Rhododendron-Schildlaus von Citizen Scientist als neue Art beschrieben
Bio-News vom 11.11.2024
Als Citizen Scientist bzw. Bürgerwissenschaftler gehört Andreas Kahrer zu jenen engagierten ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die viel Zeit im Naturhistorischen Museum Wien verbringen, um ihren Studien über die Insektenvielfalt nachzugehen. Jetzt gelang ihm seine erste große Entdeckung! Er konnte eine „Rhododendron-Schildlaus“, die in Nordeuropa gefunden wurde, als neue Art beschreiben.
„Vermutlich ist die neue Schildlausart ´Pulvinaria rhododendri´ als blinder Passagier gemeinsam mit den Gartenpflanzen verschleppt worden“, erklärt Dr. Andreas Kahrer, der seit seiner Pensionierung als Volontär die wissenschaftliche Sammlung der Pflanzenläuse des NHM Wien erweitert und neu organisiert.
Publikation:
Andreas Kahrer, Christopher Hodgson
A new species of the soft scale insect genus Pulvinaria Targioni Tozzetti (Hemiptera: Coccomorpha: Coccidae) on Rhododendron spp. in Northern Europe
Zootaxa (2024)
DOI: 10.11646/zootaxa.5512.2.7
Das spezielle Forschungsinteresse Kahrers, der in seiner aktiven Zeit als Biologe an der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) im Bereich Pflanzenschutz gearbeitet hat, gilt seit jeher den Schildläusen. Immer wieder werden ihm Proben zur Begutachtung und Artbestimmung vorgelegt oder zugeschickt, so auch vor etwa einem Jahr, als er eine Probe aus Dänemark bekam: Unbekannte Schildläuse hinterließen auf den Blättern von Rhododendron-Kulturen schmutzige, schwarze Beläge.
„Zur Identifizierung von Schildläusen ist die Herstellung mikroskopischer Präparate unerlässlich“, erläutert Andreas Kahrer. Das geschieht mit großem Aufwand: Bis ein Objektträger fertig ist, dauert es etwa zwei Tage. Im Laufe der Jahre hat der engagierte Volontär die Herstellung optimaler Präparate stetig verbessern können. Schon die ersten Präparate der „Rhododendron-Schildlaus“ ließen Kahrer vermuten, dass es sich um eine noch unbekannte Art der Gattung Pulvinaria (Wollige Napfschildlaus) handelt.
„Als große Besonderheit ließen sich an den erwachsenen Weibchen kurze, stachelige Rückenborsten in zwei Längslinien entlang der Körpermitte feststellen, die bisher bei keiner anderen Pulvinaria-Art sichtbar waren“, so Kahrer, der daraufhin mit Kolleginnen und Kollegen aus Japan, England, Italien und Russland korrespondierte. Sein Verdacht auf eine neue Spezies wurde bestätigt! Allen voran, konnte auch der erfahrene britische Insektenforscher Chris Hodgson als Koautor des Forschungsprojekts gewonnen werden, der Kahrers Erkenntnisse mit der Anfertigung einer detailgetreuen anatomischen Grafik untermauerte. Die neu entdeckte Schildlausart wurde schließlich im Fachjournal Zootaxa unter dem Namen Pulvinaria rhododendri Kahrer & Hodgson beschrieben.
Pulvinaria rhododendri wurde auf verschiedenen Heidekrautgewächsen gefunden; sie saugt an den Blättern sowohl von Gartenrhododendren als auch von Heidelbeeren. Die Schildlaus ist bisher nur aus einem kleinen Bereich Nordeuropas bekannt, wohin sie vermutlich als blinder Passagier gemeinsam mit Gartenpflanzen verschleppt wurde. Nach der ursprünglichen Heimat wird weiter geforscht.
„Jede Entdeckung führt zu neuen Fragen! Wenn man beispielsweise das Ursprungsland herausfinden könnte, so würde man dort mit Sicherheit auch Insekten vorfinden, die als natürliche Gegenspieler für das biologische Gleichgewicht sorgen und zur biologischen Schädlingsbekämpfung geeignet wären. Auch eine Kontrolle im Pflanzenhandel wäre dann einfacher“, freut sich Kahrer auf neue Herausforderungen.
NHM-Generaldirektorin Dr. Katrin Vohland, ausgewiesene Expertin im Bereich der Bürgerwissenschaften, setzt sich aktiv für deren Förderung ein. Sie freut sich besonders über die Erstbeschreibung dieser neuen Art und betont: „Mit Hilfe von engagierten Citizen Scientists, können wir unsere Forschungskapazitäten maßgeblich erweitern. Als Volontär gehört Dr. Andreas Kahrer zu jenen engagierten Forscherinnen und Forschern, die viel Zeit im NHM Wien verbringen, um ihrem Studium der Insektenvielfalt nachzugehen und mit ihrer taxonomischen Expertise das Wissen über Arten zu erweitern. Die Insektensammlung mit etwa 11 Millionen Belegen bietet ein fast unendliches Betätigungsfeld!“
Diese Newsmeldung wurde mit Material Naturhistorischens Museum Wien via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.