Intramuskuläre Injektion


Als intramuskuläre Injektion (i. m.) bezeichnet man das Einbringen eines flüssigen Arzneimittels in einen Skelettmuskel mittels Spritze und Kanüle (bzw. Fertigspritze). Die intramuskuläre Injektion zählt damit zur parenteralen Applikationsform. Ziel ist es, das Arzneimittel unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes mit einer gewissen Depotwirkung (z. B. Hormonpräparate, Antipsychotika, Antibiotika) zu verabreichen. Die intramuskuläre Injektion wird in der Humanmedizin auch für die meisten Impfungen eingesetzt, während in der Tiermedizin - zumindest beim Kleintier - vor allem subkutan geimpft wird.

Kontraindikationen

  • Schock: auf Grund der Kreislaufzentralisation ist die Resorption im Muskel stark verlangsamt
  • Bei Verdacht auf einen akuten Myokardinfarkt kann die bei intramuskulären Injektionen ansteigende Creatin-Kinase irrtümlich auf einen Myokardinfarkt hindeuten, was allerdings heute durch die Bestimmung kardialer Troponine nur eine untergeordnete Rolle spielt. Bei tatsächlich vorliegendem Infarkt sowie bei Lungenembolie hingegen schließt eine erfolgte i.-m.-Injektion eine Lyse-Therapie aus (Gefahr der Hämatombildung)
  • Hämorrhagische Diathese: z. B. bei Hämophilie, kann zu Nachblutung und Hämatombildung führen
  • Perorale Gabe von Gerinnungshemmern: z. B. Phenprocoumon, kann zu massiver Hämatombildung führen
  • Heparintherapie: ebenfalls Gefahr der Nachblutung bzw. Hämatombildung

Befähigung zur intramuskulären Injektion

Die intramuskuläre Injektion zählt primär zum ärztlichen und heilpraktischen Aufgabenbereich. Der Arzt kann diese Aufgabe jedoch an Pflegefachkräfte bzw. medizinische Fachangestellte übertragen, sofern er sich von deren Durchführungskompetenz überzeugt hat. Neben der Verantwortung für die Anordnung der Injektion an sich (Anordnungsverantwortung), trägt er in jedem Fall also auch die Delegationsverantwortung. Wer letztlich die Aufgabe übernimmt und ausführt ist dafür verantwortlich, dass dies fachgerecht, also mit der üblichen Sorgfalt geschieht (Durchführungsverantwortung).

Im Übrigen ist die jeweilige Einrichtung (z. B. vertreten durch ein Direktorium) für die Rahmenbedingungen verantwortlich, unter denen z. B. eine Injektion überhaupt fachgerecht durchführbar ist (Organisationsverantwortung). Man spricht hier auch von Strukturqualität. Hierzu zählt beispielsweise das Bereitstellen von notwendigen Kanülen und Spritzen, die ausreichende Anzahl an Personal, das Anbieten von Fortbildungen usw.

Die Kompetenz, intramuskulär zu injizieren, wird neben dem Medizinstudium und der Ausbildung zum Heilpraktiker u. a. im Rahmen der dreijährigen Berufsausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger, Altenpfleger, Hebamme oder Medizinischen Fachangestellten erworben.

Sorgfaltspflicht

Eine Injektion ist invasiv. Sie stellt eine Körperverletzung dar und ist deshalb strafbar, es sei denn, der Patient hat sein Einverständnis erklärt. Dies kann auch stillschweigend erfolgen, etwa indem er sein Gesäß freimacht und sich zur Seite dreht. Nicht strafbar ist darüber hinaus eine Injektion, in die der Patient zwar nicht einwilligen kann, die aber mutmaßlich seinem Willen entspricht, etwa zur Behandlung einer akut lebensbedrohenden Erkrankung. Der Patient ist über Sinn und Zweck, Nebenwirkungen und Komplikationen einer Injektion aufzuklären (ärztliche Aufgabe). Der Arzt hat, sofern er nicht selbst injiziert, einen kompetenten Verrichtungsgehilfen auszuwählen. Anordnung, Aufklärung und Durchführung sowie etwaige Komplikationen/Zwischenfälle sind zeitnah zu dokumentieren. Es dokumentiert der, der injiziert und/oder beobachtet hat. Was nicht dokumentiert wurde, muss juristisch als nicht durchgeführt gelten. Eine lückenhafte Dokumentation kann im Streitfall die Beweislastumkehr zur Folge haben.

Für den Injizierenden im Speziellen besteht die Sorgfalt insbesondere im Folgenden:

  • Beachtung der Sechs-R-Regel
  1. Richtiger Patient
  2. Richtiges Medikament (inkl. Überprüfung auf Haltbarkeit mit Sichtkontrolle)
  3. Richtige Dosis
  4. Richtige Applikationsform
  5. Richtiger Zeitpunkt
  6. Richtige Dokumentation
  • Fachgerechtes Aufsuchen des Injektionsortes
  • Fachgerechte Auswahl der Kanülengröße
  • Fachgerechte Auswahl der Spritzengröße
  • Hygienisches Arbeiten
  • Aspiration vor der Injektion
  • Erkennen eventueller Komplikationen und angemessenes Reagieren

Injektionsorte beim Menschen

Beim Menschen sind das Gesäß, der Oberarm und der Oberschenkel geeignete Injektionsorte.

Gesäß

Die Injektion im Gesäß erfolgt in den Musculus gluteus medius (und minimus). Die Injektionsmenge ist auf 10 ml begrenzt. Nicht geeignet ist dieser Muskel für Patienten vor dem 2. Lebensjahr, da noch nicht genügend Muskelmasse aufgebaut ist.

Gerade in diesem Bereich ist es von größter Bedeutung, sich genau an die beschriebene Methodik zu halten. Ein Abweichen, wie etwa die früher durchgeführte Quadrantenmethode, kann u. a. zur Verletzung des Nervus ischiadicus oder zu Fehlinjektionen in Blutgefäße führen.

Ventroglutäale Injektion nach Arthur von Hochstetter

Knöcherne Orientierungspunkte sind die Spina iliaca anterior superior (vorderer oberer Darmbeinstachel), die Crista iliaca (Darmbeinkamm) und der Trochanter major (großer Rollhügel).

Der Patient liegt idealerweise auf der Seite, dem Injizierenden abgewandt. Die Methode kann jedoch auch in Rückenlage angewandt werden. Ein Schwurfinger (je nach Lage Zeige- oder Mittelfinger) liegt auf der Spina iliaca anterior superior, der zweite Schwurfinger gleitet nun ca. 5 cm an der Crista iliaca entlang. Bei schlanken Patienten kann dann das Tuberculum iliacum ertastet werden. Während der erste Schwurfinger auf der Spina liegen bleibt, wird der zweite (dorsale) wenige Zentimeter nach unten verschoben, so dass der Handballen auf dem Trochanter major zu liegen kommt. Die Injektion erfolgt in die untere Hälfte des Dreiecks zwischen den beiden Schwurfingern senkrecht zur Körperoberfläche.

Die Praxis zeigt, dass an der korrekt aufgesuchten Injektionsstelle häufig noch sehniges Gewebe zu ertasten ist. Es empfiehlt sich in diesem Fall, abweichend von Hochstetter, 2 bis 3 cm weiter dorsal zu injizieren. Der Abstand zu großen Gefäßen und Nerven bleibt dabei dennoch gewahrt. Eine Differenzierung, welche Hand für welche Körperseite zu benutzen ist, wie es von Hochstetter vereinzelt beschreibt, ist überflüssig.

Ventroglutäale Injektion nach Peter Sachtleben (Crista-Methode)

Knöcherne Orientierungspunkte sind die Crista iliaca (Darmbeinkamm) und der Trochanter major (großer Rollhügel).

Der Patient liegt idealerweise auf der Seite. Eine Hand wird so an die Hüfte angelegt, dass die Zeigefingerkante der Crista iliaca von oben (kranial) her anliegt. Bei Patienten > 150 cm Körpergröße erfolgt die Injektion im Abstand von drei Querfingern unterhalb der Zeigefingerkante senkrecht zur Körperoberfläche, bei Patienten zwischen 100 und 150 cm Körpergröße im Abstand von zwei Querfingern unterhalb der Zeigefingerkante und bei Patienten < 100 cm Körpergröße im Abstand von einem Querfinger unterhalb der Zeigefingerkante senkrecht zur Körperoberfläche.

Die Angabe Anzahl der Querfinger unterhalb der Zeigefingerkante ist noch keine eindeutige Aussage bezüglich des Injektionsortes. Deshalb wird als weitere Orientierungslinie die Senkrechte durch den Trochanter major herangezogen, damit die Injektion seitlich und nicht dorsal erfolgt. Soll zwingend ventroglutäal injiziert werden, ist bei Patienten unter 150 cm Körpergröße die Crista-Methode ein Muss, während sie bei größeren Patienten lediglich eine Alternative zur Hochstetter-Methode darstellt. Weiterhin ist zu beachten, dass die ventroglutäale Injektion grundsätzlich erst ab dem zweiten Lebensjahr zu empfehlen ist (s.o.).

Weitere Injektionstechniken

In der Praxis spielen die Injektionstechniken nach Dvorák und nach Fortmann heute praktisch keine Rolle mehr.

Oberschenkel

Die Injektion in den Oberschenkel erfolgt in den Musculus quadriceps femoris (genauer: Musculus vastus lateralis). Die Injektionsmenge ist auf 5 ml begrenzt. Nicht injiziert werden sollten ölige oder kortikoidhaltige Lösungen sowie Antibiotika und Antirheumatika. Bei Patienten unter 2 Jahren ist dieser Muskel die erste Wahl.

Methode nach Arthur von Hochstetter

Knöcherne Orientierungspunkte sind der Trochanter major (großer Rollhügel des Oberschenkelknochens) und die Kniescheibe.

Der Patient liegt idealerweise auf dem Rücken, eine Injektion in Seitenlage ist jedoch ebenso möglich. Die Kleinfingergrundgelenke liegen auf der Kniescheibe und dem Trochanter major. Die rechtwinklig abgespreizten Daumen können nun leicht die untere (dorsale) Begrenzung des M. vastus lateralis ertasten. Die Injektion erfolgt in ein Feld oberhalb der beiden Daumenspitzen senkrecht in Richtung Oberschenkelknochen.

Alternativ bzw. bei Kindern auf Grund der veränderten Körperproportionen obligat liegt die Injektionsstelle im mittleren Drittel der (schräg verlaufenden) Verbindungslinie zwischen Trochanter major und Kniescheibe.

Oberarm

Am Oberarm erfolgt die Injektion in den Musculus deltoideus. Die Injektionsmenge ist auf Grund der geringen Muskelmasse auf zwei Milliliter begrenzt. Auf schwer resorbierbare und aggressive Medikamente sollte hier verzichtet werden. Für Impfungen ist dieser Muskel die erste Wahl. Als knöcherner Orientierungspunkt dient das Acromion (Schulterhöhe).

Der Patient sitzt oder steht, eine Injektion in Seitenlage ist jedoch ebenso möglich. Die Injektion erfolgt in die Hauptmasse des M. deltoideus, drei Querfinger unterhalb des Acromions senkrecht zur Hautoberfläche.

Kanülenlänge

Der Kanülenlänge kommt bei der intramuskulären Injektion eine besondere Bedeutung zu. Es werden Kanülen in der Länge von 25 bis 70 mm eingesetzt. Eine zu lange Kanüle kann auf Knochengewebe stoßen, eine zu kurze Kanüle statt im Muskel im subkutanen Fettgewebe landen, insbesondere bei adipösen Patienten, aber auch bereits bei Normalgewichtigen. Eine fälschlicherweise ins Fettgewebe erfolgte Injektion führt nicht nur zu einer veränderten Resorptionsdauer, sondern kann auch schwerwiegende Komplikationen nach sich ziehen (siehe unten).

Die Fachliteratur empfiehlt meist, die Kanüle nicht ganz einzustechen, sondern einen Abstand zwischen Konus und Haut von 10 mm zu halten. Als Begründung wird angeführt, man könne so, im Falle eines Abbrechens der Kanüle, diese noch problemlos herausziehen. Das Abbrechen einer Kanüle ist bei fachgerechter Durchführung der Injektion jedoch eine seltene Komplikation.

Aspiration

Vor einer intramuskulären Injektion ist stets ein Aspirationsversuch durchzuführen. Wird dabei Blut aspiriert, muss der Eingriff abgebrochen, das Medikament mit neuer Spritze und neuer Kanüle neu aufgezogen und an anderer Stelle injiziert werden. Angesaugtes Blut ist ein Zeichen dafür, dass ein Blutgefäß punktiert wurde, die Injektion folglich auch in dieses Gefäß (intravenös oder intraarteriell), und nicht, wie erwünscht, in das Muskelgewebe, erfolgen würde. Komplikationen könnten die Folge sein. Um eine Injektion in die Gefäßwand zu vermeiden, sollte die Kanüle noch einmal um 180° gedreht werden, sodass eine intravasale Lage sicher ausgeschlossen ist.

Komplikationen

  • Aseptischer Spritzenabszess
  • Septischer Spritzenabszess
  • Muskelfibrose
  • Aseptische Muskelnekrose
  • Fettgewebsatrophie
  • Verkalkungen von Muskel- oder Fettgewebe
  • Nervenschäden
  • Lungenembolie
  • Zerebrale Mikroembolien
  • Embolia cutis medicamentosa (mit Nicolau-Syndrom)

Während einige Komplikationen unvermeidbar sind (z.B. Verkalkungen), so ist doch die Mehrzahl der Zwischenfälle bei intramuskulärer Injektion auf unsachgemäße Durchführung zurückzuführen. Es lauern Fehlerquellen vor allem beim Aufsuchen des Injektionsortes, bei der Auswahl der Kanüle, bei der Injektion selbst (vergessene Aspiration) sowie bei der Asepsis.

Literatur

  • H. Humbert: Injektionen und Blutentnahmen, W. Kohlhammer GmbH Stuttgart, 1. Auflage, 2002

Weblinks