen („Coiled-Coils“) ermöglicht
Amphipathische α-Helices können sich zu Überstrukturen, sog. „coiled-coils“ vereinigen. Grundlage sind „hydrophobe Bänder“ (links dargestellt), die immer dann entstehen, wenn die Aminosäuren a, d, a’, d’ in der in Abb. 2 genannten Heptade hydrophob sind. Teil (A) zeigt ein „coiled coil“ aus zwei, Teil (B) ein solches aus drei α-Helices (Projektion). Darüber hinaus wurden „tetrahelix bundle“-Strukturen beschrieben
Nukleation und Ausbreitung von α-Helices. Die Bildung einer α-Helix beginnt dort, wo die Reste mehrerer Helixbildner zusammenkommen, darunter insbesondere Leucin, Alanin und Valin. Von diesem Nukleationszentrum ausgehend breitet sich die Struktur aus, bis ein Abbruchsignal erreicht wird. Das stringenteste Abbruchsignal am N-Terminus ist, wie oben angesprochen, ein Prolinrest.

α-Helices sind die Grundlage typischer Faserproteine (α-Keratin, der Grundsubstanz der Haare, Myosin, einer Komponente der Muskelfasern usw.) aber auch, wie am Beispiel des Myoglobins eingeführt, strukturgebende Komponenten von löslichen, globulären Proteinen. Einzelne Helices können diese Aufgabe im Allgemeinen nicht übernehmen, wohl aber geordnete Aggregate aus zwei, drei, vier oder mehr Individualhelices. Abb. 3 veranschaulicht, wie sich zwei bzw. drei α-Helices aufgrund hydrophober Wechselwirkungen zu einer „Superhelix“ zusammenlagern können. Dies setzt amphipathische Helices voraus, das sind Helices deren eine Seite hydrophil (dem Wasser zugewandt) und deren andere Seite hydrophob und damit zu Wechselwirkungen befähigt ist. Die in Abb. 1 gezeigte Geometrie bewirkt dabei, dass das „hydrophobe Band“ nicht parallel zur Helixachse verläuft, sondern die Helix in Form einer gedehnten, linksgängigen Spirale umgibt. Wenn sich die hydrophoben Bänder von zwei oder mehr Helices nähern, entsteht die als „Coiled-Coil“ bezeichnete Superhelix.

Helix-Vorhersage

Erste Bemühungen zur Vorhersage von Protein-Sekundärstrukturen gehen auf die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück und konnten mit dem Aufkommen der modernen Röntgenstrukturanalyse kontinuierlich verfeinert werden. Ein überaus hilfreicher, rationaler Ansatz zur Vorhersage der α-Helix verbindet sich mit dem Namen Marianne Schiffer und schließt an die obigen Überlegungen an. So illustriert Abb. 1 das n+/-3,4 Kriterium, wonach ein Rest n mit Resten paaren kann, die drei bzw. vier Positionen entfernt sind. Sind so z. B. die Reste 1, 4 und 5 hydrophob, so können sie wechselwirken und damit eine Helixstruktur stabilisieren. Gleiches gilt für die Reste 6, 3 und 2 usw. Dieses Vorhersageschema zeigte zunächst für Insulin und Myoglobin seinen Wert.

Mit der Veröffentlichung weiterer Röntgenstrukturanalysen wich der „helical-wheel“-Ansatz zunehmend statistischen Verfahren. Ein früher Ansatz dieser Art geht auf Chou und Fasman (1974, 1978) zurück. Nachfolgend wird eine Tabelle wiedergegeben, die die Helixpotentiale von Aminosäureresten wiedergibt. Als „Helixbildner“, wird eine Aminosäure bezeichnet, wenn ihr Potential (Pα) deutlich über 1 liegt und als „Helixbrecher“, wenn es deutlich kleiner ist. [1]

Aminosäure
Glu 1,59
Ala 1,41
Leu 1,34
His 1,05
Met 1,30
Gln 1,27
Trp 1,02
Val 0,90
Phe 1,16
Lys 1,23
Ile 1,09
Asp 0,99
Thr 0,76
Ser 0,57
Arg 1,21
Cys 0,66
Asn 0,76
Tyr 0,61
Pro 0,34
Gly 0,43
Helixpotentiale (Pα ) der Aminosäurereste. Pα entspricht der relativen Häufigkeit, mit der eine Aminosäure in

der Helix vertreten ist.

Zusammenfassung der Helix-Parameter

A – Relation der Reste zueinander
n + 4 Reste 1 und 5 H-Brücke -C=O···HN-
n +/− 3, 4 Reste 1 und 4 oder 5 gleiche Seite „hydrophober Bogen“, α-Potenzial
n + 18 Reste 1 und 19 ekliptisch 5 × 3,6 = 18; „repeat unit“
n + 7 Reste 1 und 8 „fast ekliptisch“ 2 × 3,6; „Heptadenrepeat“
B – Physikalische Parameter
n = 3,6 Reste pro Windung
d = 1,5 A axiale Verschiebung je Rest
p = 5,4 Å = n x d “Pitch” (Abstand zwischen den Windungen)
a = 100° = 360° / n Winkel (Sektor) je Aminosäure


Eine Plastik des deutsch-amerikanischen Künstlers Julian Voss-Andreae in der Stadt Portland im US-amerikanischen Bundesstaat Oregon. Die 3.00 m hohe Stahlskulptur beruht auf kristallographischen Daten des Proteinstrukturmotivs und steht vor dem Haus, in dem der Entdecker der Alphahelix, Linus Pauling, aufwuchs.[2][3]

Einzelnachweise

  1. Berg, Jeremy M.: Stryer Biochemie, 6. Auflage,Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg (2007), S. 56.
  2. PDB Community Focus: Julian Voss-Andreae, Protein Sculptor. In: Protein Data Bank Newsletter. Nr. 32 (wwpdb.org [PDF]).Vorlage:Cite book/Meldung
  3. Moran L, Horton RA, Scrimgeour G, Perry M: Principles of Biochemistry. Pearson, Boston, MA 2011, ISBN 0-321-70733-8, S. 127.
  • M. Schiffer, A. B. Edmundson: Use of helical wheels to represent the structures of proteins and to identify segments with helical potential. In: Biophysical Journal 7, 1967, ISSN 0006-3495, S. 121–135.
  • P. Y. Chou, G. D. Fasman: Empirical predictions of protein conformation. In: Annual Review of Biochemistry 47, 1978, ISSN 0066-4154, S. 251–276.
  • C. Cohen, D. A. D. Parry: α-Helical coiled-coils – a widespread motif in proteins. In: Trends in biochemical sciences 11, 1986, ISSN 0376-5067, S. 245–248.
  • S. Kamtekar, J. M. Schiffer, H. Xiong, J. M. Babik, M. H. Hechtr: Protein design by binary patterning of polar and nonpolar amino acids. In: Science 262, 1993, ISSN 0036-8075, S. 1680–1685.