Bestätigte COVID-19-Fälle: Weltweite Sterblichkeitsrate liegt derzeit bei 4,7 Prozent
Bio-News vom 02.04.2020
Eine soeben veröffentlichte, internationale Studie unter Beteiligung der Vetmeduni Vienna bietet einen Überblick zum aktuellen Wissensstand betreffend SARS-CoV-2/COVID-19. Die Daten zu Virusgenomik, Epidemiologie und der Entwicklung von Impfstoffen und spezifischen Medikamenten sollen weltweit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Kampf gegen die Viruserkrankung unterstützen. Die Studie liefert auch wichtige Fakten für Entscheidungsträger, etwa was Gesundheitssysteme und Eindämmungsmaßnahmen wie „Pysical Distancing" betrifft.
Laut der soeben in Preprints vorab veröffentlichten Studie, an der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Österreich, Kanada und den Vereinigten Arabischen Emiraten beteiligt waren, liegt die weltweite Sterblichkeitsrate von durch Labortests bestätigten COVID-19-Fällen (Anm.: der Studie liegen 480.000 bestätigte COVID-19-Fälle zugrunde) bei rund 4,7%. Allerdings reicht die Bandbreite von etwa 0,3 bis 0,4% in Chile und Israel bis zu rund 10,8% in Italien.
Warum schwankt die Sterblichkeit so stark?
Die großen Abweichungen sind laut dem seitens der Vetmeduni Vienna beteiligten Wissenschaftler, Norbert Nowotny vom Institut für Virologie an der Vetmeduni Vienna, höchstwahrscheinlich auf den Umfang der Untersuchungen, also die Zahl der durchgeführten Tests, die Altersstruktur und den Gesundheitszustand der Bevölkerung sowie die unterschiedliche Leistungskraft der Gesundheitssysteme in den einzelnen Ländern zurückzuführen.
Gesundheitssysteme: 12 Tage durchschnittlicher Krankenhausaufenthalt
Bestätigung finden in der Studie bisher vorliegende Daten zur Fallschwere. Dazu Nowotny: „Bei rund 20% der bestätigten COVID-19-Patienten ist ein Krankenhausaufenthalt erforderlich, wobei die mittlere Aufenthaltsdauer bei 12 Tagen liegt. 25% der hospitalisierten Patienten – entsprechend rund 5% aller diagnostizierten Fälle – benötigen eine intensivmedizinische Betreuung.“
Publikation:
Mohammed Uddin, Farah Mustafa, Tahir A. Rizvi, Tom Loney, Hanan Al Suwaidi, Ahmad Al Marzouqi, Afaf Kamal Eldin, Nabeel Alsabeeha, Thomas E. Adrian, Cesare Stefanini, Norbert Nowotny, Alawi Alsheikh-Ali and Abiola C. Senok
SARS-CoV-2/COVID-19: Viral Genomics, Epidemiology, Vaccines, and Therapeutic Interventions
Preprints
DOI: 10.20944/preprints202004.0005.v1
Letalität ab 55 Jahren stark steigend
Die Schwere und der Ausgang der Krankheit korreliert in hohem Maße mit dem Erkrankungsalter, deutlich mehr schwere Formen von COVID-19 wurden bei Erwachsenen über 55 Jahren beobachtet. Zusätzlich wurde eine altersabhängige Todesrate mit dem niedrigsten Risiko bei Personen unter 19 Jahren (0-0,1%) und 20-54 Jahren (0,1-0,8%) nachgewiesen. Das Letalitätsrisiko steigt danach schrittweise an, mit einem Wert von 1,4 bis 4,9% in der Altersgruppe der 55- bis 74-Jährigen, 4,3 bis 10,5% bei den 75- bis 84-Jährigen, und der höchsten Sterblichkeitsrate von 10,4 bis 27,3% bei den über 85-Jährigen.
Besonders gefährdete Personengruppen
Personen mit zugrunde liegenden Gesundheitsproblemen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Leber- und Nierenerkrankungen, bösartigen Tumoren oder einem geschwächten Immunsystem entwickeln schwerere Formen der Krankheit und haben eine erhöhte Todesrate.
Hohe Übertragbarkeit und fragliche Saisonalität von SARS-CoV-2
Die aktuelle Modellierung der SARS-CoV-2-Ausbreitung schätzt eine Grundreproduktionszahl (R0) von 2,2, das bedeutet, dass eine infizierte Person 2,2 andere Personen mit dem neuartigen Coronavirus ansteckt. Dieser gemeldete R0-Wert ist höher als bei der saisonalen Influenza. „Diese Daten unterstreichen das hohe Potenzial von SARS-CoV-2 für eine Übertragung von Mensch zu Mensch, sofern keine strengen Maßnahmen zur Eindämmung umgesetzt und aufrechterhalten werden“, erklärt Nowotny.
Hinsichtlich der Saisonalität von SARS-CoV-2 gibt es derzeit keine ausreichenden Daten für eine verlässliche Einschätzung. Zwei Hauptfaktoren, die die Saisonalität beeinflussen können, sind Änderungen der Umweltparameter und des menschlichen Verhaltens. Insbesondere scheinen Außen- (z.B. Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Sonnenlicht/Vitamin D-Status) und Innenumweltfaktoren (z.B. Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftwechselrate) sowohl die Virusübertragungsparameter (z.B. Lebensfähigkeit des Virus, Aerosolisierung in der Luft, direkter Kontakt) als auch die Wirtsabwehr (z.B. Immunabwehr der Atemwege und Effizienz der Selbstreinigung durch Nase und Bronchien) wesentlich zu sein.
Handhygiene gegen Ansteckung durch Schmierinfektionen
Eine Reihe von Experimenten zur Stabilität von SARS-CoV-2 ergab, dass das Virus in Aerosolen bis zum Ende des Experiments nach 3 Stunden infektiös blieb. Auf Oberflächen blieb SARS-CoV-2 auf Kunststoff und Edelstahl am stabilsten – vermehrungsfähige Viren konnten hier bis zu 72 Stunden lang nachgewiesen wurden. Auf Kupfer und Papier wurden hingegen bereits nach 4 bzw. 24 Stunden keine infektiösen Viren mehr gefunden. Damit zeigt SARS-CoV-2 eine ähnliche Stabilität wie SARS-CoV – eine gründliche Handhygiene schützt laut den Forschenden jedoch verlässlich gegen Schmierinfektionen.
Impfstoffentwicklung gegen SARS-CoV-2
Derzeit gibt es weltweit massive Anstrengungen zur Entwicklung von Impfstoffen, die unterschiedlichen Ansätzen folgen. Alle diese Forschungsansätze werden gleichzeitig verfolgt, um möglichst rasch einen wirksamen Impfstoff zu entwickeln. Mehrere Impfstoffe werden bereits klinisch am Menschen getestet, unter anderem auch ein im Precision Vaccines Program (PVP) des Boston Children’s Hospital entwickelter Impfstoff, der speziell ältere Menschen schützen soll.
Repurposing zugelassener Wirkstoffe gegen COVID-19
Angesichts der Notwendigkeit einer raschen wirksamen Behandlung startete die WHO kürzlich mit „SOLIDARITY“ eine internationale klinische Studie, um für andere Indikationen zugelassene Arzneimittel mit antiviralen Eigenschaften gegen COVID-19 (Anm.: sogenanntes Repurposing) zu testen. Die in dieser Studie enthaltenen Medikamente sind Lopinavir und Ritonavir, Lopinavir und Ritonavir plus Interferon Beta sowie Chloroquin und Remdesivir. Zwar liegen erste Ergebnisse zu Wirksamkeit und Nebenwirkungen bereits vor, eine abschließende Bewertung ist derzeit jedoch noch nicht möglich.
Eindämmung der Pandemie: Einschränkungen bis auf Weiteres nötig
Die weltweiten Bemühungen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie zielen derzeit darauf ab, die Zahl der Infizierten zu verringern, eine übermäßige Belastung der Gesundheitssysteme zu minimieren und die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu verringern. Diese Bemühungen öffnen laut den Studienautoren das nötige Zeitfenster für die Entwicklung, Prüfung und Zulassung eines wirksamen Impfstoffs. Bis Impfstoffe verfügbar sind, ist es laut der Studie wahrscheinlich, dass nicht-pharmakologische Interventionen wie das „Physical Distancing“ die primäre Strategie bleiben, um die Pandemie einzudämmen.
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Veterinärmedizinischen Universität Wien via Informationsdienst Wissenschaft erstellt.