Stiftung für Verhalten und Umwelt


Die Stiftung für Verhalten und Umwelt (VerUm) wurde am 21. Dezember 1992 vom Verband der Cigarettenindustrie (VdC) als öffentliche Stiftung des bürgerlichen Rechts gegründet und hat ihren Sitz in München. Sie ist die Nachfolgeorganisation des "Forschungsrates Rauchen und Gesundheit", der wissenschaftlichen Abteilung des VdC.

Stiftungszweck und Rolle

Der Stiftungszweck von VerUm ist die Förderung von wissenschaftlichen Untersuchungen über Verhaltens- und Umwelteinflüsse auf die menschliche Gesundheit, um die Voraussetzungen für Prävention, Diagnose und Therapie einer Reihe chronischer degenerativer Erkrankungen zu schaffen.[1] Die Fördermittel werden dazu aus Erträgen des Stiftungskapitals (ca. 4,1 Millionen €), sowie aus Zuwendungen bestritten. Mittlerweile hat der VdC die finanzielle Unterstützung von VerUm eingestellt.[1] Entsprechende Mittel werden jetzt auch mit Forschungsanträgen bei der EU-Kommission akquiriert.

Die Stiftung ist die Nachfolgeorganisation des "Forschungsrates Rauchen und Gesundheit", der wissenschaftlichen Abteilung des VdC. Der "Forschungsrat Rauchen und Gesundheit" wie auch die Stiftung VerUm wurde von den Tabakkonzernen mit dem Ziel ins Leben gerufen, im Sinne der Tabakindustrie Einfluss auf deutsche Ärzte, Wissenschaftler und auch die Medienberichterstattung nehmen zu können. Die Auslagerung in externe Einrichtungen diente dabei unter anderem dazu, in Wissenschaft und Medien weniger auffällig agieren zu können. In einem internen Schreiben heißt es dazu: „... wenn diese separate Einrichtung die Verwaltung der Forschungsprojekte vornimmt, kann eine Identifikation dieser Projekte mit dem Verband der Cigarettenindustrie leichter vermieden werden ...".[2]

Zahlreiche weitere Dokumente, zu deren Veröffentlichung amerikanische Tabakkonzerne Ende der 90er Jahre gezwungen wurden, dokumentieren die Beziehung der Stiftung VerUm und ihrer Vorgängerorganisation zur Tabakindustrie.[3][4][5][6] Der Berliner Forscher Thilo Grüning wirft VerUm vor, von den Gesundheitsschäden durch Rauchen ablenken zu wollen, indem andere Ursachen für Krebs wie z.B. Handy-Strahlung aufgezeigt würden.[4]

Franz Adlkofer, Geschäftsführer und Mitglied des Stiftungsrats, bestritt noch in einer 1998 erschienenen Veröffentlichung ausdrücklich jegliche Verbindung zur Tabakindustrie.[7] Kurz danach veröffentlichte interne Dokumente der Tabakindustrie belegen, dass er vielmehr jahrzehntelang eine zentrale Rolle bei der wissenschaftlichen und politischen Einflussnahme im Sinne der Tabakindustrie gespielt hat.[8]

Auch andere amtierende Funktionäre der Stiftung VerUm stehen seit langer Zeit in enger Verbindung zur Tabakindustrie. So erhielt etwa Rupert Scholz nach einem Bericht des "Stern" bereits im Jahr 1994 50.000 DM Beratungshonorar vom VdC.[9] Scholz ist in den vergangenen Jahren mehrfach juristisch gegen das sich anbahnende Rauchverbot vorgegangen. Der heutige Vorsitzende Klaus Thurau pflegte bereits in den 80er Jahren enge Verbindungen zur Tabakindustrie und war Vorsitzender des VdC-Gremiums "Forschungsrat Rauchen und Gesundheit", Franz Adlkofer war zu dieser Zeit dort Geschäftsführer.[10] In einer Ende der 80er-Jahre erschienenen Broschüre des Tabakkonzerns Philip Morris bestritt Thurau die Existenz von Krankheiten, die spezifisch mit dem Tabakrauchen assoziiert seien, vielmehr sei das Rauchen lediglich einer von zahlreichen Risikofaktoren.[11] Das Beratungsunternehmen von Stiftungsrat Roland Berger, der als politisch einflussreich gilt und eine große Nähe zu Regierungsinstitutionen pflegt, ist in den vergangenen Jahren mehrfach in Projekten für die Tabakindustrie tätig geworden. Auf der Grundlage einer vom Beratungshaus Roland Berger für den VdC durchgeführten Studie argumentierte die Tabakindustrie beispielsweise gegen die im Jahr 2003 geplante Erhöhung der Tabaksteuer, weil sich hierdurch angeblich der Absatz versteuerter Zigaretten um fast ein Drittel reduzieren würde.[12]

Dokumenten aus der Gründungszeit der Stiftung ist zu entnehmen, dass die Verantwortlichen im Tabakkonzern Philip Morris (zu dieser Zeit einflussreiches Mitglied im VdC) großen Wert darauf legten, langfristig die Kontrolle darüber zu behalten, was die Stiftung mit dem Geld der Tabakindustrie unternimmt.[13]

Seit der Gründung wurden etwa 100 Forschungsvorhaben, circa 40 wissenschaftliche Veranstaltungen und vier Habilitationen mit knapp 15 Millionen € finanziert. Im November 2000 wurden folgende Forschungsschwerpunkte festgelegt:

  • Auswirkungen elektromagnetischer Felder (EMF) unterschiedlicher Herkunft auf die menschliche Gesundheit
  • Wechselbeziehung zwischen exogenen und endogenen Faktoren bei der Entstehung der Alzheimer- und anderer neurodegenerativer Erkrankungen

Forschungsvorhaben

Das im Jahre 2000 begonnene Forschungsvorhaben „Risk Evaluation of Potential Environmental Hazards from Low Energy Electromagnetic Field (EMF) Exposure Using Sensitive in vitro Methods“ (REFLEX-Studie) lief vom Februar 2000 bis Mai 2004. Die Ergebnisse des Projektes werden äußerst kontrovers diskutiert. Franz Adlkofer, Koordinator des REFLEX-Programms, stellte abschließend fest, dass alle Ergebnisse ausschließlich an Zellkulturen gewonnen wurden und daher nicht geeignet seien, einen kausalen Zusammenhang zwischen einer EMF-Exposition und der Entstehung chronischer Erkrankungen oder auch nur funktioneller Störungen beim Menschen zu belegen. Sie erhöhten jedoch die Plausibilität für eine solche Annahme. Der erreichte Fortschritt durch das Projekt bestehe vor allem darin, dass neue Wege für die Ausrichtung künftiger Forschungsvorhaben aufgezeigt werden.

Die Reflex-Studie hatte zunächst scheinbar gezeigt, dass bei extrem starken Feldern ein reproduzierbarer Zusammenhang zwischen alltäglicher elektromagnetischer Strahlung und Zellschädigungen bestehen kann.[14] Diese Laborergebnisse ließen, selbst wenn sie wahr gewesen wären, keinen Schluss auf Krankheiten zu, die durch derartige Strahlung hervorgerufen werden.[15] Die Reflex-Studie ist inzwischen laut Medienberichten hinsichtlich angeblich festgestellter Strangbrüche im Erbgut ungültig, da Laborergebnisse offenbar bewusst gefälscht worden sind, [16] wohingegen andere Medien angeben, hierfür gebe es keine Beweise.[17]

Stiftungsvorstand und Organe

Vorsitzender ist Klaus Thurau, Stellvertretender Vorsitzender ist Rupert Scholz. Zum Stiftungsrat gehören Franz Adlkofer (seit 2002), Roland Berger (seit 1995), Heinz Dürr (seit 1997), Kurt Kochsiek (seit 1992), Rupert Scholz (seit 1992), Klaus Thurau (seit 1992), Baldur Wagner (seit 1999).

Der wissenschaftliche Beirat wurde aufgelöst.

Siehe auch

  • Lobbyismus
  • Tabakrauchen

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 verum-foundation.de: Geschichte, abgerufen am 21. Oktober 2007
  2. Tabakindustrie und Ärzte: „Vom Teufel bezahlt ...“, Deutsches Ärzteblatt 2007; 104(12): A-770, abgerufen am 27. März 2008
  3. Thilo Grüning, Anna B Gilmore, Martin McKee: Tobacco Industry Influence on Science and Scientists in Germany, Am J Public Health 2006; 96: 20–32
  4. 4,0 4,1 Tabakindustrie - Die große Vernebelung, Stern, 16. Dezember 2005, abgerufen am 27. März 2008
  5. Udo Ludwig: Geheime Gesandte. In: Der Spiegel. Nr. 23, 2005, S. 156–158 (online).
  6. Tabakindustrie und Ärzte: „Vom Teufel bezahlt ...“, Deutsches Ärzteblatt 2007; 104(12): A-770, abgerufen am 27. März 2008
  7. Franz Adlkofer, Circulation 1998;97:1870: Asked for a possible conflict of interest, I declare categorically that I am not in any way, financially, economically, or otherwise, linked to the cigarette industry
  8. Ergebnis der Suche nach den Suchbegriffen "Adlkofer VdC" unter tobaccodoumnents.org, abgerufen am 27. März 2008
  9. Kämpfer für den Qualm, Stern 45/2002, abgerufen am 27. März 2008
  10. Stern: "..und sie rauchen immer noch", abgerufen am 28. März 2008
  11. Übersetzung einer Philip-Morris-Broschüre, ca. 1988, abgerufen am 28. März 2008
  12. Drastische Warnung an die Raucher, Abendblatt, 30. September 2003, abgerufen am 28. März 2008
  13. Internes Memo von Philip Morris von Juli 1991, abgerufen am 27. März 2008: Walter [Walter Fink von Philip Morris] says that the PM [Philip Morris] position should be that we are, not, in principle, opposed to a foundation, but that the foundations charter (or whatever) must be structured such that we can guide/control what they choose to do with the money.
  14. REFLEX Projekt In vitro Experimente von EM-Bestrahlung an Einzelzellen (englisch)
  15. Stellungnahme des BfS zur REFLEX-Studie
  16. Der Spiegel Heft 22/2008 und Spiegel Online: Beim Tricksen ertappt
  17. T. Goebel: Rufunterdrückung: Das Sittenbild hinter den angeblich gefälschten Handystudien. Konflikt zwischen Mobilfunkindustrie & Wissenschaft. In: profil, 24. November 2008

Weblinks