Ein Bienen-Gen spezifiziert kollektives Verhalten
Bio-News vom 01.11.2024
Forschende der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) untersuchten zusammen mit Kollegen aus Frankfurt, Oxford und Würzburg, wie das komplexe, kooperative Verhalten von Honigbienen (Apis mellifera) genetisch programmiert ist, so dass es an nachfolgende Generationen weitergegeben werden kann. Sie fanden die Antwort im sogenannten doublesex-Gen (dsx), wie sie in der Fachzeitschrift Science Advances erläutern.
Verhaltensinteraktionen zwischen Organismen sind grundlegend und vielfach angeboren. Jeder Mensch und jedes Tier interagieren auf die eine oder andere Art durch ihr Verhalten mit anderen Individuen ihrer sozialen Gruppe. Im Tierreich bringt dies erhebliche Vorteile bei der gemeinsamen Nahrungsbeschaffung, beim Schutz vor Feinden und bei der Aufzucht von Nachkommen.
Publikation:
Vivien Sommer, Jana Seiler, Alina Sturm, Sven Köhnen, Anna Wagner, Christina Blut, Wolfgang Rössler, Stephen F. Goodwin, Bernd Grünewald, Martin Beye
Dedicated developmental programing for group-supporting behaviors in eusocial honeybees
Science Advances (2024)
Bei einigen Tieren wie der Honigbiene sind die sozialen Verhaltensbindungen so ausgeprägt, dass einzelne Individuen zusammen eine feste Gemeinschaft bilden. Zusammen funktionieren sie wie ein einzelner „Superorganismus“. Tausende von Arbeitsbienen schützen dabei durch ihr individuelles Verhalten die ganze Kolonie, ernähren sie und kümmern sich um die Brut. Prof. Dr. Martin Beye, Leiter des Instituts für Evolutionsgenetik der HHU und Korrespondenzautor der nun in Science Advances erschienenen Studie, betont: „Das Verhaltensrepertoire der einzelnen Biene und die gemeinschaftliche Koloniefunktion sind nicht erlernt, sondern vererbt. Bisher war aber nicht bekannt, wie so komplexe Verhaltensweisen genetisch kodiert sind.“
Forschende der HHU um Beye und Erstautorin Dr. Vivien Sommer haben nun zusammen mit Kollegen von den Universitäten Frankfurt/Main, Oxford und Würzburg herausgefunden, dass ein spezielles Gen, genannt dsx, das arbeiterspezifische Verhalten kodiert. Sommer: „Das Gen programmiert, ob eine Arbeiterin eine Aufgabe in der Kolonie aufnimmt und wie lange sie dies tut. Hierzu gehören beispielsweise auch Aspekte gemeinschaftlicher Arbeit wie die Versorgung der Larven oder die Beschaffung und der soziale Austausch von Nahrung.“
Für ihre Untersuchungen haben die Biologen das dsx-Gen bei einigen Bienen mithilfe der Genschere CRISPR/Cas9 verändert oder ausgeschaltet. Die entsprechend manipulierten Bienen haben sie mit einem QR-Code beklebt und ihr Verhalten im Bienenstock anschließend mit Kameras überwacht. Die entstandenen Videosequenzen wurden mit KI-Unterstützung ausgewertet, so dass die individuellen Verhaltensmuster der Bienen bestimmt werden konnten.
Sommer: „Unsere zentrale Frage war, ob und wie sich die angeborenen Verhaltensmuster durch die Veränderung des Gens verändern. Solche Änderungen müssen sich im Nervensystem der Arbeiterinnen widerspiegeln, wo ja die Steuerprogramme für das Verhalten ablaufen.“
Die Forschenden haben sogenanntes Grün fluoreszierendes Protein (kurz GFP) in die dsx-Sequenz integriert, so dass GFP zusammen mit dem dsx-Protein hergestellt wurde. Hierdurch konnten, mithilfe von Fluoreszenzmikroskopie, die neuronalen Verschaltungen sichtbar gemacht werden, sowohl bei den unveränderten Bienen als auch bei denjenigen mit genetischen Modifikationen. „Mit diesen Werkzeugen konnten wir genau sehen, welche Verbindungswege im Gehirn das dsx-Gen schafft, die wiederum die angeborenen Verhaltensmuster der Honigbiene regulieren“, sagt Doktorandin Jana Seiler, ebenfalls Koautorin der Studie.
„Die Ergebnisse deuten auf ein grundlegendes genetisches Programm hin, welches die neuronale Verschaltung und das Verhalten der Arbeiterin bestimmt“, meint Prof. Dr. Wolfgang Rössler vom Lehrstuhl für Verhaltensphysiologie und Soziobiologie, Kooperationspartner an der Universität Würzburg. Im nächsten Schritt wollen die Forschenden den Schritt von der einzelnen Honigbiene hin zum Superorganismus Bienenvolk tun. Alina Sturm, ebenfalls Doktorandin an der HHU und Koautorin: „Wir hoffen, das Bindeglied zwischen individueller Programmierung und dem koordinierten Verhalten vieler Individuen zu finden.“
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.