Robert Eugen Gaupp


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Robert Eugen Gaupp (* 3. Oktober 1870 in Neuenbürg, Württemberg; † 30. August 1953 in Stuttgart) war ein deutscher Psychiater und Neurologe.

Wirken

Robert Eugen Gaupp, der Sohn des Staatsrats Robert von Gaupp, erforschte in Heidelberg die Dipsomanie und promovierte 1901 bei Emil Kraepelin (einem damals bekannten Abstinenzler). 1903 folgte er Kraepelin nach München. Gaupp war von 1906 bis 1936 Professor an der Universität Tübingen und Vorstand der Universitätsnervenklinik. Einer seiner Schüler war Ernst Kretschmer, der ab 1913 als Assistent bei Gaupp arbeitete, sich 1918 bei ihm habilitieren konnte und anschließend an der Klinik als Oberarzt tätig war. Im Jahr 1909 wurde Gaupp zum Mitglied der Leopoldina gewählt.

Bereits 1910 gehörte Gaupp dem Vorstand der Gesellschaft für Rassenhygiene an.[1] Während des Ersten Weltkriegs, den er als grausam beschrieb,[2] wandte er sich gegen die Frauenrechtsbewegung und warnte 1916 vor der „Emanzipationsseuche fanatisierter Weiber“.[3] Nachdem er sich 1916[4] mit sogenannten Kriegsneurosen beschäftigt hatte, kam er später zu dem Schluss, dass auch psychogene Erkrankungen Symptome einer Gasvergiftung, wie sie im Gaskrieg während des Ersten Weltkrieges[5] auftrat, zeigen können.[6] In der Weimarer Republik war Gaupp ein entschiedener Befürworter der rassenhygienischen Zwangssterilisierung. So schrieb er beispielsweise in seinem 1925 erschienenen Buch Die Unfruchtbarmachung geistig und sittlich Kranker und Minderwertiger: „Ohne ihre Sterilisierung kann der eugenische Gedanke einer Reinigung des ganzen Volkes von seinen minderwertigen Elementen niemals verwirklicht werden.“[3]

Vortrag von Herrn Prof. Dr. Gaupp
„Der Kampf gegen die Entartung unseres Volkes vom Standpunkt des Arztes“ am 3. März 1931 im Hörsaal der Tübinger Nervenklinik[7]

Ab 1931 war Gaupp Mitglied des Kuratoriums des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Hirnforschung. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten publizierte er 1934 das Buch Die Quellen der Entartung von Mensch und Volk und die Wege der Umkehr.[1] Sein berühmtester Fall war der Massenmörder Ernst August Wagner.

Von 1945 bis 1948 war Gaupp Dezernent für Wohlfahrts- und Gesundheitswesen der Stadt Stuttgart. Er stellte Persilscheine für die Aktion T4-Beteiligten Max Eyrich und Karl Lempp aus. Gaupp war Mitglied der A.V. Igel Tübingen. Sein Sohn war Robert Gaupp junior. Der Mediziner, Anatom und Kunsthistoriker Carl Hasse war sein Schwiegervater.

Robert-Gaupp-Staffel in Tübingen

Eine von der Altstadt Tübingens zur Psychiatrischen Klinik führende Treppe wurde 1992 vom Tübinger Gemeinderat von „Robert-Gaupp-Staffel“ in „Jakob-van-Hoddis-Staffel“ umbenannt. Auf Anregung eines Koordinationstreffens der Tübinger Behindertengruppen und des Fördervereins zur Erforschung der Heimatgeschichte des Nationalsozialismus fand sich am 17. Februar 1992 im Gemeinderat der Universitätsstadt Tübingen eine Mehrheit für die Neubenennung, weil Robert Gaupp bereits in den 1920er Jahren für die Zwangssterilisierung von geistig Behinderten eingetreten war und als Wegbereiter der nationalsozialistischen Rassenlehre gilt. Der Dichter Jakob van Hoddis war zur Amtszeit Gaupps von 1922 bis 1927 Patient in der Tübinger Nervenklinik und wurde 1942 von den Nationalsozialisten ermordet.[8]

Auszeichnungen

  • 1952: Bundesverdienstkreuz (Steckkreuz)

Schriften (Auswahl)

  • Robert Gaupp: Zur Psychologie des Massenmords. Hauptlehrer Wagner von Degerloch. Eine kriminalpsychologische und psychiatrische Studie nebst einem Gutachten von Geh. Med.-Rat Prof. Dr. R. Wollenberg. Berlin, Julius Springer, 1914 (aus der Reihe Verbrechertypen, hrsg. von H.W. Gruhle und A. Wetzel, I. Band, 3. Heft. In diesem Heft ist sein für das Kgl. Landgericht Heilbronn erstattete Gutachten zur strafrechtlichen Verantwortung enthalten.)
  • Robert Gaupp: Kriegsneurosen. In: Zeitschrift der gesamten Neurologie und Psychiatrie. Band 34, 1916, S. 357–390.
  • Die Unfruchtbarmachung geistig und sittlich kranker und Minderwertiger. Erweitertes Referat, erstattet auf der Jahresversammlung des Deutschen Vereins für Psychiatrie am 3. September 1925 in Kassel. Julius Springer Verlag, Berlin 1925
  • Robert Gaupp: Vom dichterischen Schaffen eines Geisteskranken. In: Jahrbuch der Charakterologie, hrsg. von Emil Utitz, II. und III. Jahrgang; Gaupp auf den S. 197–225. Pan-Verlag Rolf Heise, Berlin 1926
  • Robert Gaupp: Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. In: Deutsche Strafrechtszeitung-Zeitung 7, 1920, H. 11/12, Sp. 332–337

Literatur

  • Wilhelm Katner: Gaupp, Robert Eugen. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 100 f. (Digitalisat).
  • Kurt Kolle: Große Nervenärzte. Band 2. Stuttgart: Georg Thieme 1970; ISBN 3-13-363102-0 (Seine von Friedrich Mauz verfasste Biographie befindet sich auf den Seiten 139–149.)
  • Claudia Leins: Robert Eugen Gaupp : Leben und Werk. Tübingen, Univ., Diss., 1991

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 175.
  2. Wolfgang U. Eckart: Der hungrige Krieg. Verletzte Seelen, mit e. Zsfass. in englischer Sprache, in: Universität Heidelberg: Ruperto Carola 4(2014), S. 76–83. Der hungrige Krieg 2014
  3. 3,0 3,1 Zitat bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Fischer Taschenbuch 2005, S. 175.
  4. Robert Gaupp: Kriegsneurosen. 1916, insbesondere S. 379.
  5. Volker Hartmann: Medizin im Gaskrieg. Vor 100 Jahren: Einsatz von Chlorgas bei Ypern. In: Wehrmedizinische Monatsschrift. Band 59, 2015, S. 159–163, hier insbesondere: S. 162.
  6. Reinhard Platzek: Die psychiatrische Behandlung nach Kaufmann – in Wahrheit ärztliche Folter? Eine Überlegung zur modernen Wahrnehmung der Elektrosuggestivtherapie. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 34, 2015 (2016), S. 169–193, hier: S. 171.
  7. Tübinger Zeitung vom 2. März 1931 zitiert in Informationen über den Faschismus in Tübingen.
  8. [1]Stadtchronik 1992 (Stadt Tübingen)

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