Gesundheit


Gesundheit des Menschen ist laut Weltgesundheitsorganisation „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“[1] („Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity.“) [2]

Weitere Definitionen

  • Nach dem Philosophen Friedrich Nietzsche:
„Gesundheit ist dasjenige Maß an Krankheit, das es mir noch erlaubt, meinen wesentlichen Beschäftigungen nachzugehen.“
  • Nach dem Soziologen Talcott Parsons:
„Gesundheit ist ein Zustand optimaler Leistungsfähigkeit eines Individuums, für die wirksame Erfüllung der Rollen und Aufgaben für die es sozialisiert (Sozialisation = Einordnungsprozess in die Gesellschaft, Normen- und Werteübernahme) worden ist.“
  • Nach Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie 1997:
„Gesundheit wird als mehrdimensionales Phänomen verstanden und reicht über den „Zustand der Abwesenheit von Krankheit“ hinaus.“
  • Nach Monika Krohwinkel, 1992:
„Krankheit und Gesundheit sind ‚dynamische Prozesse‘, die für die Pflege als Fähigkeiten und Defizite erkennbar sind. (Krohwinkel identifiziert Wohlbefinden und Unabhängigkeit als subjektiv empfundene Teile der Gesundheit.)“
  • Eine pflegerische Definition von Gesundheit (Reinhard Lay, 1997/2004):
„Gesundheit bedeutet eine zufriedenstellende Entfaltung von Selbstständigkeit und Wohlbefinden in den Aktivitäten des Lebens.“
  • Aus der sozialwissenschaftlichen Forschung:
Klaus Hurrelmann (2010) definiert Gesundheit als: „Zustand des objektiven und subjektiven Befindens einer Person, der gegeben ist, wenn diese Person sich in den physischen, psychischen und sozialen Bereichen ihrer Entwicklung im Einklang mit den eigenen Möglichkeiten und Zielvorstellungen und den jeweils gegebenen äußeren Lebensbedingungen befindet.“ In seinem Verständnis, das die Brücke zu den interdisziplinär orientierten Gesundheitswissenschaften schlägt, ist Gesundheit ein angenehmes und durchaus nicht selbstverständliches Gleichgewichtsstadium von Risiko- und Schutzfaktoren, das zu jedem lebensgeschichtlichen Zeitpunkt immer erneut in Frage gestellt ist. Gelingt das Gleichgewicht, dann kann dem Leben Sinn und Freude abgewonnen werden, es ist eine produktive Entfaltung der eigenen Kompetenzen und Leistungspotentiale möglich, und es steigt die Bereitschaft, sich gesellschaftlich zu integrieren und zu engagieren. (Hurrelmann 1999, 2010)
  • Aus der Entwicklungspsychologie:
Der Begriff von Gesundheit bleibt nach I. Seiffge-Krenke (in Rolf Oerter/Leo Montada; S. 836) bei Kindern und Jugendlichen abstrakt. Sie begreifen den Zustand eher in negativer Abgrenzung von Krankheit. Psychische Bestandteile der Gesundheit („keine Sorgen haben“) sind aber im Jugendalter bereits wichtige Bestandteile des Begriffes. Doch auch im Erwachsenenalter bleibt Gesundheit schwerer zu erläutern als die Krankheit.

Begriffsbestimmung

Für eine umfassende Bestimmung von Gesundheit und Krankheit sind folgende Aspekte von Bedeutung (orientiert an dem salutogenetischen Ansatz von Antonovsky):

  • Gesundheit und Krankheit sind beobachterabhängige Konstrukte, wobei sich die Beobachtung von Gesundheit und Krankheit durch soziale Systeme wie die Medizin oder die Wissenschaft von der Beobachtung durch das Individuum unterscheiden kann (objektivierende vs. subjektivierende Sicht).
  • Die Beobachtung von Gesundheit und Krankheit erfolgt ausschließlich anhand von (körperlichen, psychischen und sozialen) Symptomen.
  • Gesundheit und Krankheit sind demnach für sich nicht empirisch fassbar; sie entsprechen Konzepten, mit welchen die Symptome erklärt werden.
  • Gesundheit ist die korrekte Ausführung aller physischen und psychischen Funktionen eines Lebewesens.
  • Man kann zwischen physischer und psychischer Gesundheit/Krankheit unterscheiden.
  • Die Positionierung auf dem Kontinuum wird primär durch das Vorhandensein/die Absenz von physischen und psychischen Krankheiten bestimmt.
  • Das Auftreten dieser Krankheiten wird unter anderem beeinflusst durch Risikofaktoren (Stressoren), welche die Wahrscheinlichkeit von Krankheiten und Verletzungen erhöhen und Schutzfaktoren, welche die Wirkung der Risikofaktoren beschränken.
  • Die Risiko- und Schutzfaktoren können in physische, psychische, soziale und physikalisch-materielle Faktoren unterteilt werden.
  • Durch die Bekämpfung der Risikofaktoren und die Förderung der Schutzfaktoren wird die Chance für das Auftreten neuer Krankheiten verringert und die Positionierung auf dem Kontinuum verbessert oder erhalten.
  • Wenn sich durch die Verminderung von Risikofaktoren und die Förderung von Schutzfaktoren das Wohlbefinden des Individuums verbessert, kann sich seine Positionierung auf dem Kontinuum in Richtung Gesundheit verschieben.

Gesundheitswert

Gesundheit ist ein wichtiger persönlicher und gesellschaftlicher Wert. Ihre Bedeutung wird oft erst bei Krankheit oder mit zunehmendem Alter erkannt. Welche Einschränkungen mit dem Verlust von Gesundheit verbunden sind, wird oft erst dem alternden Menschen bewusst – durch eigene durchgestandene Krankheiten, gesundheitliche Probleme im Umfeld und das sich nähernde Lebensende. Vorsorgeprogramme für jüngere Altersgruppen werden propagiert, laufen aber oft ins Leere.

Im Allgemeinen sind Frauen gesundheitsbewusster als Männer. Dies kann man beispielsweise an der Beteiligung zur Darmkrebsvorsorge erkennen (Männer ca. 10–15 %, Frauen ca. 30 % Beteiligung). Kostenlose Krebsvorsorgeuntersuchung (SGB V §25) bekommen Frauen schon jährlich im Alter ab 20 Jahren und Männer erst im Alter ab 45 Jahren.

Privilegierte Schichten sind gesünder als unterprivilegierte. Der Abstand ist in den letzten zwanzig Jahren kontinuierlich gewachsen.

Die Förderung und Erhaltung der Gesundheit erfordert geringe finanzielle Mittel. Teuer ist dagegen der Versuch, Gesundheit wiederherzustellen, die sog. kurative Medizin. Die Krankenversicherung ist neben der Renten-, Arbeitslosen-, Unfall- und Pflegeversicherung eine der fünf Säulen des Sozialsystems.

Faktoren für ein gesundes Leben

Körperliche Faktoren

  • genetische Faktoren wie gesunde Chromosomen bzw. Gene
  • gesunde, frische, vielseitige, vitamin-, spurenelement- und mineralienreiche Nahrung: Obst, Gemüse, Getreide, Milch, Kartoffeln, Hülsenfrüchte etc.
  • gesunde, unbelastete natürliche Umwelt: Luft, Wasser, Boden, Licht, Druck, Luftfeuchtigkeit etc.
  • gesicherte menschengeschaffene Umwelt: Wärme, Unterkunft, Hygiene, Kleidung, Geborgenheit, Schutz vor Gefahren, Zuwendung, Fürsorge, etc.
  • aufzuchtsbedingte bzw. baby-, kinder- und jugendzeitbedingte Körper- und Bewegungskultur
  • intakte soziale Beziehungen z. B. ein Freundeskreis und gute Beziehungen zu Arbeitskollegen
  • Entspannung und emotionale Ausgeglichenheit (siehe auch unten)
  • selbstbestimmte körperliche Bewegung und Betätigung (Sport, Spiel, Arbeit)
  • genug Schlaf, Zeiten der Anspannung sowie der Entspannung, Ruhe und Erholung, keine Hetze und Stress vermeiden
  • eine erfüllte Sexualität mit sich oder einem bzw. mehreren anderen Menschen, oder deren gelungene Sublimation
  • der Gesundheit förderliche Arbeitsbedingungen, keine dauernde Über- oder Unterforderung.

Seelisch-geistige Faktoren

  • Geliebt sein und selbst lieben können:
    • Lebenspartner, Kinder, Familie, Mitmenschen
    • Freundlichkeit, Kontaktfähigkeit, soziale Kompetenz
  • Selbstachtung, Selbstvertrauen:
    • Erfolg und Anerkennung: Bestätigung, Arbeitsklima, Kritik und Lob (Feedback).
    • Fähigkeit sich als Individuum zu behaupten, sich abgrenzen können
  • Sicherheit: Gefühl der Geborgenheit, Religion bzw. Lebenssinn
    • Mindest-Sicherheit, die Nahrung, die Kleidung, das Wohnen betreffend
    • Sicherheit der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse
    • doch gewisse Spannung ist notwendig, sonst versinkt man in Lethargie.
  • Freiheit:
    • Gestaltungsmöglichkeiten, auch für das eigene Leben; lohnende Ziele
    • Möglichkeit zur Artikulation, Gedankenfreiheit, Redefreiheit
    • Berufs- und Partnerwahl
    • Kreativität: schöpferische Betätigung und Spiel.
    • Freiheit durch Mobilität (Bewegungsfreiheit)
  • Verbundenheit:
    • zum Partner, zu Freunden und zu anderen
    • Konfliktfähigkeit und Bereitschaft zur Versöhnung
    • Erlebnisse mit Erinnerungswert.

Materielle Faktoren

  • Mindestens minimaler Wohlstand
  • Wohnsituation
  • Soziale Sicherheit
  • Sauberes Trinkwasser
  • Genügend Nahrung

Faktoren der sozialen Ungleichheit

Privilegierte Schichten sind in Deutschland eindeutig gesünder und haben eine längere Lebenserwartung als Menschen, die über geringere Bildung, Einkommen und Berufsstatus verfügen.

Die Gründe dafür liegen (nach Mielck, 2005, S. 53) in

  • Unterschieden in den gesundheitlichen Belastungen (z. B. Belastungen am Arbeitsplatz)
  • Unterschieden in den Bewältigungsressourcen (z. B. soziale Unterstützung)
  • Unterschieden in der gesundheitlichen Versorgung (z. B. Arzt-Patient-Kommunikation).

Diese Faktoren führen wiederum zu

  • Unterschieden beim Gesundheits- und Krankheitsverhalten (z. B. Ernährung, Rauchen).

und insgesamt zu

  • einer gesundheitlichen Ungleichheit (Unterschiede in der Mortalität und Morbidität).

Faktoren für ein gesundes Leben sind also auch sozialpolitischer Art.

Hauptartikel Soziale Ungleichheit der Gesundheitschancen

Siehe auch

Wiktionary: Gesundheit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • Quartäre Prävention
  • Salutogenese

Belege

Literatur

  • Aaron Antonovsky: Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. DGVT-Verlag, Tübingen 1997.
  • P. Becker: Psychologie der seelischen Gesundheit. Hogrefe, Göttingen 1982.
  • J. Bengel, R. Strittmatter und H. Willmann: Was erhält Menschen gesund? Antonovskys Modell der Salutogenese – Diskussionsstand und Stellenwert; eine Expertise. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Köln 2001.
  • Gro Harlem Brundtland (Hrsg.): Grundrecht Gesundheit. Vision: Mehr Lebensqualität für alle. Campus, Frankfurt 2000.
  • Verena Corazza, Renate Daimler, Andrea Ernst, Krista Federspiel, Vera Herbst, Kurt Langbein, Hans-Peter Martin, Hans Weiss: Kursbuch Gesundheit. Symptome und Beschwerden. Gesundheit und Wohlbefinden. Rhythmen des Lebens. Krankheiten. Untersuchung und Behandlung. Aktualisierte Neuauflage. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011, ISBN 978-3-462-03593-3.
  • Josef W. Egger: Gesundheit - Aspekte eines komplexen biopsychosozialen Konstrukts und seine Korrelation zu Optimismus und Glückserleben. In: Psychologische Medizin 21. Jahrgang 2010, Nummer 1, S. 38 - 48 (PDF).
  • M. Hafen: Mythologie der Gesundheit – zur Integration von Salutogenese und Pathogenese. Carl Auer-Systeme-Verlag, Heidelberg 2007.
  • Klaus Hurrelmann: Gesundheitswissenschaften. Heidelberg: Springer 1999.
  • Klaus Hurrelmann: Gesundheitssoziologie. Weinheim: Juventa 2010.
  • T. Lampert, L. E.Kroll: Einfluss der Einkommensposition auf die Gesundheit und Lebenserwartung. DIW Discussion Paper 527/2005 (in elektronischer Fassung hier lesbar).
  • Lampert, T./Ziese, T.: Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit. Expertise des Robert Koch-Instituts zum 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. BMGS, Bonn 2005 (Schriftenreihe Lebenslagen in Deutschland) (in elektronischer Fassung hier lesbar).
  • Lutz, R., & Mark, N. (Eds.). (1995). Wie gesund sind Kranke? Zur seelischen Gesundheit psychisch Kranker. Göttingen: Hogrefe.
  • Mielck, Andreas: Soziale Ungleichheit und Gesundheit. Einführung in die aktuelle Diskussion Bern 2005 ISBN 3-456-84235-X
  • I. Seiffge-Krenke: Gesundheit als aktiver Gestaltungsprozess im menschlichen Lebeneslauf, in: Rolf Oerter, Leo Montada: Entwicklungspsychologie, PVU, Weinheim Basel Berlin, 4. Auflage, 1998
  • van Spijk, P. (1991). Definitionen und Beschreibung der Gesundheit – ein medizinhistorischer Überblick. Zürich: Schweiz. Gesellschaft für Gesundheitspolitik SGGP.

Weblinks

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